Leitsatz (amtlich)
a) Eine Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Insolvenzgericht und dem Insolvenzverwalter oder Treuhänder ist für sich allein selbst dann kein hinreichender Grund für dessen Entlassung, wenn eine gedeihliche Zusammenarbeit ausgeschlossen erscheint.
b) Die auf eine Störung des Vertrauensverhältnisses zum Insolvenzgericht gestützte Entlassung des Insolvenzverwalters oder Treuhänders ist wegen des damit verbundenen Eingriffs in sein verfassungsrechtlich geschütztes Recht auf Berufsausübung in der Regel nur dann verhältnismäßig, wenn die Vertrauensstörung ihre Grundlage in einem pflichtwidrigen Verhalten des Verwalters hat, welches objektiv geeignet ist, das Vertrauen des Insolvenzgerichts in seine Amtsführung schwer und nachhaltig zu beeinträchtigen.
Normenkette
InsO § 313 Abs. 1 S. 3, § 59 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 29.11.2010; Aktenzeichen 85 T 43/10) |
AG Berlin-Köpenick (Beschluss vom 19.08.2009; Aktenzeichen 34 IK 68/04) |
Nachgehend
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der Zivilkammer 85 des LG Berlin vom 29.11.2010 wird auf Kosten des weiteren Beteiligten zu 1) zurückgewiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 1.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Rz. 1
Der weitere Beteiligte zu 1) wurde mit Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin am 24.9.2004 zum Treuhänder bestellt. Nach Durchführung des Schlusstermins hat das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 19.8.2009 der Schuldnerin die Erteilung der Restschuldbefreiung angekündigt und für die Wohlverhaltensphase den weiteren Beteiligten zu 2) zum Treuhänder bestellt. Es hat die damit verbundene Entlassung des weiteren Beteiligten zu 1) damit begründet, dass er in diesem und in anderen Verfahren erklärt habe, die ihm mit dem Eröffnungsbeschluss übertragenen Zustellungen an die Verfahrensbeteiligten nur noch gegen Zahlung einer Vergütung von 10 EUR je Zustellung auszuführen. Außerdem habe er in zwei anderen Verfahren den Schlusstermin unentschuldigt nicht wahrgenommen. Die vom weiteren Beteiligten zu 1) wegen seiner Entlassung erhobene sofortige Beschwerde ist vom LG zurückgewiesen worden. Hiergegen wendet sich der weitere Beteiligte zu 1) mit der Rechtsbeschwerde.
II.
Rz. 2
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 7, 6, 313 Abs. 1 Satz 3, 59 Abs. 2 Satz 1 InsO i.V.m. Art. 103 f EGInsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§§ 574 Abs. 2, 575 ZPO). Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Rz. 3
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Es könne offen bleiben, ob zwischen dem Treuhänder des vereinfachten Insolvenzverfahrens und dem des Restschuldbefreiungsverfahrens Personenidentität bestehen müsse oder ob für das Restschuldbefreiungsverfahren ohne Weiteres ein neuer Treuhänder bestellt werden könne. Selbst wenn man der ersten Auffassung folge, komme als Entlassungsgrund neben einer Pflichtverletzung des Treuhänders auch eine Situation in Betracht, bei der das erforderliche Vertrauensverhältnis zwischen dem Insolvenzgericht und dem Treuhänder in einem Maße gestört oder zerrüttet sei, dass ein gedeihliches Zusammenwirken nicht mehr möglich erscheine. Dies sei hier der Fall, weil zwischen dem Insolvenzgericht und dem Treuhänder seit Jahren Streit über die Frage bestehe, ob der Treuhänder für die ihm nach § 8 Abs. 3 InsO übertragenen Zustellungsaufgaben einen Zuschlag zur Vergütung entsprechend § 3 Abs. 1 InsVV verlangen könne. Der Streit, der zu einer Vielzahl von Beschwerdeverfahren geführt habe, habe sich inzwischen auf die Frage ausgeweitet, ob der Treuhänder die Zustellungsaufgaben auf ein externes Unternehmen übertragen dürfe, das unter derselben Anschrift firmiere wie er selbst und dessen Vorstand seine Anwaltspartnerin sei, und ob er dafür Auslagenersatz verlangen könne. Schließlich habe das Insolvenzgericht den Treuhänder in zahlreichen anderen Verfahren entlassen.
