Tenor
Die Sache wird an den 6. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgericht in Jena zur Behandlung und Entscheidung in eigener Zuständigkeit zurückgegeben.
Tatbestand
I.
Die Beteiligte zu 1., eine deutsche Staatsangehörige, und der Beteiligte zu 2., ein ausreisepflichtiger, abgelehnter Asylbewerber indischer Staatsangehörigkeit, beabsichtigen, miteinander die Ehe vor dem Standesamt in G. einzugehen. Der Standesbeamte hat die Sache nach § 45 Abs. 2 PstG dem Amtsgericht G. mit der Bitte um Entscheidung vorgelegt, ob er die beantragte Amtshandlung, die Eheschließung zwischen den Beteiligten zu 1. und 2., vorzunehmen habe. Zur Begründung hat er ausgeführt, er habe erhebliche Zweifel, daß die künftigen Ehegatten ernsthaft die Aufnahme einer ehelichen Lebensgemeinschaft beabsichtigten; er vermute, die Eheschließung solle ausschließlich dazu dienen, dem Beteiligten zu 2. ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in Deutschland zu verschaffen.
Das Amtsgericht G. hat die Sache an das nach § 50 Abs. 1 und 2 PstG zuständige Amtsgericht E. abgegeben. Dieses hat dem Standesbeamten untersagt, an der beabsichtigten Eheschließung mitzuwirken. Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 1. und 2. hat das Landgericht die Entscheidung des Amtsgerichts aufgehoben und den Standesbeamten angewiesen, seine Mitwirkung an der Eheschließung nicht mit der Begründung zu verweigern, es sei nur eine Scheinehe beabsichtigt. Das Landgericht hat die Vorlage des Standesbeamten nach § 45 Abs. 2 PstG für zulässig gehalten, sich aber trotz verschiedener, für die Annahme einer beabsichtigten Scheinehe sprechender Anhaltspunkte nicht davon zu überzeugen vermocht, daß die Eheschließung ausschließlich dem Zweck dienen solle, dem Beteiligten zu 2. zu einer Aufenthaltserlaubnis zu verhelfen.
Dagegen hat das Thüringer Landesverwaltungsamt (Beteiligte zu 3.) weitere Beschwerde eingelegt. Es hat geltend gemacht, das Landgericht habe die Anforderungen, die an den Nachweis der Offenkundigkeit einer nach den §§ 1310 Abs. 1 Satz 2, 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB aufhebbaren Ehe zu stellen seien, überspannt. Bei einer Gesamtwürdigung der vorliegenden Umstände ergebe sich, daß die Beteiligten zu 1. und 2. nicht die Verpflichtung eingehen wollten, eine eheliche Lebensgemeinschaft zu begründen.
Entscheidungsgründe
II.
Das Oberlandesgericht hält die Vorlage des Standesbeamten gemäß § 45 Abs. 2 PstG für zulässig und möchte hierüber in der Sache entscheiden. Es sieht sich daran jedoch durch den Beschluß des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 2. November 1998 (3 Wx 390/98 – FamRZ 1999, 225) gehindert und hat die Sache deshalb durch Beschluß vom 22. März 2000 (veröffentlicht in FamRZ 2000, 1365) gemäß § 28 Abs. 2 FGG dem Bundesgerichtshof vorgelegt.
Hierzu hat das Oberlandesgericht ausgeführt: Nach der zum 1. Juli 1998 in Kraft getretenen Neuregelung des Eheschließungsrechts müsse der Standesbeamte seine Mitwirkung an der Eheschließung verweigern, wenn offenkundig sei, daß die Ehe aufhebbar wäre, etwa weil die Ehegatten sich bei der Eheschließung darüber einig gewesen seien, daß sie keine Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft begründen wollten, und es sich deshalb nur um eine Scheinehe handeln würde. Aus dieser Gesetzesformulierung sei im Schrifttum teilweise der Schluß gezogen worden, daß in solchen Fällen Vorlagen nach § 45 Abs. 2 PstG entweder überhaupt nicht mehr oder allenfalls noch dann zulässig seien, wenn der Standesbeamte konkrete Nachforschungsmaßnahmen nach § 5 Abs. 4 PstG vornehmen wolle und nicht sicher sei, ob er damit gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße. Dieser Ansicht habe sich das Oberlandesgericht Düsseldorf im wesentlichen angeschlossen und die Auffassung vertreten, Vorlagen nach § 45 Abs. 2 PstG seien grundsätzlich schon deswegen ausgeschlossen, weil lediglich die Offenkundigkeit einer beabsichtigten Scheinehe zur Ablehnung der Mitwirkung des Standesbeamte führe, nicht aber bloße Zweifel. Wenn dieser Ansicht gefolgt werde, müsse die Vorlage des Standesbeamten unter Aufhebung der Entscheidungen des Amts- und des Landgerichts als unzulässig zurückgewiesen werden.
Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf hält das Oberlandesgericht Vorlagen des Standesbeamten nach § 45 Abs. 2 PstG hinsichtlich seiner Mitwirkung an der Eheschließung bei dem Verdacht sogenannter Scheinehen weiterhin für in vollem Umfang zulässig.
III.
Die Vorlage an den Bundesgerichtshof ist nicht zulässig.
