Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerden der Musterrechtsbeschwerdeführerin und der Rechtsbeschwerdeführer gegen den Musterentscheid des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 27. August 2021 werden insoweit als unzulässig verworfen, als sie sich gegen die Zurückweisung des Erweiterungsantrags der Musterklägerin vom 7. Januar 2021 richten.
Im Übrigen werden die Rechtsbeschwerden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Vorlagebeschluss des Landgerichts Hamburg vom 17. Mai 2019 hinsichtlich der Feststellungsziele 1 bis 7 und 9 gegenstandslos ist.
Die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens und die außergerichtlichen Kosten der Musterrechtsbeschwerdegegnerin und der beigetretenen Musterbeklagten tragen die Musterrechtsbeschwerdeführerin und die Rechtsbeschwerdeführer wie folgt:
Musterrechtsbeschwerdeführerin |
15,36% |
Rechtsbeschwerdeführer zu 1 |
8,78% |
Rechtsbeschwerdeführer zu 2 |
10,45% |
Rechtsbeschwerdeführer zu 3 |
2,63% |
Rechtsbeschwerdeführer zu 4 |
8,78% |
Rechtsbeschwerdeführer zu 5 |
4,39% |
Rechtsbeschwerdeführerin zu 6 |
8,78% |
Rechtsbeschwerdeführer zu 7 |
2,19% |
Rechtsbeschwerdeführerin zu 8 |
1,76% |
Rechtsbeschwerdeführerin zu 9 |
2,63% |
Rechtsbeschwerdeführer zu 10 |
4,39% |
Rechtsbeschwerdeführerin zu 11 |
1,32% |
Rechtsbeschwerdeführer zu 12 |
1,32% |
Rechtsbeschwerdeführer zu 13 |
1,76% |
Rechtsbeschwerdeführer zu 14 |
1,32% |
Rechtsbeschwerdeführer zu 15 |
1,76% |
Rechtsbeschwerdeführer zu 16 |
1,74% |
Rechtsbeschwerdeführer zu 17 |
5,71% |
Rechtsbeschwerdeführer zu 18 |
4,39% |
Rechtsbeschwerdeführer zu 19 |
1,76% |
Rechtsbeschwerdeführer zu 20 |
4,39% |
Rechtsbeschwerdeführer zu 21 |
4,39% |
Ihre außergerichtlichen Kosten tragen die Musterrechtsbeschwerdeführerin und die Rechtsbeschwerdeführer jeweils selbst.
Der Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird hinsichtlich der Gerichtskosten auf 3.307.648,12 € festgesetzt.
Der Gegenstandswert für die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird für die Prozessbevollmächtigten der Musterrechtsbeschwerdeführerin sowie der Rechtsbeschwerdeführer auf 1.195.800 € und für die Prozessbevollmächtigten der Musterrechtsbeschwerdegegnerin und der beigetretenen Musterbeklagten auf 3.307.648,12 € festgesetzt.
Gründe
A.
Rz. 1
Die Parteien streiten im Rahmen eines Verfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) darüber, ob der bei der Emission der Beteiligung "H. " (im Folgenden: Fonds) am 14. September 2005 aufgestellte Prospekt (im Folgenden: Prospekt) fehlerhaft ist und ob die Musterbeklagten hierfür aufgrund sogenannter bürgerlich-rechtlicher Prospekthaftung im weiteren Sinne in Anspruch genommen werden können.
Rz. 2
Bei dem Fonds handelte es sich um eine Beteiligung an den vier Einschiffgesellschaften MS "K. " GmbH & Co. KG, MS "J. " mbH & Co. KG, MS "T. " GmbH & Co. KG und MS "M. " GmbH & Co. KG. Gegenstand der Unternehmen war der Erwerb und Betrieb des jeweiligen Schiffs.
Rz. 3
Die Musterbeklagte zu 1 war Herausgeberin des Prospekts und Gründungsgesellschafterin der vier Einschiffgesellschaften. Die Musterbeklagte zu 2 war ebenfalls Gründungsgesellschafterin sowie zudem Treuhandkommanditistin und Schwestergesellschaft der Musterbeklagten zu 1. Die Musterbeklagte zu 3 wurde aufgrund des Spaltungs- und Übernahmevertrags vom 11. April 2013 von der Musterbeklagten zu 2 abgespalten.
Rz. 4
Die Musterbeklagten werden auf Schadensersatz wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Beteiligung an dem Fonds nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne in Anspruch genommen.
