Entscheidungsstichwort (Thema)
Unentschuldigtes Fernbleiben des Insolvenzverwalters vom vom Insolvenzgericht angeordneten Termin. Anhörung. Zwangsgeld. Inhaftnahme. Haftbefehl. Zwangsweise Vorführung des Insolvenzverwalters
Leitsatz (amtlich)
Bleibt der Insolvenzverwalter einem vom Insolvenzgericht angeordneten Termin zu seiner Anhörung unentschuldigt fern, kann gegen ihn nur Zwangsgeld festgesetzt werden. Eine Inhaftnahme ist unzulässig.
Normenkette
InsO § 58
Verfahrensgang
LG Göttingen (Beschluss vom 03.07.2008; Aktenzeichen 10 T 73/08) |
AG Göttingen (Beschluss vom 16.06.2008; Aktenzeichen 74 IN 11/01) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 10. Zivilkammer des LG Göttingen vom 3.7.2008 wird auf Kosten des weiteren Beteiligten zu 2) als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Rz. 1
Der weitere Beteiligte zu 1) (fortan: Insolvenzverwalter) wurde mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 1.4.2001 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der D. GmbH & Co KG in G. bestellt. Mit Beschluss vom 10.11.2005 ernannte das Insolvenzgericht den weiteren Beteiligten zu 2) zum Sonderinsolvenzverwalter (fortan: Sonderverwalter) zur Prüfung der Frage, ob gegen den Insolvenzverwalter Schadensersatzansprüche zugunsten der Masse geltend zu machen sind. Der Aufgabenkreis des Sonderverwalters wurde mit Beschlüssen des AG vom 29.5.2007 und vom 11.2.2008 erweitert.
Rz. 2
Mit Schriftsatz vom 12.2.2008 beantragte der Sonderverwalter die Anberaumung eines Termins zur Anhörung des Insolvenzverwalters und legte hierzu einen umfangreichen Fragenkatalog vor. Ferner regte er an, der Insolvenzverwalter möge die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben an Eides statt versichern. Hierauf bestimmte das Insolvenzgericht Termin zur Anhörung des Insolvenzverwalters auf den 22.4.2008. Weder zu diesem noch zu dem hierauf bestimmten Termin am 13.6.2008 erschien der Insolvenzverwalter. Zu dem auf den 17.6.2008 anberaumten Termin ordnete das Insolvenzgericht die zwangsweise Vorführung des Insolvenzverwalters durch den Gerichtsvollzieher an, was ohne Erfolg blieb. Auch zu diesem Termin erschien der Insolvenzverwalter nicht.
Rz. 3
Hierauf hat das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 19.6.2008 gegen den Insolvenzverwalter Haftbefehl erlassen. Das LG hat der sofortigen Beschwerde des Insolvenzverwalters mit Beschluss vom 3.7.2008 stattgegeben (veröffentlicht in ZIP 2008, 1933) und die Haftanordnung aufgehoben. Mit der Rechtsbeschwerde wendet sich der Sonderverwalter gegen diesen Beschluss.
II.
Rz. 4
Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig und deshalb zu verwerfen, § 577 Abs. 1 Satz 2 ZPO.
Rz. 5
1. Gemäß § 574 Abs. 1 ZPO ist die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss statthaft, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder das Beschwerdegericht sie zugelassen hat. Die Befugnis zur Rechtsbeschwerde setzt grundsätzlich voraus, dass auch eine entsprechende sofortige Beschwerde des Rechtsmittelführers statthaft gewesen wäre (vgl. BGH, Beschl. v. 25.6.2009 - IX ZB 161/08, NZI 2009, 553 m.w.N.). Daran fehlt es hier. Dem Sonderverwalter hätte, falls das Insolvenzgericht einen Antrag auf Verhaftung des Insolvenzverwalters abgelehnt hätte, hiergegen ein Beschwerderecht selbst dann nicht zugestanden, wenn man - mit dem Insolvenzgericht - den Insolvenzverwalter hier "in der Rolle des Schuldners" gesehen hätte (vgl. Jaeger/Schilken, InsO § 98 Rz. 33; MünchKomm/InsO/Passauer/Stephan, 2. Aufl., § 98 Rz. 31).
Rz. 6
2. Im Übrigen ist dem Beschwerdegericht darin Recht zu geben, dass eine Inhaftnahme des Insolvenzverwalters im Gesetz nicht vorgesehen ist. Die in § 98 InsO genannte Anordnung von Haft richtet sich, wie die Systematik der §§ 97-99 InsO zeigt, nur gegen den Schuldner. Eine analoge Anwendung der Haftbestimmung des § 98 InsO auf den Insolvenzverwalter scheidet entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde aus, weil gegen den Insolvenzverwalter gerichtete Zwangsmaßnahmen ausschließlich nach § 58 InsO zu beurteilen sind und in dieser Bestimmung lediglich die Verhängung von Zwangsgeld angesprochen wird. Eine Haftanordnung gegen den Insolvenzverwalter in analoger Anwendung von §§ 97, 98 InsO erweist sich mithin als nicht statthaft (HmbKomm-InsO/Frind, 3. Aufl., § 58 Rz. 10; Lüke in Kübler/Prütting/Bork, InsO § 58 Rz. 20; Frege ZInsO 2008, 1130, 1132). Das LG hat die Haftanordnung daher im angegriffenen Beschluss zu Recht als unzulässig beurteilt.
Rz. 7
3. Von einer weiteren Begründung wird gem. § 4 InsO, § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO abgesehen.
Fundstellen
Haufe-Index 2282036 |
BB 2010, 194 |
EBE/BGH 2010 |
WM 2010, 227 |
ZIP 2010, 190 |
DZWir 2010, 207 |
MDR 2010, 466 |
NZI 2010, 146 |
NZI 2010, 16 |
ZInsO 2010, 132 |
ZVI 2010, 268 |