Leitsatz (amtlich)
a) Ein Spruchverfahren wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Antragsgegners nicht entsprechend § 240 ZPO unterbrochen.
b) Die Forderung eines gemeinsamen Vertreters im Spruchverfahren auf Ersatz seiner Auslagen und Vergütung ist in einem nach seiner Bestellung über das Vermögen eines Antragsgegners eröffneten Insolvenzverfahren eine Insolvenzforderung.
Normenkette
SpruchG § 6 Abs. 2 S. 1; UmwG a.F. § 308 Abs. 2; ZPO § 240
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des 26. Zivilsenats des OLG Düsseldorf vom 14.12.2015 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Antragsgegners entschieden worden ist, und wie folgt neu gefasst:
Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners werden der Beschluss der 2. Kammer für Handelssachen des LG Köln vom 28.5.2014 abgeändert und der Festsetzungsantrag des gemeinsamen Vertreters vom 18.9.2013 sowie seine Hilfsanträge vom 13.1.2014 zurückgewiesen.
Die Anschlussrechtsbeschwerde des gemeinsamen Vertreters wird zurückgewiesen.
Der gemeinsame Vertreter trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens: 75.665,72 EUR
Gründe
A.
Rz. 1
Die B. AG war durch Verschmelzungsvertrag vom 7.10.2002 auf die N. AG verschmolzen worden, die nachfolgend in die A. AG (im Folgenden: Schuldnerin) umfirmiert wurde. Zur Überprüfung der Angemessenheit des Umtauschverhältnisses in dem Verschmelzungsvertrag wurde am 8.7.2003 von einigen Aktionären ein Spruchverfahren eingeleitet. Mit Beschluss des LG vom 29.7.2003 wurde ein gemeinsamer Vertreter bestellt.
Rz. 2
Am 1.4.2009 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Antragsgegner zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser zeigte am 8.3.2010 gegenüber dem Insolvenzgericht Masseunzulänglichkeit an.
Rz. 3
Nachdem Vergleichsverhandlungen unter Beteiligung des Antragsgegners gescheitert waren, setzte das LG mit Beschluss vom 26.7.2013 auf Grundlage eines Sachverständigengutachtens bare Zuzahlungen i.H.v. 3,02 EUR je Stammaktie und 2,73 EUR je Vorzugsaktie der B. AG fest. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der Vergütung und Auslagen des gemeinsamen Vertreters wurden dem Antragsgegner auferlegt. Den Geschäftswert setzte die Kammer auf 7,5 Mio. EUR fest.
Rz. 4
Das LG hat die Vergütung des gemeinsamen Vertreters antragsgemäß auf 85.665,72 EUR, abzgl. des bereits durch Beschluss vom 13.9.2004 gewährten Vorschusses i.H.v. 10.000 EUR, nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2.10.2013 festgesetzt. Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners hat das OLG den Beschluss des LG unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Bedeutung - festgestellt, dass dem gemeinsamen Vertreter die zugesprochene Vergütung einschließlich Zinsen als Masseforderung zustehe.
Rz. 5
Dagegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Antragsgegners, mit der er die Zurückweisung des Festsetzungsantrags des gemeinsamen Vertreters begehrt. Der gemeinsame Vertreter begehrt im Wege der Anschlussrechtsbeschwerde, den Beschluss des LG wiederherzustellen.
B.
Rz. 6
Die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners hat Erfolg. Sie führt unter Aufhebung des Beschlusses des Beschwerdegerichts zur Zurückweisung des Antrags des gemeinsamen Vertreters auf Festsetzung seiner Vergütung. Die Anschlussrechtsbeschwerde des gemeinsamen Vertreters ist unbegründet.
Rz. 7
I. Die Rechtsbeschwerde ist in entsprechender Anwendung von § 85 FamFG, §§ 104 Abs. 3, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Rz. 8
Gegen die Beschwerdeentscheidung im Festsetzungsverfahren nach § 6 Abs. 2 Satz 2 SpruchG findet über § 104 Abs. 3 ZPO entsprechend §§ 574 ff. ZPO die Rechtsbeschwerde nach den Vorschriften der ZPO statt, wenn das Beschwerdegericht sie nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO zugelassen hat (BGH, Beschl. v. 22.10.2013 - II ZB 4/13, ZIP 2013, 2426 Rz. 12 m.w.N.).
Rz. 9
Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts ist auf das Festsetzungsverfahren § 6 Abs. 2 SpruchG und nicht § 308 Abs. 2 UmwG a.F. anzuwenden. Für das anzuwendende Recht ist nicht der Zeitpunkt der Einleitung des Spruchverfahrens, sondern der der Einleitung des Festsetzungsverfahrens maßgebend. Dieses Festsetzungsverfahren beginnt erst nach dem Ende des Hauptsacheverfahrens, hier dem Beschluss des LG vom 26.7.2013 in der Hauptsache. Die von Amts wegen vorzunehmende Festsetzung der endgültigen Vergütung ist keine bloße Zwischen- oder Nebenentscheidung des Hauptsacheverfahrens, sondern geschieht in einem davon getrennten selbstständigen Verfahren, an dem nur der gemeinsame Vertreter und der Antragsgegner als Schuldner der Vergütung (§ 6 Abs. 2 Satz 1 SpruchG) beteiligt sind (BGH, Beschl. v. 22.10.2013 - II ZB 4/13, ZIP 2013, 2426 Rz. 5 f.).
Rz. 10
Auf ein solches Festsetzungsverfahren sind gem. § 17 Abs. 1 SpruchG die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) anzuwenden. Der Senat hat das bereits für ein Festsetzungsverfahren entschieden, in dem das zugrunde liegende Spruchverfahren nach dem Spruchverfahrensgesetz (SpruchG) vor dem Inkrafttreten des FamFG eingeleitet worden war, das Festsetzungsverfahren auf Grundlage von § 6 Abs. 2 SpruchG aber - wie hier - erst danach (BGH, Beschl. v. 22.10.2013 - II ZB 4/13, ZIP 2013, 2426 Rz. 4 ff. m.w.N.). Nichts anderes gilt, wenn das Spruchverfahren bereits vor dem 1.9.2003 eingeleitet worden war und gem. § 17 Abs. 2 Satz 1 SpruchG die bis dahin geltenden Vorschriften des Umwandlungsgesetzes weiter anzuwenden waren. Diese Verweisung erfasst - wie die klarstellende Regelung für Beschwerdeverfahren in § 17 Abs. 2 Satz 2 SpruchG zeigt - allein das erstinstanzliche Spruchverfahren und nicht zugleich das sich anschließende Festsetzungsverfahren.