Rz. 4
2. Diese Begründung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Rz. 5
a) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist es allerdings nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht mit der Störung des Vertrauensverhältnisses einen Gesichtspunkt herangezogen hat, auf den das Insolvenzgericht seine Entscheidung noch nicht gestützt hatte. Das Beschwerdegericht ist nicht auf die rechtliche Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung beschränkt, sondern kann als vollwertige zweite Tatsacheninstanz eine eigene Ermessensentscheidung treffen (BGH, Beschl. v. 9.10.2008 - IX ZB 60/07, juris Rz. 2; v. 17.9.2009 - IX ZB 62/08, NZI 2009, 864 Rz. 3; Ganter in MünchKomm/InsO, 2. Aufl., § 6 Rz. 53a; Kirchhof in HK/InsO, 6. Aufl., § 6 Rz. 33).
Rz. 6
b) Nach gefestigter Rechtsprechung des Senats umfasst die Bestellung zum Treuhänder im vereinfachten Insolvenzverfahren auch das Restschuldbefreiungsverfahren, sofern die Bestellung im Eröffnungsbeschluss - wie hier - keine Einschränkung enthält (BGH, Beschl. v. 24.7.2003 - IX ZB 458/02, ZInsO 2003, 750; v. 17.6.2004 - IX ZB 92/03, ZVI 2004, 544; v. 15.11.2007 - IX ZB 237/06, WM 2008, 35 Rz. 8; v. 15.11.2007 - IX ZB 8/07, juris Rz. 2). Dies folgt aus der gesetzlichen Regelung in § 313 Abs. 1 InsO, wonach im vereinfachten Insolvenzverfahren der Treuhänder (§ 292 InsO) auch die Aufgaben des Insolvenzverwalters wahrnimmt und deshalb abweichend von § 291 Abs. 2 InsO bereits bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestimmt wird. Es entspricht auch der Vorstellung des Gesetzgebers, der mit der Regelung in § 313 Abs. 1 InsO erreichen wollte, dass bei Kleininsolvenzen nur eine Person für die Wahrnehmung der Verwalter- und Treuhänderaufgaben bestellt wird, weil dies zu einer Vereinfachung des Verfahrens und damit auch dazu führe, dass kostengünstiger abgewickelt werden könne (BT-Drucks. 12/7302, 193 zu § 357j RegE-InsO).
Rz. 7
Bestellt das Insolvenzgericht für die Wohlverhaltensperiode einen neuen Treuhänder, liegt darin zugleich die schlüssige Entlassung des ursprünglich bestellten Treuhänders; denn es können für die Wohlverhaltensperiode nicht nebeneinander zwei Treuhänder bestellt sein, die unabhängig voneinander dieselben Aufgaben wahrzunehmen haben (BGH, Beschl. v. 15.11.2007 - IX ZB 237/06, a.a.O., Rz. 5; v. 15.11.2007 - IX ZB 8/07, a.a.O.).
Rz. 8
c) Die Entlassung des Treuhänders im vereinfachten Insolvenzverfahren setzt wie die Entlassung eines Insolvenzverwalters einen wichtigen, die Entlassung rechtfertigenden Grund voraus (§§ 313 Abs. 1 Satz 3, 59 Abs. 1 Satz 1 InsO). Mit der vom Beschwerdegericht gegebenen Begründung lässt sich ein solcher nicht bejahen.
