Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Musterklägerin wird der Musterentscheid des 11. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 20. August 2021 hinsichtlich der Musterbeklagten zu 1 bis 3 dahingehend abgeändert, dass das Feststellungsziel 2 als unbegründet zurückgewiesen wird und der Vorlagebeschluss des Landgerichts Hamburg vom 5. September 2018 in der Fassung des Beschlusses des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 26. März 2021 in Bezug auf die Feststellungsziele 1 und 3 gegenstandslos ist.
Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens und die außergerichtlichen Kosten der Musterbeklagten zu 1 bis 4 tragen die Musterklägerin und die Beigetretenen zu 1 bis 13 wie folgt:
Musterklägerin |
13,84% |
Beigetretene zu 1 |
5,70% |
Beigetretene zu 2 |
11,40% |
Beigetretener zu 3 |
Gesamtschuldner mit zu 2 |
Beigetretener zu 4 |
3,95% |
Beigetretene zu 5 |
7,60% |
Beigetretene zu 6 |
11,40% |
Beigetretener zu 7 |
Gesamtschuldner mit zu 6 |
Beigetretener zu 8 |
7,90% |
Beigetretener zu 9 |
9,50% |
Beigetretener zu 10 |
3,80% |
Beigetretener zu 11 |
7,90% |
Beigetretener zu 12 |
11,87% |
Beigetretene zu 13 |
5,14% |
Ihre außergerichtlichen Kosten tragen die Musterklägerin und die Beigetretenen zu 1 bis 13 jeweils selbst.
Der Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird hinsichtlich der Gerichtskosten auf 1.344.400 € festgesetzt.
Der Gegenstandswert für die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird für den Prozessbevollmächtigten der Musterklägerin und der Beigetretenen zu 1 bis 13 auf 265.700 € und für den Prozessbevollmächtigten der Musterbeklagten zu 1 bis 4 auf 1.344.400 € festgesetzt.
Gründe
A.
Rz. 1
Die Parteien streiten im Rahmen eines Verfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) darüber, ob der am 31. August 2007 aufgestellte Prospekt zu der unter dem Namen "H. " angebotenen Beteiligung an der R. mbH & Co. KG MS "J. " (im Folgenden: Schiffsgesellschaft oder Fondsgesellschaft) fehlerhaft ist und ob die Musterbeklagten hierfür aufgrund Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten in Anspruch genommen werden können.
Rz. 2
Der Fonds hatte den Erwerb und Betrieb des Containerschiffs "J. " mit einer Stellplatzkapazität von 2.546 TEU zum Gegenstand.
Rz. 3
Im Prospekt ist unter der Überschrift "Vertriebsvereinbarung" auf Seite 56 ausgeführt:
"Die Schiffsgesellschaft hat mit der HCI H. mbH eine Vertriebsvereinbarung über die Eigenkapitalbeschaffung abgeschlossen […]."
Rz. 4
Im Gesellschaftsvertrag (Seite 82 ff. des Prospekts) ist unter "§ 6 Geschäftsführung und Vertretung" die persönlich haftende Gesellschafterin zur Geschäftsführung berechtigt und verpflichtet. Persönlich haftende Gesellschafterin ist die R. Verwaltungs GmbH MS "J. ".
Rz. 5
Die Musterbeklagten zu 1 bis 4 sind Gründungsgesellschafter der Fondsgesellschaft.
Rz. 6
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 5. September 2018 dem Oberlandesgericht Feststellungsziele zum Zweck der Herbeiführung eines Musterentscheids vorgelegt. Mit Beschluss vom 26. März 2021 hat das Oberlandesgericht einige Feststellungsziele konkretisiert. Mit den Feststellungszielen unter der Ziffer 1 werden - soweit im Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Interesse - mehrere Prospektfehler geltend gemacht. Zudem soll festgestellt werden, dass die Musterbeklagten zu 1 bis 3 "im Hinblick auf den Erwerb der Fondsbeteiligungen im Hinblick auf die Treugeber der R. mbH & Co. KG MS "J. " im Allgemeinen und der Klagepartei im Besonderen Haftungsschuldnerinnen nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne sind" (Feststellungsziel 2) und dass aus dem schlichten Ausbleiben von prospektierten und prognostizierten Ausschüttungen nicht auf eine Kenntnis oder eine grob fahrlässige Unkenntnis der Treugeber von den in Ziffer 1 genannten Prospektfehlern geschlossen werden könne (Feststellungsziel 3).
