Verfahrensgang
OLG Koblenz (Entscheidung vom 19.05.2022; Aktenzeichen 5 U 2142/21) |
LG Koblenz (Entscheidung vom 28.10.2021; Aktenzeichen 3 O 71/20) |
Tenor
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 19. Mai 2022 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 20.736€.
Gründe
I.
Rz. 1
Auf der Grundlage eines notariellen Kaufvertrags vom 19. Juli 2018 erwarb der Kläger von der Beklagten zu 1 (im Folgenden: Verkäuferin), deren persönlich haftende Gesellschafter die Beklagten zu 2 und zu 3 sind, ein bebautes Grundstück unter Ausschluss der Sachmängelhaftung. Die Verkäuferin hatte das Hausgrundstück 15 Monate vor Vertragsschluss von der Sparkasse erworben.
Rz. 2
Mit der Behauptung, das Flachdach der Immobilie sei undicht, was die Verkäuferin ihm trotz Offenbarung durch die Voreigentümerin arglistig verschwiegen habe, begehrt der Kläger Schadensersatz in Höhe von 18.000 € für notwendige Sanierungsarbeiten, die Feststellung, dass die Beklagten verpflichtet sind, „ihm sämtliche Schäden zu ersetzen, die darauf zurückzuführen sind, dass das Flachdach, die Gaubenabdichtung und die Wandanschlüsse im Dachbereich des Objekts […] schadhaft bzw. nicht fachgerecht entsprechend den allgemein anerkannten Regeln der Technik ausgeführt sind“ sowie die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung durch Beschluss zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen.
II.
Rz. 3
Das Berufungsgericht meint, die Klage sei unschlüssig, da die Höhe der Schadensersatzforderung nicht nachvollziehbar sei. In dem der Bezifferung der Klageforderung zugrundeliegenden, von dem Kläger in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachten werde ausgeführt, dass für die Erneuerung der Flachdachabdichtung ein Kostenaufwand von ca. 10.000 € netto erforderlich sei, und die übrigen Mängel der Dacheindeckung und Anschlussarbeiten der Hauptdachfläche einen Aufwand von ca. 8.000 € netto erforderten. Diese mehr als grobe Schätzung reiche zur Substantiierung der Klageforderung nicht aus, da nicht dargelegt und nachprüfbar sei, welche Reparaturen notwendig seien, welche Materialien zu verwenden seien und welchen Zeitaufwand die Reparatur erfordere. Eine Geltendmachung der Schadenshöhe auf fiktiver Gutachtenbasis müsse erkennen lassen, wie der Sachverständige zu der von ihm geschätzten Schadenshöhe komme.
Rz. 4
Ferner sei der Feststellungsantrag unbegründet. Die bisherige Beweisaufnahme habe nicht bestätigt, dass die Beklagten von der allgemeinen Sanierungsbedürftigkeit des Dachs gewusst hätten. Weiteren Beweis für die Behauptung, die Beklagten hätten gewusst, dass das Dach mangelhaft sei, weil es nicht den anerkannten Regeln der Technik entspreche, habe der Kläger nicht angeboten. Darüber hinaus sei die „begehrte Absicherung der tatsächlich anfallenden Kosten für die Behebung der Undichtigkeit einschließlich der […] anfallenden Mehrwertsteuer von der aktuellen Formulierung des Antrags nicht umfasst“.
III.