Rz. 11
II. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
Rz. 12
1. Das Beschwerdegericht (OLG Düsseldorf ZIP 2016, 940 ff.) hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 13
a) Der Anspruch des gemeinsamen Vertreters auf Auslagenersatz und Vergütung sei keine Insolvenzforderung, sondern eine sonstige Masseverbindlichkeit gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Daher stehe § 87 InsO seiner Geltendmachung und Durchsetzung nicht entgegen, denn diese würden sich nach den außerhalb des Insolvenzverfahrens geltenden Vorschriften vollziehen. Vorliegend sei das Spruchverfahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortgesetzt worden, was allerdings aufgrund der Natur des Spruchverfahrens keine Aufnahme durch den Antragsgegner gem. §§ 85, 86 InsO erfordert habe.
Rz. 14
Unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Spruchverfahrens und der besonderen Stellung eines gemeinsamen Vertreters der außenstehenden Aktionäre sowie seiner Aufgaben sei der Vergütungsanspruch des gemeinsamen Vertreters für seine Tätigkeit in dem ungeachtet der Insolvenz der Antragsgegnerin fortgesetzten Spruchverfahren als Masseverbindlichkeit einzustufen. Der gemeinsame Vertreter werde vom Gericht bestellt, um als gesetzlicher Vertreter der nichtantragstellenden antragsberechtigten Anteilsinhaber deren Rechte im Spruchverfahren zu wahren. Mit Blick auf die inter-omnes-Wirkung des Spruchverfahrens solle die Bestellung des gemeinsamen Vertreters das rechtliche Gehör der nichtantragstellenden Aktionäre gewährleisten und sicherstellen, dass außenstehende Aktionäre gleichmäßig entschädigt werden, sowie ein "Auskaufen" einzelner Aktionäre verhindern. Diese Bündelung der Gläubigerinteressen liege auch im Interesse der Gesellschaft.
Rz. 15
Der Vergütungsanspruch des gemeinsamen Vertreters, der zwar dem Grunde nach kraft Gesetzes schon mit der Bestellung entstehe, sei ein einheitlicher Anspruch, dessen konkrete Ausgestaltung und Durchsetzbarkeit noch von der Festsetzung durch das Gericht abhängig sei. Die Festsetzung könne erst nach Abschluss des oft viele Jahre dauernden Spruchverfahrens erfolgen, weil erst dann die für die Höhe der Vergütung maßgeblichen Umstände feststünden und der Geschäftswert festgesetzt werde.
Rz. 16
Der gemeinsame Vertreter könne sich gegen die Gefahr einer Insolvenz des Kostenschuldners auch nicht durch Vorschusszahlungen hinreichend absichern, da sich der Vorschuss unter Zugrundelegung des Mindestgeschäftswertes von 200.000 EUR bemesse. Insbesondere dann, wenn der endgültige Geschäftswert erheblich über diesem Wert liege, bleibe der Vorschuss deutlich hinter der angemessenen Vergütung zurück. Würde der Vergütungsanspruch als bloße Insolvenzforderung angesehen, würde sich auch mit Blick auf die erhebliche Dauer der Spruchverfahren daher regelmäßig kein gemeinsamer Vertreter finden, insb. dann nicht, wenn ein Insolvenzverfahren schon eröffnet worden ist. Die ordnungsgemäße Durchführung eines Spruchverfahrens wäre so gefährdet.
Rz. 17
b) Der vom gemeinsamen Vertreter begehrten Festsetzung stehe die Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch den Antragsgegner entgegen. Bei den Auslagen und der Vergütung des gemeinsamen Vertreters handele es sich um eine Altmasseverbindlichkeit nach § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO, da die Bestellung des gemeinsamen Vertreters nicht nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit erfolgt sei. Dem Antragsteller fehle das notwendige Rechtsschutzinteresse für den Erlass eines gem. § 210 InsO nicht mehr durchsetzbaren Kostenfestsetzungsbeschlusses nach § 104 ZPO.
Rz. 18
c) Bei dieser Sachlage sei festzustellen, dass dem gemeinsamen Vertreter - wie von ihm hilfsweise beantragt - für seine Vergütung, Auslagen und Zinsen ein Masseanspruch gem. § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO i.H.v. 85.665,72 EUR brutto zustehe.
Rz. 19
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Durchführung des Festsetzungsverfahrens war unzulässig.
Rz. 20
a) Der Zulässigkeit des Festsetzungsverfahrens steht jedoch nicht schon die Unterbrechung des Spruchverfahrens entsprechend §§ 240, 249 ZPO entgegen.
Rz. 21
aa) Teilweise wird im Schrifttum die Ansicht vertreten, im Falle der Insolvenz des Antragsgegners sei das Spruchverfahren als "streitiges Verfahren" der freiwilligen Gerichtsbarkeit analog § 240 ZPO kraft Gesetzes unterbrochen, da es die Festlegung der vom Antragsgegner zu gewährenden Ausgleichsverpflichtung, also die Insolvenzmasse betreffe (Antczak/Fritzsche in Dreier/Fritzsche/Verfürth, SpruchG, 2. Aufl., § 5 Rz. 11; Puszkajler in KölnKomm/AktG, § 11 SpruchG Rz. 57; Wälzholz in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 174. Lfg. [Stand: 1.10.2016], § 17 SpruchG Rz. 9.1; Jaeger/Windel, InsO, § 85 Rz. 76; Uhlenbruck/Mock, InsO, 15. Aufl., § 85 Rz. 97; Malitz, EWiR 2003, 71, 72; Stürner, in FS Uhlenbruck, 2000, S. 669, 672 ff.; wohl auch Lüke in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 78. Lfg. 11.2018, § 85 Rz. 34; einschränkend Wittgens, Das Spruchverfahrensgesetz, S. 234 ff.). Danach wäre das dem Festsetzungsverfahren zugrunde liegende Spruchverfahren seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin unterbrochen und vorliegend auch nicht wiederaufgenommen worden. Eine Unterbrechung des Spruchverfahrens würde sich auf ein nachfolgendes Festsetzungsverfahren auswirken. Vor dem Ende des Spruchverfahrens kann ein Festsetzungsverfahren nicht beginnen (vgl. BGH, Beschl. v. 22.10.2013 - II ZB 4/13, ZIP 2013, 2426 Rz. 7). Demnach wäre das Rechtsschutzinteresse des Antragsgegners darauf gerichtet, die unter Verstoß gegen den Verfahrensstillstand ergangenen Entscheidungen allein wegen dieses Verstoßes aufheben zu lassen (vgl. Hk-ZPO/Wöstmann, ZPO, 7. Aufl., § 249 Rz. 10; Greger in Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 249 Rz. 10, jeweils m.w.N.).