Rz. 7
Das Oberlandesgericht hat mit Musterentscheid vom 20. August 2021 festgestellt, dass der Vorlagebeschluss des Landgerichts gegenstandslos ist. Gegen den Musterentscheid hat die Musterklägerin in Bezug auf die Musterbeklagten zu 1 bis 3 Rechtsbeschwerde eingelegt und verfolgt insoweit die im Vorlagebeschluss in Verbindung mit dem Beschluss des Oberlandesgerichts vom 26. März 2021 benannten Feststellungsziele weiter. Mit Beschluss vom 6. Dezember 2021 hat der Senat die Musterbeklagte zu 1 zur Musterrechtsbeschwerdegegnerin bestimmt. Die Musterbeklagten zu 2 bis 4 sind dem Rechtsbeschwerdeverfahren auf Seiten der Musterrechtsbeschwerdegegnerin beigetreten. Auf Seiten der Musterklägerin sind 13 Beigeladene dem Rechtsbeschwerdeverfahren beigetreten. Die Beitritte sind jeweils form- und fristgemäß erfolgt.
B.
Rz. 8
Die zulässige Rechtsbeschwerde der Musterklägerin hat im Ergebnis keinen Erfolg.
I.
Rz. 9
Das Oberlandesgericht hat zur Begründung des Musterentscheids, soweit für die Rechtsbeschwerde von Bedeutung, im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 10
Der Vorlagebeschluss sei hinsichtlich sämtlicher Feststellungsziele gegenstandslos. Die von der Musterklägerin verfolgten Feststellungsziele seien nicht mehr entscheidungserheblich. Die Musterklägerin stütze diese ausschließlich auf eine Haftung der Musterbeklagten nach den Grundsätzen der "Prospekthaftung im weiteren Sinne". Eine solche Haftung käme jedoch auch bei Vorliegen der behaupteten Prospektfehler nicht mehr in Betracht. Die Musterbeklagte zu 5 sei Prospektverantwortliche nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BörsG aF, da ihre Rechtsvorgängerin auf Seite 5 des Prospekts als Prospektverantwortliche genannt werde. Die übrigen Musterbeklagten seien verantwortlich nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG aF. Sämtliche Musterbeklagten seien Gründungsgesellschafter der Fondsgesellschaft. Im vorliegenden Verfahren kämen zudem weitere erhebliche Aspekte hinzu, die eine Verantwortlichkeit der Musterbeklagten für den Prospekt begründeten. Die Haftung der Musterbeklagten nach den Grundsätzen der "Prospekthaftung im weiteren Sinne" sei bereits deshalb ausgeschlossen, weil sie Prospektverantwortliche im Sinne von § 44 BörsG aF seien. Soweit die Musterklägerin meine, eine Haftung der Musterbeklagten wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzungen sei vorliegend nicht ausgeschlossen, weil die Vermittler den Prospekt als alleinige Arbeitsgrundlage der Aufklärung verwendet hätten, folge ihr der Senat nicht. Zwar könne der Gründungsgesellschafter aus anderen Gründen als durch Verwenden einer Kapitalmarktinformation als Mittel der schriftlichen Aufklärung - etwa wegen unrichtiger mündlicher Zusicherungen - haften. Hiervon könnten jedoch nur solche Fälle erfasst werden, in denen der Vermittler die im Prospekt dargelegten Risiken relativiere oder in sonstiger Weise von den Angaben im Prospekt abweiche. Solche Pflichtverletzungen habe die Musterklägerin nicht zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens gemacht.
II.
Rz. 11
Die zulässige Rechtsbeschwerde bleibt im Ergebnis ohne Erfolg. Das Oberlandesgericht hat in Bezug auf die Musterbeklagten zu 1 bis 3 lediglich übersehen, dass mit dem Feststellungsziel 2 eine Haftung dieser Musterbeklagten festgestellt werden soll und dass insoweit ein Sachentscheidungsinteresse der Musterklägerin an der Klärung der Haftungsfrage besteht, so dass über dieses Feststellungsziel in der Sache zu entscheiden ist. Da das Feststellungsziel 2 als unbegründet zurückzuweisen ist, ist der Vorlagebeschluss in der Fassung des Beschlusses des Oberlandesgerichts vom 26. März 2021 hinsichtlich der Musterbeklagten zu 1 bis 3 in Bezug auf die Feststellungsziele 1 und 3 gegenstandslos.
