Leitsatz (amtlich)
Kommt die Pfändung eines Taschengeldanspruchs in Betracht, hat der Schuldner in dem Vermögensverzeichnis das Nettoeinkommen des Ehepartners anzugeben.
Normenkette
ZPO §§ 807, 899 ff.
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Beschluss vom 31.07.2003; Aktenzeichen 2 T 199/02) |
AG Leonberg (Beschluss vom 18.04.2002) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Gläubiger wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des LG Stuttgart v. 31.7.2003 aufgehoben, soweit er zum Nachteil der Gläubiger ergangen ist.
Auf die sofortige Beschwerde der Gläubiger wird der Beschluss des AG Leonberg v. 18.4.2002 weiter dahin geändert, dass der Gerichtsvollzieher ferner angewiesen wird, den Antrag der Gläubiger nicht mit der Begründung zurückzuweisen, der Schuldner sei nicht verpflichtet, Angaben zur Höhe des Nettoeinkommens seiner Ehefrau zu machen.
Die Kosten der Rechtsmittel hat der Schuldner zu tragen.
Beschwerdewert: 1.500 EUR.
Gründe
I.
Die Gläubiger betreiben gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen einer Hauptforderung von 2.438,12 EUR nebst Zinsen und Kosten. Im August 1999 gab der Schuldner die eidesstattliche Versicherung ab. Er erklärte u.a., dass er über kein eigenes Einkommen verfüge und von seiner Ehefrau nicht dauernd getrennt lebe.
Das Gesuch der Gläubiger, den Schuldner zur Nachbesserung seiner eidesstattlichen Versicherung zu veranlassen, Angaben zu dem Beruf, dem Arbeitgeber und zu der Höhe des Einkommens der Ehefrau zu machen, lehnte der Gerichtsvollzieher ab. Die hiergegen eingelegte Erinnerung wies das AG zurück.
Über die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde der Gläubiger hat zunächst der Einzelrichter entschieden; die erste Rechtsbeschwerde führte deshalb zur Aufhebung und Zurückverweisung (zur Rechtslage vgl. BGH v. 13.3.2003 - IX ZB 134/02, BGHZ 154, 200 = MDR 2003, 588 = BGHReport 2003, 627). Auf die sofortige Beschwerde hat das LG nunmehr den Beschluss des AG dahin abgeändert, dass der Gerichtsvollzieher angewiesen wird, ein vollständiges Vermögensverzeichnis aufzunehmen, in welchem der Schuldner ergänzend zu den bisher aufgenommenen Angaben die Frage beantwortet, ob und ggf. welchen Beruf sein Ehegatte ausübt und wer dessen Arbeitgeber ist. Im Übrigen hat es die sofortige Beschwerde unter Zulassung der Rechtsbeschwerde zurückgewiesen.
II.
Die gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO statthafte und auch im übrigen gem. § 575 ZPO zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
1. Nach Auffassung des LG ist der Schuldner zwar verpflichtet, Angaben über eine etwaige Berufstätigkeit seiner Ehefrau zu machen. Da § 807 ZPO nur Angaben zum eigenen Vermögen des Schuldners verlange, erstrecke sich seine Offenbarungspflicht aber nicht auch auf die Höhe des Einkommens der Ehefrau. Zur Wahrung der Interessen der Gläubiger seien Angaben hierzu nicht zwingend erforderlich, weil schon die Angaben des Berufes und der Arbeitsstelle der Ehefrau es den Gläubigern ermöglichten, das von ihnen vermutete Einkommen der Ehefrau zu behaupten.
Demgegenüber ist die Rechtsbeschwerde der Auffassung, die Offenbarungspflicht des Schuldners erstrecke sich auch auf die Höhe des Einkommens seiner Ehefrau. Dies ergebe sich aus dem Zweck des Verfahrens nach § 807 ZPO, dem Gläubiger Informationen über das Vorhandensein von vollstreckungsfähigem Vermögen des Schuldners zu verschaffen und ihm Unterlagen für weitere Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zugänglich zu machen. Ohne Angaben zur Höhe des Nettoeinkommens des Ehepartners habe ein Antrag auf Pfändung und Überweisung des Taschengeldanspruchs eines Schuldners gegen seinen Ehegatten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Da der Taschengeldanspruch nur unter den Voraussetzungen des § 850b Abs. 2 ZPO bedingt pfändbar sei, habe der Gläubiger das Vorliegen dieser Voraussetzungen darzulegen und hierzu substantiierte Angaben über das Bestehen und die Höhe des Taschengeldanspruchs zu machen. Dies sei ihm aber nur dann möglich, wenn ihm zumindest das Nettoeinkommen des verdienenden Ehegatten des Schuldners bekannt sei.