Rz. 22
bb) Demgegenüber sind die obergerichtliche Rechtsprechung und der überwiegende Teil im Schrifttum der Auffassung, dass ein Spruchverfahren durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des zur Zahlung eines etwaigen Erhöhungsbetrags verpflichteten Antragsgegners nicht in entsprechender Anwendung des § 240 ZPO unterbrochen wird (BayObLGZ 1978, 209, 211 f.; 278, 280 a.E.; BayObLG, ZInsO 2002, 829, 830; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.5.2011 - 26 W 4/10 [AktE], juris Rz. 16; AG 2012, 797, 798; OLG Frankfurt, ZInsO 2018, 2749, 2750; AG 2016, 667, 668; Beschl. v. 9.4.2010 - 5 W 75/09, juris Rz. 8; Beschl. v. 5.11.2009 - 5 W 48/09, juris Rz. 7 ff.; ZIP 2006, 203, 204; OLG Schleswig ZIP 2008, 2326, 2327; OLG Hamburg, AG 2002, 406, 407; Drescher in Spindler/Stilz, AktG, 4. Aufl., § 5 SpruchG Rz. 8; Hüffer/Koch, AktG, 13. Aufl., § 5 SpruchG Rz. 2; Kubis in MünchKomm/AktG, 4. Aufl., § 5 SpruchG Rz. 1; Simon/Leuering, SpruchG, § 5 Rz. 15; Hölters/Simons, AktG, 3. Aufl., § 5 SpruchG Rz. 5; Klöcker in K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl., § 11 SpruchG Rz. 25; Klöcker/Frowein, SpruchG, § 11 Rz. 31; Mennicke in Lutter, UmwG, 5. Aufl., § 11 SpruchG Rz. 18; Cranshaw, jurisPR-InsR 5/2009, Anm. 4; R. Paulus, ZInsO 2007, 1259, 1263; vgl. auch Keidel/Sternal, FamFG, 19. Aufl., § 1 Rz. 39, § 21 Rz. 39; Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, 11. Aufl., § 21 Rz. 7; BeckOK-FamFG/Burschel, 28. Ed. 1.10.2018, § 21 Rz. 7; Münch KommFamFG/Pabst, 3. Aufl., § 21 Rz. 21; Ahn-Roth in Prütting/Helms, FamFG, 4. Aufl., § 21 Rz. 5 f.; BeckOK-ZPO/Jaspersen, 31. Ed. 1.12.2018, § 240 Rz. 2.4; Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl., § 11 Rz. 406; Kroth in Braun, InsO, 7. Aufl., vor §§ 85-87 Rz. 9; Schumacher in MünchKomm/InsO, 3. Aufl., vor §§ 85-87 Rz. 48; Graf-Schlicker/Webel, InsO, 4. Aufl., vor § 85 Rz. 2 mit Fn. 14; Jarchow in HamK-InsO, 7. Aufl., § 55 Rz. 63; Jaeger/Henckel, InsO, § 55 Rz. 24), da im Spruchverfahren keine Zahlungsansprüche verfolgt werden. Danach wäre das Spruchverfahren durch die Entscheidung des LG in der Hauptsache beendet gewesen, so dass an und für sich ein Festsetzungsverfahren beginnen könnte.
Rz. 23
cc) Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an.
Rz. 24
(1) In den gem. § 17 Abs. 1 SpruchG maßgeblichen Vorschriften des FamFG finden sich weder Regelungen über die Unterbrechung des Verfahrens noch eine ausdrückliche Verweisung auf § 240 ZPO.
Rz. 25
(2) Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung von § 240 ZPO sind mit Blick auf die Besonderheiten des Spruchverfahrens nicht gegeben.
Rz. 26
Eine Analogie ist zulässig, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem Tatbestand, den der Gesetzgeber geregelt hat, vergleichbar ist, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (vgl. BGH, Beschl. v. 29.9.2015 - II ZB 23/14, BGHZ 207, 114, 123 Rz. 23 m.w.N.). Es finden sich schon keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke.
Rz. 27
(a) Aufgrund der unterschiedlichen Interessenlage zum zivilprozessualen Erkenntnisverfahren besteht kein Bedürfnis für eine entsprechende Anwendung von § 240 ZPO im Spruchverfahren. Ein maßgeblicher Zweck der Unterbrechung, dem Insolvenzverwalter die notwendige Gelegenheit zur Prüfung zu geben, ob und wie er ein Verfahren weiterbetreiben möchte (BGH, Beschl. v. 14.8.2008 - VII ZB 3/08, ZIP 2008, 1941 Rz. 11), kann nicht erreicht werden.
