Leitsatz (amtlich)
Die Bestellung eines Verfahrenspflegers nach § 67 FGG kann von dem Betroffenen nicht angefochten werden.
Normenkette
FGG § 67
Verfahrensgang
OLG Köln (Entscheidung vom 30.12.1998) |
LG Aachen |
Tenor
Die weitere Beschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des LG Aachen v. 30.12.1998 wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Gründe
I.
Auf Anregung des Oberbürgermeisters der Stadt A., der mitgeteilt hat, die Betroffene leide an einem hirnorganischen Psychosyndrom und könne ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln, hat das AG A. in einem Verfahren auf Einleitung einer Betreuung durch Beschl. v. 6.11.1998 den Beteiligten zu 1) gem. § 67 FGG für das Betreuungsverfahren zum Verfahrenspfleger der Betroffenen bestellt. Die Beschwerde der Betroffenen gegen diesen Beschluss hat das LG A. durch den angefochtenen Beschluss als unzulässig verworfen mit der Begründung, die Betroffene sei nicht anfechtungsberechtigt. Gegen den Beschluss des LG hat die Betroffene weitere Beschwerde eingelegt.
Der 16. Zivilsenat des OLG Köln hat durch Beschl. v. 5.3.1999 (veröffentlicht OLG Köln, Beschl. v. 5.3.1999 - 16 Wx 14/99, OLGreport Köln 1999, 254 = FamRZ 2000, 492) die Sache gem. § 28 Abs. 2 FGG dem BGH zur Entscheidung vorgelegt.
Das OLG ist unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung (OLG Köln v. 20.2.1995 - 16 Wx 28/95, FGPrax 1995, 112) der Ansicht, die Bestellung eines Verfahrenspflegers nach § 67 FGG könne von dem Betroffenen mit der Beschwerde angefochten werden. Es möchte deshalb die Entscheidung des LG aufheben und die Sache zur weiteren Behandlung an das LG zurückverweisen, sieht sich daran aber gehindert durch Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte (z. B. des OLG Hamm v. 20.6.1996 - 15 W 143/96, FGPrax 1996, 221 f.) und des BayObLG (BayObLG v. 8.4.1993 - 3Z BR 51/93, BayObLGZ 1993, 157 [159] = BayObLGReport 1993, 53 = FamRZ 1993,1106), nach denen eine solche Beschwerde unzulässig ist.
II.
1. Die Vorlage ist nach § 28 Abs. 2 FGG zulässig. Aus dem Vorlagebeschluss ergibt sich, dass das vorlegende OLG Köln zu einer anderen als der von ihm beabsichtigten Entscheidung gelangen würde, wenn es sich der abweichenden Ansicht des BayObLG und anderer OLG anschließen würde, und dass es nach seiner Ansicht für die zu treffende Entscheidung des vorliegenden Falls auf die streitige Rechtsfrage ankommt. An diese Beurteilung ist der Senat - soweit die Zulässigkeit der Vorlage in Frage steht - gebunden (BGH, Beschl. v. 17.2.1993 - XII ZB 134/92, BGHZ 121, 305 [308] = MDR 1993, 1086). Gemäß § 28 Abs. 3 FGG hat der Senat über die weitere Beschwerde der Betroffenen zu entscheiden.
2. Die weitere Beschwerde ist nach §§ 27, 29 FGG zulässig. Die Berechtigung der Betroffenen, weitere Beschwerde einzulegen, folgt aus der Verwerfung ihrer Erstbeschwerde (BGH, Beschl. v. 25.8.1999 - XII ZB 109/98, MDR 1999, 1385 = FamRZ 2000, 219 f. m.N.). Die weitere Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Das LG hat die Erstbeschwerde zu Recht mangels Beschwerdeberechtigung als unzulässig verworfen.
3. Die OLG (einschließlich des vorlegenden OLG Köln v. 20.2.1995 - 16 Wx 28/95, FGPrax 1995, 112) haben bisher übereinstimmend die Ansicht vertreten, die Bestellung eines Verfahrenspflegers nach § 67 FGG sei für den Betroffenen nicht anfechtbar. Sie stelle keine den Rechtszug abschließende Entscheidung dar und solle lediglich den Fortgang des Verfahrens fördern. Solche vorbereitende Zwischenentscheidungen seien grundsätzlich unanfechtbar (BayObLG v. 8.4.1993 - 3Z BR 51/93, BayObLGZ 1993, 157 [159] = BayObLGReport 1993, 53 = FamRZ 1993,1106; DtPrax 1995, 27 f.; KG v. 25.4.1995 - 1 W 8186/94, KGReport Berlin 1995, 149 = FGPrax 1995, 155; OLG Hamm v. 20.6.1996 - 15 W 143/96, FGPrax 1996, 221 f.; ebenso Kayser in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 67 Rz. 18 m. w. N.).