Rz. 9
aa) Ein die Entlassung rechtfertigender wichtiger Grund liegt vor, wenn eine Pflichtverletzung des Verwalters feststeht und es in Anbetracht der Erheblichkeit der Pflichtverletzung, insb. ihrer Auswirkungen auf den Verfahrensablauf und die berechtigten Belange der Beteiligten, sachlich nicht mehr vertretbar erscheint, den Verwalter oder Treuhänder in seinem Amt zu belassen. Die Beurteilung, ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vom Tatrichter zu treffen (BGH, Beschl. v. 8.12.2005 - IX ZB 308/04, WM 2006, 440 [441]; v. 9.7.2009 - IX ZB 35/09, WM 2009, 1662 Rz. 9; v. 17.3.2011 - IX ZB 192/10, WM 2011, 663 Rz. 18).
Rz. 10
bb) Eine Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Insolvenzgericht reicht für die Entlassung des Verwalters nicht aus, wenn sie lediglich auf persönlichem Zwist beruht (BGH, Beschl. v. 8.12.2005, a.a.O.; v. 1.3.2007 - IX ZB 47/06, WM 2007, 842 Rz. 8). Dies gilt entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts auch dann, wenn das Vertrauensverhältnis in einem Maße gestört ist, dass ein gedeihliches Zusammenwirken nicht mehr möglich erscheint. Denn mit einer Entlassung des Verwalters ist ein Eingriff in sein verfassungsrechtlich geschütztes Recht auf freie Berufsausübung nach Art. 12 GG verbunden (BGH, Beschl. v. 8.12.2005 - IX ZB 308/04, WM 2006, 440 [441]; v. 9.7.2009 - IX ZB 35/09, WM 2009, 1662 Rz. 6). Dieser Eingriff ist in der Regel nur dann verhältnismäßig, wenn die Störung des Vertrauensverhältnisses ihre Grundlage in einem pflichtwidrigen Verhalten des Verwalters hat, welches objektiv geeignet ist, das Vertrauen des Insolvenzgerichts in seine Amtsführung schwer und nachhaltig zu beeinträchtigen (vgl. zur Entlassung des Mitglieds eines Gläubigerausschusses BGH, Beschl. v. 1.3.2007, a.a.O., Rz. 6). Dabei kommt auch ein Fehlverhalten des Verwalters in einem anderen Insolvenzverfahren in Betracht, sofern aus diesem Verhalten zu schließen ist, dass die rechtmäßige und geordnete Abwicklung des laufenden Verfahrens bei einem Verbleiben des Verwalters im Amt nachhaltig beeinträchtigt werden würde. Dies kann etwa der Fall sein, wenn masseschädigende Verhaltensweisen erheblichen Umfangs in anderen Insolvenzverfahren die generelle Unzuverlässigkeit des Verwalters erweisen (vgl. BGH, Beschl. v. 17.3.2011 - IX ZB 192/10, WM 2011, 663 Rz. 20).
Rz. 11
cc) Indem das Beschwerdegericht eine die gedeihliche Zusammenarbeit ausschließende Störung oder Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Gericht und dem Treuhänder als Entlassungsgrund anerkennt, ohne dass es insoweit auf ein Verschulden des Treuhänders oder auf sonstige weitere sachliche Voraussetzungen ankäme, hat es diesen Maßstab verkannt.
Rz. 12
3. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar (§ 577 Abs. 3 ZPO). Nach dem vom Beschwerdegericht selbst festgestellten Sachverhalt und den von ihm in Bezug genommenen Feststellungen des Insolvenzgerichts ist die schwere Störung des Vertrauensverhältnisses auf ein pflichtwidriges Verhalten des weiteren Beteiligten zu 1) zurückzuführen, das objektiv geeignet war, eine solche Störung zu bewirken.
Rz. 13
a) Das Beschwerdegericht leitet den Vertrauensverlust u.a. daraus ab, dass zwischen dem Insolvenzgericht und dem Treuhänder seit Jahren Streit über die Frage bestehe, ob der Treuhänder für die ihm übertragenen Zustellungsaufgaben einen Zuschlag zur Vergütung verlangen kann. Eine solche Meinungsverschiedenheit in einer Rechtsfrage stellt für sich genommen noch kein pflichtwidriges Verhalten des Treuhänders dar, auch dann nicht, wenn sie zu zahlreichen Beschwerdeverfahren führt.