Rz. 28
Das Spruchverfahren wäre dauerhaft unterbrochen, da es mangels unmittelbaren rechtlichen Bezuges zur Insolvenzmasse nicht nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften wiederaufgenommen werden könnte. Zum einen betrifft es nicht die Aussonderung eines Gegenstands aus der Insolvenzmasse (§ 86 Abs. 1 Nr. 1 InsO), die abgesonderte Befriedigung (§ 86 Abs. 1 Nr. 2 InsO) oder eine Masseverbindlichkeit (§ 86 Abs. 1 Nr. 3 InsO). Zum anderen wäre die Aufnahme des Spruchverfahrens auch nicht im Rahmen von § 87 i.V.m. §§ 179 Abs. 1, 180 Abs. 2 InsO möglich, da ein Spruchverfahren von vornherein kein auf einen Leistungstitel gerichteter Rechtsstreit über eine Forderung i.S.v. § 180 Abs. 2 InsO ist. Das Spruchverfahren ist vielmehr auf Feststellung der angemessenen Kompensation ausgerichtet. Eine Leistungsverpflichtung ist nicht Gegenstand des Spruchverfahrens, sondern erst einer ggf. nachfolgenden Leistungsklage (BGH, Beschl. v. 21.7.2003 - II ZB 17/01, ZIP 2003, 1745, 1746; BayObLGZ 1978, 209, 213; BayObLG AG 1999, 273; OLG Düsseldorf ZIP 2012, 1713, 1716; OLG Frankfurt ZIP 2006, 203, 204; Schwarz in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 174. Lfg. [Stand: 1.1.1998], § 307 UmwG a.F. Rz. 39, § 311 UmwG a.F. Rz. 25 f.; Drescher in Spindler/Stilz, AktG, 4. Aufl., § 5 SpruchG Rz. 8; § 11 SpruchG Rz. 3; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH Konzernrecht, 8. Aufl., § 11 SpruchG Rz. 4; Kubis in MünchKomm/AktG, 4. Aufl., § 11 SpruchG Rz. 5, jeweils m.w.N.).
Rz. 29
Die Anteilsinhaber könnten im Fall der dauerhaften Unterbrechung des Spruchverfahrens ihre Ansprüche auch nicht auf anderem Wege geltend machen, da eine gerichtliche Nachprüfung des Umtauschverhältnisses und die Festsetzung einer baren Zuzahlung allein im Rahmen des Spruchverfahrens erfolgen darf (vgl. § 305 UmwG a.F. i.V.m. § 15 UmwG a.F., § 1 Nr. 4 SpruchG). Das Spruchverfahren schließt nach allgemeiner Ansicht in seinem Anwendungsbereich jede andere Art der gerichtlichen Geltendmachung von Abfindungs- und Ausgleichsansprüchen aus (vgl. nur Schwarz in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 164. Lieferung [Stand: 1.3.2002], § 305 UmwG a.F. Rz. 2, 8 ff.; zum SpruchG: Drescher in Spindler/Stilz, AktG, 4. Aufl., § 1 SpruchG Rz. 33; Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, 8. Aufl., § 1 SpruchG Rz. 8; Kubis in MünchKomm/AktG, 4. Aufl., § 1 SpruchG Rz. 2; Hölters/Simons, AktG, 3. Aufl., § 1 SpruchG Rz. 6, 25, jeweils m.w.N.). Dieser Vorrang des Spruchverfahrens würde auch bei einer Unterbrechung entsprechend § 240 ZPO fortwirken, da das Verfahren weiterhin rechtshängig bliebe. Von der Vorrangwirkung sind neben Leistungsklagen auch Feststellungsklagen erfasst und damit ebenfalls Klagen auf Feststellung einer bestimmten Abfindungshöhe zur Insolvenztabelle gem. § 87 InsO i.V.m. §§ 179 Abs. 1, 180 Abs. 1 InsO; diese wären unzulässig.
Rz. 30
Auch die Geltendmachung von Kostenerstattungsansprüchen oder Auslagen und Vergütung des gemeinsamen Vertreters wäre nicht möglich, da dies eine rechtskräftige Ausgangsentscheidung im Spruchverfahren erfordert.
Rz. 31
Es käme deshalb einer Rechtsverweigerung gegenüber den Antragstellern gleich, wenn sich ein laufendes Spruchverfahren mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Antragsgegners erledigen würde (vgl. BGH, Urt. v. 17.3.2008 - II ZR 45/06, BGHZ 176, 43, 52 m.w.N.). Auch ein eingeschränktes oder sogar fehlendes wirtschaftliches Interesse der Antragsteller würde ihr Rechtsschutzbedürfnis grundsätzlich nicht entfallen lassen (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.4.2010 - 5 W 75/09, juris Rz. 13 f.; AG 2016, 667, 668, jeweils m.w.N.; vgl. auch OLG Stuttgart ZIP 2010, 1641, 1643).
Rz. 32
(b) Die weitere Durchführung des Spruchverfahrens entspricht auch den Interessen aller Beteiligten und dient der Prozessökonomie. Die Bündelung aller Einwendungen gegen die Höhe der Kompensation auf ein Verfahren wahrt nicht nur die Interessen des Insolvenzverwalters als Schuldner der baren Zuzahlung, sondern bietet auch den Antragstellern und den keinen Antrag stellenden Anteilseignern Kostenvorteile gegenüber einer Vielzahl von Verfahren auf Feststellung zur Insolvenztabelle. Letztere wären unzweckmäßig, weil ein Urteil nur zwischen den jeweiligen Parteien wirken würde, aber alle betroffenen Anteilsinhaber gleich behandelt werden sollen. Verfahren mit unterschiedlichen Ergebnissen zur Kompensation wären schwer erträglich. Ebenso würde eine Vielzahl von Verfahren zudem die Gerichte über Gebühr belasten (Drescher in Spindler/Stilz, AktG, 4. Aufl., § 1 SpruchG Rz. 2).
Rz. 33
Schließlich stieße eine entsprechende Anwendung des § 240 ZPO - aufgrund der gestaltenden Wirkung eines Ausspruchs im Spruchverfahren - auf kaum überwindliche dogmatische Schwierigkeiten. Denn erst die rückwirkende Ergänzung der Ausgleichsleistung führt zu einer Anspruchsbegründung für eine bare Zuzahlung. Eine solche gestaltende Wirkung kann aber der bei einer Unterbrechung des Spruchverfahrens erforderlichen normalen Klage, die auf Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle gerichtet wäre, nicht beigemessen werden (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.4.2010 - 5 W 75/09, juris Rz. 17 m.w.N.).