Rz. 12
1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Sie ist rechtzeitig eingelegt und begründet worden (§ 20 Abs. 1 Satz 1 KapMuG i.V.m. § 575 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO) und formuliert einen ordnungsgemäßen Rechtsbeschwerdeantrag (§ 20 Abs. 1 Satz 1 KapMuG i.V.m. § 575 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).
Rz. 13
2. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Sie hat schon deshalb keinen Erfolg, weil die mit den Feststellungszielen behaupteten Prospektfehler im Hinblick auf die Musterbeklagten zu 1 bis 3 ausschließlich als anspruchsbegründende Tatsachen eines Anspruchs wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten durch Verwenden eines unrichtigen oder unvollständigen Verkaufsprospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung geltend gemacht worden sind und ein solcher Anspruch durch die spezialgesetzliche Prospekthaftung ausgeschlossen wird. Das Feststellungsziel 2, das sich nur auf die Musterbeklagten zu 1 bis 3 bezieht und hinsichtlich der übrigen Musterbeklagten nicht erweitert worden ist, ist als unbegründet zurückzuweisen. Hinsichtlich der Musterbeklagten zu 1 bis 3 ist der Vorlagebeschluss in der Fassung des Beschlusses des Oberlandesgerichts vom 26. März 2021 somit nur in Bezug auf die Feststellungsziele 1 und 3 gegenstandslos.
Rz. 14
a) Im Vorlagebeschluss ist ausgeführt, dass die Antragsteller die Rückabwicklung ihrer Beteiligungen im Wege des Schadensersatzes wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung von den Antragsgegnern als Gründungskommanditisten einer Publikums-KG begehrten. Es würden Schadensersatzansprüche wegen Verwendung falscher oder irreführender Kapitalmarktinformationen geltend gemacht; bei den Angaben im Emissionsprospekt handele es sich um solche Angaben. Mit den Feststellungszielen wird ausschließlich gerügt, dass der Prospekt "für den Erwerb einer Beteiligung […] in wesentlichen Punkten unrichtig, unvollständig und irreführend" sei. Soweit das Feststellungsziel 2 ebenfalls den "Erwerb der Fondsbeteiligungen" aufführt, bezieht es sich daher in diesem Zusammenhang auf einen Erwerb, der unter Verwendung eines Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung erfolgt ist.
Rz. 15
b) Eine Haftung der Musterbeklagten zu 1 bis 3 als Gründungsgesellschafter aus § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB kann nicht auf die Verwendung eines Prospekts als solche gestützt werden. Ein Anspruch auf dieser Grundlage wird - was der Senat in gefestigter Rechtsprechung entscheidet (Senatsbeschlüsse vom 19. Januar 2021 - XI ZB 35/18, BGHZ 228, 237 Rn. 22 ff., vom 14. Juni 2022 - XI ZR 395/21, WM 2022, 1679 Rn. 7 f. in der Fassung des Beschlusses vom 5. September 2022, WM 2022, 1908 und vom 26. Juli 2022 - XI ZB 23/20, WM 2022, 2137 Rn. 50 ff., jeweils mwN) - durch die Regelungen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung verdrängt.
Rz. 16
Auf den am 31. August 2007 aufgestellten Prospekt findet die Regelung des § 8g VerkProspG in der vom 1. Juli 2005 bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) in Verbindung mit § 32 Abs. 2 Satz 1 VermAnlG Anwendung. Damit ist auch der Anwendungsbereich der § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG in der bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) eröffnet.
Rz. 17
Nach § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG aF haften neben denjenigen, die für den Prospekt im Sinne des § 8g VerkProspG aF die Verantwortung übernommen haben (§ 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BörsG aF), im Falle von dort enthaltenen unrichtigen oder unvollständigen wesentlichen Angaben auch diejenigen, von denen der Erlass des Prospekts ausgeht (§ 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG aF). Die Musterbeklagten zu 1 bis 3 sind Prospektverantwortliche im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG aF, da sie Gründungsgesellschafter der Fondsgesellschaft sind (vgl. Senatsbeschlüsse vom 22. Februar 2022 - XI ZB 32/20, BGHZ 233, 47 Rn. 2, 19 und vom 14. Juni 2022 - XI ZR 395/21, WM 2022, 1679 Rn. 12 in der Fassung des Beschlusses vom 5. September 2022, WM 2022, 1908).