Rz. 5
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 17. Mai 2019 dem Oberlandesgericht Feststellungsziele zum Zweck der Herbeiführung eines Musterentscheids vorgelegt. Mit den Feststellungszielen 1 bis 7 werden Prospektfehler geltend gemacht. Zudem wird die Feststellung begehrt, dass die Musterbeklagten für die Richtigkeit und Vollständigkeit des Prospekts im Wege der Prospekthaftung im weiteren Sinne verantwortlich seien und dass diese Haftung nicht voraussetze, dass die Musterbeklagten mit den Anlageinteressenten bei der Vertragsanbahnung in sozialen Kontakt getreten seien oder ihnen auch nur namentlich bekannt gewesen sein müssten (Feststellungsziel 8). Schließlich soll festgestellt werden, dass zu vermuten sei, dass die gerügten Prospektfehler kausal für die Beitrittsentscheidung der jeweiligen Anleger gewesen seien, unabhängig davon, ob diesen der Prospekt gar nicht oder zu spät übergeben worden sei (Feststellungsziel 9).
Rz. 6
Mit Schriftsatz vom 7. Januar 2021 hat die Musterklägerin die Erweiterung des Musterverfahrens um die Feststellungsziele 1c, 4i, 4j, 4k und 10 beantragt, mit denen weitere Prospektfehler bzw. unterlassene Prospektnachträge geltend gemacht worden sind.
Rz. 7
Das Oberlandesgericht hat durch Musterentscheid vom 27. August 2021 die Feststellungsanträge der Musterklägerin sowie deren Erweiterungsantrag zurückgewiesen.
Rz. 8
Gegen den Musterentscheid haben die Musterklägerin und 21 Beigeladene Rechtsbeschwerde eingelegt.
Rz. 9
Der Senat hat mit Beschluss vom 6. Dezember 2021 die Musterbeklagte zu 2 zur Musterrechtsbeschwerdegegnerin bestimmt. Die Musterbeklagten zu 1 und 3 sind dem Rechtsbeschwerdeverfahren innerhalb der Frist des § 20 Abs. 3 Satz 1 KapMuG auf Seiten der Musterrechtsbeschwerdegegnerin beigetreten.
B.
Rz. 10
Die Rechtsbeschwerden haben keinen Erfolg.
I.
Rz. 11
1. Die Rechtsbeschwerden sind unstatthaft, soweit sie sich gegen die Zurückweisung des Erweiterungsantrags der Musterklägerin richten.
Rz. 12
Gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 KapMuG findet die Rechtsbeschwerde gegen den Musterentscheid statt. Die von der Musterklägerin beantragte Erweiterung des Musterverfahrens um die Feststellungsziele 1c, 4i, 4j, 4k und 10 ist nicht Gegenstand des Musterverfahrens geworden, da das Oberlandesgericht keinen entsprechenden Erweiterungsbeschluss (§ 15 Abs. 1 KapMuG) gefasst hat und im Vorlagebeschluss solche Feststellungsziele nicht formuliert sind. Damit sind die mit dem Erweiterungsbegehren geltend gemachten Feststellungsziele auch nicht zum Gegenstand des angefochtenen Musterentscheids geworden. Unerheblich ist in dem Zusammenhang, dass das Oberlandesgericht den Erweiterungsantrag im Musterentscheid und nicht durch einen separaten Beschluss zurückgewiesen hat. Die einen Antrag auf Erweiterung des Musterverfahrens zurückweisende Entscheidung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KapMuG ist unanfechtbar und daher auch im Rechtsbeschwerdeverfahren nach § 20 Abs. 1 Satz 1 KapMuG nicht überprüfbar (Senatsbeschluss vom 14. Juni 2022 - XI ZB 33/19, WM 2022, 1633 Rn. 35 mwN).
Rz. 13
2. Im Übrigen sind die Rechtsbeschwerden zulässig. Sie sind rechtzeitig eingelegt und begründet worden (§ 20 Abs. 1 Satz 1 KapMuG i.V.m. § 575 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO) und formulieren einen ordnungsgemäßen Rechtsbeschwerdeantrag (§ 20 Abs. 1 Satz 1 KapMuG i.V.m. § 575 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).
II.
Rz. 14
Die Rechtsbeschwerden haben keinen Erfolg. Es ist lediglich klarstellend auszusprechen, dass der Vorlagebeschluss des Landgerichts Hamburg vom 17. Mai 2019 hinsichtlich der Feststellungsziele 1 bis 7 und 9 gegenstandslos ist.
Rz. 15
1. Das Oberlandesgericht hat zur Begründung des Musterentscheids - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 16
Den Feststellungszielen der Musterklägerin fehle mangels Entscheidungserheblichkeit das Sachentscheidungsinteresse. Sie seien daher zurückzuweisen.