Rz. 34
b) Die Geltendmachung des Anspruchs des gemeinsamen Vertreters der nicht antragstellenden Aktionäre auf Vergütung und Auslagenersatz im Festsetzungsverfahren ist bereits nicht zulässig. Der Anspruch des gemeinsamen Vertreters aus § 6 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 SpruchG auf Ersatz seiner Auslagen und eine Vergütung für seine Tätigkeit im Spruchverfahren gegen den Antragsgegner als Vergütungsschuldner ist keine Masseverbindlichkeit, sondern der gemeinsame Vertreter ist - ebenso wie im Ergebnis der gemeinsame Vertreter der Anleihegläubiger nach § 7 SchVG (BGH, Urt. v. 12.1.2017 - IX ZR 87/16, ZIP 2017, 383 Rz. 11 f.) - Insolvenzgläubiger i.S.v. § 38 InsO. Insolvenzgläubiger können gem. § 87 InsO ihre Forderungen nur noch nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren geltend machen. Sie haben ihre Forderungen durch Anmeldung zur Insolvenztabelle gem. §§ 174 ff. InsO zu verfolgen (BGH, Urt. v. 27.4.2017 - IX ZR 198/16, ZIP 2017, 1336 Rz. 9 m.w.N.).
Rz. 35
aa) Die vom BGH bislang nicht ausdrücklich entschiedene Frage (BGH, Beschl. v. 11.9.2000 - II ZB 21/99, ZIP 2000, 2066, 2067), wie die Vergütungsforderung eines gemeinsamen Vertreters im Spruchverfahren insolvenzrechtlich zu qualifizieren ist, wird in Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich beantwortet.
Rz. 36
Zum Teil wird in Rechtsprechung und Literatur vertreten, der gemeinsame Vertreter sei Insolvenzgläubiger i.S.v. § 38 InsO und kein Massegläubiger i.S.v. § 53 InsO (BayObLGZ 1978, 278, 281 f.; OLG Frankfurt, ZinsO 2018, 2749, 2750; Bäuerle/Schneider in Braun, InsO, 7. Aufl., § 55 Rz. 14; Cranshaw, jurisPR-InsR 5/2009 Anm. 4; Grub, DZWiR 2002, 432 f.; Jarchow in HamK-InsO, 7. Aufl., § 55 Rz. 63; Mennicke, in Lutter, UmwG, 5. Aufl., § 15 SpruchG Rz. 11, 21; H. F. Müller, WuB II A. § 306 AktG 1.01; Chr. Paulus, EWiR 2016, 505, 506; R. Paulus, ZinsO 2007, 1259, 1264; Stürner, FS Uhlenbruck, 669, 678 ff.; vgl. auch Lüke/Blenske, EWiR 1998, 581, 582).
Rz. 37
Die - auch vom Beschwerdegericht vertretene (OLG Düsseldorf ZIP 2016, 940, 941) - Gegenauffassung (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.5.2011 - 26 W 4/10 (AktE), juris Rz. 17 [zum Kostenvorschussanspruch]; OLG München, WM 2010, 1605, 1609; Dreier, in Dreier/Fritzsche/Verfürth, 2. Aufl., § 6 Rz. 65; für den Kostenvorschussanspruch - indes jeweils ohne ausdrückliche rechtliche Festlegung - wohl auch BayObLG, ZIP 1998, 1876, 1877; ZIP 1998, 1877; OLG Schleswig, ZIP 2008, 2326, 2327 f.; zustimmend Bilda in MünchKomm/AktG, 2. Aufl., § 306 a.F. Rz. 96 Fn. 129 a.E.; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH Konzernrecht, 8. Aufl., § 11 SpruchG Rz. 17; Hüffer, AktG, 5. Aufl., § 306 a.F. Rz. 17 a.E.; Hacker/Kamke, NZI 2016, 602 f.; Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl., § 11 Rz. 406; KölnKomm/AktG/Wasmann, 3. Aufl., § 6 SpruchG Rz. 37; Nordmeyer, Die Institution des gemeinsamen Vertreters im gesellschaftsrechtlichen Spruchverfahren, S. 199) stellt im Wesentlichen auf eine Ähnlichkeit zur Stellung des Insolvenzverwalters und praktische Erwägungen im Hinblick auf die reibungslose Durchführung eines Spruchverfahrens ab und ordnet die Vergütungsforderung als vorab aus der Masse zu befriedigende Masseverbindlichkeit ein.
Rz. 38
bb) Der Senat schließt sich der erstgenannten Auffassung an, wonach der gemeinsame Vertreter mit seiner Auslagen- und Vergütungsforderung aus § 6 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 SpruchG Insolvenzgläubiger ist.
Rz. 39
Weder die §§ 305 ff. AktG a.F. bzw. §§ 305 ff. UmwG a.F. noch die Vorschriften des Spruchverfahrensgesetzes enthielten oder enthalten Regelungen für den Fall der Insolvenz des ursprünglichen Antragsgegners. Für die Beurteilung, ob die Vergütungs- und Auslagenforderung eines gemeinsamen Vertreters in der Insolvenz des Antragsgegners zur Tabelle anzumelden oder als Masseverbindlichkeit vorab aus der Masse zu berichtigen ist, sind deshalb die Normen des Insolvenzrechts maßgebend (vgl. BGH, Urt. v. 12.1.2017 - IX ZR 87/16, ZIP 2017, 383 Rz. 14). Diese lassen die - vom Beschwerdegericht vorgenommene - Qualifizierung der Vergütungsforderung des gemeinsamen Vertreters gem. § 6 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 SpruchG als Masseverbindlichkeit nicht zu.
Rz. 40
(1) Nach § 38 InsO sind Insolvenzgläubiger die persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben. Eine solche Insolvenzforderung i.S.d. § 38 InsO liegt vor, wenn der anspruchsbegründende Tatbestand schon vor Verfahrenseröffnung abgeschlossen ist, mag sich eine Forderung des Gläubigers daraus auch erst nach Beginn des Insolvenzverfahrens ergeben. Nur die rechtliche Grundlage des Anspruchs muss schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sein. Unerheblich ist, ob die Forderung selbst schon entstanden oder fällig ist (st.Rspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 6.11.1978 - VIII ZR 179/77, BGHZ 72, 263, 265 f.; Beschl. v. 22.9.2011 - IX ZB 121/11, NZI 2011, 953 Rz. 3; Beschl. v. 6.2.2014 - IX ZB 57/12, ZIP 2014, 480 Rz. 10).
