Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufung unter der Bedingung der Gewährung von Prozesskostenhilfe
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, wann eine Berufung unter der Bedingung der Gewährung von Prozesskostenhilfe eingelegt und damit unzulässig ist (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 19.5.2004 - XII ZB 25/04, FamRZ 2004, 1553).
Normenkette
ZPO §§ 114, 511
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Beschluss vom 21.01.2005; Aktenzeichen 2 UF 446/04) |
AG Kassel (Urteil vom 16.08.2004) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 2. Familiensenats in Kassel des OLG Frankfurt v. 21.1.2005 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 990 EUR
Gründe
I.
Durch Urteil des AG v. 16.8.2004, dem Beklagten zugestellt am 16.11.2004, wurde dieser zur Zahlung von Kindesunterhalt an die Klägerin verurteilt. Mit Schriftsatz v. 9.12.2004, der am 14.12.2004 beim Berufungsgericht einging, legte der Beklagte dagegen Berufung ein und begründete sie.
Mit einem weiteren Schriftsatz v. 9.12.2004, der zeitgleich bei Gericht einging, beantragte der Beklagte Prozesskostenhilfe für das Rechtsmittelverfahren mit dem Hinweis, die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse werde nachgereicht. Darauf folgt, unmittelbar über der Unterschrift seines Prozessbevollmächtigten, die Erklärung: "Berufung wird nur für den Fall von Gewährung der Prozesskostenhilfe erhoben". Diese Zeile steht für sich allein und ist - ebenso wie der eigentliche Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe - zentriert gedruckt.
Seine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse reichte der Beklagte mit Schriftsatz v. 21.12.2004 nach.
Auf den Hinweis des Berufungsgerichts, gegen die Zulässigkeit der Berufung bestünden Bedenken, weil diese mit einer Bedingung verknüpft worden sei, erklärte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten mit Schriftsatz v. 14.1.2005, dieser S. sei nur durch ein Büroversehen in den Schriftsatz geraten. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe werde zurückgenommen, so dass die Berufung als unbedingt zu gelten habe.
Das Berufungsgericht verwarf die Berufung des Beklagten als unzulässig, weil sie nur bedingt eingelegt worden sei, nämlich "nur für den Fall von Gewährung der Prozesskostenhilfe". Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist gem. § 522 Abs. 1 S. 4 ZPO i.V.m. § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft, hat jedoch keinen Erfolg, weil die angefochtene Entscheidung der höchstrichterlichen Rechtsprechung entspricht.
1. Eine an die Gewährung von Prozesskostenhilfe geknüpfte Berufungseinlegung ist unzulässig (vgl. BGH, Beschl. v. 8.10.1992 - V ZB 6/92, VersR 1993, 713). Sind allerdings die gesetzlichen Anforderungen an eine Berufungsschrift - wie hier - erfüllt, kommt eine Deutung, dass der Schriftsatz nicht als unbedingte Berufung bestimmt war, nur dann in Betracht, wenn sich dies aus den Begleitumständen mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Deutlichkeit ergibt (vgl. BGH, Beschl. v. 22.1.2002 - VI ZB 51/01, BGHReport 2002, 481 = MDR 2002, 775 = NJW 2002, 1352 f.). Das ist hier indes der Fall.
a) Zweifel daran, dass die Einlegung der Berufung hier an eine Bedingung geknüpft war, ergeben sich hier - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - nicht schon daraus, dass die Berufungsschrift selbst eine solche Bedingung nicht enthält und diese sich nur aus dem gesondert eingereichten Antrag auf Prozesskostenhilfe ergibt. Die Zusammengehörigkeit beider Schriftsätze ergibt sich nämlich daraus, dass sie jeweils die vollständigen Parteibezeichnungen enthalten und das Prozesskostenhilfegesuch sich insoweit auf die eingelegte Berufung bezieht, als es Prozesskostenhilfe für dieses Rechtsmittelverfahren begehrt. Anhaltspunkte dafür, dass etwa ein weiteres Verfahren der gleichen Parteien in die Rechtsmittelinstanz geraten sein könnte, sind nicht ersichtlich.
