Leitsatz (amtlich)
Hat die allgemeine Zivilabteilung den "Antrag" auf Abgabe an das Familiengericht desselben AG abgelehnt, so ist dieser Beschluss unanfechtbar. Die vom Beschwerdegericht gleichwohl zugelassene Rechtsbeschwerde ist nicht statthaft.
Normenkette
ZPO §§ 567, 574 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 25.03.2003) |
AG Frankfurt am Main |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer (Einzelrichter) des LG Frankfurt am Main v. 25.3.2003 wird auf Kosten des Klägers als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 125 EUR.
Gründe
I.
Der Kläger verlangt von der Beklagten ein angemessenes Schmerzensgeld und materiellen Schadensersatz, weil diese ihn am Umgangsrecht mit seinen Kindern gehindert und ihn dabei verletzt habe.
Er hat Klage beim AG erhoben. Mit Schriftsatz v. 20.10.2002 stellte er den Antrag auf Verweisung an das Familiengericht. Diesen Antrag wies die allgemeine Zivilabteilung mit Beschl. v. 20.11.2002 zurück, da es sich nicht um eine familienrechtliche Angelegenheit handele. Die sofortige Beschwerde hat das LG durch den angefochtenen Beschluss als unzulässig verworfen, weil dieser gem. § 281 ZPO unanfechtbar sei. Die Unanfechtbarkeit folge zwar nicht unmittelbar aus dieser Vorschrift, weil sich aus ihrem Gesamtzusammenhang und Sinn und Zweck ergebe, dass sie nur den Verweisungsbeschluss meine, der die Unzuständigkeit ausspreche und das zuständige Gericht bezeichne. Die Unanfechtbarkeit ergebe sich aber aus dem allgemeinen Gesichtspunkt, dass es im Falle der Nichtverweisung durch Beschluss an einer rechtsmittelfähigen Entscheidung fehle. Maßnahmen des Gerichts, die der endgültigen Entscheidung vorausgingen und den allgemeinen Verfahrensgang beträfen, seien nämlich nicht selbständig anfechtbar.
Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Kläger seinen Antrag auf Verweisung an das Familiengericht weiter.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist trotz der Zulassung durch das Beschwerdegericht unzulässig.
1. Nach § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ist zwar grundsätzlich gegen einen Beschluss die Rechtsbeschwerde statthaft, falls das Beschwerdegericht sie in dem Beschluss zugelassen hat. Trotz des weit gefassten Gesetzeswortlauts gilt dies aber nicht für alle derartigen Beschlüsse. Eine Rechtsbeschwerde ist vielmehr unzulässig, wenn das Gesetz eine Anfechtung der Entscheidung ausschließt. In diesem Fall bleibt sie auch bei irriger Rechtsmittelzulassung unanfechtbar. Die Bindungswirkung des § 574 Abs. 3 S. 2 ZPO tritt nämlich nur hinsichtlich des Vorliegens eines Zulassungsgrundes nach § 574 Abs. 2 ZPO ein, eröffnet aber nicht ein gesetzlich nicht vorgesehenes Rechtsmittel (vgl. BGH, Beschl. v. 8.10.2002 - VI ZB 27/02, MDR 2003, 41 = BGHReport 2003, 151 = NJW 2003, 211; Beschl. v. 12.9.2002 - III ZB 43/02, BGHReport 2002, 1052 = MDR 2002, 1388 = VersR 2003, 482 [483]; Beschl. v. 1.102002 - IX ZB 271/02, MDR 2003, 229 = BGHReport 2003, 94 = NJW 2003, 70; v. 8.5.2003 - I ZB 40/02, MDR 2003, 1195 = BGHReport 2003, 895 = WRP 2003, 895).
So verhält es sich hier.
2. Die Unanfechtbarkeit folgt allerdings entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts nicht aus § 281 Abs. 2 S. 2 ZPO. Zwar ist ein auf Grund des § 281 ZPO ergangener Beschluss nach übereinstimmender Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum auch dann grundsätzlich unanfechtbar, wenn der Antrag auf Verweisung abgelehnt wird, wobei dies teilweise aus dem Wortlaut des § 281 Abs. 2 S. 2 ZPO, teilweise aus allgemeinen Grundsätzen abgeleitet wird (vgl. OLG Oldenburg v. 7.11.1991 - 6 W 105/91, MDR 1992, 518; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 281 Rz 27; Prütting in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 281 Rz. 41; Musielak/Foerste, ZPO, 3. Aufl., § 281 Rz. 11; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 21. Aufl., § 281 Rz. 22b; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 25. Aufl., § 281 Rz. 11; Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 281 Rz. 14). § 281 ZPO findet aber nur Anwendung, wenn es um die Klärung der örtlichen oder sachlichen Zuständigkeit zwischen verschiedenen Gerichten geht. Demgegenüber geht es hier um die Frage, ob eine allgemeine Zivilabteilung eines AG ein Verfahren an das Familiengericht desselben AG "verweisen" muss. Hierbei handelt es sich um eine eventuelle Abgabe an einen anderen Spruchkörper innerhalb desselben Gerichts, auf die § 281 ZPO keine Anwendung findet (vgl. BGH v. 3.5.1978 - IV ARZ 26/78, BGHZ 71, 264 [266 ff.]; Beschl. v. 14.7.1993 - XII ARZ 16/93, MDR 1993, 1236 = NJW-RR 1993, 1282).