In der Literatur wird dagegen vereinzelt eine Anfechtbarkeit der Bestellung eines Verfahrenspflegers nach § 67 FGG bejaht (Zimmermann, FamRZ 1994, 286 f.; Bassenge/Herbst/Roth, FGG, 9. Aufl., § 67 Rz. 12; Bumiller/ Winkler, FGG, 7. Aufl., § 67 Rz. 9).
Das vorlegende OLG Köln will sich diesen Literaturstimmen anschließen. Es führt aus, es sei zwar richtig, dass eine die Instanz nicht abschließende Zwischenentscheidung regelmäßig nicht anfechtbar sei. Von diesem Grundsatz werde aber eine Ausnahme gemacht, wenn die Maßnahme so in die Rechte des Betroffenen eingreife, dass die selbständige Anfechtbarkeit nach dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 GG) geboten sei. Eine Pflegerbestellung nach § 67 FGG bedeute eine solche schwerwiegende Beeinträchtigung des Betroffenen. Der Pfleger sei an dem Verfahren zu beteiligen und habe Anspruch auf rechtliches Gehör. Damit erhalte er auch Kenntnis von den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen und auch von dem Inhalt eines etwa eingeholten Sachverständigengutachtens.
Eine andere Beurteilung sei auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil die Bestellung eines Verfahrenspflegers Voraussetzung für den Erlass von Eilmaßnahmen sein und die Zulassung der Anfechtung der Verfahrenspflegerbestellung solche Eilmaßnahmen unvertretbar verzögern könne. Die Bestellung des Verfahrenspflegers werde unabhängig von einer etwaigen Anfechtbarkeit mit der Mitteilung an den Verfahrenspfleger wirksam (§ 16 Abs. 1 FGG). Eine Beschwerde hiergegen habe keine aufschiebende Wirkung (§ 24 Abs. 1 FGG). Probleme, die sich im Falle einer Anfechtung der Verfahrenspflegerbestellung z. B. wegen der dadurch bedingten Aktenversendung an die Rechtsmittelinstanz ergeben könnten, seien unschwer durch das Anlegen einer Kopie der Akte auszuräumen.
4. Das vorlegende OLG geht im Ansatz zutreffend davon aus, dass es sich bei der Bestellung eines Verfahrenspflegers nach § 67 FGG um eine den Rechtszug nicht - auch nicht teilweise - abschließende Zwischenentscheidung handelt. Zutreffend ist auch, dass solche Zwischenentscheidungen grundsätzlich unanfechtbar sind und mit der Beschwerde nur ausnahmsweise angefochten werden können, wenn sie in so einschneidender Weise in die Rechte des Betroffenen eingreifen, dass ihre selbständige Anfechtbarkeit unbedingt geboten ist (vgl. BayObLG DtPrax 1995, 27 f.; Kahl in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 19 Rz. 9, jew. m.N.). Zu Unrecht geht das vorlegende OLG aber davon aus, dass die Bestellung eines Verfahrenspflegers nach § 67 FGG mit einem derart schweren Eingriff in die Rechtssphäre des von dem Betreuungsverfahren Betroffenen verbunden ist und dass deshalb gegen die Bestellung eine Beschwerde ausnahmsweise zugelassen werden muss.
a) In einem Betreuungsverfahren ist der Betroffene ohne Rücksicht auf seine Geschäftsfähigkeit verfahrensfähig (§ 66 FGG). Seine Möglichkeiten, sich an dem Betreuungsverfahren zu beteiligen, werden durch die Bestellung eines Verfahrenspflegers nach § 67 FGG (anders als bei der Bestellung eines Verfahrenspflegers für eine Partei eines Zivilprozesses, § 53 ZPO) in keiner Weise eingeschränkt. Der Verfahrenspfleger wird lediglich neben dem Betroffenen tätig und hat dessen Interessen nach objektiven Maßstäben wahrzunehmen (Kayser in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 67 Rz. 15). Geben der Betroffene und der Verfahrenspfleger in derselben Instanz sich widersprechende Erklärungen ab, hat das Gericht im Rahmen seiner Ermittlungspflicht allen Anregungen - auch denen des Betroffenen - nach allgemeinen Verfahrensgrundsätzen nachzugehen; ein von dem Betroffenen selbst eingelegtes Rechtsmittel kann der Verfahrenspfleger nur mit Zustimmung des Betroffenen zurücknehmen (Kayser in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 66 Rz. 5 m.N.).
Der Verfahrenspfleger wird mithin dem Betroffenen nur zur Seite gestellt, damit dessen objektive Interessen auch dann geltend gemacht werden können, wenn er sie nicht selbst wahrnimmt. Das wird auch dadurch deutlich, dass nach § 67 Abs. 1 FGG die Bestellung eines Verfahrenspflegers unterbleiben oder aufgehoben werden soll, wenn der Betroffene in der Instanz einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen betraut.
