Entscheidungsstichwort (Thema)
Untersagung eines Domain-Namens
Verfahrensgang
AGH Berlin (Beschluss vom 29.11.2001) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des I. Senats des Anwaltsgerichtshofs Berlin vom 29. November 2001 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und dem Antragsteller die ihm im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10.000 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der Antragsteller betreibt zusammen mit einem anderen Rechtsanwalt eine Anwaltskanzlei und ist zugleich als Notar tätig.
Im Internet unterhält er eine Homepage unter dem Domain-Namen „www.rechtsanwaelte-notar.de”. Mit Schreiben vom 29. Januar 2001 forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller auf, die Verwendung dieses Domain-Namens „mit sofortiger Wirkung zu unterlassen”.
Dem hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshof mit Beschluß vom 29. November 2001 stattgegeben und den angefochtenen Bescheid vom 29. Januar 2001 aufgehoben. Dagegen richtet sich die zugelassene sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin.
Entscheidungsgründe
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 223 Abs. 3 BRAO), bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.
1. Der Beschwerde ist schon deshalb der Erfolg zu versagen, weil die Bundesrechtsanwaltsordnung dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer nicht das Recht verleiht, festgestellten Verstößen gegen berufsrechtliche Bestimmungen mit einer Unterlassungsverfügung zu begegnen.
a) Nach § 73 Abs. 2 Nr. 1 BRAO obliegt es dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer, die Kammermitglieder in Fragen der Berufspflichten zu beraten und zu belehren. Des weiteren hat er nach § 73 Abs. 2 Nr. 4 BRAO die Erfüllung der den Kammermitgliedern obliegenden Pflichten zu überwachen und das Recht der Rüge zu handhaben.
Stellt der Vorstand einer Rechtsanwaltskammer in Wahrnehmung seiner Aufgaben fest, daß sich ein Rechtsanwalt berufswidrig verhalten hat, so beläßt es der Vorstand häufig nicht dabei, den Rechtsanwalt auf die Rechtsauffassung der Kammer hinzuweisen und über den Inhalt seiner Berufspflichten zu belehren; vielmehr wird der Rechtsanwalt darauf hingewiesen, daß er das beanstandete Verhalten zu unterlassen habe, bzw. daß er dann, wenn innerhalb einer bestimmten Frist der Berufsrechtsverstoß nicht abgestellt werde, mit der Einleitung eines Rügeverfahrens oder eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens zu rechnen habe. Diese Praxis der Rechtsanwaltskammern ist für sich genommen nicht zu beanstanden, da dem betroffenen Rechtsanwalt die möglichen Konsequenzen seines Verhaltens deutlich vor Augen geführt werden und er zudem ausreichend Gelegenheit hat, die Rechtslage zu prüfen, ohne unmittelbare Sanktionen fürchten zu müssen.
Erteilt der Vorstand einer Rechtsanwaltskammer einem Kammermitglied eine derartige mißbilligende Belehrung, so stellt diese nach der Rechtsprechung des Senats eine hoheitliche Maßnahme dar, die geeignet ist, den Rechtsanwalt in seinen Rechten zu beeinträchtigen; als solche ist sie nach § 223 Abs. 1 BRAO anfechtbar (vgl. Senatsbeschluß vom 18. November 1996 – AnwZ (B) 20/96 – NJW-RR 1997, 759 und vom 17. Dezember 2001 – AnwZ (B) 12/01 – NJW 2002, 608; Feuerich/Braun BRAO 5. Aufl. § 73 Rn. 19 ff).
b) Ausgehend vom Wortlaut ist aus der Sicht eines verständigen Empfängers das Gebot, die Verwendung des Domain-Namens „www.rechtsanwaelte-notar.de” zu unterlassen, die Kernaussage des Schreibens vom 29. Januar 2001. So hat es auch der Antragsteller verstanden und unter anderem daraus die Rechtswidrigkeit des Bescheids hergeleitet. Es geht daher nicht an, die Rechtsausführungen der Antragsgegnerin als Belehrung zu verstehen, bei der die Unterlassungsaufforderung nur als eine unselbständige Folgerung erscheint (vgl. hierzu Senatsbeschluß vom 7. November 1983 – AnwZ (B) 21/83 – NJW 1984, 1042, 1044).
c) Die Frage, ob der Vorstand der Rechtsanwaltskammer von einem kammerangehörigen Rechtsanwalt kraft Berufsrechts die Vornahme oder Unterlassung einer bestimmten Handlung verlangen kann, hat der Senat bisher offengelassen (vgl. Senatsbeschluß vom 7. November 1983 aaO). Sie ist im Anschluß an die ältere Rechtsprechung des Ehrengerichtshofs beim Reichsgericht (EGHE 1, 193, 199; 16, 205, 210) und ein neueres Urteil des I. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 25. Oktober 2001 – I ZR 29/99 – NJW 2002, 2039, 2040) zu verneinen.