Rz. 17
Die Musterbeklagten seien für etwaige Fehler des streitgegenständlichen Prospekts nicht nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne gemäß § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2 BGB verantwortlich, da diese im hier gegebenen Anwendungsbereich der spezialgesetzlichen Prospekthaftung gemäß § 13 VerkProspG i.V.m. §§ 44 ff. BörsG aF verdrängt werde und nicht anwendbar sei.
Rz. 18
Die Musterbeklagte zu 1 habe bereits im Sinne des § 8g VerkProspG aF für den streitgegenständlichen Prospekt die Verantwortung übernommen, weil sie Prospektherausgeberin sei. Das treffe zwar auf die Musterbeklagten zu 2 und 3 nicht zu. Diese seien aber Prospektveranlasser, denn es handele sich bei ihnen um Personen, von denen die wirtschaftliche Initiative ausgehe, die hinter dem Emittenten stünden und als oder neben der Geschäftsleitung besonderen Einfluss ausübten. Die Musterbeklagte zu 2 - für die Musterbeklagte zu 3 gelte über § 133 UmwG Entsprechendes - sei nicht nur Gründungsgesellschafterin der vier Einschiffgesellschaften, sondern es seien auch weitere Umstände gegeben, die den wesentlichen Einfluss der Musterbeklagten zu 2 auf das Anlagekonzept zeigten.
Rz. 19
Da die Feststellungsanträge, wie sich aus dem Feststellungsziel 8 ergebe, explizit auf die Feststellung einer Haftung nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne gerichtet seien, sei dieses Feststellungsziel unbegründet und komme es im Übrigen auf die mit den Feststellungszielen verfolgten Feststellungen von Prospektfehlern demnach nicht an. Den Feststellungszielen fehle das Sachentscheidungsinteresse, weshalb sie zurückzuweisen seien.
Rz. 20
2. Die Rechtsbeschwerden sind unbegründet. Das Oberlandesgericht hat zu Recht das Feststellungsziel 8 wegen des Vorrangs der spezialgesetzlichen Prospekthaftung als unbegründet zurückgewiesen und auch zu Recht ausgeführt, dass dadurch hinsichtlich der übrigen Feststellungsziele das Sachentscheidungsinteresse fehlt. Es hat lediglich übersehen, dass hinsichtlich dieser übrigen Feststellungsziele im Tenor auszusprechen ist, dass der Vorlagebeschluss insoweit gegenstandslos ist.
Rz. 21
a) Durch das Feststellungsziel 8 sollte nur eine Haftung der Musterbeklagten nach den Grundsätzen der "Prospekthaftung im weiteren Sinne" durch Verwenden eines unrichtigen oder unvollständigen Verkaufsprospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung festgestellt werden. Denn das Feststellungsziel 8 hat ausdrücklich und ausschließlich eine Aufklärungspflicht der Musterbeklagten nach den Grundsätzen der "Prospekthaftung im weiteren Sinne" in Bezug auf die Prospektfehler zum Gegenstand. Dies wird bestätigt durch die Ausführungen im Vorlagebeschluss, wonach die Antragsteller die Antragsgegner auf Schadensersatz unter dem Gesichtspunkt der Prospekthaftung im weiteren Sinne in Anspruch nähmen und geltend machten, die Beteiligung auf der Grundlage des Prospekts gezeichnet zu haben, der die in den Feststellungszielen genannten Fehler enthalte.
Rz. 22
Soweit die mit dem Feststellungsziel 9 verfolgte Feststellung unabhängig davon begehrt wird, ob den Anlegern der Prospekt gar nicht oder zu spät übergeben worden ist, ändert dies an der Auslegung nichts. Feststellungsziele sind so auszulegen, dass ein prozessual zulässiges Ergebnis erreicht wird. Feststellungen zu einem Schadensersatzanspruch, der nicht an eine falsche, irreführende oder unterlassene öffentliche Kapitalmarktinformation als Mittel der schriftlichen Aufklärung anknüpft, sind im Kapitalanleger-Musterverfahren unstatthaft (Senatsbeschlüsse vom 19. Januar 2021 - XI ZB 35/18, BGHZ 228, 237 Rn. 21 und vom 26. April 2022 - XI ZB 27/20, WM 2022, 1169 Rn. 16).