Rz. 5
Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg. Der angefochtene Beschluss ist gemäß § 544 Abs. 9 ZPO aufzuheben, weil das Berufungsgericht den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Rz. 6
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeerwiderung übersteigt der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer die gemäß § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO maßgebliche Grenze von 20.000 €. Der Kläger erstrebt nach Zulassung der Revision eine Verurteilung der Beklagten nach seinen Schlussanträgen in der Berufungsinstanz. Durch die Abweisung des bezifferten Leistungsantrags ist der Kläger in Höhe von 18.000 € beschwert. Weitergehend begehrt der Kläger mit seinem Feststellungsantrag die Absicherung der über den geschätzten Betrag von 18.000 € hinausgehenden tatsächlichen Mängelbeseitigungskosten einschließlich der anfallenden Umsatzsteuer. Daher ist er durch die Abweisung des Feststellungsantrags jedenfalls in Höhe der auf die Klageforderung entfallenden Umsatzsteuer abzüglich des bei einer Feststellungsklage üblichen Abschlags von 20 % vom Nennwert der geltend gemachten Forderung (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2019 - XI ZR 160/19, BeckRS 2019, 28486 Rn. 3) beschwert, mithin in Höhe von 2.736 €. Dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der Klageschrift die außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren auf der Grundlage eines Streitwerts von nur 18.000 € berechnet hat, stellt entgegen der Ansicht der Beschwerdeerwiderung kein Präjudiz für die Bestimmung der tatsächlichen Beschwer des Klägers dar.
Rz. 7
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist auch begründet. Der angefochtene Beschluss beruht auf einer Verletzung des Anspruchs des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG).
Rz. 8
a) Da die Handhabung der Substantiierungsanforderungen durch das Gericht dieselben einschneidenden Folgen hat wie die Anwendung von Präklusionsvorschriften, verletzt sie Art. 103 Abs. 1 GG bereits dann, wenn sie offenkundig unrichtig ist (vgl. Senat, Beschluss vom 12. Oktober 2017 - V ZR 17/17, NZM 2018, 294 Rn. 7 mwN). So liegt es hier. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Klageforderung sei unschlüssig, da der Kläger die Höhe der Schadensersatzforderung nicht nachvollziehbar dargelegt habe, ist offenkundig unrichtig.
Rz. 9
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Sachvortrag schlüssig und ausreichend substantiiert, wenn die vorgetragenen Tatsachen in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht zu begründen (vgl. Senat, Beschluss vom 12. Oktober 2017 - V ZR 17/17, NZM 2018, 294 Rn. 10; Beschluss vom 2. April 2009 - V ZR 177/08, NJW-RR 2009, 1236 Rn. 10; Urteil vom 20. September 2002 - V ZR 170/01, NJW-RR 2003, 69, 70). In Fallgestaltungen, in denen ein erfolgversprechender Parteivortrag fachspezifische Fragen betrifft und besondere Sachkunde erfordert, dürfen an den klagebegründenden Sachvortrag der Partei nur maßvolle Anforderungen gestellt werden. Die Partei darf sich in diesem Fall auf den Vortrag von ihr zunächst nur vermuteter Tatsachen beschränken (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Februar 2021 - VI ZR 1104/20, BeckRS 2020, 44019 Rn. 8 mwN). Zur Ermittlung von Umständen, die ihr nicht bekannt sind, ist eine Partei im Zivilprozess grundsätzlich nicht verpflichtet (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2020 - VI ZR 97/19, NJW 2020, 1679 Rn. 8).
