Entscheidungsstichwort (Thema)
Sofortige Beschwerde. FGG-Verfahren. Rechtsmittel. Sofortige weitere Beschwerde
Leitsatz (amtlich)
Das statthafte Rechtsmittel gegen Entscheidungen über sofortige Beschwerden in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist - soweit nicht gesetzlich etwas anderes angeordnet worden ist - auch in Kostenfestsetzungsangelegenheiten die sofortige weitere Beschwerde nach §§ 27 ff. FGG und nicht die Rechtsbeschwerde nach §§ 574 ff. ZPO (wie Senat, Beschl. v. 30.9.2004 - V ZB 16/04, BGHReport 2005, 131 = MDR 2005, 56 = NJW 2004, 3412; insoweit Aufgabe von Senat, Beschl. v. 9.3.2006 - V ZB 164/05, BGHReport 2006, 881 = MDR 2006, 1134 (LS) = NJW 2006, 2495).
Normenkette
FGG §§ 13a, 27; ZPO §§ 103, 574
Verfahrensgang
OLG Karlsruhe in Freiburg (Entscheidung vom 20.07.2006; Aktenzeichen 14 Wx 19/06) |
LG Freiburg i. Br. (Beschluss vom 24.04.2006; Aktenzeichen 4 T 76/06) |
AG Lörrach (Beschluss vom 03.01.2006; Aktenzeichen 21 UR II 55/05) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Beteiligten zu 1) werden der Beschluss der 4. Zivilkammer des LG Freiburg vom 24.4.2006 aufgehoben und der Kostenfestsetzungsbeschluss des AG Lörrach vom 3.1.2006 abgeändert.
Aufgrund des Beschlusses des AG Lörrach vom 22.9.2005 sind der Beteiligten zu 1) von der Beteiligten zu 2) an Kosten 1.492,03 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 6.10.2005 zu erstatten.
Der Geschäftswert des Verfahrens der sofortigen Beschwerde beträgt 702,90 EUR.
Gründe
I.
[1] Die Beteiligte zu 1) ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft, die Beteiligte zu 2) Wohnungs- und Teileigentümerin. Die Beteiligte zu 1) machte gegen die Beteiligte zu 2) eine Nachzahlung aus der Abrechnung für das Jahr 2004, rückständige Vorauszahlungen aus dem Wirtschaftsplan für 2.5.2006 und die nach dem Wirtschaftsplan fällig werdenden Zahlungen geltend. Das AG hat gemäß den zuletzt gestellten Anträgen der Beteiligten zu 1) in einem ohne mündliche Verhandlung ergangenen Beschluss die Beteiligte zu 2) zur Zahlung verpflichtet und ihr zu 96 % die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten auferlegt.
[2] In ihrem Kostenfestsetzungsantrag hat die Beteiligte zu 1) neben der Verfahrensgebühr auch eine Terminsgebühr von 631,20 EUR zzgl. anteiliger Umsatzsteuer in Ansatz gebracht. Das AG hat im Kostenfestsetzungsbeschluss diese Gebühr als nicht entstanden erachtet und daher nicht berücksichtigt. Die gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss erhobene sofortige Beschwerde hat das LG zurückgewiesen und die sofortige weitere Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen.
[3] Das OLG ist der Auffassung, dass es gem. § 28 Abs. 1 FGG für die Entscheidung über das von der Beteiligten zu 1) eingelegte Rechtsmittel zuständig sei. Es sieht sich an einer Sachentscheidung durch die Entscheidung des Senats vom 9.3.2006 (V ZB 164/04, NJW 2006, 2495 = Rpfleger 2006, 438) gehindert und hat die Sache deshalb dem BGH zur Entscheidung vorgelegt.
II.
[4] Die Vorlage ist statthaft (§ 43 Abs. 1 WEG, § 13a Abs. 3 FGG, §§ 103 bis 107 ZPO i.V.m. § 28 Abs. 2 FGG). Die Voraussetzungen von § 28 Abs. 2 FGG sind gegeben.
[5] 1. Wohnungseigentumssachen sind Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 43 Abs. 1 WEG). Dies gilt auch für das Nebenverfahren der Kostenfestsetzung (Staudinger/Wenzel, BGB [2005], § 45 WEG Rz. 4; KK-WEG-Abramenko, § 47 Rz. 18). An der Zugehörigkeit der Kostenfestsetzung zur freiwilligen Gerichtsbarkeit ändert sich auch dadurch nichts, dass aufgrund der in § 13a Abs. 3 FGG angeordneten Verweisung die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Kostenfestsetzung entsprechend anzuwenden sind (BGHZ 33, 205, 206).
