Entscheidungsstichwort (Thema)
Auftrag. Herausgabe. Geldherausgabeanspruch. Geschäftsführer. Geschäftsherr. Beauftragter. Geldschuld. Geldforderung. Verzug. Zinsen
Leitsatz (amtlich)
§ 288 Abs. 1 BGB ist auch auf einen auf die Herausgabe von Geld gerichteten Anspruch aus § 667, Alt. 2 BGB anzuwenden.
Normenkette
BGB § 288 Abs. 1, § 667 Alt. 2
Verfahrensgang
OLG Koblenz (Urteil vom 30.12.2004; Aktenzeichen 6 U 156/04) |
LG Mainz |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 6. Zivilsenats des OLG Koblenz v. 30.12.2004 - 6 U 156/04 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beklagte zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Streitwert: 36.564,73 EUR
Gründe
I.
Der Beklagte war Sequester eines Unternehmens, das mehrere Tankstellen betrieb, die von der Klägerin mit Treibstoffen und anderen Waren beliefert wurden. Die Parteien vereinbarten, dass der Beklagte die in den Tankstellen eingenommenen Gelder vereinnahmen und auf Anderkonten einzahlen sollte. Die Einzelheiten der Voraussetzungen, unter denen der Beklagte die Gelder an die Klägerin auszukehren hatte, waren zwischen den Parteien strittig. Das Berufungsgericht hat den Beklagten unter Anwendung von § 288 Abs. 1 BGB zur Zahlung von 183.355,38 EUR nebst 5 v.H. Zinsen p.a. über dem Basiszinssatz seit dem 8.9.2000 verurteilt. Die Hauptforderung ist zwischenzeitlich beglichen worden. Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde verfolgt der Beklagte die Abweisung der Klage, soweit er zur Zahlung von mehr als 183.355,38 EUR nebst Zinsen i.H.v. 13.109,15 EUR verurteilt wurde.
II.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO) und eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Rechtsfortbildung nicht erforderlich ist (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO).
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist der Ansicht, der Fall werfe die rechtsgrundsätzliche Frage auf, ob § 288 Abs. 1 BGB auf den Anspruch des Geschäftsherrn gegen den Beauftragten auf Herausgabe von Geld (§ 667, Alt. 2 BGB) anzuwenden ist.
2. Diese Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, da sie offenkundig zum Nachteil des Beklagten zu beantworten ist.
a) Die Verpflichtung des Beauftragten zur Auskehr von Geld gem. § 667, Alt. 2 BGB ist nach der Rechtsprechung des BGH keine gewöhnliche Geldschuld (BGH, Urt. v. 16.5.2002 - III ZR 330/00, BGHReport 2002, 783 = MDR 2002, 1203 = NJW 2002, 2316 f.; BGHZ 28, 123 [128]; BGH v. 4.2.2000 - V ZR 260/98, BGHZ 143, 373 [378] = MDR 2000, 514; Urt. v. 10.12.2002 - X ZR 193/99, MDR 2003, 559 = BGHReport 2003, 294 m. Anm. Schuschke = NJW 2003, 743 [744 f.]). Gegenstand der Herausgabeverpflichtung ist (nur) dasjenige, das der Geschäftsführer in Ausführung des Auftrags erlangt hat. Der Beauftragte hat, anders als bei der normalen Geldschuld, zur Erfüllung seiner Verpflichtung die erforderlichen Mittel (wirtschaftlich) nicht aus seinem unabhängig von dem Auftrag bestehenden Vermögen aufzubringen (BGHZ 28, 123 [128]; BGH v. 4.2.2000 - V ZR 260/98, BGHZ 143, 373 [378] = MDR 2000, 514; Beuthien/Hieke, JZ 2001, 257). Er ist vielmehr lediglich Durchgangsstelle für eine zwar zu seinen Händen geleistete, aber für Rechnung des Geschäftsherrn entgegen genommene Zahlung, die er ohne Inanspruchnahme seines eigenen Vermögens weiterzuleiten hat (BGHZ 28, 123 [128]). Der entsprechende Betrag ist im Innenverhältnis zwischen den Parteien des Auftragsvertrags, wie auch § 668 BGB zeigt, bereits der Vermögens- und Risikosphäre des Auftraggebers zuzurechnen (BGHZ 28, 123 [128]; Beuthien/Hieke, JZ 2001, 257).
b) Hieraus sind folgende Schlüsse gezogen worden:
aa) § 270 Abs. 1 BGB ist auf den Geldherausgabeanspruch aus § 667, Alt. 2 BGB nicht anzuwenden, da die Gefahr des vom Geschäftsführer nicht verschuldeten Untergangs des Leistungsgegenstandes von Anbeginn an der Geschäftsherr trägt (BGHZ 28, 123 [128]). Zudem wurde überwiegend vertreten, dass § 279 BGB a.F. für den Geldherausgabeanspruch des Geschäftsherrn nicht gelte (BGH v. 4.2.2000 - V ZR 260/98, BGHZ 143, 373 [378] = MDR 2000, 514, dort offen gelassen, m.w.N.; Beuthien/Hieke, JZ 2001, 257 [258]; s. zur jetzigen Rechtslage z.B.: Seiler in MünchKomm/BGB; Palandt/Sprau, BGB: keine Geltung der allgemeinen Einstandspflicht für Geldschulden).