Rz. 10
bb) Nach diesen Grundsätzen ist der Vortrag des Klägers zur Schadenshöhe ohne jeden Zweifel schlüssig und hinreichend substantiiert. Das Berufungsgericht erachtet die Schätzung des vom Kläger beauftragten Sachverständigen als unzureichend zur Substantiierung der Schadensersatzforderung und verlangt - vergleichbar mit einem Kostenvoranschlag - die Darlegung der einzelnen notwendigen Reparaturschritte einschließlich der verwendenden Materialien und des für die Reparatur erforderlichen Zeitaufwandes. Es legt bei seiner Beurteilung die Maßstäbe an, die für eine tatrichterliche Überzeugungsbildung zu fordern sind. Dadurch überspannt es offensichtlich die Anforderungen, die an einen substantiierten Parteivortrag zu stellen sind (vgl. Senat, Urteil vom 20. September 2002 - V ZR 170/01, NJW-RR 2003, 69, 70). Das Berufungsgericht übersieht nämlich, dass jedenfalls von einem - wie hier - nicht fachkundigen Kläger keine genaue Kenntnis der notwendigen Reparaturmaßnahmen und des erforderlichen Zeitaufwandes erwartet werden kann und er nicht verpflichtet ist, sich zur ordnungsgemäßen Prozessführung entsprechendes Fachwissen anzueignen oder sich vorab sachverständiger Hilfe zu bedienen. Vielmehr hat der Kläger durch die Beauftragung eines Sachverständigen mit der Schadensschätzung mehr veranlasst, als prozessual von ihm verlangt werden kann. Mangels eigener Sachkunde kann er sich auf den Vortrag von ihm zunächst nur vermuteter Tatsachen beschränken (vgl. BGH, Urteil vom 19. Februar 2003 - IV ZR 321/02, NJW 2003, 1400). Für die fiktive Abrechnung gilt nichts anderes. Zur Begründung seiner gegenteiligen Ansicht kann sich das Berufungsgericht auch nicht auf das zitierte Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 29. April 2003 - VI ZR 393/02, BGHZ 154, 395, 397 und 399) stützen. Die Entscheidung betrifft die Schadensberechnung und Fragen des materiellen Schadensrechts, die mit der Substantiierung des Klägervortrags nichts zu tun haben.
Rz. 11
b) Der Begründetheit der Beschwerde steht entgegen der Annahme der Beschwerdeerwiderung der Grundsatz der Subsidiarität nicht entgegen.
Rz. 12
aa) Dieser erfordert, dass eine Partei über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinne hinaus alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung zu erwirken oder eine solche zu verhindern (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Januar 2020 - VIII ZR 57/19, NJW 2020, 1740 Rn. 15 mwN). Daher ist eine Partei mit der erstmaligen Geltendmachung einer Verletzung rechtlichen Gehörs in der Revisionsinstanz ausgeschlossen, wenn sie die Möglichkeit, auf den Hinweisbeschluss des Berufungsgerichts gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO Stellung zu nehmen, nicht nutzt, sondern die Rechtsverletzung erst in einem sich anschließenden Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren rügt (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Januar 2020 - VIII ZR 57/19, NJW 2020, 1740 Rn. 16).
Rz. 13
bb) Gemessen an diesen Anforderungen ist der Kläger mit seinem Vorbringen im Beschwerdeverfahren schon deshalb nicht ausgeschlossen, weil der Hinweis des Berufungsgerichts in dem Beschluss vom 5. April 2022 unzutreffend war. Ferner hat es den Kläger nicht mit der gebotenen Deutlichkeit darauf hingewiesen, dass es das Vorbringen zur Schadenshöhe für nicht hinreichend substantiiert erachtet.Das Gericht erfüllt seine Hinweispflicht gemäß § 139 ZPO nicht, wenn es lediglich allgemeine und pauschale Hinweise erteilt. Es muss die Parteien vielmehr auf den fehlenden Sachvortrag, den es als entscheidungserheblich ansieht, unmissverständlich hinweisen und ihnen die Möglichkeit eröffnen, ihren Vortrag sachdienlich zu ergänzen (vgl. BGH, Urteil vom 18. April 2013 - I ZR 66/12, RdTW 2013, 443 Rn. 33). Diesen Anforderungen wird der Hinweis im Beschluss vom 5. April 2022 nicht gerecht. Das Berufungsgericht führt unter Bezugnahme auf den von ihm nicht näher konkretisierten Beklagtenvortrag lediglich aus, dass die Klage unschlüssig sein dürfte, ohne darauf hinzuweisen, dass nach seiner Ansicht zur Schadenshöhe nicht hinreichend substantiiert vorgetragen war.
