Tenor
Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluß des 13. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 28. Juni 2000 – 13 U 4/00 – wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Beschwerdewert: 16.403,33 DM.
Gründe
I.
Der Beklagte hat gegen das ihm am 25. Januar 2000 zugestellte Urteil des Landgerichts am 25. Februar 2000 Berufung eingelegt. Wegen urlaubsbedingter Abwesenheit des sachbearbeitenden Rechtsanwalts ist die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung antragsgemäß bis zum 17. April 2000 verlängert worden. Mit Schriftsatz vom 10. April 2000 haben die Prozeßbevollmächtigten des Beklagten das Mandat „aus Gründen, die nicht in der Sache selbst liegen”, niedergelegt.
Mit Schriftsatz vom Freitag, dem 14. April 2000, haben die jetzigen Prozeßbevollmächtigten des Beklagten angezeigt, daß ihnen mit heutigem Datum das Mandat erteilt worden sei, und zugleich beantragt, die Frist zur Begründung der Berufung um einen Monat bis einschließlich 17. Mai 2000 zu verlängern; dieser Fristverlängerung habe der Prozeßbevollmächtigte der Kläger telefonisch zugestimmt.
Mit Verfügung des Vorsitzenden vom 18. April 2000 ist die Berufungsbegründungsfrist bis zum 25. April 2000 verlängert worden, verbunden mit dem Zusatz, für eine weitergehende Fristverlängerung seien keine erheblichen Gründe dargelegt worden.
Mit Schriftsätzen vom 28. April 2000, die am gleichen Tage bei Gericht eingegangen sind, hat der Beklagte unter Hinweis darauf, daß er erst am 26. April 2000 eine Abschrift der Fristverlängerungsverfügung nebst den Gerichtsakten erhalten habe, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt und die Berufung begründet.
Das Berufungsgericht hat mit Beschluß vom 28. Juni 2000 die begehrte Wiedereinsetzung versagt und die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde.
II.
Die nach §§ 238 Abs. 2 Satz 1, 519 b Abs. 2, 547, 577 Abs. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, daß die Versäumung der am 25. April 2000 abgelaufenen Berufungsbegründungsfrist auf einem Verschulden des Prozeßbevollmächtigten des Beklagten beruht.
1. Der Rechtsmittelführer ist generell mit dem Risiko belastet, daß der Vorsitzende des Rechtsmittelgerichts in Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens eine beantragte Verlängerung der Rechtsmittelbegründungsfrist selbst dann versagt, wenn die dafür erforderlichen Voraussetzungen vorliegen. Demgemäß kann der Rechtsmittelführer im Wiedereinsetzungsverfahren grundsätzlich nicht mit Erfolg geltend machen, er habe mit einer Fristverlängerung rechnen dürfen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Rechtsmittelführer mit großer Wahrscheinlichkeit die Bewilligung der Fristverlängerung erwarten konnte. Das ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes regelmäßig bei einem ersten Verlängerungsantrag der Fall, wenn ein ihn rechtfertigender erheblicher Grund im Sinne des § 519 Abs. 2 Satz 3 ZPO geltend gemacht wurde (vgl. Senatsbeschluß vom 14. Mai 1998 – III ZB 31/97 – BGHR ZPO § 233 – Fristverlängerung 16; BGH, Beschlüsse vom 4. Juli 1996 – VII ZB 14/96– NJW 1996, 3155 und vom 11. November 1998 – VIII ZB 24/98 – NJW 1999, 430). Um einen derartigen Fall geht es hier nicht, da die Berufungsbegründungsfrist erstmals bereits mit Verfügung vom 22. März 2000 bis zum 17. April 2000 verlängert worden war.
2. Unter den gegebenen Umständen durfte der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten nicht darauf vertrauen, daß die beantragte zweite Fristverlängerung mit großer Wahrscheinlichkeit bewilligt werde.
a) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, daß die von den früheren Prozeßbevollmächtigten des Beklagten bei der Anzeige der Niederlegung des Mandats im Schriftsatz vom 10. April 2000 gewählte Formulierung, dies geschehe „aus Gründen, die nicht in der Sache selbst liegen”, von den beim Berufungsgericht zugelassenen Rechtsanwälten typischerweise dann verwendet werde, wenn der Mandant sie entweder ohne die notwendigen (ergänzenden) Informationen „sitzen” gelassen oder den angeforderten Vorschuß grundlos nicht bezahlt habe. Hinzu kommt, daß die früheren Prozeßbevollmächtigten ausdrücklich darauf hingewiesen haben, daß sie den Beklagten bereits vor dem 10. April 2000 über die Mandatsniederlegung und die Folgen einer Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung informiert hätten (vgl. Senatsbeschluß vom 14. Juli 1988 – III ZB 13/88 – BGHR ZPO § 233 – Mandatsniederlegung 1).
b) Der Annahme des Berufungsgerichts, dem jetzigen Prozeßbevollmächtigten sei die anwaltliche Übung und der Inhalt des Schriftsatzes vom 10. April 2000 bei der Stellung des zweiten Verlängerungsantrages bekannt gewesen, ist der Beschwerdeführer nicht entgegengetreten.
Angesichts dieser Umstände konnte von einer „unzeitigen Mandatsniederlegung” der früheren Prozeßbevollmächtigten, von der in dem zweiten Verlängerungsantrag die Rede ist, nicht gesprochen werden. Vielmehr war zu gewärtigen, daß der Vorsitzende des Berufungsgerichts in den aufgezeigten Modalitäten des Anwaltswechsels eine Nachlässigkeit der Partei erblicken und dies bei seiner Entscheidung über den zweiten Verlängerungsantrag zum Nachteil des Berufungsführers berücksichtigen würde.
3. Ausgehend hiervon ist die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte bzw. sein Rechtsanwalt hätten die Bewilligung einer erneuten Verlängerung der Frist zur Begründung der Berufung nicht mit großer Wahrscheinlichkeit erwarten dürfen, nicht zu beanstanden. Dies ist nicht deshalb anders zu beurteilen, weil sich die Prozeßbevollmächtigten der Kläger telefonisch mit einer vollumfänglichen Bewilligung der beantragten Fristverlängerung einverstanden erklärt hatten und dies dem Gericht mitgeteilt worden war. Denn das Einverständnis des Gegners stellt, von dem Ausnahmefall schwebender außergerichtlicher Vergleichsverhandlungen abgesehen, keinen erheblichen Grund im Sinne des § 519 Abs. 2 Satz 3 ZPO dar (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 21. Aufl., § 519 Rn. 19; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 519 Rn. 15) und bindet daher den Vorsitzenden bei seiner Entscheidung über den Verlängerungsantrag nicht.
4. Nach dem Gesagten hätte sich der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten noch vor Ablauf der erstmalig verlängerten Begründungsfrist, also (spätestens) im Laufe des 17. April 2000, telefonisch bei Gericht erkundigen müssen, ob bzw. in welchem Umfang seinem Antrag stattgegeben worden sei bzw. werde. Wäre es anläßlich dieser Rücksprache – wie geschehen – bei der (kurzen) Verlängerung der Frist bis (lediglich) zum 25. April 2000 geblieben, so kann doch davon ausgegangen werden, daß es dem Prozeßbevollmächtigten des Beklagten trotz der Osterfeiertage unter zumutbaren Anstrengungen noch möglich gewesen wäre, die Berufung rechtzeitig zu begründen.
Unterschriften
Rinne, Wurm, Streck, Schlick, Dörr
Fundstellen
Haufe-Index 510845 |
BGHR |
VersR 2001, 1261 |