Leitsatz (amtlich)
Eine Hilfsaufrechnung kann auch noch im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgenommen werden.
Normenkette
ZPO § 145 Abs. 3, § 544
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 06.02.2019; Aktenzeichen 2 U 60/18) |
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 07.05.2018; Aktenzeichen 2-28 O 203/17) |
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 2. Zivilsenats des OLG Frankfurt vom 6.2.2019 wird zurückgewiesen.
Die Beklagten haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner zu tragen (§§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO).
Wert: 180.785 EUR
Gründe
Rz. 1
1. Das Berufungsgericht hat die Beklagten als Gesamtschuldner zur Räumung und Herausgabe von Geschäftsräumen verurteilt sowie - unter Aberkennung ihrer Hilfsaufrechnung - zur Zahlung von Miete bzw. Nutzungsentschädigung i.H.v. insgesamt 137.088 EUR. Die Beklagten haben gegen die Nichtzulassung der Revision im Berufungsurteil fristgerecht Beschwerde gem. § 544 Abs. 1 ZPO eingelegt. Mit der Beschwerdebegründung haben sie ihre Hilfsaufrechnung zurückgenommen.
Rz. 2
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zurückzuweisen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Von einer näheren Begründung wird insoweit gem. § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen.
Rz. 3
3. Bei der Wertbemessung ist die Rücknahme der Hilfsaufrechnung zu berücksichtigen.
Rz. 4
Nach der Rechtsprechung des BGH ist der Aufrechnende nicht gehindert, eine einmal erklärte Hilfsaufrechnung frei zurückzunehmen. Denn sie wird nur für den Fall erklärt, dass das Gericht die Klagforderung in seiner abschließenden Entscheidung für begründet erachtet (vgl. BGH BGHZ 179, 1, 5 = FamRZ 2009, 401 Rz. 12 m.w.N.). Eine Prozesserklärung ist - mangels abweichender Regelung wie etwa in § 269 Abs. 1 ZPO - nach der Dispositionsmaxime frei rücknehmbar, wenn sie noch keine unmittelbar prozessgestaltende Wirkung hatte, die angestrebte gerichtliche Entscheidung noch nicht ergangen ist und durch sie auch keine geschützte Position der Gegenseite entstanden ist (vgl. BGH, Urt. v. 7.6.2001 - I ZR 157/98 NJW 2002, 442 - zum Widerruf einer einseitigen Erledigungserklärung in der Revisionsinstanz; BGH, Urt. v. 27.2.2015 - V ZR 128/14 NJW 2015, 2425 Rz. 28 m.w.N. - zum Widerruf der Prozessführungsermächtigung). Das gilt auch für die Hilfsaufrechnung, wenn - wie hier - die Hauptforderung noch nicht rechtskräftig zuerkannt wurde. Sie hat keine unmittelbar prozessgestaltende Wirkung und kann bis zur Rechtskraft der abschließenden Entscheidung zurückgenommen werden. Dies ist eine Folge des Umstands, dass die im Prozess erklärte Aufrechnung ein Verteidigungsmittel ist, das auch in seiner sachlich-rechtlichen Wirkung davon abhängig ist, dass die prozessuale Geltendmachung der Aufrechnung wirksam wird (BGH, Urt. v. 11.10.1990 - I ZR 32/89 NJW-RR 1991, 156, 157). Eine Rücknahme der Hilfsaufrechnung ist unter diesen Voraussetzungen auch im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zulässig, weil gem. § 544 Abs. 7 Satz 1 ZPO die Rechtskraft des Berufungsurteils gehemmt wird. Eine analoge Anwendung des § 269 Abs. 1 ZPO (i.V.m. § 555 ZPO) ist nicht geboten (vgl. BGHZ 57, 242, 243 f. = NJW 1972, 450).
Rz. 5
Die schon mit Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde erklärte Rücknahme der Hilfsaufrechnung führt dazu, dass die Hilfsaufrechnung für den gerichtlichen Streitwert im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nach § 47 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1 GKG nicht zu berücksichtigen ist (vgl. BGH, Urt. v. 14.12.2017 - IX ZR 243/16 NJW-RR 2018, 700 Rz. 23 und BGH Beschl. v. 26.9.2013 - IX ZR 204/11 MDR 2013, 1376).
Fundstellen
NJW 2020, 1975 |
FamRZ 2020, 1288 |
NJW-RR 2020, 761 |
ZAP 2020, 621 |
JZ 2020, 393 |
MDR 2020, 749 |
RVGreport 2020, 472 |