In § 73 Abs. 2 Nr. 4 BRAO wird nicht nur die Aufgabe des Kammervorstands beschrieben, die Erfüllung der den Mitgliedern der Kammer obliegenden Pflichten zu überwachen, sondern zugleich das Mittel genannt, das dem Vorstand zur Ahndung von Pflichtverstößen aus eigenem Recht zusteht (Rügerecht nach § 74 BRAO; für die Einleitung eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens, das allerdings vom Vorstand der Rechtsanwaltskammer beantragt werden kann, ist allein die Staatsanwaltschaft zuständig, vgl. §§ 121, 122 BRAO).
Darüber hinaus ist in § 57 BRAO ausdrücklich bestimmt, daß der Vorstand der Rechtsanwaltskammer einen Rechtsanwalt zur Einhaltung der in § 56 Abs. 1 Satz 1 BRAO genannten besonderen Pflichten, die dem Kammermitglied gegenüber dem Vorstand obliegen (insbesondere Auskunftspflichten), durch Festsetzung eines Zwangsgeldes anhalten kann.
Diesem Normengefüge ist insgesamt zu entnehmen, daß die Bundesrechtsanwaltsordnung dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer keine Rechtsgrundlage dafür gibt, Pflichtverletzungen aller Art, die ein Rechtsanwalt gegenüber einem Mandanten oder dem sonstigen rechtsuchenden Publikum gegenüber begangen hat oder deren Begehung unmittelbar bevorsteht, durch den Erlaß mit Verwaltungszwang durchsetzbarer Ge- und Verbote zu begegnen. Derart weitgehende, einschneidende Eingriffsmöglichkeiten würden auch der Stellung des Rechtsanwalts nicht gerecht. Dieser ist unabhängiges Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO) und steht als solches nicht in einem allgemeinen Abhängigkeits- oder Unterordnungsverhältnis zum Kammervorstand (vgl. Feuerich/Braun aaO § 73 Rn. 32).
2. Auch in der Sache selbst ist die in Form einer Untersagungsverfügung gekleidete Beanstandung der Antragsgegnerin nicht gerechtfertigt.
Ausgehend von der Rechtsprechung des I. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs und der Rechtsprechung des Senats (vgl. den zur Veröffentlichtung in BGHZ vorgesehenen Beschluß vom heutigen Tage – AnwZ (B) 41/02) verstößt die Verwendung des Domain-Namens „www.rechtsanwaelte-notar.de” durch den Antragsteller nicht gegen § 43 b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA.
Gemäß § 43 b BRAO ist dem Rechtsanwalt Werbung erlaubt, soweit sie über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet ist. Diese Bestimmung hat in den §§ 6 ff BORA teilweise eine nähere Ausgestaltung erfahren. Nach § 6 Abs. 1 BORA darf der Rechtsanwalt über seine Dienstleistung und seine Person informieren, soweit die Angaben sachlich unterrichten und berufsbezogen sind.
Richtet eine aus einem Rechtsanwalt und einem Anwaltsnotar bestehende Kanzlei eine eigene Homepage ein, die über die Berufsbezeichnung „www.rechtsanwaelte-notar.de” zu erreichen ist, so stellt dies eine Werbung dar, die darauf abzielt, den Verkehr für die Inanspruchnahme von Leistungen dieser Kanzlei und ihrer Mitglieder zu gewinnen.
a) Die Form und der Inhalt dieser Werbung, die sich im wesentlichen in der Vorstellung der beiden Kanzleimitglieder (mit Lichtbild) und der Angabe ihrer Tätigkeitsschwerpunkte erschöpft, ist nicht unsachlich. Eine Diskrepanz zwischen dem Erscheinungsbild und dem Inhalt der Werbung besteht nicht (vgl. hierzu BGHZ 147, 71, 76 ff – Anwaltswerbung II). Sie wird vorliegend insbesondere auch nicht dadurch hervorgerufen, daß sich der Antragsteller durch die Auswahl des seine beruflichen Tätigkeiten kennzeichnenden Domain-Namens gegenüber anderen Rechtsanwälten und Notaren insoweit einen Vorteil verschafft hat, daß diese daran gehindert sind, denselben Domain-Namen zu verwenden und die Möglichkeiten, einen Domain-Namen unter Verwendung von Begriffen auszusuchen, die alternativ den Beruf des Rechtsanwalts oder Notars bezeichnen oder dessen Tätigkeit beschreiben, naturgemäß begrenzt sind (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 2002 – I ZR 281/99 – NJW 2002, 2642, 2644 f – Vanity-Nummer; BGHZ 148, 1, 5 ff – Mitwohnzentrale.de).