bb) Wie eine "normale" Geldschuld wird der Geldherausgabeanspruch nach § 667, Alt. 2 BGB jedoch bei der Aufrechnung behandelt. Ein solcher Anspruch und die ihm entgegen gestellte Geldforderung sind nach der Rechtsprechung des BGH gleichartig i.S.v. § 387 BGB (BGH v. 1.6.1978 - III ZR 44/77, BGHZ 71, 380 [382]; Urt. v. 23.2.1995 - IX ZR 29/94, MDR 1995, 962 = NJW 1995, 1425 [1426]; Urt. v. 4.3.1993 - IX ZR 151/92, MDR 1994, 549 = NJW 1993, 2041 [2042]). Dies gilt insb. dann, wenn - wie hier - der erlangte Betrag auf einem Konto eingezahlt ist. Der Auftraggeber kann nicht nur die Abtretung der Ansprüche gegen das Kreditinstitut verlangen. Der Herausgabeanspruch ist vielmehr auf Zahlung eines der eingegangenen Summe entsprechenden Betrages gerichtet (BGH v. 1.6.1978 - III ZR 44/77 = BGHZ 71, 380 [382]; Urt. v. 23.2.1995 - IX ZR 29/94, MDR 1995, 962 = NJW 1995, 1425 [1426]; Urt. v. 4.3.1993 - IX ZR 151/92, MDR 1994, 549 = NJW 1993, 2041 [2042]).
c) Zur Frage, ob der Geldherausgabeanspruch nach § 667, Alt. 2 BGB eine Geldforderung i.S.d. § 288 Abs. 1 BGB ist oder wie eine solche zu behandeln ist, gibt es zwar, soweit ersichtlich, fast noch keine veröffentlichte Rechtsprechung. Lediglich das OLG Bremen (OLG Bremen v. 1.12.1993 - 1 U 86/93, WM 1994, 153 [155]) hat § 288 Abs. 1 BGB auf den Herausgabeanspruch nach § 667, Alt. 2 BGB angewandt, ohne dies jedoch näher zu begründen. In der Kommentarliteratur ist diese Problematik bislang gleichfalls nicht erörtert worden. Gleichwohl ist eine Klärung dieser Frage durch ein Revisionsurteil nicht erforderlich, da sich die Anwendbarkeit von § 288 Abs. 1 BGB bereits aus der vorliegenden Rechtsprechung zu § 667, Alt. 2 BGB ohne weiteres herleiten lässt.
Die Eigentümlichkeiten des Geldherausgabeanspruchs gem. § 667, Alt. 2 BGB liegen nach der unter a) zitierten Rechtsprechung in der im Innenverhältnis zwischen den Parteien des Auftragsverhältnisses bestehenden Sonderung des erlangten Geldbetrags von dem Eigenvermögen des Beauftragten und der daraus Folgenden, von der gewöhnlichen Geldforderung abweichenden Risikozuweisung im Fall des Untergangs des vereinnahmten Betrags. Die Frage, ob der Beauftragte die geschuldete Summe ohne weiteres gem. § 288 Abs. 1 BGB zu verzinsen hat, wenn er mit ihrer Leistung in Verzug kommt, oder ob der Auftraggeber seinen Schaden konkret zu darzulegen hat (§ 280 Abs. 1, 2, § 286 BGB), hat zu diesen Besonderheiten, wie auch die Situation bei der Aufrechnung, keinen Bezug. § 288 Abs. 1 BGB erleichtert dem Gläubiger die Berechnung seines Schadens, den er infolge der verspäteten Leistung eines ihm geschuldeten Geldbetrags erleidet. Die Höhe dieses Schadens und damit das Bedürfnis nach dessen pauschalierter Berechnung hängt nicht davon ab, ob der Schuldner die Mittel wirtschaftlich aus seinem eigenen Vermögen aufzubringen hat oder, wie im Fall des § 667, Alt. 2 BGB, aus dem im Innenverhältnis zwischen Beauftragtem und Auftraggeber bereits dem Letzteren zuzurechnenden Vermögen.
3. Von einer weiteren Begründung wird gem. § 544 Abs. 4 S. 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen.
Fundstellen
Haufe-Index 1440353 |
NJW 2005, 3709 |
BGHR 2005, 1570 |
EBE/BGH 2005, 339 |
WM 2005, 2194 |
MDR 2006, 139 |
VersR 2006, 86 |
ZGS 2005, 479 |