Zu den Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 FGG gehört, daß das vorlegende Oberlandesgericht von einer Entscheidung eines der in der Vorschrift bezeichneten Gerichte abweichen will. Der Bundesgerichtshof ist zwar an die Auffassung des Oberlandesgerichts gebunden, daß es einer Stellungnahme zu der von diesem herausgestellten Rechtsfrage bedarf. Er hat jedoch zu prüfen, ob in der streitigen Rechtsfrage ein Abweichungsfall vorliegt (Senatsbeschlüsse vom 17. Oktober 1988 – IVb ZB 37/88 – FamRZ 1989, 48 und vom 5. Februar 1986 – IVb ZB 1/86 – FamRZ 1986, 460, 461). Das Erfordernis der Abweichung bedeutet zum einen, daß die begehrte Stellungnahme zu der Rechtsfrage für die zu treffende Entscheidung des Falles erheblich sein muß. Zum anderen muß die Rechtsauffassung, von der das Oberlandesgericht abweichen will, auch für die vorausgegangene Entscheidung des anderen Gerichts erheblich gewesen sein; sie muß die Grundlage jener Entscheidung gebildet haben. In der Entscheidung ausgesprochene Empfehlungen reichen dafür nicht aus. Unzureichend ist auch, daß die Rechtsfrage in der anderen Entscheidung sonst eine von der Auffassung des vorlegenden Oberlandesgerichts abweichende Beurteilung erfahren hat. Die Entscheidung muß vielmehr auf der anderen Beurteilung der Rechtsfrage beruhen. Dabei genügt es allerdings, wenn die strittige Rechtsfrage in jener Entscheidung erörtert und beantwortet ist und das Ergebnis für die Entscheidung von Einfluß war (BGHZ 21, 234, 236; 96, 198, 201; Senatsbeschluß vom 18. Oktober 1988 – IVb ZB 37/88 – aaO). An diesem Erfordernis fehlt es hier.
Anders als in der vorliegenden Sache war in dem von dem Oberlandesgericht Düsseldorf entschiedenen Fall die Vorlage nach § 45 Abs. 2 PstG erfolgt, um gerichtlich klären zu lassen, ob das von den Verlobten – im Jahre 1997 – bestellte Aufgebot von dem Standesbeamten der Zweifel an der Ernsthaftigkeit der beabsichtigten Eheschließung hatte, entgegenzunehmen war. Das Amtsgericht wies den Standesbeamten an, von seinen Bedenken Abstand zu nehmen; die hiergegen eingelegte Beschwerde der Aufsichtsbehörde wies das Landgericht zurück. Das Oberlandesgericht Düsseldorf verwarf die weitere Beschwerde als unzulässig, weil die Aufsichtsbehörde kein schutzwürdiges Anfechtungsinteresse (mehr) habe: Die Vorlage des Standesbeamten habe sich durch das seit dem 1. August 1998 geltende Eheschließungsrecht erledigt. Die Eheschließung sei seitdem bei dem Standesbeamten anzumelden (§ 4 PstG). Da demgemäß ein Aufgebot nicht mehr bestellt werde, sei eine Entscheidung über die Vorlage bereits in dem amtsgerichtlichen Verfahren obsolet geworden. Die deshalb eingetretene, von Amts wegen zu beachtende Erledigung führe zum Wegfall der Beschwer und damit zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels. Sowohl die Beschwerde als auch die weitere Beschwerde sei nur noch mit dem Ziel zulässig gewesen, die Erledigung des Verfahrens feststellen zu lassen. Die Aufsichtsbehörde habe die weitere Beschwerde indessen trotz des ihr erteilten Hinweises aufrechterhalten.
Mit dieser Fallgestaltung ist diejenige des vorliegenden Verfahrens nicht vergleichbar. Deshalb weicht die Beurteilung des vorlegenden Oberlandesgerichts nicht von der Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf ab.
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat allerdings weiter ausgeführt: Entgegen der Ansicht der Aufsichtsbehörde könne sie mit dem Rechtsmittel nicht erreichen, daß der Standesbeamte nicht angewiesen werde, die Anmeldung der Eheschließung entgegenzunehmen. Hierüber könne nur auf ein Rechtsmittel der Verlobten entschieden werden, nachdem der Standesbeamte seine Mitwirkung an der Eheschließung durch begründeten Bescheid abgelehnt habe. Vorlagen nach § 45 Abs. 2 PstG seien grundsätzlich schon deswegen ausgeschlossen, weil nicht bereits Zweifel an der Ernsthaftigkeit einer Eheschließung zur Ablehnung der Mitwirkung des Standesbeamten führten, sondern allein die Offenkundigkeit einer beabsichtigten Scheinehe. Der Standesbeamte werde deshalb unter Beachtung des neuen Rechts über die Anmeldung der Eheschließung zu befinden haben.
Diese Ausführungen des Oberlandesgerichts Düsseldorf sind indessen nicht Teil der Entscheidungsgrundlage, sondern stellen rechtlich unverbindliche Empfehlungen für die weitere Behandlung der Sache dar. Der Beschluß über die Verwerfung der weiteren Beschwerde beruht allein auf den zuvor dargelegten Gründen und nicht auf den anschließenden Ausführungen zu der streitigen Rechtsfrage. Denn das Gericht wäre in dem Verfahren zu keinem anderen Ergebnis gelangt, wenn es diese Streitfrage anders beurteilt hätte. Danach liegt ein Vorlegungsfall nach § 28 Abs. 2 FGG nicht vor (vgl. Senatsbeschluß vom 17. Oktober 1988 – IV ZB 34/88 – aaO S. 48, 49 m.w.N.). Der Bundesgerichtshof ist deshalb nicht zur Entscheidung in der Sache gemäß § 28 Abs. 3 FGG zuständig.
Unterschriften
Hahne, Weber-Monecke, Wagenitz, Fuchs, Vézina
Fundstellen
Haufe-Index 779211 |
FamRZ 2002, 1327 |
FuR 2002, 471 |
EzFamR aktuell 2002, 322 |
FPR 2003, 33 |
StAZ 2003, 41 |