Rz. 23
b) Die begehrte Feststellung ist nicht zu treffen, weil die von der Musterklägerin geltend gemachte Haftung der Musterbeklagten aus § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB nicht auf die Verwendung eines Prospekts als solche gestützt werden kann. Ein Anspruch auf dieser Grundlage wird - was der Senat in gefestigter Rechtsprechung entscheidet (Senatsbeschlüsse vom 19. Januar 2021 - XI ZB 35/18, BGHZ 228, 237 Rn. 22 ff., vom 14. Juni 2022 - XI ZR 395/21, WM 2022, 1679 Rn. 7 f. mwN in der Fassung des Beschlusses vom 5. September 2022, WM 2022, 1908 und vom 26. Juli 2022 - XI ZB 23/20, WM 2022, 2137 Rn. 50 ff. mwN) - vielmehr durch die Regelungen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung verdrängt. Nichts anderes gilt für die Musterbeklagte zu 3, die aufgrund des Spaltungs- und Übernahmevertrags vom 11. April 2013 für die vor dem Wirksamwerden der Spaltung begründeten Verbindlichkeiten der Musterbeklagten zu 2 gesamtschuldnerisch haftet (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Juli 2022 - XI ZB 32/21, WM 2022, 1684 Rn. 15).
Rz. 24
Auf den am 14. September 2005 aufgestellten Prospekt findet die Regelung des § 8g VerkProspG in der vom 1. Juli 2005 bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) in Verbindung mit § 32 Abs. 2 Satz 1 VermAnlG Anwendung. Damit ist auch der Anwendungsbereich der § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG in der bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) eröffnet.
Rz. 25
Die Musterbeklagte zu 1 ist Prospektverantwortliche im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BörsG aF. Denn sie hat die Verantwortung für den Prospekt ausdrücklich übernommen (Seite 9 des Prospekts). Die Musterbeklagten zu 1 und 2 sind Gründungskommanditistinnen der vier Einschiffgesellschaften und als solche Prospektveranlasserinnen im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG aF (vgl. Senatsbeschlüsse vom 12. Oktober 2021 - XI ZB 26/19, WM 2021, 2386 Rn. 24, vom 26. April 2022 - XI ZB 32/19, WM 2022, 1277 Rn. 39 und vom 14. Juni 2022 - XI ZR 395/21, WM 2022, 1679 Rn. 12 in der Fassung des Beschlusses vom 5. September 2022, WM 2022, 1908). Die Musterbeklagte zu 3 haftet aufgrund der Abspaltung von der Musterbeklagten zu 2 gemäß § 123 Abs. 2, § 133 Abs. 1 Satz 1 UmwG für deren vor dem Wirksamwerden der Spaltung begründete Verbindlichkeiten als Gesamtschuldnerin. Die Musterbeklagten hafteten mithin für unrichtige oder unvollständige wesentliche Angaben nach den Grundsätzen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung aus § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG aF. Neben dieser ist eine Haftung der Musterbeklagten unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung ausgeschlossen.
Rz. 26
Dies gilt entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerden auch für die auf diesen Aspekt gestützte Haftung der Musterbeklagten zu 2 als Treuhandkommanditistin. Dass die Musterbeklagte zu 2 nicht nur Gründungsgesellschafterin, sondern auch Treuhandkommanditistin ist, verstärkt deren Stellung als "Hintermann" und somit als Prospektveranlasserin im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG aF (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Januar 2021 - XI ZB 35/18, BGHZ 228, 237 Rn. 24 f.). Die Haftung nach § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG aF verwirklicht in der Person eines Gründungs- und zugleich Treuhandkommanditisten stets auch die Voraussetzungen des Verschuldens bei Vertragsschluss mittels Verwendens eines fehlerhaften Verkaufsprospekts (§ 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 311 Abs. 2 BGB) - und zwar unabhängig davon, ob es um den Abschluss des Gesellschafts- oder des Treuhandvertrags geht. Wollte man diese allgemeinen Haftungsgrundsätze neben § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG aF ohne jede Einschränkung zur Anwendung bringen, hätte ein solcher Prospektveranlasser - im Gegensatz zu einem Prospektveranlasser, der diese Stellung allein wegen seiner Funktion als Gründungskommanditist einnimmt - nicht die Möglichkeit, sich mit dem Nachweis einfach fahrlässiger Unkenntnis der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Verkaufsprospekts zu entlasten (§ 45 Abs. 1 BörsG aF) oder sich auf die Sonderverjährungsfrist des § 46 BörsG aF zu berufen. Dass der Gesetzgeber innerhalb der Gruppe der Prospektveranlasser nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG aF eine derartige Unterscheidung einführen wollte, ist nicht ersichtlich (Senatsbeschluss vom 20. September 2022 - XI ZB 34/19, juris Rn. 60; vgl. OLG Bremen, WM 2022, 1646, 1650; Klöhn, NZG 2021, 1063, 1066; aA wohl OLG Hamburg, Beschluss vom 3. Mai 2022 - 2 Kap 1/21, veröffentlicht im Bundesanzeiger am 6. Mai 2022).
