Leitsatz (amtlich)
Die Einholung eines Privatgutachtens zählt nicht zu den "Rechtsmitteln" i.S.v. §§ 839a Abs. 2, 839 Abs. 3 BGB.
Normenkette
BGB § 839a Abs. 2, § 839 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 4. Zivilsenats des OLG Celle vom 20.7.2016 - 4 U 102/13 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren beträgt 86.976,69 EUR.
Gründe
I.
Rz. 1
Der Kläger nimmt den Beklagten, einen Facharzt für Psychiatrie, unter dem Vorwurf der Erstattung eines fehlerhaften Gerichtsgutachtens gem. § 839a BGB auf Schadensersatz in Anspruch. Das Gutachten erstattete der Beklagte in einem Zivilprozess des Klägers gegen ein Versicherungsunternehmen, in dem es um die Geltendmachung von Ansprüchen auf Leistungen aus einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung ging und der für den Kläger ohne Erfolg blieb.
Rz. 2
Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das OLG zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde.
II.
Rz. 3
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
Rz. 4
1. Soweit das Berufungsgericht - jedenfalls - ein grobes Verschulden des Beklagten i.S.v. § 839a Abs. 1 BGB verneint hat, lässt dies einen Grund zur Zulassung der Revision nicht erkennen. Der Senat sieht von einer näheren Begründung gem. § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO ab.
Rz. 5
2. Vor diesem Hintergrund kommt es auf die - vom Berufungsgericht offen gelassene - Frage, ob die Haftung des Beklagten wegen schuldhaften Nichtgebrauchs eines Rechtsmittels nach §§ 839a Abs. 2, 839 Abs. 3 BGB ausgeschlossen ist, nicht entscheidungserheblich an. Ein Revisionszulassungsgrund ist insoweit nicht gegeben. Allerdings sieht der erkennende Senat Anlass für den Hinweis, dass die Auffassung des Berufungsgerichts (dessen Entscheidung u.a. in MDR 2016, 1203 veröffentlicht worden ist), wonach die Einholung eines Privatgutachtens als "Rechtsmittel" im Sinne dieses Haftungsausschlusses anzusehen sei, von Rechtsfehlern beeinflusst ist.
Rz. 6
a) Als "Rechtsmittel" kommen zwar auch solche Behelfe in Betracht, die sich unmittelbar gegen das fehlerhafte Gutachten selbst richten und die bestimmt und geeignet sind, eine auf das Gutachten gestützte instanzbeendende gerichtliche Entscheidung zu verhindern. Zu denken ist insoweit etwa an Gegenvorstellungen und Hinweise auf die Unrichtigkeit des Gutachtens (vgl. § 411 Abs. 4 ZPO), an Anträge, den Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens zu laden, oder an formelle Beweisanträge auf Einholung eines neuen (Ober-)Gutachtens gem. § 412 Abs. 1 ZPO (BGH, Beschl. v. 28.7.2006 - III ZB 14/06, NJW-RR 2006, 1454, 1455 Rz. 11 und Urt. v. 5.7.2007 - III ZR 240/06, BGHZ 173, 98, 100 f Rz. 8).
Rz. 7
b) Nicht unter die "Rechtsmittel" i.S.v. §§ 839a Abs. 2, 839 Abs. 3 BGB fällt indessen die Einholung eines Privatgutachtens, um Einwände gegen ein beanstandetes gerichtliches Sachverständigengutachten zu substantiieren (so auch BeckOGK/Dörr, BGB, § 839a Rz. 67 [Stand: 1.4.2017]; Staudinger/Wöstmann, BGB [2013], § 839a Rz. 27 m.w.N. aus dem Schrifttum; wohl auch Wagner in MünchKomm/BGB, 7. Aufl., § 839a Rz. 40; a.A. OLG Celle, DS 2012, 82, 83; LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 15.10.2012 - 3 O 3620/12, BeckRS 2014, 15746). Zwar mag die Einholung und Vorlage eines Privatgutachtens die Aussicht dafür erhöhen, dass das Prozessgericht einem Antrag auf Einholung eines neuen (Ober-)Gutachtens Folge leistet (OLG Celle, a.a.O., S. 83 f.; LG Nürnberg-Fürth, a.a.O.). Eine nicht sachkundige Partei ist jedoch generell nicht verpflichtet, zur Substantiierung ihrer Einwendungen gegen ein gerichtliches Sachverständigengutachten einen Privatgutachter zu konsultieren (BGH, Urt. v. 19.2.2003 - IV ZR 321/02, NJW 2003, 1400 f.; v. 18.10.2005 - VI ZR 270/04, NJW 2006, 152, 154 Rz. 15; v. 8.7.2008 - VI ZR 259/06, NJW 2008, 2846, 2849 Rz. 27; s. auch Dörr, a.a.O.; Wagner, a.a.O.). Dementsprechend kann es ihr nicht i.S.v. §§ 839a Abs. 2, 839 Abs. 3 BGB anspruchsausschließend zur Last fallen, wenn sie dies unterlassen hat.
Fundstellen
Haufe-Index 11196448 |
FamRZ 2017, 1852 |
IBR 2017, 598 |
JZ 2017, 700 |
MDR 2017, 1121 |
VersR 2017, 1285 |
ZfS 2018, 88 |
BayVBl. 2018, 63 |
DS 2017, 261 |