b) Die in dem zeitgleich mit der Berufungsschrift eingegangenen Schriftsatz enthaltene Erklärung, Berufung werde nur für den Fall von Gewährung der Prozesskostenhilfe erhoben, ist eindeutig. Sie ist nicht mit der Erklärung vergleichbar, die Durchführung der Berufung werde von der Gewährung von Prozesskostenhilfe abhängig gemacht, was die Auslegung rechtfertigen kann, der Kläger lege unbedingt Berufung ein und behalte sich lediglich für den Fall der Versagung der Prozesskostenhilfe die Zurücknahme der Berufung vor (vgl. BGH, Beschl. v. 19.5.2004 - XII ZB 25/04, FamRZ 2004, 1553 ff.).
c) Ebenfalls ohne Erfolg beruft sich die Rechtsbeschwerde auf einen Beschluss des BGH v. 22.9.1977 (BGH v. 22.9.1977 - IV ZB 50/77, VersR 1978, 181), der indes einen anders gelagerten Einzelfall betrifft. Dort hatte der IV. Zivilsenat die Erklärung "Im Übrigen gestatte ich mir den Hinweis, dass die Berufung nur dann als eingelegt gelten soll, wenn dem Kläger das Armenrecht für die Anfechtung des erstinstanzlichen Urteils bewilligt wird" in Anbetracht des Gesamtzusammenhangs nicht als Bedingung für die Einlegung der Berufung ausgelegt, weil sie weder im Schriftbild hervorgehoben noch besonders gekennzeichnet war und auch die ihr vom Kläger durch die Einleitung ersichtlich beigemessene Beiläufigkeit einer solchen Auslegung entgegenstand. Derartige besondere Umstände liegen hier nicht vor.
2. Die vom Beklagten nach gerichtlichem Hinweis mit Schriftsatz v. 14.1.2005 erklärte Rücknahme des Prozesskostenhilfegesuchs mit der Klarstellung, die Berufung sei unbedingt eingelegt, vermag daran nichts zu ändern, da sie erst nach Ablauf der Berufungsfrist erfolgte.
a) Zwar kann der Berufungskläger eine nur bedingt eingelegte und deshalb unzulässige Berufung durch Rücknahme der Bedingung zulässig machen. Eine solche Erklärung ist als erneute Berufungsschrift anzusehen (vgl. BGH, Beschl. v. 8.10.1992 - V ZB 6/92, VersR 1993, 713 f.). Ist diese erst nach Ablauf der Berufungsfrist eingelegt worden, ist auch grundsätzlich von Amts wegen Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn der Berufungskläger innerhalb der Berufungsfrist Prozesskostenhilfe beantragt hatte, weil die der ersten, bedingt eingelegten Berufung beigefügte ordnungsgemäße Berufungsbegründung insoweit auch für die erneute, bedingungslos eingelegte Berufung gilt. Die Wiedereinsetzung hat dann zur Folge, dass der angefochtene Beschluss, durch den die Berufung als unzulässig verworfen worden ist, gegenstandslos wird und zur Klarstellung aufgehoben werden kann (vgl. BGH, Beschl. v. 8.10.1992 - V ZB 6/92, VersR 1993, 713 f.).
b) Eine solche Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Einlegung der Berufung wäre hier auch nicht an der Rücknahme des Prozesskostenhilfegesuches gescheitert, wenn der Beklagte bis zu diesem Zeitpunkt mit der Bewilligung von Prozesskostenhilfe hätte rechnen können.
c) Eine Wiedereinsetzung kam hier aber nicht in Betracht, weil der Beklagte innerhalb der Berufungsfrist kein vollständiges Prozesskostenhilfegesuch eingereicht hatte. Weder hatte er die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse innerhalb dieser Frist eingereicht, noch hatte er vor Ablauf dieser Frist auf die in erster Instanz eingereichten Unterlagen mit der Erklärung Bezug genommen, an seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen habe sich seitdem nichts geändert.
Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten daher zu Recht als unzulässig verworfen.
Fundstellen
HFR 2006, 622 |
BGHR 2005, 1468 |
EBE/BGH 2005, 266 |
FamRZ 2005, 1537 |
NJW-RR 2006, 144 |
AnwBl 2005, 123 |
MDR 2006, 43 |
BRAK-Mitt. 2005, 234 |
NJOZ 2005, 3385 |
ProzRB 2005, 263 |