Rz. 18
Die Musterbeklagten zu 1 bis 3 hafteten somit als Prospektverantwortliche für unrichtige oder unvollständige wesentliche Angaben nach den Grundsätzen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung aus § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG aF. Neben dieser ist eine Haftung der Musterbeklagten unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung allein aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB ausgeschlossen (Senatsbeschluss vom 19. Januar 2021 - XI ZB 35/18, BGHZ 228, 237 Rn. 26). Der Vorrang der spezialgesetzlichen Prospekthaftung gilt auch dann, wenn der Anleger seine Beteiligung erst nach Ablauf der in § 13 Abs. 1 Nr. 1 VerkProspG in der Fassung vom 22. Dezember 2006, § 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG in der Fassung vom 16. Juli 2007 bestimmten Sechs-Monats-Frist gezeichnet hat (Senatsbeschluss vom 13. Dezember 2022 - XI ZB 10/21, WM 2023, 245 Rn. 18 ff.).
Rz. 19
c) Eine Haftung eines Gründungsgesellschafters nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB neben der spezialgesetzlichen Prospekthaftung nach § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG aF kommt allerdings dann in Betracht, wenn der Gründungsgesellschafter dadurch einen zusätzlichen Vertrauenstatbestand setzt, dass er entweder selbst den Vertrieb der Beteiligungen an Anleger übernimmt oder in sonstiger Weise für den von einem anderen übernommenen Vertrieb Verantwortung trägt (Senatsbeschluss vom 11. Juli 2023 - XI ZB 20/21, WM 2023, 1692 Rn. 41 ff.). Vertriebsverantwortung trägt ein Altgesellschafter, wenn er selbst den Vertrieb übernimmt, beispielsweise als Vertriebsgesellschaft. Vertriebsverantwortung kann jedoch auch bestehen, wenn ein Altgesellschafter den Vertrieb nicht selbst übernimmt. Vertriebsverantwortung tragen danach, soweit der Vertriebsauftrag von der Fondsgesellschaft erteilt wurde, die geschäftsführungsbefugten Altgesellschafter. Altgesellschafter tragen die Verantwortung für eine ordnungsgemäße Aufklärung der Beteiligungsinteressenten aber nicht allein deswegen, weil ihr Alleingesellschafter aufgrund eines von der Fondsgesellschaft erteilten Auftrags den Vertrieb der Beteiligungen übernommen hat. Eine personelle Verflechtung eines Altgesellschafters mit der Vertriebsgesellschaft begründet ebenfalls keine Verantwortung für den Vertrieb (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juni 2023 - II ZR 57/21, ZIP 2023, 1588 und Senatsbeschlüsse vom 11. Juli 2023 - XI ZR 60/22, AG 2023, 585 Rn. 7 sowie - XI ZB 20/21, aaO Rn. 44). Den Musterbeklagten zu 1 bis 3 kommt nach diesen Grundsätzen keine Vertriebsverantwortung zu. Nach dem Prospekt hat die H. mbH den Vertrieb übernommen. Die Musterbeklagten zu 1 bis 3 sind auch nicht geschäftsführungsbefugt.
Rz. 20
d) Soweit die Rechtsbeschwerde das Feststellungsziel 2 für begründet hält, weil eine Haftung auch dann bestehe, wenn gegenüber den Anlegern unrichtige mündliche Erörterungen durch die Vertriebspersonen erfolgt seien, wobei nicht zu differenzieren sei, ob die unrichtige mündliche Erklärung sich in der Wiederholung einer unzutreffenden Prospektaussage erschöpfe oder sich in Widerspruch zu einem Prospektinhalt setze, führt dies nicht zum Erfolg.