Im übrigen hat der Anwaltsgerichtshof zu Recht darauf hingewiesen, daß die vom Antragsteller gewählte, einmal im Plural und einmal im Singular stehende, mit einem Bindestrich versehene Kombination der Begriffe Rechtsanwälte und Notar durchaus ungewöhnlich ist. Ein rechtsuchender Internet-Nutzer, der an Dienstleistungen eines Rechtsanwalts oder eines Notars interessiert ist, wird, wenn er sich nicht einer Suchmaschine bedient, sondern sich unter Einsatz der Gattungsbegriffe Rechtsanwalt, Rechtsanwälte, Notar, Notare den unmittelbaren Zugang zu einem Anbieter derartiger Dienstleistungen zu verschaffen sucht, nur mehr oder weniger zufällig genau die Begriffskombination eingeben, mit der er auf die Homepage des Antragstellers stößt. Die Gefahr einer Kanalisierung von Kundenströmen durch die Verwendung des beanstandeten Domain-Namens ist daher sehr gering.
b) Die in der Verwendung des von der Antragsgegnerin beanstandeten Domain-Namens liegende Werbung ist auch nicht als irreführend unter dem Aspekt einer unzutreffenden Alleinstellungsbehauptung anzusehen.
Der durchschnittlich informierte und verständige Internet-Nutzer, auf den insoweit maßgeblich abzustellen ist (vgl. BGHZ 148, 1, 7), weiß von vornherein, daß die unter Verwendung der Gattungsbegriffe Rechtsanwalt und Notar gefundene Homepage eines Anbieters nicht das gesamte Angebot anwaltlicher und notarieller Dienstleistungen repräsentiert. Auch erscheint es nach der Lebenserfahrung nicht als wahrscheinlich, daß der Internet-Nutzer die Vorstellung hat, bei Eingabe des vom Antragsteller verwendeten Domain-Namens werde er einen Überblick über das gesamte Angebot anwaltlicher und notarieller Dienstleistungen oder auch nur ein sach- und fachkundig aufbereitetes Informationsangebot erhalten (vgl. Urteil vom 21. Februar 2002 aaO S. 2645).
c) Soweit die Beschwerdeführerin weiter meint, allein dadurch, daß der im Domain-Namen enthaltene Begriff Rechtsanwalt in der Mehrzahl verwendet wird, werde über die tatsächliche Bedeutung und Größe der Kanzlei des Antragstellers irregeführt, ist ihr nicht zu folgen.
Durch die Pluralform wird lediglich zum Ausdruck gebracht, daß die unter diesem Begriff am Internet-Verkehr teilnehmende Kanzlei mindestens zwei Mitglieder hat, die zur Rechtsanwaltschaft zugelassen sind. Das ist hier der Fall. Darüber hinaus kann der Beschwerdeführerin auch nicht darin zugestimmt werden, daß selbst derjenige, der weiß, daß es in einigen Bundesländern Anwaltsnotare gibt, mit mindestens drei Sozietätsmitgliedern – zwei Rechtsanwälten und einem Notar – rechnet. Es ist gerade die Besonderheit des Anwaltsnotariats, daß hier ein Rechtsanwalt zugleich den Beruf eines Notars ausüben darf. Dann aber ist für jeden, der um diese Besonderheit weiß, offenkundig, daß er es vorliegend möglicherweise mit einer Kanzlei zu tun hat, bei der nur insgesamt zwei Personen über die angegebene berufliche Qualifikation verfügen.
Im übrigen wird die etwaige Fehlvorstellung eines Internet-Nutzers über die Zahl der Mitglieder der unter dem Domain-Namen „www.rechtsanwaelte-notar.de” zu findenden Kanzlei bei „Aufschlagen” dieser Homepage sofort korrigiert. Jedenfalls dadurch wird der Gefahr einer Irreführung hinreichend begegnet (vgl. BGHZ 148, 1, 7).
Unterschriften
Hirsch, Schlick, Otten, Frellesen, Schott, Wüllrich, Frey
Fundstellen
NJW 2003, 504 |
NWB 2003, 814 |
BGHR 2003, 468 |
CR 2003, 354 |
AdVoice 2003, 45 |
DVBl. 2003, 415 |
K&R 2003, 233 |
MMR 2003, 256 |
BRAK-Mitt. 2003, 22 |
KammerForum 2003, 154 |
Mitt. 2003, 241 |