Rz. 41
So liegt es hier. Der gem. § 6 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 SpruchG gegen den Antragsgegner gerichtete Anspruch des gemeinsamen Vertreters auf Auslagenersatz und Vergütung entsteht dem Grunde nach mit der Bestellung unmittelbar aus dem Gesetz (vgl. nur Wälzholz, in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 174. Lfg. [Stand: 1.11.2015], § 6 SpruchG Rz. 45; zum früheren Recht auch Schwarz, in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 174. Lfg. [Stand: 1.1.1998], § 308 UmwG a.F. Rz. 40). Insoweit handelt es sich um einen rechtlich selbstständigen prozessualen Kostenerstattungsanspruch, der im Prozessrechtsverhältnis wurzelt und verschuldensunabhängig an die Veranlassung der Kosten anknüpft, mithin hier an den umwandlungsrechtlichen Vorgang der Verschmelzung. Er entsteht aufschiebend bedingt erst mit der wirksamen Bestellung nach Einleitung des Spruchverfahrens und ist deshalb dann eine Insolvenzforderung i.S.v. § 38 InsO, wenn - wie hier - das Spruchverfahren vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begonnen hat (vgl. BGH, Beschl. v. 6.2.2014 - IX ZB 57/12, ZIP 2014, 480 Rz. 14 m.w.N.; Urt. v. 1.12.2005 - IX ZR 115/01, ZIP 2006, 194 Rz. 25 m.w.N.). Auf den jeweiligen Entstehungszeitpunkt der angefallenen Gebühren kommt es nicht an (BGH, Beschl. v. 17.3.2005 - IX ZB 247/03, ZIP 2005, 817, 818 m.w.N.). Dementsprechend geht auch das Beschwerdegericht im Ausgangspunkt zutreffend davon aus, dass der Vergütungsanspruch des gemeinsamen Vertreters bereits mit seiner Bestellung durch den Beschluss des LG vom 29.7.2003 begründet worden ist, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der jetzigen Schuldnerin am 1.4.2009 lag, und damit grundsätzlich eine einfache Insolvenzforderung i.S.d. § 38 InsO ist.
Rz. 42
(2) Die Vergütungsforderung des gemeinsamen Vertreters kann auch nicht aus anderen Gründen als Masseverbindlichkeit qualifiziert werden.
Rz. 43
Masseverbindlichkeiten sind zunächst die Kosten des Insolvenzverfahrens (§ 53 Fall 1 InsO). Was Kosten des Insolvenzverfahrens sind, ist in § 54 InsO gesetzlich bestimmt, nämlich die Gerichtskosten für das Insolvenzverfahren (§ 54 Nr. 1 InsO) sowie die Vergütungen und Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters, des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses (§ 54 Nr. 2 InsO). Der Vergütungsanspruch des gemeinsamen Vertreters der keinen Antrag stellenden Aktionäre in einem Spruchverfahren ist in § 54 InsO nicht genannt.
Rz. 44
Bei der Vergütungsforderung des gemeinsamen Vertreters handelt es sich nicht um Kosten des Insolvenzverfahrens gem. § 54 Nr. 2 InsO analog. Eine entsprechende Anwendung des § 54 InsO auf den Vergütungsanspruch des gemeinsamen Vertreters kommt nicht in Betracht. Die in § 54 InsO getroffene Bestimmung, welche Kosten als Kosten des Insolvenzverfahrens gelten und vorrangig aus der Masse zu berichtigen sind, ist grundsätzlich abschließend (BGH, Urt. v. 12.1.2017 - IX ZR 87/16, ZIP 2017, 383 Rz. 16). Hinzu kommt, dass Tätigkeit und Aufgaben eines gemeinsamen Vertreters nicht mit denen eines Insolvenzverwalters, Sachwalters, Treuhänders oder Mitglieds des Gläubigerausschusses im Insolvenzverfahren vergleichbar sind. Diese am Insolvenzverfahren Beteiligten sind für die Gesamtheit der Gläubiger tätig und haben dabei stets deren Interessen zu wahren. Bei Verletzung ihrer insolvenzspezifischen Pflichten sind sie zum Ersatz des dadurch entstandenen Schadens verpflichtet (BGH, Beschl. v. 14.7.2016 - IX ZB 46/15, ZIP 2016, 1688 Rz. 15). Die Bestellung des gemeinsamen Vertreters erfolgt hingegen allein für die ordnungsgemäße Durchführung eines Spruchverfahrens und nicht im Hinblick auf ein Insolvenzverfahren (Hölters/Simons, AktG, 3. Aufl., § 6 SpruchG Rz. 26). Der gemeinsame Vertreter hat auch nicht die Aufgabe, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt wird (vgl. § 1 Satz 1 InsO), oder den Insolvenzverwalter bei seiner Geschäftsführung zu unterstützen und zu überwachen (§ 69 Satz 1 InsO), sondern er vertritt ausschließlich die Interessen der von ihm vertretenen Gläubiger, nämlich der keinen Antrag stellenden Anteilsinhaber (BGH, Beschl. v. 22.10.2013 - II ZB 4/13, ZIP 2013, 2426 Rz. 19 m.w.N.; KölnKomm/AktG/Wasmann, 3. Aufl., § 6 SpruchG Rz. 11 auch zu § 308 UmwG a.F.). Die nicht antragstellenden Anteilsinhaber sollen auf diese Weise im Hinblick auf die gem. § 311 Satz 2 UmwG a.F. (jetzt § 13 Satz 2 SpruchG) für und gegen alle wirkende rechtskräftige Entscheidung im Spruchverfahren rechtliches Gehör erhalten (BayObLGZ 1991, 358 f.; Bilda in MünchKomm/AktG, 2. Aufl., § 306 a.F. Rz. 77; Schwarz in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 174. Lfg. [Stand: 1.1.1998], § 308 UmwG a.F. Rz. 2, 36 jeweils m.w.N.; Drescher in Spindler/Stilz, AktG, 4. Aufl., § 6 SpruchG Rz. 1 m.w.N.). Der gemeinsame Vertreter nimmt gerade nicht als eine Partei kraft Amtes die Rechte der Antragsberechtigten wahr, die nicht selbst Antragsteller sind, sondern ist gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 SpruchG lediglich deren gesetzlicher Vertreter (BVerfG ZIP 2007, 1600; BGH, Beschl. v. 29.9.2015 - II ZB 23/14, BGHZ 207, 114 Rz. 21). Seine gesetzliche Vertretungsmacht ist zudem auf das Spruchverfahren beschränkt (Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 8. Aufl., § 6 SpruchG Rz. 12; Kubis in MünchKomm/AktG, 4. Aufl., § 6 SpruchG Rz. 14). Allein die Antragsteller und die nicht antragstellenden Aktionäre, hingegen nicht der gemeinsame Vertreter, sind berechtigt, ihre Zahlungsansprüche auf Grundlage der im Spruchverfahren bezifferten angemessenen Gegenleistung ggf. im Wege der Leistungsklage durchzusetzen (BayObLGZ 1978, 209, 212; Drescher in Spindler/Stilz, AktG, 4. Aufl., § 13 SpruchG Rz. 4; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 8. Aufl., § 13 SpruchG Rz. 6; Klöcker in K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl., § 16 SpruchG Rz. 2, 4; vgl. auch Schwarz in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 174. Lfg. [Stand: 1.1.1998], § 311 UmwG a.F. Rz. 25). Der gemeinsame Vertreter ist hingegen weder verpflichtet noch berechtigt, für die von ihm im Spruchverfahren vertretenen keinen Antrag stellenden Aktionäre im Rahmen eines Insolvenzverfahrens Erklärungen abzugeben, etwa Forderungen zur Tabelle anzumelden.