2. Die Auffassung der Rechtsbeschwerde ist zutreffend.
a) Die Offenbarungspflicht des gem. §§ 807, 899 ff. ZPO zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verpflichteten Schuldners erstreckt sich auch auf einen etwaigen Taschengeldanspruch gegen seinen Ehegatten. Einem haushaltführenden Ehegatten steht, sofern nicht das Familieneinkommen schon durch den notwendigen Grundbedarf der Familienmitglieder restlos aufgezehrt wird (vgl. BGH, Urt. v. 21.1.1998 - XII ZR 140/96, MDR 1998, 472 = NJW 1998, 1553 [1554] m.w.N.), ein Anspruch auf Zahlung eines Taschengelds zu, dessen Höhe sich nach den im Einzelfall gegebenen Vermögensverhältnissen, dem Lebensstil und der Zukunftsplanung der Ehegatten richtet und üblicherweise mit einer Quote von 5 bis 7 % des zur Verfügung stehenden Nettoeinkommens bemessen wird (BGH, Urt. v. 21.1.1998 - XII ZR 140/96, MDR 1998, 472 = NJW 1998, 1553 [1554]; Urt. v. 15.10.2003 - XII ZR 122/00, BGHReport 2004, 382 = NJW 2004, 674 [677]). Der Taschengeldanspruch ist gem. § 850b Abs. 2 ZPO bedingt pfändbar (BGH, Beschl. v. 19.3.2004 - IXa ZB 57/03, m.N., z.V.b.).
b) In dem gem. § 807 Abs. 1 ZPO vorzulegenden Vermögensverzeichnis hat der Schuldner für seine Forderungen den Grund und die Beweismittel zu bezeichnen. Soweit es den Taschengeldanspruch gegen seinen Ehegatten betrifft, genügt es hierfür nicht, dass der Schuldner das Bestehen des Anspruchs sowie Namen und Anschrift des Ehegatten angibt (so aber Zöller/Stöber, ZPO, 24. Aufl., § 807 Rz. 23m.N.).
aa) Die §§ 807, 899 ff. ZPO schützen das Vollstreckungsinteresse des Gläubigers. Ihm soll Kenntnis von den Vermögensgegenständen des Schuldners gegeben werden, die möglicherweise dem Zugriff im Wege der Zwangsvollstreckung unterliegen (vgl. BVerfG v. 19.10.1982 - 1 BvL 34/80, 1 BvL 55/80, BVerfGE 61, 126 [136] = MDR 1983, 188; BGHSt 15, 128 [130]; BayObLG v. 6.3.2003 - 5 St RR 18/03, NJW 2003, 2181 [2182]; Zöller/Stöber, ZPO, 24. Aufl., § 807 Rz. 1). Diese Regelungen tragen dem öffentlichen Interesse daran Rechnung, dem Vollstreckungsgläubiger, dem der Staat als Inhaber des Zwangsmonopols die Selbsthilfe verbietet, die Verwirklichung seines Anspruchs und als Voraussetzung dafür die mit der Offenlegung bezweckte Feststellung der pfändbaren Vermögensgegenstände zu ermöglichen (BVerfG v. 19.10.1982 - 1 BvL 34/80, 1 BvL 55/80, BVerfGE 61, 126 [136] = MDR 1983, 188). Allerdings muss der Schuldner nicht alles, woran der Gläubiger ein Interesse haben könnte, angeben (vgl. BGHSt 14, 345 [346 f.]), sondern nur das, was der Gläubiger wissen muss, um anhand des Vermögensverzeichnisses sofort die möglichen Maßnahmen zu seiner Befriedigung treffen zu können (vgl. OLG Köln v. 7.7.1993 - 2 W 76/93, OLGReport Köln 1993, 331 = NJW 1993, 3335; BayObLG v. 6.3.2003 - 5 St RR 18/03, NJW 2003, 2181 [2182]; Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl., § 807 Rz. 25). Forderungen hat der Schuldner demgemäß so zu bezeichnen, dass dem Gläubiger deren Pfändung möglich ist (Musielak/Becker, ZPO, 3. Aufl., § 807 Rz. 13). Zu nennen sind neben Namen und Anschrift des Drittschuldners vor allem auch die Höhe der Forderung (vgl. BayObLG v. 6.3.2003 - 5 St RR 18/03, NJW 2003, 2181 [2182]; Musielak/Becker, ZPO, 3. Aufl., § 807 Rz. 13, jeweils m.w.N.).
bb) Nach diesen Grundsätzen reichen entgegen der Auffassung des LG bei dem Taschengeldanspruch Angaben des Schuldners zu dem vom Ehegatten ausgeübten Beruf und zu dem Arbeitgeber nicht aus. Vielmehr hat er auch zur Höhe des Einkommens seines Ehegatten die ihm möglichen Angaben zu machen (h.M., OLG Köln v. 7.7.1993 - 2 W 76/93, OLGReport Köln 1993, 331 = NJW 1993, 3335; NJW 1995, 309 [310]; OLG München JurBüro 1999, 605; KG v. 3.5.1999 - 25 W 218/98, KGReport Berlin 2000, 14 = NJW 2000, 149; Göppinger/Wax, Unterhaltsrecht, 8. Aufl., Rz. 2581; Musielak/Becker, ZPO, 3. Aufl., § 807 Rz. 7; Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl., § 807 Rz. 26; a.A. LG Augsburg DGVZ 1994, 88; Zöller/Stöber, ZPO, 24. Aufl., § 807 Rz. 23).
