Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
Verfahrensgang
Hessischer AGH (Beschluss vom 03.07.2000) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des II. Senats des hessischen Anwaltsgerichtshofs vom 3. Juli 2000 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 51.129,19 EUR (100.000 DM) festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der Antragsteller ist seit 1974 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. 1998 wurde er zum Notar bestellt.
Mit Schreiben vom 20. Januar 2000 teilte das Finanzamt F. dem Präsidenten des Landgerichts F. mit, daß der Antragsteller am 12. Januar 2000 vor dem Finanzamt die eidesstattliche Versicherung abgegeben habe und regte zugleich an, die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls zu widerrufen. Daraufhin bat der Präsident des Landgerichts den Antragsteller zu einer persönlichen Unterredung und wies darauf hin, daß seine vorläufige Amtsenthebung als Notar gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. § 54 Abs. 1 Nr. 2 BNotO zu erwägen sei. Eine Abschrift dieses Schreibens übersandte er der Antragsgegnerin. Der Antragsteller ersuchte um eine Terminsverlegung und kündigte zugleich an, an diesem Tage eine Erklärung vorzulegen, wonach er auf die Rechte aus der Zulassung als Anwalt und aus der Bestellung zum Notar verzichten werde; ein Amtsenthebungsverfahren werde deshalb nicht erforderlich sein.
Mit an die Antragsgegnerin „über den Herrn Präsidenten des Landgerichts” gerichtetem Schreiben vom 1. Februar 2000 erklärte der Antragsteller „mit Wirkung vom 2. Februar 2000” den Verzicht auf die Rechte aus seiner Zulassung als Rechtsanwalt. Daraufhin widerrief die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 9. Februar 2000 die Zulassung gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 4 BRAO.
Den Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshof zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers.
Entscheidungsgründe
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 BRAO), hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
1. Der Antragsteller macht geltend, er habe die Ladung zur mündlichen Verhandlung vor dem Anwaltsgerichtshof nicht erhalten; er könne sich dies nur so erklären, daß die Ladung unter einer falschen Adresse zugestellt worden sei. Ob dem Antragsteller deshalb, wie er ersichtlich rügen will, im Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof nicht ausreichend rechtliches Gehör gewährt worden ist, kann dahinstehen. Ein etwaiger Verfahrensmangel wäre dadurch geheilt, daß der Antragsteller vor dem als Tatsacheninstanz beschließenden Senat rechtliches Gehör hatte (Senatsbeschlüsse vom 24. Oktober 1994 – AnwZ (B) 30/94 – BRAK-Mitt. 1995, 76 f und vom 18. Juni 2001 – AnwZ (B) 10/00 – NJW-RR 2001, 1642, 1643). Einen Anspruch auf zwei Tatsacheninstanzen hat der Antragsteller nicht (BGHZ 77, 327, 329).
2. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 4 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt auf die Rechte aus der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft der Landesjustizverwaltung gegenüber schriftlich verzichtet hat.
a) Das Schreiben des Antragstellers vom 1. Februar 2000 enthält eine solche Erklärung. Es ist auch an die zuständige Behörde, nämlich die Antragsgegnerin, gerichtet. Auf diese ist nämlich nach § 1 der insoweit bereits am 1. März 1999 in Kraft getretenen hessischen Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten nach der Bundesrechtsanwaltsordnung vom 22. Februar 1999 (GVBl. I S. 182) die Aufgabe, über die Rücknahme oder den Widerruf der Zulassung nach § 14 BRAO zu entscheiden, übertragen worden (vgl. Feuerich/Braun, BRAO 5. Aufl. § 14 Rn. 41 und § 224a Rn. 5).
b) Der einmal erklärte Verzicht eines Rechtsanwalts auf die Rechte aus seiner Zulassung ist nicht mehr frei widerruflich, nachdem – wie hier – die zuständige Stelle die Zulassung widerrufen hat (Senatsbeschluß vom 14. Dezember 1981 – AnwZ (B) 26/81 – BRAK-Mitt. 1982, 73).
Zwar kann die Art und Weise des Zustandekommens eines Verzichts dazu führen, daß dieser Erklärung nach dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben die rechtliche Verbindlichkeit genommen wird. Daran wäre etwa zu denken, wenn die Behörde bei dem Erklärenden einen Irrtum hervorgerufen oder in unzulässiger Weise auf dessen Willensbildung eingewirkt hätte (vgl. Senatsbeschluß vom 23. März 1987 – AnwZ (B) 61/86 – BRAK-Mitt. 1987, 207, 208; EGH München, BRAK-Mitt. 1986, 225, 226 f). Für eine derartige Einflußnahme durch die Antragsgegnerin oder den Präsidenten des Landgerichts gibt es vorliegend, wie der Anwaltsgerichtshof zu Recht ausgeführt hat, keinen Anhalt. Insbesondere wird ein dahingehender Verdacht nicht schon dadurch nahegelegt, daß im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Verzichtserklärung Umstände bekannt geworden waren, aufgrund dessen ein Widerruf der Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO – gegebenenfalls unter Anordnung der sofortigen Vollziehung der Widerrufsverfügung nach § 16 Abs. 6 Satz 2 BRAO – in Betracht zu ziehen war (vgl. Feuerich/Braun aaO § 14 Rn. 44).
Unterschriften
Hirsch, Schlick, Otten, Frellesen, Salditt, Kieserling, Kappelhoff
Fundstellen
Haufe-Index 749317 |
NJOZ 2002, 1880 |