3. Eine Anfechtung der erstinstanzlichen Entscheidung und damit auch des diese Entscheidung bestätigenden zweitinstanzlichen Beschlusses war aber ausgeschlossen, weil eine Beschwerde gegen den Beschluss des AG nicht gem. § 567 Abs. 1 ZPO statthaft war. Die sofortige Beschwerde war nämlich weder im Gesetz ausdrücklich vorgesehen (§ 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) noch handelte es sich um eine Entscheidung, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch i. S. d. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zurückgewiesen worden ist.
Dies folgt daraus, dass die Entscheidung darüber, ob eine Sache an das Familiengericht desselben Gerichts abzugeben ist, von Amts wegen zu treffen ist, selbst wenn mit ihr zugleich ein "Gesuch" der Partei abl. beschieden wird. In diesem Fall ist eine Beschwerde nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO nicht statthaft (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO, 62. Aufl., § 567 Rz. 4; Lipp in MünchKomm/ZPO, Aktualisierungsbd., 2. Aufl., § 567 Rz. 10; Musielak/Ball, ZPO, 3. Aufl., § 567 Rz. 14; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 567 Rz. 15 ; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPO, 15. Aufl., § 147 III 4a, jeweils m. w. N.). Da es sich hier lediglich um die eventuelle Abgabe an das Familiengericht innerhalb desselben Gerichts handelt, geht es um die in einem solchen Fall unmittelbar in § 621 ZPO geregelte Geschäftsverteilung zwischen einer Zivilabteilung und dem Familiengericht innerhalb des AG. Die Geschäftsverteilung ist jedoch von dem Spruchkörper bei Eingang einer neuen Sache stets von Amts wegen zu beachten und zu prüfen. Wenn sich der mit der Angelegenheit befasste Spruchkörper nach der Geschäftsverteilung nicht für zuständig hält, hat er das Verfahren von Amts wegen an den zuständigen Spruchkörper abzugeben, anderenfalls die Sachbearbeitung aufzunehmen. "Anträge" oder besser "Anregungen " der Parteien sind dafür nicht erforderlich und haben auch keine verfahrensgestaltende Funktion. Deshalb ist eine Beschwerde nach § 567 ZPO gegen die von Amts wegen zu treffende Entscheidung des Spruchkörpers nicht statthaft, zumal anderenfalls eine Partei durch einen "Antrag" die gesamte Amtstätigkeit des Gerichts der Beschwerde zugänglich machen könnte. Dies eröffnete nicht erwünschte Möglichkeiten zur Verfahrensverzögerung und entspricht nicht dem Sinn und Zweck des § 567 ZPO. Es muss daher bei dem allgemeinen Grundsatz verbleiben, dass Maßnahmen des Gerichts, die der Sachentscheidung vorausgehen, grundsätzlich nicht selbständig anfechtbar sind. Bei der hier zu entscheidenden Frage hinsichtlich der Zuständigkeit innerhalb des Gerichts entspricht dies im Übrigen auch der in den §§ 281 Abs. 2 S. 2, 513 Abs. 2, 545 Abs. 2, 571 Abs. 2 S. 2, 576 Abs. 2 ZPO getroffenen Wertung des Gesetzgebers. Nur wenn zwei Spruchkörper innerhalb eines Gerichts - etwa eine allgemeine Prozessabteilung und ein Familiengericht - sich durch Beschlüsse für unzuständig erklären, besteht ein Rechtsschutzbedürfnis dafür, diesen "negativen Kompetenzkonflikt" entsprechend § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO durch das im Rechtszuge zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht klären zu lassen. Eine solche Situation liegt hier jedoch nicht vor, da die allgemeine Prozessabteilung ihre Zuständigkeit annimmt.
4. Da die Rechtsbeschwerde nach den vorstehenden Ausführungen nicht statthaft ist, kann der Senat abschließend entscheiden, ohne dass von Amts wegen eine Zurückverweisung an das Beschwerdegericht erforderlich wäre, weil der Einzelrichter über die Beschwerde entschieden und die Rechtsbeschwerde zugelassen hat (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 13.3.2003 - IX ZB 134/02, MDR 2003, 588 = BGHReport 2003, 627 = NJW 2003, 1254; v. 10.4.2003 - VII ZB 17/02, BGHReport 2003, 901 = MDR 2003, 949; v. 11.9.2003 - XII ZB 188/02, BGHReport 2003, 1363 = MDR 2004, 109 = NJW 2003, 3712).
Ergänzend weist der Senat noch auf Folgendes hin: In dem vom Rechtsbeschwerdeführer herangezogenen Urt. v. 19.6.2002 hat der BGH zwar dem umgangsberechtigten Elternteil einen Schadensersatz zugesprochen, wenn ihm der andere Elternteil den Umgang nicht in der vom Familiengericht vorgesehenen Art und Weise gewährt und ihm daraus Mehraufwendungen entstehen. Er hat in den Entscheidungsgründen aber zugleich die Auffassung des Berufungsgerichts gebilligt, dass es sich um ein Streitverfahren und nicht um eine Familiensache i. S. d. § 23b GVG handelt (vgl. BGH v. 19.6.2002 - XII ZR 173/00, BGHZ 151, 155 [157 f.] = BGHReport 2002, 776 = MDR 2002, 1193).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 1121184 |
BGHR 2004, 761 |
EBE/BGH 2004, 2 |
FamRZ 2004, 869 |
ZAP 2004, 593 |
FPR 2004, 403 |
MDR 2004, 698 |
JWO-FamR 2004, 97 |