Entscheidungsstichwort (Thema)
Begründung eines Wiedereinsetzungsantrags mit der telefonischen Auskunft der Geschäftsstelle, dass eine Fristverlängerung gewährt werden würde
Leitsatz (redaktionell)
Die telefonische Mitteilung der Geschäftsstelle eines Gerichts, dass der beantragten Fristverlängerung nichts im Wege stünde, reicht für einen Vertrauensschutz im Hinblick auf eine Fristverlängerung nicht aus. Wenn die Frist entgegen der Auskunft nicht verlängert und deshalb versäumt wurde, kann das Wiedereinsetzungsbegehren nicht allein auf die erteilte Auskunft gestützt werden.
Normenkette
ZPO § 574 Abs. 2, 1, § 522 Abs. 1 S. 4
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Beschluss vom 21.02.2003) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des 13. Zivilsenats in Darmstadt des OLG Frankfurt am Main v. 21.2.2003 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 6.083,79 Euro.
Gründe
I.
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten auf Grund eines Leasingvertrages eine Restzahlung von 6.083,79 Euro. Das LG hat die Klage durch Urt. v. 1.11.2002 abgewiesen. Gegen das ihr am 12.11.2002 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am 9.12.2002 beim OLG Frankfurt am Main eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Am 27.1.2003 hat sie die Berufungsbegründung beim Berufungsgericht eingereicht. Mit Verfügung v. 29.1.2003 hat der Vorsitzende des Berufungsgerichts der Berufungsbeklagten eine Frist zur Berufungserwiderung bis zum 15.4.2003 gesetzt. Mit Schreiben v. 2.2.2003, bei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 7.2.2003 eingegangen, ist diese vom Vorsitzenden des Berufungsgerichts darauf hingewiesen worden, dass die Frist zur Begründung der Berufung am 13.1.2003 abgelaufen sei. Daraufhin hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz v. 17.2.2003, beim Berufungsgericht eingegangen am 18.2.2003, u. a. mitgeteilt:
"In der Anlage übersenden wir das hiesige Schreiben v. 10.1.2003, mit welchem wir um stillschweigende Fristverlängerung zur Vorlage der Berufungsbegründung um 14 Tage gebeten haben. Da auch nach telefonischer Rücksprache mit dem OLG Frankfurt am Main Zivilsenaten in Darmstadt am 13.1.2003 einer Fristverlängerung nichts im Raume stand, wurde die Berufungsbegründungsschrift im Guten Glauben am 23.1.2003 verfasst. Unser entsprechendes Schreiben v. 10.1.2003 fügen wir bei. Auch das Schreiben des OLG v. 28.1.2003, mit welchem der Gegenseite Frist zum 15.4.2003 gesetzt wurde, ließ uns im Glauben, dass die Frist stillschweigend verlängert wurde."
Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin durch Beschl. v. 21.2.2003 als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Berufung sei erst am 27.1.2003 und damit nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist begründet worden. Die Berufungsbegründungsfrist sei entgegen der Auffassung der Berufungsklägerin nicht stillschweigend verlängert worden. Abgesehen davon, dass der Schriftsatz v. 10.1.2003, mit dem die Prozessbevollmächtigte der Klägerin um 14-tägige stillschweigende Fristverlängerung gebeten habe, nicht zu den Akten gelangt sei, sei grundsätzlich eine schriftliche Verfügung des Vorsitzenden für eine wirksame Fristverlängerung erforderlich. Auch durch die vorgetragene telefonische Rücksprache mit dem OLG Frankfurt am Main, Zivilsenaten in Darmstadt, v. 13.1.2003, bei der erklärt worden sei, einer Fristverlängerung stehe nichts im Raume, sei die Berufungsbegründungsfrist nicht verlängert worden.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin. Sie meint, die Beschwerde sei zulässig, da sie der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung diene und der Beschluss die Klägerin in ihrem Verfahrensgrundrecht auf ein faires und objektiv willkürfreies Verfahren und in ihrem Recht auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG verletze.
II.
1. Die Rechtsbeschwerde ist zwar nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i. V. m. § 522 Abs. 1 S. 4 ZPO statthaft (vgl. BGH, Beschl. v. 4.7.2002 - V ZB 16/02, BGHReport 2002, 948 = MDR 2002, 1207 = NJW 2002, 3029 unter II); dass die Wertgrenze des § 26 Nr. 8 EGZPO nicht erreicht ist, ist unschädlich (BGH, Beschl. v. 4.9.2002 - VIII ZB 23/02, BGHReport 2002, 1113 = NJW 2002, 3783 unter II 1; Beschl. v. 19.9.2002 - V ZB 31/02, MDR 2003, 46 = BGHReport 2002, 1112 = NJW-RR 2003, 132 unter II 1).
