Leitsatz (amtlich)
Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, müssen den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben sowie den Streitgegenstand und die Anträge in beiden Instanzen erkennen lassen. Anderenfalls sind sie nicht mit den nach dem Gesetz erforderlichen Gründen versehen und bereits deshalb wegen eines von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmangels aufzuheben.
Normenkette
ZPO §§ 3, 522 Abs. 1 S. 4, § 547 Nr. 6, § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2, Alt. 2, § 576 Abs. 3
Verfahrensgang
OLG Dresden (Beschluss vom 18.05.2020; Aktenzeichen 1 U 292/20) |
LG Görlitz (Urteil vom 17.12.2019; Aktenzeichen 5 O 556/18) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss des 1. Zivilsenats des OLG Dresden vom 18.5.2020 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 589,22 EUR.
Gründe
I.
Rz. 1
Das OLG hat durch den angefochtenen Beschluss die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des LG als unzulässig verworfen, da der Wert des Beschwerdegegenstands nicht 600 EUR übersteige (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beklagte mit der Rechtsbeschwerde.
II.
Rz. 2
1. Die Rechtsbeschwerde ist gem. §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2, Alt. 2 ZPO).
Rz. 3
2. Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben, weil er nicht ausreichend mit Gründen versehen ist.
Rz. 4
a) Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, müssen nach der ständigen Senatsrechtsprechung den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben sowie den Streitgegenstand und die Anträge in beiden Instanzen erkennen lassen. Anderenfalls sind sie nicht mit den nach dem Gesetz (§§ 576 Abs. 3, 547 Nr. 6 ZPO) erforderlichen Gründen versehen und bereits deshalb wegen eines von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmangels aufzuheben (vgl. BGH, Beschlüsse v. 30.4.2019 - VI ZB 48/18 MDR 2019, 954 Rz. 4; v. 19.3.2019 - VI ZB 27/17, juris Rz. 5; v. 12.2.2019 - VI ZB 35/17, juris Rz. 4; v. 6.2.2018 - VI ZB 12/17, juris Rz. 4; v. 26.4.2016 - VI ZB 4/16 und - VI ZB 7/16, NJW-RR 2016, 952 Rz. 16; v. 16.4.2013 - VI ZB 50/12 NJW-RR 2013, 1077 Rz. 4; jeweils m.w.N.). Das Rechtsbeschwerdegericht hat grundsätzlich von dem Sachverhalt auszugehen, den das Berufungsgericht festgestellt hat (§§ 577 Abs. 2 Satz 1 und 4, 559 ZPO). Enthält der angefochtene Beschluss keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen, ist das Rechtsbeschwerdegericht zu einer rechtlichen Überprüfung nicht in der Lage. Dies gilt auch, wenn das Berufungsgericht die Berufung verwirft, weil die Berufungssumme nicht erreicht sei (vgl. BGH, Beschlüsse v. 30.4.2019 - VI ZB 48/18 MDR 2019, 954 Rz. 4; v. 12.2.2019 - VI ZB 35/17, juris Rz. 5; v. 6.2.2018 - VI ZB 12/17, juris Rz. 4; v. 16.4.2013 - VI ZB 50/12 NJW-RR 2013, 1077 Rz. 4). Denn die Wertfestsetzung kann vom Rechtsbeschwerdegericht nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht die Grenzen des ihm von § 3 ZPO eingeräumten Ermessens überschritten oder rechtsfehlerhaft von ihm Gebrauch gemacht hat (vgl. BGH, Beschlüsse v. 30.4.2019 - VI ZB 48/18 MDR 2019, 954 Rz. 4; v. 12.2.2019 - VI ZB 35/17, juris Rz. 5; v. 6.2.2018 - VI ZB 12/17, juris Rz. 4; v. 16.4.2013 - VI ZB 50/12 NJW-RR 2013, 1077 Rz. 4; jeweils m.w.N.).
Rz. 5
b) Nach diesen Grundsätzen kann der angegriffene Beschluss keinen Bestand haben. Der für die rechtliche Überprüfung erforderliche Sachverhalt und das Rechtsschutzziel des Beklagten lassen sich der angefochtenen Entscheidung auch unter Berücksichtigung des darin in Bezug genommenen Hinweisbeschlusses nicht mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen. Insbesondere fehlt eine hinreichende Wiedergabe der Anträge in beiden Instanzen, um dem Rechtsbeschwerdegericht die Überprüfung der Bestimmung der Beschwer des Beklagten durch das Berufungsgericht zu ermöglichen.
III.
Rz. 6
Die Entscheidung über die Nichterhebung von Gerichtskosten beruht auf § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG. Mangels tatsächlicher Feststellungen zum Sach- und Streitstand hat der Senat den Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens nach der Wertfestsetzung des Berufungsgerichts bestimmt.
Fundstellen
Haufe-Index 14356113 |
NJW 2021, 9 |
NJW-RR 2021, 317 |
ZAP 2021, 276 |
JZ 2021, 214 |
MDR 2021, 638 |
VersR 2021, 1128 |
ErbR 2021, 461 |
Mitt. 2021, 370 |