Gemäß § 850b Abs. 2 ZPO können die nach Abs. 1 dieser Vorschrift grundsätzlich unpfändbaren Bezüge nur dann nach den für Arbeitseinkommen geltenden Vorschriften (§§ 850c ff. ZPO) gepfändet werden, wenn die Vollstreckung in das sonstige bewegliche Vermögen des Schuldners zu einer vollständigen Befriedigung nicht geführt hat oder voraussichtlich nicht führen wird und wenn die Pfändung nach den Umständen des Falles, insbes. nach der Art des beizutreibenden Anspruchs und der Höhe der Bezüge, der Billigkeit entspricht. Dies hat der Gläubiger, der die Pfändung und Überweisung des Taschengeldanspruchs seines Schuldners beantragt, darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen (vgl. BGH, Beschl. v. 19.3.2004 - IXa ZB 57/03; Musielak/Becker, ZPO, 3. Aufl., § 850b Rz. 11, jeweils m.w.N.). Hierzu bedarf es Angaben auch zur Höhe des Nettoeinkommens des Ehegatten des Schuldners, weil es Berechnungsgrundlage für den Taschengeldanspruch ist. Nach der Höhe des Nettoeinkommens des Ehegatten bestimmt sich, ob die Pfändungsfreigrenzen des § 850c Abs. 1, 2 ZPO einer Pfändung von 7/10 des Taschengeldanspruchs entgegenstehen (vgl. BGH, Beschl. v. 19.3.2004 - IXa ZB 57/03; Musielak/Becker, ZPO, 3. Aufl., § 850b Rz. 4, jeweils m.w.N.). Zudem ist für die vom Vollstreckungsgericht zu treffende Billigkeitsentscheidung (vgl. dazu im einzelnen Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, Bd. 1, 3. Aufl., § 850b Rz. 3; Musielak/Becker, ZPO, 3. Aufl., § 850b Rz. 4, 11) die Höhe der dem Schuldner im Falle der Pfändung des Taschengeldes verbleibenden Bezüge von Bedeutung (vgl. BGH, Beschl. v. 19.3.2004 - IXa ZB 57/03; OLG Brandenburg v. 24.10.2001 - 8 W 259/01, MDR 2002, 356 = OLGReport Brandenburg 2002, 126). Angaben des Schuldners lediglich zu dem Beruf und dem Arbeitgeber seines Ehegatten reichen mithin regelmäßig nicht aus.
cc) Der Schutz vor der Weitergabe höchstpersönlicher Daten steht der Verpflichtung des Schuldners zur näheren Bezeichnung der Taschengeldforderung nicht entgegen (so aber LG Bremen v. 6.8.1992 - 3 T 505/92, Rpfleger 1993, 119), denn anzugeben sind lediglich die Berechnungsgrundlagen des Taschengeldanspruchs. Zwar ist es bei der näheren Bezeichnung von Forderungen unvermeidlich, dass Dritte - hier die Ehefrau - durch die Angaben in dem zur Rechtsverfolgung nötigen Umfang tangiert werden; diese reflexartige Beeinträchtigung berührt aber nur deren vermögensrechtliche Interessen (vgl. OLG Köln v. 7.7.1993 - 2 W 76/93, OLGReport Köln 1993, 331 = NJW 1993, 3335; OLG München JurBüro 1999, 605). Familienrechtliche Belange stehen ebenfalls nicht entgegen, weil sie bei der vom Vollstreckungsgericht gem. § 850b Abs. 2 ZPO vorzunehmenden Billigkeitsprüfung Berücksichtigung finden.
Fundstellen
Haufe-Index 1171404 |
NJW 2004, 2452 |
BGHR 2004, 1389 |
FamRZ 2004, 1279 |
FuR 2005, 81 |
JurBüro 2004, 494 |
WM 2004, 1591 |
WuB 2004, 899 |
FPR 2004, 590 |
InVo 2004, 423 |
JuS 2004, 1111 |
KKZ 2004, 248 |
MDR 2004, 1259 |
MDR 2006, 966 |
Rpfleger 2004, 575 |
FamRB 2004, 355 |
VE 2004, 162 |
ZVI 2004, 390 |
LMK 2004, 185 |
ProzRB 2005, 8 |