Leitsatz (amtlich)
§ 41 Abs. 1 Satz 2 FamFG, wonach ein anfechtbarer Beschluss demjenigen zuzustellen ist, dessen erklärtem Willen er nicht entspricht, findet im Betreuungsverfahren nicht nur auf den Betroffenen selbst, sondern auch auf die übrigen beschwerdeberechtigten Beteiligten Anwendung (Fortführung von BGH v. 13.5.2015 - XII ZB 491/14, FamRZ 2015, 1374).
Normenkette
FamFG § 41
Verfahrensgang
LG Frankfurt (Oder) (Beschluss vom 02.12.2015; Aktenzeichen 19 T 337/15) |
AG Fürstenwalde (Spree) (Beschluss vom 27.08.2015; Aktenzeichen 23 XVII 199/15) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 3) wird der Beschluss der 9. Zivilkammer des LG Frankfurt/O. vom 2.12.2015 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das LG zurückverwiesen.
Wert: 5.000 EUR
Gründe
I.
Rz. 1
Der Beteiligte zu 3) wendet sich gegen die Verwerfung seiner Beschwerde.
Rz. 2
Er ist der Sohn der Betroffenen. Das AG hat für diese im Hinblick auf eine zugunsten der Beteiligten zu 2) bestehende Vollmacht eine Kontrollbetreuung eingerichtet. Die Bekanntgabe dieses Beschlusses an den Beteiligten zu 3) ist durch am 2.9.2015 vorgenommene Aufgabe zur Post erfolgt. Er hat am 21.10.2015 beim AG Beschwerde eingelegt, die das LG verworfen hat. Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu 3) mit der Rechtsbeschwerde.
II.
Rz. 3
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das LG.
Rz. 4
1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Beschwerdeberechtigung des Beteiligten zu 3) ergibt sich im Rechtsbeschwerdeverfahren bereits daraus, dass dessen (Erst-)Beschwerde verworfen worden ist (BGH, Beschl. v. 18.4.2012 - XII ZB 624/11, FamRZ 2012, 1131 Rz. 3 m.w.N.).
Rz. 5
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
Rz. 6
a) Das LG hat seine Entscheidung damit begründet, dass die Beschwerde des Beteiligten zu 3) verspätet beim AG eingegangen sei, weshalb das Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen sei. Die Beschwerde sei binnen einer Frist von einem Monat ab Bekanntgabe des Beschlusses einzulegen gewesen. Die Bekanntgabe sei durch Aufgabe zur Post am 2.9.2015 erfolgt. Damit habe der Beschluss spätestens am 7.9.2015 als bekannt gegeben gegolten. Mithin sei die Beschwerdefrist am 7.10.2015 abgelaufen. Das Rechtsmittel sei hingegen erst am 21.10.2015 beim AG eingegangen.
Rz. 7
b) Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Rz. 8
aa) Gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 FamFG ist ein Beschluss den Beteiligten bekannt zu geben. Ein anfechtbarer Beschluss ist demjenigen zuzustellen, dessen erklärtem Willen er nicht entspricht. Das Unterbleiben einer gem. § 41 Abs. 1 Satz 2 FamFG erforderlichen Zustellung führt zur Unwirksamkeit der Bekanntgabe, weshalb nach § 63 Abs. 3 Satz 1 FamFG die Beschwerdefrist nicht zu laufen beginnt (BGH, Beschl. v. 13.5.2015 - XII ZB 491/14, FamRZ 2015, 1374 Rz. 6 f. m.w.N.).
Rz. 9
§ 41 Abs. 1 FamFG setzt nicht voraus, dass der Empfänger selbst Betroffener, also unmittelbarer Adressat der Maßnahme ist. Maßgeblich ist vielmehr, dass er am Verfahren beteiligt wurde, die vom AG getroffene Entscheidung seinem erklärten Willen nicht entspricht und dass er gem. § 303 FamFG ein eigenes Beschwerderecht hat (vgl. Keidel/Meyer-Holz FamFG 19. Aufl., § 41 Rz. 8 f.).
Rz. 10
bb) Gemessen hieran hätte der angefochtene Beschluss des AG dem Beteiligten zu 3) zugestellt werden müssen, um die Beschwerdefrist in Lauf zu setzen. Dass die Einrichtung einer Kontrollbetreuung gegen den erklärten Willen des Beteiligten zu 3) erfolgt ist, ergibt sich - wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt - bereits daraus, dass er sich im amtsgerichtlichen Verfahren unter Hinweis auf die ihm von der Betroffenen erteilte Generalvollmacht gegen die Einrichtung einer Betreuung gewandt hat.
Rz. 11
Von einer etwaigen Heilung der Zustellungsmängel i.S.v. § 15 Abs. 2 Satz 1 FamFG i.V.m. § 189 ZPO (vgl. dazu BGH v. 13.5.2015 - XII ZB 491/14, FamRZ 2015, 1374 Rz. 8) kann hier nicht ausgegangen werden. Es ist weder vom LG festgestellt noch sonst ersichtlich, wann der Beteiligte zu 3) den Beschluss tatsächlich erhalten hat.
Rz. 12
3. Gemäß § 74 Abs. 5 und 6 Satz 2 FamFG ist der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache an das LG zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 10715257 |
FamRZ 2017, 1151 |
FuR 2017, 389 |
FGPrax 2017, 127 |
JurBüro 2017, 445 |
BtPrax 2017, 163 |
JZ 2017, 414 |
MDR 2017, 661 |
FF 2017, 263 |