2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch nicht zulässig, da es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt.
a) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist eine Entscheidung des BGH nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Die Klägerin hat keine rechtliche Divergenz aufzuzeigen vermocht. Eine solche ist nur dann in Betracht zu ziehen, wenn nach den Darlegungen des Beschwerdeführers der angefochtenen Entscheidung ein Rechtssatz zu Grunde liegt, der von einem die Entscheidung tragenden Rechtssatz eines höherrangigen Gerichts, eines anderen Spruchkörpers desselben Gerichts oder eines anderen gleichgeordneten Gerichts abweicht (vgl. BGH, Beschl. v. 29.5.2002 - V ZB 11/02, BGHReport 2002, 745 = MDR 2002, 1266 = VersR 2002, 1257 und v. 4.7.2002 - V ZR 75/02, BGHReport 2002, 947 = MDR 2002, 1206 = NJW 2002, 2957).
Die Auffassung des Berufungsgerichts, unverzichtbare Voraussetzung für einen Vertrauensschutz im Hinblick auf eine Fristverlängerung sei, dass eine schon erlassene richterliche Entscheidung mitgeteilt worden sei, entspricht der ständigen Rechtsprechung des BGH (BGH v. 23.1.1985 - VII ZR 18/84, BGHZ 93, 300 [305]; Urt. v. 22.10.1997 - VIII ZB 32/97, MDR 1998, 365 = NJW 1998, 1155 unter II 1a aa). Auch die Würdigung des Berufungsgerichts, aus der behaupteten Erklärung, "einer Fristverlängerung stehe nichts im Raum", ergebe sich nicht, dass eine richterliche Entscheidung mitgeteilt worden sei, ist nicht zu beanstanden. Im Übrigen ist diese Auskunft nach dem Inhalt der eidesstattlichen Versicherung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin v. 5.6.2003 von der Geschäftsstelle erteilt worden.
b) Eine Entscheidung ist - entgegen der Auffassung der Klägerin - auch nicht wegen Verletzung von Verfahrensgrundrechten (Art. 2 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG) geboten. Eine solche Verletzung ist nicht dargelegt. Das Berufungsgericht hat den Vortrag der Klägerin im Schriftsatz v. 17.2.2003 unter Berücksichtigung der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung gewürdigt. Das Grundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip) und der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) sind gewahrt. Für eine offenkundige Verletzung des Grundrechts auf ein objektiv willkürfreies Verfahren (Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip) sind keine Anhaltspunkte ersichtlich.
c) Das Berufungsgericht hat zu Recht davon abgesehen, der Klägerin von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Voraussetzung für eine hierauf gestützte Rechtsbeschwerde ist, dass nach den Darlegungen des Beschwerdeführers ein Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte im Einzelfall klar zu Tage tritt, also offenkundig ist, und die angefochtene Entscheidung hierauf beruht (BGH, Beschl. v. 4.7.2002 - V ZB 16/02, BGHReport 2002, 948 = MDR 2002, 1207 = NJW 2002, 3029 unter II 3b aa). Das Vorbringen der Beschwerdeführerin räumt ein Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten an der Fristversäumung (§ 233 ZPO) nicht aus. Dieses Verschulden muss sich die Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO anrechnen lassen. Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat im Schriftsatz v. 17.2.2003 nichts dazu vorgetragen, woraus sich ergeben soll, dass der Schriftsatz v. 10.1.2003 tatsächlich an das Gericht abgesandt worden ist. In der Begründung der Rechtsbeschwerde wird vorgetragen, dass der Schriftsatz die "Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin ordnungsgemäß verlassen habe" und dass die Klägerin den Schriftsatz "ordnungsgemäß zur Post gereicht habe". In der eidesstattlichen Versicherung der Mitarbeiterin der Prozessbevollmächtigten der Klägerin heißt es, dass diese den Schriftsatz "auf den Postweg gebracht habe". Es mag offen bleiben, ob es sich bei diesem Beschwerdevorbringen nur um eine zulässige Ergänzung der Begründung des im Schriftsatz v. 17.2.2003 grundsätzlich konkludent gestellten Wiedereinsetzungsantrages oder um einen neuen, erst nach Ablauf der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO vorgetragenen und damit nicht zu berücksichtigenden Sachverhalt handelt (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 27.9.1989 - IVb ZB 73/89, VersR 1989, 1316). Denn selbst auf der Grundlage des jetzigen Vorbringens sind die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung nicht hinreichend dargetan. Schließlich durfte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin auch auf die Auskunft der Geschäftsstelle, einer Fristverlängerung stünde nichts im Wege, nicht vertrauen.
Fundstellen
Haufe-Index 1081092 |
BGHR 2004, 270 |