Leitsatz (amtlich)
Die Würdigung des Tatrichters, dass eine Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement, die in einem Betreuungsbüro absolviert wurde, eine erhöhte Vergütung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VBVG in der bis zum 26.7.2019 geltenden Fassung rechtfertigt, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Normenkette
VBVG § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Bayreuth (Beschluss vom 31.10.2019; Aktenzeichen 52 T 168/19) |
AG Bayreuth (Beschluss vom 17.06.2019; Aktenzeichen 3 XVII 182/09) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des LG Bayreuth vom 31.10.2019 wird zurückgewiesen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei.
Wert: 33 EUR
Gründe
I.
Rz. 1
Die Beteiligte zu 1) (im Folgenden: Betreuerin), die mit Beschluss des AG vom 26.3.2018 zur Berufsbetreuerin der Betroffenen bestellt wurde, hatte zunächst eine Ausbildung zur Verkäuferin abgeschlossen. Im Zeitraum vom 1.2.2017 bis 31.1.2019 absolvierte sie eine Umschulung zur Kauffrau für Büromanagement, wobei sie ihre praktische Ausbildung in einem Betreuungsbüro ableistete. Am 1.2.2019 wurde ihr das Zeugnis über die bestandene Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement erteilt. Am 29.3.2019 erhielt sie vom Inhaber ihres Ausbildungsbetriebs ein Umschulungszeugnis.
Rz. 2
Mit Schreiben vom 23.4.2019 hat die Betreuerin beantragt, die Vergütung für ihre Betreuertätigkeit in dem Zeitraum von 28.3.2018 bis 27.3.2019 unter Zugrundelegung eines erhöhten Stundensatzes von 33,50 EUR auf insgesamt 804 EUR festzusetzen.
Rz. 3
Das AG hat die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung der Betreuerin antragsgemäß festgesetzt.
Rz. 4
Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2) (im Folgenden: Staatskasse) hat das LG unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen den amtsgerichtlichen Beschluss teilweise abgeändert und die Vergütung der Betreuerin für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum auf 677,88 EUR festgesetzt. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Staatskasse eine weitere Herabsetzung der Vergütung auf 645 EUR.
II.
Rz. 5
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
Rz. 6
1. Das LG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Betreuerin könne bis zum 31.1.2019 nur einen Stundensatz von 27 EUR verlangen, weil sie die Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement erst zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen habe und für die Höhe der Vergütungsstufe die Qualifikation des Betreuers im Zeitpunkt seiner Leistungserbringung maßgeblich sei.
Rz. 7
Nach Abschluss ihrer Ausbildung stehe der Betreuerin dagegen der erhöhte Vergütungssatz von 33,50 EUR zu. Die Betreuerin habe jedenfalls aufgrund ihrer praktischen Ausbildung in einem Betreuungsbüro betreuungsrechtlich relevante Kenntnisse erworben, die eine Erhöhung des Stundensatzes auf 33,50 EUR rechtfertigten. Zwar seien diese Kenntnisse nicht als selbstständiger oder maßgeblicher Teil der Abschlussprüfung dokumentiert, sondern seien im Rahmen der verkürzten zweijährigen praktischen Ausbildung erworben, wie sich aus dem Umschulungszeugnis ergebe. Die praktische Ausbildung habe aber zeitlich den größten Teil der Gesamtausbildung eingenommen. Unter diesen Voraussetzungen sei es unbillig, wenn allein aufgrund der Tatsache, dass in der Abschlussprüfung die während der Ausbildung erworbenen praktischen Kenntnisse der Betreuerin nicht geprüft wurden, dieser eine höhere Vergütungsstufe versagt werde, obwohl ihre gesamte Ausbildung darauf ausgerichtet gewesen sei, die für eine Betreuungsübernahme erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben.
Rz. 8
2. Dies hält rechtlicher Überprüfung stand.
Rz. 9
a) Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VBVG in der hier maßgeblichen bis zum 26.7.2019 geltenden Fassung (§ 12 VBVG) beträgt der Stundensatz eines Berufsbetreuers 33,50 EUR, wenn der Betreuer über besondere Kenntnisse, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind, verfügt und diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Lehre oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind.
Rz. 10
aa) Besondere und für die Betreuung nutzbare Kenntnisse i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG sind solche, die über das jedermann zu Gebote stehende Wissen hinausgehen und den Betreuer in die Lage versetzen, seine Aufgaben zum Wohl des Betreuten besser und effektiver zu erfüllen (vgl. BGH, Beschl. v. 23.10.2013 - XII ZB 429/13 FamRZ 2014, 116 Rz. 12 m.w.N.).
Rz. 11
bb) Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VBVG rechtfertigen besondere betreuungsrelevante Kenntnisse eines Betreuers einen höheren Stundensatz jedoch nur, wenn sie durch eine abgeschlossene Lehre oder vergleichbare Ausbildung erworben wurden. Davon ist auszugehen, wenn ein erheblicher Teil der Ausbildung auf die Vermittlung solchen Wissens gerichtet ist und dadurch das erworbene betreuungsrelevante Wissen über ein Grundwissen deutlich hinausgeht. Erforderlich ist daher, dass die Ausbildung in ihrem Kernbereich hierauf ausgerichtet ist (BGH v. 25.3.2015 - XII ZB 558/14 - BtPrax 2015, 155 Rz. 4; v. 16.1.2014 - XII ZB 525/13 FamRZ 2014, 471 Rz. 4 m.w.N.). Wissen, das durch Lebenserfahrung, Fortbildungen oder Berufspraxis erworben wurde, führt ebenso wenig zu einer erhöhten Vergütung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG wie betreuungsrelevante Kenntnisse, die gleichsam nur am Rande der Ausbildung vermittelt wurden (vgl. BGH v. 15.7.2015 - XII ZB 123/14, FamRZ 2015, 1794 Rz. 5 m.w.N.; v. 25.3.2015 - XII ZB 558/14 - BtPrax 2015, 155 Rz. 4).