Rz. 45
(3) Die Vergütungsforderung des gemeinsamen Vertreters aus § 6 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 SpruchG ist auch keine sonstige Masseverbindlichkeit (§§ 53 Fall 2, 55 InsO). Dies sind nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO u.a. solche Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören.
Rz. 46
(a) Der gemeinsame Vertreter wurde nicht durch den Antragsgegner als Insolvenzverwalter, sondern durch das LG bereits Jahre vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin bestellt. Ferner fehlt es bei dem Vergütungsanspruch des gemeinsamen Vertreters an dem notwendigen Bezug zur Insolvenzmasse, weil der gemeinsame Vertreter ausschließlich im Interesse der von ihm vertretenen nicht antragstellenden Aktionäre tätig wird. Zu einer Rücksichtnahme auf die Interessen des Antragsgegners im Spruchverfahren ist er nicht verpflichtet. Eine Tätigkeit, die allenfalls mittelbar einen effektiven Ablauf des Insolvenzverfahrens fördert, stellt den erforderlichen Massebezug aber nicht her (BGH, Urt. v. 12.1.2017 - IX ZR 87/16, ZIP 2017, 383 Rz. 21). Die Vergütungsforderung des gemeinsamen Vertreters knüpft auch nicht an einen zur verwalteten Masse gehörigen Vermögensgegenstand an. Ein bloßer Bezug zur Schuldenmasse als der Gesamtheit der Verbindlichkeiten des Schuldners genügt nicht. Der in § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO verwendete und in § 35 Abs. 1 InsO definierte Begriff der Insolvenzmasse umfasst das Vermögen des Schuldners im Sinne der Aktiva, nicht seine Verbindlichkeiten (BGH, Urt. v. 12.1.2017 - IX ZR 87/16, ZIP 2017, 383 Rz. 21).
Rz. 47
(b) Die Vergütungsforderung des gemeinsamen Vertreters ist auch nicht durch den Grundsatz des einheitlichen Kostenerstattungsanspruchs (BGH, Beschl. v. 28.6.2016 - II ZR 364/13, ZIP 2016, 1490 Rz. 10 f. m.w.N.; Beschl. v. 28.9.2006 - IX ZB 312/04, ZIP 2006, 2132 Rz. 13 f.; Beschl. v. 9.2.2006 - IX ZB 160/04, ZIP 2006, 576 Rz. 15, jeweils m.w.N.) zur Masseverbindlichkeit geworden. Danach sind im Falle der Fortführung eines gem. § 240 ZPO unterbrochenen Verfahrens nach wirksamer Aufnahme gem. § 250 ZPO und den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften die dem Insolvenzverwalter auferlegten Kosten insgesamt als Masseverbindlichkeit i.S.v. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu qualifizieren. Eine Aufteilung der Forderung aus dem prozessualen Kostenerstattungsanspruch in eine Insolvenzforderung für den Zeitraum bis zur Unterbrechung und eine Masseverbindlichkeit für den Zeitraum nach Aufnahme erfolgt innerhalb derselben Instanz nicht (BGH, Beschl. v. 28.9.2006 - IX ZB 312/04, ZIP 2006, 2132 Rz. 14; Beschl. v. 28.6.2016 - II ZR 364/13, ZIP 2016, 1490 Rz. 10 m.w.N.). Vorliegend wurde das Spruchverfahren nach Insolvenzeröffnung indes zu Recht ohne Unterbrechung fortgeführt, da § 240 ZPO auf das Spruchverfahren nicht entsprechend anwendbar ist.
