Leitsatz (amtlich)
Eine auf die Verletzung des Grundrechts auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes gestützte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, wenn es der Beschwerdeführer im Rahmen des vorinstanzlichen Rechtsmittels versäumt hat, eine Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern.
Normenkette
ZPO § 574 Abs. 2 Nr. 2; GG Art. 2 Abs. 1 i.V.m., Art. 20 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Wuppertal (Beschluss vom 02.03.2015; Aktenzeichen 9 S 266/14) |
AG Solingen (Urteil vom 22.10.2014; Aktenzeichen 11 C 269/14) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des LG Wuppertal vom 2.3.2015 wird auf ihre Kosten verworfen.
Streitwert: 1.401,93 EUR
Gründe
Rz. 1
I. Die Klägerin wendet sich gegen den Beschluss, mit dem das Berufungsgericht Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist versagt hat.
Rz. 2
Die Klägerin hat gegen das ihr am 29.10.2014 zugestellte Urteil des AG rechtzeitig Berufung eingelegt. Innerhalb der bis zum 29.1.2015 verlängerten Begründungsfrist ging keine Berufungsbegründung beim LG ein. Mit einem am 4.2.2015 beim LG eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und mit am 10.2.2015 eingegangenen Schriftsatz ihre Berufung begründet.
Rz. 3
Das LG hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Rechtsbeschwerde.
Rz. 4
Sie rügt, das Berufungsgericht habe verkannt, dass Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist nicht zu laufen begonnen hätten. Der Amtsrichter habe das Verkündungsprotokoll nur mit einem Handzeichen abgezeichnet, das nicht die Anforderungen an eine Unterschrift erfülle. Es fehle mithin an einer wirksamen Verkündung. Dies sei von Amts wegen zu prüfen. Das Berufungsgericht habe deshalb den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zurückweisen dürfen, sondern als gegenstandslos behandeln müssen.
Rz. 5
II. Die Rechtsbeschwerde ist zwar nach §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft. Sie ist aber nicht zulässig, da es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nicht erforderlich. Die Ablehnung der Wiedereinsetzung verletzt weder den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) noch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG). Auch bedarf es im Streitfall keiner Klärung rechtsgrundsätzlicher Fragen.
Rz. 6
1. Das Berufungsgericht ist ohne zulassungsrelevanten Rechtsfehler davon ausgegangen, dass das erstinstanzliche Urteil wirksam verkündet worden ist und die Zustellung des Urteils deshalb die Berufungsbegründungsfrist in Lauf setzte.
Rz. 7
a) Dabei kann dahinstehen, ob die Klägerin mit ihrer - keineswegs zwingenden - Ansicht recht hat, der Schriftzug unter dem Verkündungsprotokoll des AG stelle keine Unterschrift dar. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, begründet dies unter den Umständen des Streitfalles keinen zulassungsrelevanten Grundrechtsverstoß. Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG erfordert es der allgemeine Grundsatz der Subsidiarität, dass ein Beteiligter alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (BVerfGE 73, 322, 325; 77, 381, 401; 81, 22, 27; 86, 15, 22; 95, 163, 171). Ist ein Rechtsmittel gegeben, das (auch) dazu führen kann, diese Verletzung zu überprüfen oder zu verhindern, so ist den Anforderungen des Art. 103 Abs. 1 GG hinreichend Rechnung getragen (vgl. BGH, Urt. v. 9.2.2011 - VIII ZR 285/09, NZM 2011, 274 Rz. 10; Beschl. v. 6.5.2010 - IX ZB 225/09, WM 2010, 1722 Rz. 7 f.). Gleiches gilt für das Grundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes.
Rz. 8
So liegen die Dinge hier. Die Klägerin hat zu keinem Zeitpunkt nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils geltend gemacht, dass dieses Urteil nicht ordnungsgemäß verkündet worden ist. Sie hätte aber die mit der Rechtsbeschwerde gerügten Umstände bereits im Berufungsverfahren rügen können, wenn sie nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils Akteneinsicht genommen hätte. Dies hat die Klägerin unterlassen. Damit enthält die implizite Entscheidung des Berufungsgerichts, dass der Schriftzug des Amtsrichters unter dem Verkündungsprotokoll die - in der Rechtsprechung geklärten - Anforderungen an eine Unterschrift erfüllt, allenfalls einen Fehler im Einzelfall. Ein Zulassungsgrund besteht schon deshalb nicht.
Rz. 9
b) Unabhängig davon ist es rechtlich nicht zu beanstanden, den Schriftzug des Amtsrichters unter dem Verkündungsprotokoll als Unterschrift anzusehen. Die Anforderungen an eine Unterschrift sind in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt (vgl. Senatsbeschluss v. 27.5.2015 - IV ZB 32/14 Rz. 10; BGH, Beschl. v. 31.7.2013 - VIII ZB 18/13, NJW 2013, 3451 Rz. 6; v. 9.2.2010 - VIII ZB 67/09, juris Rz. 10 m.w.N.). Im Streitfall gleicht der Schriftzug - worauf die Rechtsbeschwerdeerwiderung zutreffend hinweist - in seinen wesentlichen Eigenheiten den übrigen in der Akte vorhandenen Unterschriften des Amtsrichters.
Rz. 10
2. Der Rechtssache kommt auch keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die Anforderungen an eine Unterschrift sind in der Rechtsprechung des BGH geklärt.
Fundstellen