Rz. 12
Bei der Entscheidung über eine erhöhte Vergütung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG muss das Gericht eine konkrete Betrachtung des tatsächlichen Inhalts der Ausbildung vornehmen, insb. den Umfang der für die Betreuung nutzbaren Ausbildungsinhalte bzw. deren Anteil an der Gesamtausbildungszeit feststellen und in die Würdigung einbeziehen, inwieweit diese Kenntnisse selbständiger und maßgeblicher Teil der Abschlussprüfung sind (BGH, Beschl. v. 14.3.2018 - XII ZB 146/17 FamRZ 2018, 956 Rz. 3 m.w.N.). Der Umfang bzw. Anteil der Vermittlung für die Betreuung nutzbarer Kenntnisse muss dabei nicht so genau festgestellt werden, dass ein exakter Prozentanteil angegeben werden kann. Es genügt, wenn aufgrund des erkennbaren zeitlichen Aufwands oder anderer Anhaltspunkte feststeht, dass ein erheblicher Teil der Ausbildungszeit auf die Vermittlung solchen Wissens fällt (vgl. BGH, Beschl. v. 15.7.2015 - XII ZB 123/14, FamRZ 2015, 1794 Rz. 5 m.w.N.). Bei einer Lehre oder einer vergleichbaren Ausbildung i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VBVG kann hierbei auch die praktische Tätigkeit im Ausbildungsbetrieb berücksichtigt werden. Im Gegensatz zu einer Hochschulausbildung wird eine Lehre ganz wesentlich von der praktischen Ausbildung geprägt. Diese nimmt gegenüber der schulischen Ausbildung regelmäßig den größeren zeitlichen Umfang an der Gesamtausbildungszeit ein. Hat ein Betreuer daher im Rahmen eines erheblichen Teils seiner praktischen Ausbildung betreuungsrelevante Kenntnisse erworben, können diese bei der Entscheidung über eine erhöhte Vergütung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG selbst dann mitberücksichtigt werden, wenn diese Kenntnisse nicht selbständiger und maßgeblicher Teil der Abschlussprüfung sind.
Rz. 13
cc) Die Frage, unter welchen Umständen ein Berufsbetreuer im Einzelfall die Voraussetzungen erfüllt, die gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VBVG die Bewilligung einer erhöhten Vergütung rechtfertigen, obliegt einer wertenden Betrachtung des Tatrichters. Dessen Würdigung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob er die maßgebenden Tatsachen vollständig und fehlerfrei festgestellt und gewürdigt, Rechtsbegriffe verkannt oder Erfahrungssätze verletzt und die allgemein anerkannten Maßstäbe berücksichtigt und richtig angewandt hat (BGH, Beschl. v. 23.10.2013 - XII ZB 429/13 FamRZ 2014, 116 Rz. 8 m.w.N.).
Rz. 14
b) Einer solchen Überprüfung hält die tatrichterliche Würdigung des LG stand, wonach die von der Betreuerin abgeschlossene Umschulung zur Kauffrau für Büromanagement aufgrund der im Rahmen ihrer praktischen Berufsausbildung erworbenen Kenntnisse eine Erhöhung des Stundensatzes auf 33,50 EUR rechtfertigt.
Rz. 15
Das LG hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Betreuerin ihre Umschulung zur Kauffrau für Büromanagement in einem Betreuungsbüro absolviert und dort während ihrer praktischen Ausbildung Kenntnisse zu allen Aufgabengebieten, die im Zusammenhang mit einer rechtlichen Betreuung anfallen, erworben hat. Nach den getroffenen Feststellungen fiel auf die praktische Ausbildung der Betreuerin auch der ganz überwiegende Teil der Ausbildungszeit. Sie besuchte während der ersten sechs Monate ihrer Umschulung die Berufsschule nur an eineinhalb Tagen und danach nur noch an einem Tag pro Woche. Die restliche Arbeitszeit der Betreuerin entfiel auf die praktische Tätigkeit in dem Betreuungsbüro, wo sie u.a. mit der Abrechnung von Betreuungen gegenüber der Staatskasse und den Betreuten, der Beantragung von Sozialleistungen und Kostenübernahmen, der schriftlichen und telefonischen Korrespondenz mit Betreuten, Gerichten, Behörden, Versicherungen und Sozialleistungsträgern sowie der Planung und Einrichtung von Hilfesystemen befasst war. Durch diese konkreten Tätigkeiten hat die Betreuerin während eines erheblichen Teils ihrer Ausbildungszeit betreuungsrelevantes Wissen erworben, das über ein Grundwissen deutlich hinausgeht. Dass das LG aufgrund dieses Umstands der Betreuerin für den Zeitraum nach Abschluss ihrer Umschulung einen erhöhten Stundensatz bewilligt hat, ist demnach aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Rz. 16
3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
Fundstellen
Haufe-Index 13725450 |
FamRZ 2020, 787 |
FuR 2020, 306 |
NJW-RR 2020, 513 |
JurBüro 2020, 319 |
BtPrax 2020, 115 |
JZ 2020, 219 |
MDR 2020, 441 |
Rpfleger 2020, 457 |
FF 2020, 174 |
NZFam 2020, 359 |