[6] 2. Gegenstand der Vorlage ist eine Rechtsfrage, welche die Auslegung einer bundesgesetzlichen Bestimmung betrifft. Diese kann sich auch auf Verfahrensvorschriften beziehen, welche die Zuständigkeit des vorlegenden OLG zu einer Entscheidung über die weitere Beschwerde begründen, aus der sich erst dessen Kompetenz zu einer Vorlage an den BGH ergibt (vgl. BGH, Beschl. v. 15.2.1978 - IV ZB 76/77, NJW 1978, 1260; Beschl. v. 29.11.1978 - IV ZB 57/78, Rpfleger 1979, 98; Keidel/Meyer-Holz, FGG, 15. Aufl., § 28 Rz. 11; Bassenge/Herbst/Roth, FGG, 10. Aufl., § 28 Rz. 3).
[7] 3. Das vorlegende Gericht wiche mit der von ihm vertretenen Auslegung auch von der Entscheidung des Senats vom 9.3.2006 (V ZB 164/05, BGHReport 2006, 881 = MDR 2006, 1134 (LS) = NJW 2006, 2495 f. = Rpfleger 2006, 438 f.) ab.
[8] a) Die Auffassung des vorlegenden Gerichts, dass es ohne eine Beantwortung der streitigen Rechtsfrage über die sofortige weitere Beschwerde nicht entscheiden könne, ist für den Senat bindend (BGH v. 11.11.1986 - V ZB 1/86, BGHZ 99, 90, 92 = MDR 1987, 485; BGH v. 21.12.1989 - V ZB 22/89, BGHZ 109, 396, 398 = MDR 1990, 529; BGH v. 19.12.1991 - V ZB 27/90, BGHZ 116, 392, 394 = MDR 1992, 484). Voraussetzung ist jedoch, dass die Entscheidung, von der das vorlegende Gericht abweichen will, dieselbe Rechtsfrage betrifft (Senat, Beschl. v. 23.6.2005 - V ZB 61/05, NZM 2005, 627, 628; Beschl. v. 29.9.2005 - V ZB 107/05, NJW-RR 2006, 18). Das ist hier der Fall.
[9] b) Die zur Vorlage berechtigende Abweichung ergibt sich aus den unterschiedlichen Auslegungen dieser Vorschriften durch den Senat, die insoweit auch den Instanzenzug für Beschwerdeverfahren in Kostenfestsetzungsverfahren in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit betreffen. Der Senat hat in dem Beschluss vom 30.9.2004 (V ZB 16/04, BGHReport 2005, 131 = MDR 2005, 56 = NJW 2004, 3412, 3413) ausgeführt, dass der Verweisung in § 13a Abs. 3 FGG auf die §§ 103 bis 107 ZPO nicht entnommen werden könne, dass die durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27.7.2001 (BGBl. I, 1887) eingeführte Rechtsbeschwerde zum BGH (§ 574 ZPO, § 133 GVG) auch in Kostenfestsetzungsverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit gegeben sein solle, es vielmehr auch in diesen Verfahren bei den eigenen und abschließenden Zuständigkeitsregelungen in § 28 FGG verbleibe. Aus dieser Entscheidung, der das vorlegende Gericht folgen möchte, ergibt sich die Abweichung von dem Beschluss des Senats vom 9.3.2006 zur Zuständigkeit für ein nunmehr zulässiges weiteres Rechtmittel gegen Beschwerdeentscheidungen in Kostenfestsetzungssachen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.
III.
[10] Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig.
[11] Das Rechtsmittel ist statthaft. In den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit findet nach § 27 Abs. 1 Satz 1 FGG gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts die weitere Beschwerde statt. Das gilt auch für die Anfechtung von Entscheidungen über Beschwerden gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse, die in den nach diesem Gesetz zu erledigenden Verfahren ergangen sind.
[12] 1. Die Änderungen der Vorschriften über das Beschwerdeverfahren in der Zivilprozessordnung durch das Zivilprozessreformgesetz müssen auch in den Verfahren nach der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu einer Erweiterung des Instanzenzuges führen.
[13] Eine weitere Beschwerde in Kostensachen war zwar bis zum 31.12.2001 nicht statthaft. Mit der Ersetzung der weiteren Beschwerde in der Zivilprozessordnung durch die Rechtsbeschwerde ist indes auch § 568 Abs. 3 ZPO a.F. weggefallen, welche Norm eine Anfechtung von Entscheidungen der LG über Prozesskosten ausschloss. In entsprechender Anwendung der Vorschrift war danach eine sofortige weitere Beschwerde gegen Beschwerdeentscheidungen des LG auch in den Verfahren nach dem Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht zulässig (dazu BGHZ 33, 205, 207 f.; BayObLGZ 2002, 274, 275). Der in § 568 Abs. 3 ZPO a.F. zum Ausdruck kommende Grundsatz, den Rechtsmittelzug in Kostensachen zu beschränken und diese von den oberen Gerichten trotz des nicht zu verkennenden allgemeinen Interesses an einer gleichmäßigen Handhabung des Kostenrechts möglichst fernzuhalten (dazu: BGHZ 7, 128, 134; BGHZ 33, 205, 208), ist damit aufgegeben worden. Die Rechtsbeschwerde nach §§ 574 ff. ZPO ist auch in den Kostensachen statthaft. Der Gesetzgeber verfolgte damit das Ziel, dass auch in diesen Sachen der BGH zur Wahrung der Rechtseinheit zuständig sein soll (BT-Drucks. 14/4722, 116).
