Entscheidungsstichwort (Thema)
Höhe der Betreuervergütung. Diplomgesellschaftswissenschaftler. Parteihochschule. Zentralkomitee der SED. Kernbereich auf die Vermittlung betreuungsrelevanter Kenntnisse. Fortbildungsmaßnahme. Rechtskenntnisse
Leitsatz (amtlich)
Zur Höhe der Betreuervergütung nach erworbenem Abschluss als Diplomgesellschaftswissenschaftler an der Parteihochschule "Karl Marx" beim Zentralkomitee der SED.
Normenkette
VBVG § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 21.01.2014; Aktenzeichen 87 T 323/13) |
AG Berlin-Pankow/Weißensee (Entscheidung vom 08.11.2013; Aktenzeichen 53 XVII 174/02) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 1) wird der Beschluss der Zivilkammer 87 des LG Berlin vom 21.1.2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das LG zurückverwiesen.
Gerichtsgebühren für das Verfahren der Rechtsbeschwerde werden nicht erhoben.
Beschwerdewert: 1.047 EUR
Gründe
I.
Rz. 1
Der Beteiligte zu 1) (im Folgenden: Betreuer) wurde 2005 zum Berufsbetreuer der Betroffenen bestellt. Er hatte in der ehemaligen DDR einen Abschluss als Diplomgesellschaftswissenschaftler an der Parteihochschule "Karl Marx" beim Zentralkomitee der SED erworben.
Rz. 2
Für den Abrechnungszeitraum vom 1.9.2009 bis zum 30.6.2013 beantragte der Betreuer auf der Grundlage eines Stundensatzes von 33,50 EUR die Festsetzung einer pauschalen Vergütung i.H.v. insgesamt 5.393,50 EUR, die ihm im Verwaltungswege durch Anweisungen vom 6.10.2010, 2.1.2012, 26.9.2012 und 8.8.2013 bewilligt und ausgezahlt wurde.
Rz. 3
Auf Antrag des Bezirksrevisors hat das AG die Vergütung rückwirkend unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von 27 EUR auf insgesamt 4.347 EUR festgesetzt. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Betreuers ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt er die Festsetzung der im Verwaltungswege gewährten Vergütung weiter.
II.
Rz. 4
Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das LG.
Rz. 5
1. Das LG hat unter Bezugnahme auf seinen in einer anderen Betreuungssache ergangenen, nicht veröffentlichten Beschluss vom 28.9.2005 dargelegt, dass das von dem Betreuer absolvierte Studium an der SED-Parteihochschule nicht im Kernbereich auf die Vermittlung betreuungsrelevanter Kenntnisse ausgerichtet gewesen sei und deshalb keine Erhöhung der Betreuervergütung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VBVG rechtfertige. Auch die weiteren Fortbildungsmaßnahmen rechtfertigten keinen erhöhten Stundensatz.
Rz. 6
Auf einen Vertrauensschutz könne sich der Betreuer nicht berufen, weil sein Vertrauen auf die Beständigkeit der ihm in der Vergangenheit gewährten Vergütung nicht schutzbedürftig sei. Er habe spätestens nach Erlass der in der anderen Vergütungssache ergangenen Kammerentscheidung vom 28.9.2005, an der er ebenfalls als Betreuer beteiligt gewesen sei, damit rechnen müssen, dass die Voraussetzungen für die Höhe der von ihm geltend gemachten Vergütung nicht vorlagen. Sofern danach noch Zweifel über die jeweils zutreffende Vergütungshöhe bestanden hätten, habe der Betreuer die Festsetzung der Vergütung durch das AG beantragen müssen.
Rz. 7
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Rz. 8
Das Beschwerdegericht hat bei seiner Annahme, der von dem Betreuer erworbene Abschluss an der Parteihochschule "Karl Marx" sei nicht im Kernbereich auf die Vermittlung betreuungsrelevanter Kenntnisse ausgerichtet gewesen, die maßgebenden Tatsachen nicht vollständig und fehlerfrei festgestellt und gewürdigt.
Rz. 9
a) Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VBVG erhält der Betreuer einen auf 33,50 EUR erhöhten Stundensatz, wenn er über besondere, für die Betreuung nutzbare Kenntnisse verfügt, die er durch eine abgeschlossene Lehre oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben hat.
Rz. 10
aa) Besondere für die Betreuung nutzbare Kenntnisse sind über das jedermann zu Gebote stehende Wissen hinausgehende Kenntnisse, die den Betreuer in die Lage versetzen, seine Aufgaben zum Wohl des Betreuten besser und effektiver zu erfüllen (BGH v. 18.1.2012 - XII ZB 409/10, FamRZ 2012, 629 Rz. 10; vgl. BT-Drucks. 13/7158, 14 f.).