Rz. 14
cc) Ein solcher Hinweis des Berufungsgerichts war nicht ausnahmsweise entbehrlich. In erster Instanz bedurfte es keines solchen Hinweises, da das Landgericht nach Beweisaufnahme bereits die Haftung der Beklagten dem Grunde nach verneint hat und es daher auf die Schadenshöhe nicht ankam. Nachdem der Kläger nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung erster Instanz weitere Zeugen benannt hatte und das Berufungsgericht die Haftung der Beklagten dem Grunde nach hat dahinstehen lassen, war der auf die Schadenshöhe bezogene Vortrag erstmals entscheidungserheblich. Hielt das Berufungsgericht die hierauf bezogene Darlegung für unzureichend, musste es dem Kläger rechtzeitig mitteilen, dass und in welcher Hinsicht es eine Ergänzung des Vortrags für erforderlich hielt. An der Hinweispflicht ändert es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nichts, wenn der Gegner - wie hier - seinerseits die fehlende Schlüssigkeit und Substantiierung rügt. Eine Partei - hier der Kläger - kann in aller Regel nicht wissen, ob das Gericht die Einschätzung des Gegners, der den Vortrag in tatsächlicher Hinsicht für unzureichend hält, teilt (vgl. Senat, Beschluss vom 9. Februar 2023 - V ZR 93/22, juris Rn. 12; Beschluss vom 21. Januar 2016 - V ZR 183/15, GE 2016, 520 Rn. 8). Dies gilt hier erst recht, weil diese Auffassung unzutreffend war.
Rz. 15
c) Die Verletzung des Verfahrensgrundrechts ist entscheidungserheblich. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht bei Annahme schlüssigen Parteivortrags durch Vernehmung der erst in der Berufungsinstanz benannten Zeugen I. und S. sowie durch Einholung eines Sachverständigengutachtens weitere Feststellungen zum Grund und zur Höhe des Anspruchs getroffen hätte.
Rz. 16
d) Damit kann die Abweisung des Feststellungsantrags ebenfalls keinen Bestand haben. Es kann dahinstehen, ob die Verletzung rechtlichen Gehörs neben dem Leistungsantrag auch den Feststellungsantrag betrifft, da eine nur auf den Leistungsantrag bezogene Teilaufhebung des angefochtenen Beschlusses in keinem Fall in Betracht kommt. Eine Entscheidung nach § 544 Abs. 9 ZPO ist zwar auch möglich, wenn von der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nur abtrennbare Teile, die einer Teilzulassung der Revision zugänglich wären, von dem Verfahrensverstoß betroffen sind. Es erfolgt dann eine Aufhebung und Zurückverweisung nur wegen dieser Teile (vgl. MüKoZPO/Krüger, 6. Aufl., § 544 Rn. 33). Eine Teilzulassung erfordert aber, dass der Teil des Prozessstoffs, für den die Zulassung ausgesprochen wird, von dem übrigen Prozessstoff in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht abtrennbar ist und im Falle der Zurückverweisung die Änderung des einen Teils nicht in Widerspruch zu dem nicht angefochtenen Teil geraten kann. Das ist der Fall, wenn die von der Revisionszulassung erfasste Frage Gegenstand eines Teilurteils sein könnte oder der Revisionskläger auf diesen Teil seine Revision beschränken könnte (vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 2011 - IX ZR 58/10, NJW-RR 2011, 630 Rn. 6). So verhält es sich hier nicht. Eine auf den Leistungsantrag beschränkte Teilaufhebung scheidet wegen des engen inhaltlichen Zusammenhangs mit dem Feststellungsantrag aus. Demzufolge ist der angefochtene Beschluss insgesamt aufzuheben.
IV.
Rz. 17
1. Der Verstoß gegen das rechtliche Gehör des Klägers führt gemäß § 544 Abs. 9 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Dabei macht der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch; diese Vorschrift findet bei einer Zurückverweisung im Beschlusswege nach § 544 Abs. 9 ZPO entsprechende Anwendung (vgl. Senat, Beschluss vom 1. Februar 2007 - V ZR 200/06, NJW-RR 2007, 1221 Rn. 12).