Rz. 27
Die Haftung als Treuhandkommanditist aufgrund Verschulden bei Vertragsschluss mittels Verwendens eines fehlerhaften Verkaufsprospekts stellt zudem keinen weitergehenden Anspruch im Sinne des § 47 Abs. 2 BörsG aF dar. Vielmehr entspricht die Haftung insoweit der vorvertraglichen Haftung eines Gründungsgesellschafters oder bleibt sogar - was offenbleiben kann - hinter dieser zurück. Eine solche Haftung fällt nicht unter § 47 Abs. 2 BörsG aF (vgl. Senatsbeschlüsse vom 19. Januar 2021 - XI ZB 35/18, BGHZ 228, 237 Rn. 27 und vom 20. September 2022 - XI ZB 34/19, juris Rn. 61).
Rz. 28
Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerden ergibt sich aus der Rechtsprechung des III. Zivilsenats keine andere Würdigung. Dem Urteil des III. Zivilsenats vom 16. März 2017 lag eine wesentlich andere Fallkonstellation zugrunde, da die dortige Beklagte als reine Treuhandkommanditistin nicht zu den Gründungsgesellschaftern gehörte und auch keinen eigenen Gesellschaftsanteil an der Fondsgesellschaft hielt (III ZR 489/16, WM 2017, 708 Rn. 2). In dem von den Rechtsbeschwerden ebenfalls zitierten Verfahren III ZR 393/16 wurde der Beklagte als Mittelverwendungskontrolleur zweier Filmfonds sowie als Treuhänder eines der beiden Fonds in Anspruch genommen, wobei der Vorwurf darin bestand, dass der Beklagte seine Kontrollaufgaben über von ihm errichtete Konten abwickelte, deren Inhaber nicht er, sondern die jeweilige Fondsgesellschaft war, und dass er den Kläger nicht rechtzeitig über die von ihm vertragswidrig eingerichteten Konten aufklärte (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 2017 - III ZR 393/16, juris Rn. 1, 17 und 26). Es handelte sich dabei also um eine gänzlich andere Fallgestaltung.
Rz. 29
c) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus den von den Rechtsbeschwerden zitierten Entscheidungen des II. und des III. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs. Insoweit wird auf die Ausführungen in den Senatsbeschlüssen vom 15. März 2022 (XI ZB 31/20, WM 2022, 921 Rn. 25 ff.), vom 26. April 2022 (XI ZB 27/20, WM 2022, 1169 Rn. 22 ff.) und vom 19. Juli 2022 (XI ZB 32/21, WM 2022, 1684 Rn. 23 ff.) verwiesen. Die Rechtsbeschwerden rügen zudem zu Unrecht die Zuständigkeit des Senats (vgl. Senatsbeschlüsse vom 14. Juni 2022 - XI ZR 395/21, WM 2022, 1679 Rn. 31 ff. mwN in der Fassung des Beschlusses vom 5. September 2022, WM 2022, 1908 und vom 19. Juli 2022, aaO Rn. 33 f.).
Rz. 30
d) Da der Antrag zu dem Feststellungsziel 8 in der Sache unbegründet ist, ist der Vorlagebeschluss hinsichtlich der Feststellungsziele 1 bis 7 und 9 gegenstandslos (vgl. Senatsbeschluss vom 15. März 2022 - XI ZB 31/20, WM 2022, 921 Rn. 30 ff. mwN).
III.
Rz. 31
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens folgt aus § 26 Abs. 1 KapMuG. Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwerts für die Gerichtskosten folgt aus § 51a Abs. 2 GKG. Der Gesamtwert der in sämtlichen ausgesetzten Ausgangsverfahren geltend gemachten Ansprüche beträgt vorliegend 3.307.648,12 €. Die Festsetzung des Gegenstandswerts für die außergerichtlichen Kosten richtet sich nach § 23b RVG. Danach ist der Gegenstandswert für die Bestimmung der außergerichtlichen Kosten der Prozessbevollmächtigten der Musterrechtsbeschwerdeführerin und der Rechtsbeschwerdeführer auf 1.195.800 € und für die Bestimmung der außergerichtlichen Kosten der Prozessbevollmächtigten der Musterrechtsbeschwerdegegnerin und der beigetretenen Musterbeklagten auf 3.307.648,12 € festzusetzen.
Ellenberger |
|
Grüneberg |
|
Menges |
|
Derstadt |
|
Ettl |
|
Fundstellen
Dokument-Index HI15524358 |