Ein erheblicher Eingriff in die persönliche Sphäre des Betroffenen erfolgt schon durch die - unanfechtbare - Einleitung eines Betreuungsverfahrens. Dass ihm, wenn er keinen Rechtsanwalt bestellt hat, nach Einleitung dieses Betreuungsverfahrens ein Verfahrenspfleger zur Seite gestellt wird, ist dann nicht mehr mit einem erheblichen Eingriff in seine Rechte verbunden.
b) Das OLG führt zur Begründung für seine gegenteilige Ansicht an, der Pfleger erhalte durch seine Beteiligung an dem Betreuungsverfahren Einblick in die Verhältnisse des Betroffenen. Dieser Hinweis ist als Argument für die ausnahmsweise Zulassung einer Beschwerde des Betroffenen schon deshalb nicht geeignet, weil die Zulassung einer Beschwerde gegen die Bestellung des Verfahrenspflegers nicht wirksam verhindern könnte, dass dieser Einblick in die persönlichen Verhältnisse des Betroffenen erhält. Wie das vorlegende OLG an anderer Stelle zutreffend ausführt, hätte eine Beschwerde gegen die Pflegerbestellung nämlich keine aufschiebende Wirkung (§ 24 Abs. 1 FGG). Auch wenn eine solche Beschwerde zulässig wäre, müsste der Pfleger unmittelbar nach seiner Bestellung tätig werden und diese Tätigkeit fortsetzen, bis seine Bestellung auf die Beschwerde hin aufgehoben worden wäre. In dieser Zeit hätte er bereits den Einblick in die Verhältnisse des Betroffenen erhalten.
Im Übrigen kann der Umstand, dass der vom Gericht zur Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen eingesetzte Verfahrenspfleger - neben den anderen am Verfahren Beteiligten - Kenntnis von den Einzelheiten des Verfahrens erhält, nicht als so schwer wiegender Eingriff in die Rechte des Betroffenen angesehen werden, dass deshalb ausnahmsweise ein Rechtsmittel gegen die an sich unanfechtbare Zwischenentscheidung zugelassen werden müsste.
c) Gegen die ausnahmsweise Zulassung einer Beschwerde gegen die Pflegerbestellung spricht auch, wie das BayObLG (DtPrax aaO) zutreffend ausgeführt hat, dass der Gesetzgeber andere vom Gericht im Rahmen eines Betreuungsverfahrens getroffene Maßnahmen, die wesentlich einschneidender in die persönliche Sphäre des Betroffenen eingreifen, ausdrücklich für unanfechtbar erklärt hat. Das gilt für eine Vorführung des Betroffenen gegen seinen Willen zur Untersuchung (§ 68 b Abs. 3 FGG) und für die zwangsweise Vorführung zur Unterbringung, um den Betroffenen zur Vorbereitung eines Gutachtens beobachten zu können (§ 68 b Abs. 4 FGG).
d) Auch der Annahme des vorlegenden OLG, die Zulassung der Beschwerde könne keinen nachteiligen Einfluss auf die Durchführung des Betreuungsverfahrens haben, kann nicht gefolgt werden. Es ist zwar richtig, dass das Betreuungsverfahren auch nach Einlegung der Beschwerde fortgeführt und dass notwendig werdende Eilmaßnahmen angeordnet werden könnten, weil die Beschwerde - wie dargelegt - keine aufschiebende Wirkung hätte. In nicht seltenen Fällen ist die zügige und energische Mitarbeit des Verfahrenspflegers aber von erheblicher Bedeutung für die Durchführung des Betreuungsverfahrens in angemessener Zeit. Ein Verfahrenspfleger, der weiß, dass gegen seine Bestellung von dem Betroffenen eine zulässige Beschwerde eingelegt worden ist und der nicht weiß, ob seine Bestellung auf diese Beschwerde hin demnächst aufgehoben werden wird, wird sich erfahrungsgemäß bis zur Entscheidung des Beschwerdegerichts eher abwartend verhalten.
Die Annahme des vorlegenden OLG, durch geeignete Maßnahmen - z. B. das Anlegen einer Aktenkopie - könne sichergestellt werden, dass sich das Betreuungsverfahren durch die Durchführung eines Beschwerdeverfahrens gegen die Bestellung des Verfahrenspflegers und evtl. durch ein anschließendes Verfahren der weiteren Beschwerde nicht unangemessen verzögere, ist eher theoretischer Natur und würde sich in der Praxis kaum bewähren (vgl. hierzu BayObLG v. 8.4.1993 - 3Z BR 51/93, BayObLGZ 1993, 157 [159] = BayObLGReport 1993, 53 = FamRZ 1993,1106).
5. Demnach besteht kein Anlass, von der bisher übereinstimmenden Rechtsprechung der Oberlandesgerichte abzuweichen.
Fundstellen
BGHR 2003, 1069 |
FamRZ 2003, 1275 |
FuR 2003, 416 |
NJW-RR 2003, 1369 |
FGPrax 2003, 224 |
ZAP 2003, 993 |
FPR 2004, 145 |
JuS 2004, 167 |
Rpfleger 2003, 500 |
FamRB 2003, 325 |
R&P 2004, 108 |