Rz. 11
Solche Kenntnisse sind im Hinblick darauf, dass es sich bei der Betreuung um eine rechtliche Betreuung handelt (§ 1901 Abs. 1 BGB), regelmäßig Rechtskenntnisse (BGH v. 22.8.2012 - XII ZB 319/11, NJW-RR 2012, 1475 Rz. 17).
Rz. 12
bb) Einer abgeschlossenen Lehre vergleichbar ist eine Ausbildung, wenn sie staatlich reglementiert oder zumindest staatlich anerkannt ist, einen formalen Abschluss aufweist und der durch sie vermittelte Stand an Wissen und Fähigkeiten nach Art und Umfang dem einer Lehre entspricht. Als Kriterien können insb. der mit der Ausbildung verbundene Zeitaufwand, der Umfang und Inhalt des Lehrstoffes und die Zulassungsvoraussetzungen herangezogen werden (vgl. BGH v. 18.1.2012 - XII ZB 409/10, FamRZ 2012, 629 Rz. 11 [zur Vergleichbarkeit mit einem Studium]; v. 26.10.2011 - XII ZB 312/11, FamRZ 2012, 213 Rz. 13 [zur Vergleichbarkeit mit einer abgeschlossenen Lehre]). Für die Annahme der Vergleichbarkeit einer Ausbildung mit einer Lehre kann auch sprechen, wenn die durch die Abschlussprüfung erworbene Qualifikation Zugang zu beruflichen Tätigkeiten ermöglicht, deren Ausübung üblicherweise den so ausgebildeten Kräften vorbehalten ist. Bei der Prüfung der Vergleichbarkeit hat der Tatrichter strenge Maßstäbe anzulegen (BGH v. 4.4.2012 - XII ZB 447/11, NJW-RR 2012, 774 Rz. 16; v. 10.4.2013 - XII ZB 349/12, FamRZ 2013, 1029 Rz. 15).
Rz. 13
b) Ausgehend von diesen Maßstäben wird die Annahme des Beschwerdegerichts, der von dem Betreuer erworbene Abschluss an der Parteihochschule "Karl Marx" habe nicht wenigstens einer für die Ausübung der Betreuungstätigkeit nutzbaren Unterweisung auf dem Niveau einer Lehre entsprochen, von seinen Feststellungen nicht getragen.
Rz. 14
Um dies beurteilen zu können, bedarf es der Feststellungen zu Art und Umfang der Ausbildung an der Parteihochschule "Karl Marx". Darüber hinaus ist zu klären, ob durch diese Ausbildung für die Betreuung nutzbare Fachkenntnisse vermittelt worden sind. Solche Feststellungen und Klärungen sind in dem angefochtenen Beschluss nicht enthalten. Der angefochtene Beschluss nimmt lediglich Bezug auf einen in anderer Sache ergangenen LGbeschluss vom 28.9.2005, dessen Inhalt jedoch dem Senat nicht zugänglich ist. Der Senat kann daher nicht überprüfen, ob das LG bei der Beurteilung der Frage, ob durch die dem Betreuer erteilte Ausbildung für die Betreuung nutzbare Fachkenntnisse vermittelt worden sind, von zutreffenden Grundlagen ausgegangen ist. Insbesondere kann der Senat dem Angriff der Rechtsbeschwerde nicht nachgehen, das LG habe die in dem absolvierten Studium vermittelten Lehrinhalte anhand überalterter Lehrpläne für den Lehrgang 1969 bis 1972 überprüft, welche für die hier relevante Studienzeit von 1983 bis 1985 keine Gültigkeit mehr gehabt hätten.
Rz. 15
3. Die Sache ist daher zur Nachholung der notwendigen Feststellungen zu Art und Umfang der Ausbildung an der Parteihochschule "Karl Marx" in den Jahren 1983 bis 1985 und der Nutzbarkeit der vermittelten Kenntnisse für die Betreuung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.
Rz. 16
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG). Die Bedeutung des Vertrauensschutzes ist bereits durch den Senatsbeschluss v. 6.11.2013 - XII ZB 86/13, FamRZ, 2014, 113 Rz. 22 ff., 32 geklärt. Das LG wird die darin entwickelten Grundsätze auf den vorliegenden Fall anzuwenden haben.
Fundstellen
Haufe-Index 6993053 |
EBE/BGH 2014 |
FamRZ 2014, 1361 |
FuR 2014, 523 |
NJW-RR 2014, 1154 |
FGPrax 2014, 209 |
BtPrax 2014, 233 |
JZ 2014, 489 |
MDR 2014, 992 |
Rpfleger 2014, 502 |
FamRB 2014, 8 |