[14] 2. Die durch die Streichung des § 568 Abs. 3 ZPO a.F. gebotene Erweiterung des Instanzenzuges kann indes nicht so erfolgen, dass in Kostenfestsetzungssachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach Zulassung durch das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde an den BGH zulässig ist. Der Senat kehrt daher zu der in dem Beschluss vom 30.9.2004 (V ZB 16/04, BGHReport 2005, 131 = MDR 2005, 56 = NJW 2004, 3412) vertretenen Auffassung zurück, wonach es auch für die Rechtsmittel im Kostenfestsetzungsverfahren in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit bei den eigenen und abschließenden Zuständigkeitsregelungen in den §§ 27 ff. FGG verbleibt. Die dem Beschluss vom 9.3.2006 zugrunde liegende Ansicht wird aufgegeben. Eine Bestimmung der Zuständigkeit dahin, dass auch in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gegen Entscheidungen über Beschwerden eine von einer Zulassung abhängige Rechtsbeschwerde an den BGH stattfindet, müsste durch Gesetz erfolgen, wie es in § 64 Abs. 3 Satz 1 FGG allein für die vor das FamG gehörenden Angelegenheiten bestimmt worden ist. Bis zu einer Gesetzesänderung, wie sie derzeit im Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz für ein Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vorgeschlagen ist, gelten weiterhin auch für Beschwerden gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse die allgemeinen Regelungen über die Rechtsmittel nach den §§ 21 ff. FGG. Im Übrigen nimmt der Senat auf seine Entscheidung vom 30.9.2004 Bezug.
III.
[15] Die sofortige weitere Beschwerde ist auch begründet.
[16] 1. Das Beschwerdegericht hat zu Unrecht die beantragte Erstattung einer Terminsgebühr nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 des VV zu § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG verneint. Der Gebührentatbestand wird in den in § 43 Abs. 1 WEG bezeichneten Verfahren auch dann verwirklicht, wenn ausnahmsweise eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergeht. Die Anwendung der Vorschrift ist nach dem Zweck des Gebührentatbestands auch geboten, mit dem der besondere Aufwand des Rechtsanwalts für die Vorbereitung einer nach dem Gesetz grundsätzlich zu verhandelnden Sache abgegolten werden soll, wenn ausnahmsweise ohne eine mündliche Verhandlung entschieden werden kann. Der Senat verweist im Übrigen auf die Ausführungen in dem Beschluss vom 9.3.2006 (V ZB 164/05, BGHReport 2006, 881 = MDR 2006, 1134 (LS) = NJW 2006, 2495 = Rpfleger 2006, 438).
[17] 2. Die angefochtene Entscheidung des Beschwerdegerichts beruht mithin auf einer Rechtsverletzung und ist deshalb aufzuheben. Der Senat hat in der Sache selbst zu entscheiden, da diese zur Endentscheidung reif ist (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG i.V.m. dem entsprechend anzuwendenden § 563 Abs. 3 ZPO; dazu: BayObLGZ 1993, 179, 183).
[18] 3. Die entstandene Terminsgebühr ist daher entsprechend der Kostengrundentscheidung zu 96 % von der Beteiligten zu 2) zu erstatten. Der Kostenfestsetzungsbeschluss des AG ist dahin abzuändern, dass sich die Summe der von der Beteiligten zu 2) zu erstattenden Kosten auf 1.492,03 EUR zzgl. Zinsen erhöht.
IV.
[19] Die Verfahren der Beschwerde und der weiteren Beschwerde sind bei einem Erfolg des Rechtsmittels gerichtsgebührenfrei (§ 131 Abs. 1 KostO). Für eine Anordnung zu einer Erstattung außergerichtlicher Kosten nach § 13a Abs. 1 Satz 1 FGG besteht kein Anlass, weil es nicht der Billigkeit entspräche, abweichend von dem Grundsatz, dass jeder Beteiligte in dem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen hat (Keidel/Zimmermann, FGG, 15. Aufl., § 13a Rz. 21), hier der Beteiligten zu 2) die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1) aufzuerlegen.
[20] Die Festsetzung des Geschäftswerts der sofortigen Beschwerde beruht auf § 131 Abs. 2 i.V.m. § 30 KostO.
Fundstellen