Rz. 18
2. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
Rz. 19
a) Eine Vernehmung der in der Berufungsinstanz erstmalig vom Kläger benannten Zeugen I. und S. ist jedenfalls nicht aus den im Hinweisbeschluss des Berufungsgerichts vom 5. April 2022 genannten Gründen ausgeschlossen. Dem Kläger kann Nachlässigkeit im Sinne von § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO nicht vorgeworfen werden, weil er nicht gegen seine Prozessförderungspflicht verstoßen hat. Die prozessuale Sorgfaltspflicht gebietet es grundsätzlich nicht, tatsächliche Umstände, die der Partei nicht bekannt sind, erst zu ermitteln (vgl. Senat, Beschluss vom 19. Juni 2008 - V ZR 190/07, BeckRS 2008, 14251 Rn. 10; BGH, Beschluss vom 30. Oktober 2013 - VII ZR 339/12, NJW-RR 2014, 85 Rn. 9).
Rz. 20
b) Die neue Verhandlung gibt dem Berufungsgericht im Übrigen Gelegenheit, sich erneut mit dem Feststellungsantrag des Klägers zu befassen.
Rz. 21
aa) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts umfasst der Feststellungsantrag die von dem Kläger begehrte Absicherung der tatsächlich anfallenden Kosten für die Behebung der Undichtigkeit des Dachs einschließlich der bei einer Reparatur anfallenden Umsatzsteuer.
Rz. 22
(1) Klageanträge unterliegen - wie auch sonstige Prozesserklärungen - der Auslegung. Die revisionsrechtlich in vollem Umfang nachprüfbare Auslegung des Klageantrags darf - wie allgemein im Prozessrecht - nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks haften, sondern hat den wirklichen Willen der Partei zu erforschen. Dabei ist der Grundsatz zu beachten, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht. Nur wenn sich das Rechtsschutzziel des Klägers auch durch die gebotene Auslegung nicht eindeutig ermitteln lässt, gehen die verbleibenden Unklarheiten zu seinen Lasten (vgl. Senat, Urteil vom 15. November 2019 - V ZR 9/19, ZWE 2020, 246 Rn. 6).
Rz. 23
(2) Daran gemessen ist der Feststellungsantrag dahin auszulegen, dass der Kläger jedenfalls die Feststellung der Ersatzpflicht für die über den vom Privatsachverständigen ermittelten Nettobetrag hinausgehenden Mängelbeseitigungskosten einschließlich der insgesamt anfallenden Umsatzsteuer begehrt. Der Klageschrift ist zweifelsfrei zu entnehmen, dass der Feststellungsantrag einen etwaigen Differenzbetrag zu den vom Privatsachverständigen ermittelten Kosten einschließlich Umsatzsteuer erfassen soll. Der Wortlaut des Feststellungsantrags steht dieser Annahme im Übrigen nicht entgegen, da er die Ersatzpflicht der Beklagten für die Kosten der Beseitigung des vom Kläger gerügten Mangels erfasst.
Rz. 24
bb) Schließlich kann dem Feststellungsantrag jedenfalls nicht mit der Begründung der Erfolg versagt bleiben, die bisherige Beweisaufnahme habe nicht bestätigt, dass die Beklagten von einem Mangel in Form der allgemeinen Sanierungsbedürftigkeit des Dachs gewusst hätten, und weiteren Beweis für die entsprechende Behauptung habe der Kläger nicht angetreten. Auch insoweit wird das am buchstäblichen Wortlaut haftende Verständnis des Feststellungsantrags dem Klägervortrag nicht gerecht, so dass der Antrag auszulegen ist. Kern des Klägervortrags ist die auf das vorprozessuale Sachverständigengutachten gestützte Behauptung, dass durch das undichte Dach Wasser in das Gebäude eindringt und die Beklagten diesen Umstand arglistig verschwiegen haben. Diesem Vorbringen ist eindeutig zu entnehmen, dass der Kläger allein Ersatz für die Beseitigung dieses Mangels begehrt, nicht auch den Ersatz der Kosten für eine allgemeine Sanierung des Dachs, weil es nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht.
Brückner |
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Fundstellen