Rz. 48
(c) Durch die Kostenentscheidung des LG im Spruchverfahren mit Beschluss vom 26.7.2013 wurde die Vergütungsforderung ebenfalls nicht - für das nachfolgende Festsetzungsverfahren bindend - als Masseverbindlichkeit eingeordnet. In dem rechtskräftigen Beschluss wurden dem Antragsgegner lediglich die Kosten des Verfahrens einschließlich der Vergütung und Auslagen des gemeinsamen Vertreters auferlegt, ohne dass eine Einordnung der Vergütung und Auslagen des gemeinsamen Vertreters als Masseverbindlichkeit oder als Insolvenzforderung erfolgte. Werden einem Insolvenzverwalter als Partei die Kosten des Verfahrens - ganz oder teilweise - auferlegt, soll dies zwar grundsätzlich so zu verstehen sein, dass diese Kostenforderungen nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO Masseverbindlichkeiten sein sollen (BAG ZIP 2007, 2141 Rz. 21). Hierfür soll maßgeblich sein, dass der Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens in einem aufgenommenen Rechtsstreit Partei kraft Amtes ist (BAG ZIP 2015, 1181 Rz. 9 m.w.N.). Aus der Parteistellung des Insolvenzverwalters ergebe sich materiell-rechtlich, dass die von ihm als Partei zu tragenden Verfahrenskosten - vom Ausnahmefall des § 86 Abs. 2 InsO abgesehen - Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO sind, da sie durch die Verwaltung der Insolvenzmasse begründet würden (BAG ZIP 2007, 2141 Rz. 18). Unabhängig davon, ob dies auch für Verfahren gelten kann, in denen es - wie vorliegend - von vornherein an einer für die Begründung einer Masseverbindlichkeit kausalen Handlung des Insolvenzverwalters in Form der Aufnahme des Verfahrens sowie dem notwendigen Bezug zur Insolvenzmasse fehlt, hat das LG keine Entscheidung zur insolvenzrechtlichen Qualifikation der Kosten getroffen. Es war vielmehr ausdrücklich der Auffassung, dass die insolvenzrechtliche Qualifikation der Kostenerstattungsansprüche dem Kostenfestsetzungsverfahren zu überlassen sei. Da sich die Kostengrundentscheidung für die Vergütungsforderung des gemeinsamen Vertreters unmittelbar aus § 6 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 SpruchG bzw. § 308 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 UmwG a.F. ergibt, die Entscheidung im Beschluss des LG überflüssig und damit allenfalls deklaratorisch war, liegt es auf der Hand, dass das LG daher erst recht keine Ausführungen zur insolvenzrechtlichen Qualifikation der Vergütungsforderung für angezeigt hielt.
Rz. 49
(4) Eine entsprechende Anwendung von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO im Hinblick auf die Vergütungsforderung des gemeinsamen Vertreters kommt ebenfalls nicht in Betracht. Zweifelhaft ist bereits, ob es eine unbeabsichtigte, planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes darstellt, dass weder im Spruchverfahrensgesetz oder den Vorgängerregelungen noch in der Insolvenzordnung geregelt ist, ob es sich bei dem Vergütungsanspruch des gemeinsamen Vertreters im Falle der Insolvenz des zur Zahlung verpflichteten Unternehmens um eine Masseverbindlichkeit handelt. Jedenfalls fehlt es an der weiteren Voraussetzung einer Analogie. Der zu beurteilende Sachverhalt ist mit dem in § 55 Abs. 1 Nr. 1 Fall 2 InsO geregelten Sachverhalt nicht soweit vergleichbar, dass angenommen werden könnte, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie beim Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (vgl. BGH, Urt. v. 12.1.2017 - IX ZR 87/16, ZIP 2017, 383 Rz. 24 m.w.N.). Angesichts des Postulats einer Gleichbehandlung der Gläubiger im Insolvenzverfahren, der lediglich zugunsten eines Teils der Gläubiger und allein auf Erhöhung der Schuldenmasse gerichteten Tätigkeit des gemeinsamen Vertreters sowie der nicht unerheblichen Höhe der zu beanspruchenden Vergütung und der damit verbundenen Gefahr einer Auszehrung der Masse erscheint es fraglich, ob der Gesetzgeber den Vergütungsanspruch uneingeschränkt als Masseverbindlichkeit qualifiziert hätte oder nicht vielmehr den Schutz des gemeinsamen Vertreters über die Möglichkeit der Vorschusszahlung für hinreichend erachtet hat. Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts sind die Vermögensinteressen des gemeinsamen Vertreters, für den zudem keine Pflicht besteht, das ihm übertragene Amt anzunehmen, auch bereits über die Regelung zur Zahlung von Vorschüssen hinreichend geschützt.
Rz. 50
(5) Der Vergütungsanspruch des gemeinsamen Vertreters kann schließlich auch nicht in direkter oder entsprechender Anwendung von § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO als Masseverbindlichkeit eingeordnet werden. Die Pflicht zur Zahlung der Vergütung beruht nicht auf einem zwischen dem gemeinsamen Vertreter und der späteren Schuldnerin geschlossenen Vertrag mit synallagmatischen Leistungspflichten, sondern auf der gesetzlichen Bestimmung des § 6 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 SpruchG. Die Voraussetzungen einer Analogie liegen ebenfalls nicht vor. Zweck der Regelung in § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist der Schutz des Vertragspartners eines Schuldners, der auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an die Masse leisten muss. Eine vergleichbare Lage besteht bei dem nur den keinen Antrag stellenden Anteilsinhabern, nicht aber der Schuldnerin verpflichteten gemeinsamen Vertreter nicht (vgl. BGH, Urt. v. 12.1.2017 - IX ZR 87/16, ZIP 2017, 383 Rz. 25).
Rz. 51
III. Die Anschlussrechtsbeschwerde hat keinen Erfolg; sie ist unbegründet. Entgegen der Auffassung des gemeinsamen Vertreters ist seine Vergütungsforderung keine sog. Neumasseverbindlichkeit i.S.v. § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Darunter fallen Masseverbindlichkeiten, die nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet worden sind, ohne zu den Kosten des Verfahrens zu gehören. Die Vergütungsforderung des gemeinsamen Vertreters ist zum einen schon keine Masseverbindlichkeit und wurde zum anderen bereits vor der Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch den Antragsgegner am 8.3.2010 mit seiner Bestellung zum gemeinsamen Vertreter durch Beschluss vom 29.7.2003 begründet.
Rz. 52
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Obwohl die Vorschriften über die Kostentragung (§§ 91 ff. ZPO) in § 85 FamFG nicht ausdrücklich aufgeführt sind, erfasst die dortige Verweisung auch die Kostenvorschriften der ZPO, da diese auf das kontradiktorische Verfahren besser passen als die §§ 81 ff. FamFG (BGH, Beschl. v. 22.10.2013 - II ZB 4/13, ZIP 2013, 2426 Rz. 21 m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 13024282 |
DB 2019, 6 |
DB 2019, 960 |