Rz. 21
Zwar kann ein Gründungsgesellschafter Anlegern aus anderen Gründen als durch Verwenden einer Kapitalmarktinformation als Mittel der schriftlichen Aufklärung - etwa wegen unrichtiger mündlicher Zusicherungen - nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB haften. Insoweit schließt die spezialgesetzliche Prospekthaftung aus § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG aF eine Haftung aus c.i.c. nicht aus (Senatsbeschlüsse vom 27. April 2021 - XI ZB 35/18, BKR 2021, 774 Rn. 8 und vom 14. Juni 2022 - XI ZR 395/21, WM 2022, 1679 Rn. 16 in der Fassung des Beschlusses vom 5. September 2022, WM 2022, 1908). Das Feststellungsziel 2 umfasst eine derartige Haftung jedoch nicht. Dies ergibt sich bereits daraus, dass in den unter Ziffer 1 aufgeführten Feststellungszielen nur auf Prospektfehler abgestellt wird und ausschließlich die insoweit unzureichende oder irreführende Darstellung "im Prospekt" bemängelt wird. Zudem sind Feststellungsziele so auszulegen, dass ein prozessual zulässiges Ergebnis erreicht wird. Feststellungen zu einem Schadensersatzanspruch, der nicht an eine falsche, irreführende oder unterlassene öffentliche Kapitalmarktinformation als Mittel der schriftlichen Aufklärung anknüpft, sind im Kapitalanleger-Musterverfahren unstatthaft (Senatsbeschluss vom 22. November 2022 - XI ZB 22/21, juris Rn. 22 mwN).
Rz. 22
e) Weil das Feststellungsziel 2 unbegründet ist, ist der Vorlagebeschluss in der Fassung des Beschlusses des Oberlandesgerichts vom 26. März 2021 hinsichtlich der Musterbeklagten zu 1 bis 3 in Bezug auf die Feststellungsziele 1 und 3 gegenstandslos. Gegenstandslos wird der dem Musterverfahren zugrundeliegende Vorlagebeschluss hinsichtlich eines Feststellungsziels, wenn die Entscheidungserheblichkeit dieses Feststellungsziels aufgrund der vorausgegangenen Prüfung im Musterverfahren entfallen ist (Senatsbeschluss vom 12. Oktober 2021 - XI ZB 26/19, WM 2021, 2386 Rn. 27 mwN). Dies ist hier hinsichtlich der genannten Musterbeklagten der Fall, weil es wegen der Unbegründetheit des Feststellungsziels zur Haftung auf die übrigen Feststellungsziele nicht mehr ankommt.
III.
Rz. 23
Die Musterklägerin rügt zu Unrecht die Zuständigkeit des Senats (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Juli 2022 - XI ZB 32/21, WM 2022, 1684 Rn. 33 f. mwN). Soweit die Rechtsbeschwerde unter Hinweis auf den Beschluss des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 25. Oktober 2022 (II ZR 22/22, WM 2023, 28) die Verletzung des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter rügt (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), falls der Senat die Sache nicht dem Großen Senat für Zivilsachen vorlegt, bleibt dies ebenfalls ohne Erfolg. Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat seine bisherige Rechtsprechung zu den allgemeinen Aufklärungspflichten der Altgesellschafter unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs neu ausgerichtet (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juni 2023 - II ZR 57/21, ZIP 2023, 1588). Diese neu ausgerichtete Rechtsprechung steht im Einklang mit der Senatsrechtsprechung (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Juli 2023 - XI ZR 60/22, AG 2023, 585 Rn. 7), so dass die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 GVG nicht vorliegen.
IV.
Rz. 24
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens folgt aus § 26 Abs. 1 KapMuG. Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwerts für die Gerichtskosten folgt aus § 51a Abs. 2 GKG. Der Gesamtwert der in sämtlichen ausgesetzten Ausgangsverfahren geltend gemachten Ansprüche beträgt vorliegend 1.344.400 €. Die Festsetzung des Gegenstandswerts für die außergerichtlichen Kosten richtet sich nach § 23b RVG. Danach ist der Gegenstandswert für die Bestimmung der außergerichtlichen Kosten des Prozessbevollmächtigten der Musterklägerin und der Beigetretenen zu 1 bis 13 auf 265.700 € festzusetzen. Diesem Wert liegen als Einzelstreitwerte die Werte zugrunde, die der Prozessbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 19. April 2022 in Tabellenform übermittelt hat. Für die Bestimmung der außergerichtlichen Kosten des Prozessbevollmächtigten der Musterbeklagten zu 1 bis 4 ist der Gegenstandswert auf 1.344.400 € festzusetzen.
Ellenberger |
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Grüneberg |
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Menges |
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Schild von Spannenberg |
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Ettl |
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Fundstellen
Haufe-Index 16009796 |
BKR 2024, 35 |