Rz. 14
b) Das Insolvenzgericht hat aber festgestellt, der weitere Beteiligte zu 1) habe im vorliegenden und in anderen Insolvenzverfahren erklärt, er werde die ihm nach § 8 Abs. 3 InsO übertragenen Zustellungen an die Verfahrensbeteiligten künftig nur noch ausführen, wenn ihm für die Vornahme dieser Zustellungen ein Zuschlag zur Vergütung i.H.v. 10 EUR je auszuführender Zustellung durch das Gericht gezahlt werde.
Rz. 15
aa) Mit diesem Verhalten hat der weitere Beteiligte zu 1) die ihm obliegenden Pflichten grob verletzt. Die Vergütung des Treuhänders im vereinfachten Insolvenzverfahren ist in § 13 InsVV geregelt. Nach dessen Abs. 2 findet die Regelung des § 3 InsVV über Zuschläge zur Vergütung im vereinfachten Insolvenzverfahren keine Anwendung. In besonders gelagerten Ausnahmefällen kann die Vergütung des Treuhänders gleichwohl erhöht werden, wenn die tatsächliche Tätigkeit von dem Tätigkeitsbild, wie es typischerweise bei einem Treuhänder gegeben ist und dem Verordnungsgeber vorschwebte, erheblich abweicht (BGH, Beschl. v. 24.5.2005 - IX ZB 6/03, WM 2005, 1663 [1664]). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, hat das Insolvenzgericht im Verfahren über den Vergütungsantrag des Treuhänders zu entscheiden. Lehnt es eine zusätzliche Vergütung ab, ist der Treuhänder darauf verwiesen, die gesetzlich vorgesehenen Rechtsbehelfe zu ergreifen. Bleiben sie ohne Erfolg, berührt dies nicht seine Pflicht, die ihm nach dem Gesetz obliegenden oder vom Insolvenzgericht auf gesetzlicher Grundlage übertragenen Aufgaben zu erfüllen. Diese Pflicht entfällt nur, wenn das Insolvenzgericht ihn entweder von einzelnen Aufgaben entbindet oder ihn aus seinem Amt als Treuhänder ganz entlässt. Macht der Treuhänder die Erledigung einer ihm übertragenen Aufgabe von der Gewährung einer erhöhten Vergütung abhängig, missachtet er bewusst diese gesetzliche Regelung.
Rz. 16
bb) Die in einem solchen Verhalten liegende Pflichtverletzung ist objektiv geeignet, das Vertrauensverhältnis zum Insolvenzgericht schwer und nachhaltig zu stören, weil sie den Versuch beinhaltet, die Entscheidung des Insolvenzgerichts über die Vergütung des Treuhänders in unzulässiger Weise zu beeinflussen, und dazu führt, dass sich das Insolvenzgericht auf eine von der Vergütungsentscheidung unabhängige Aufgabenerfüllung nicht mehr verlassen kann. Eine ordnungsgemäße Verfahrensführung wäre in höchstem Maße gefährdet, wenn der Insolvenzverwalter ihm obliegende Mitwirkungshandlungen von der Gewährung dem Gesetz fremder Sondervorteile abhängig machen dürfte. Dies gilt umso mehr, wenn der Treuhänder - wie hier - gleichartige Pflichtverletzungen auch in anderen beim nämlichen Insolvenzgericht anhängigen Verfahren begangen hat.
Fundstellen
Haufe-Index 2936674 |
BB 2012, 6 |
EBE/BGH 2012 |
NJW-RR 2012, 952 |
WM 2012, 547 |
ZAP 2012, 442 |
ZIP 2012, 583 |
DZWir 2012, 420 |
MDR 2012, 612 |
NZI 2012, 7 |
Rpfleger 2012, 342 |
ZInsO 2012, 551 |
GWR 2012, 189 |
ZVI 2012, 274 |