Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Entscheidung vom 22.09.2022; Aktenzeichen 3 S 81/19) |
AG Wiesbaden (Entscheidung vom 22.07.2019; Aktenzeichen 93 C 5884/13 (77)) |
Tenor
Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit des Antragstellers im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren des Beklagten wird auf bis 9.000 € festgesetzt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Rz. 1
Der Beklagte ist als Mieter einer Wohnung erstinstanzlich von den Klägern zunächst auf Zahlung von 12.720,39 € (nebst Zinsen) in Anspruch genommen worden. Später ist die Klage auf Räumung sowie auf Zahlung von für die Kündigung entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von insgesamt 1.589,84 € (nebst Zinsen) erweitert worden; der ursprüngliche Zahlungsantrag ist nach den vom Landgericht in Bezug genommenen Feststellungen des Amtsgerichts in Höhe von 480,04 € übereinstimmend und im Übrigen einseitig für erledigt erklärt worden. Das Amtsgericht hat festgestellt, dass sich der Rechtsstreit in Höhe von 7.200,05 € (nebst Zinsen) erledigt hat, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung beider Seiten hat das Landgericht unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel den Beklagten zur Räumung sowie Zahlung der Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.589,84 € (nebst Zinsen) verurteilt sowie festgestellt, dass sich der Rechtsstreit in Höhe von 7.824,14 € nebst Zinsen erledigt hat, die weitergehende Klage hat das Landgericht abgewiesen. Den Gegenstandswert für das Berufungsverfahren hat das Landgericht auf 21.054 € festgesetzt.
Rz. 2
Der Beklagte hat den Antragsteller mit seiner Vertretung im Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision beauftragt. Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerdebegründung hat er für den Fall der Revisionszulassung angekündigt, lediglich die Räumungsverurteilung sowie die Verurteilung zur Zahlung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 794,92 € (nebst Zinsen) zu Fall bringen zu wollen.
Rz. 3
Mit Beschluss vom 13. Juni 2023 hat der Senat die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten zurückgewiesen und den Wert des Beschwerdeverfahrens auf bis 7.000 € festgesetzt.
Rz. 4
Der Antragsteller hat beantragt, den Gegenstandswert seiner anwaltlichen Tätigkeit bis zur Vorlage der Rechtsmittelbegründung auf 21.054 € festzusetzen. Er hat hierzu ausgeführt, dass sich das ihm übertragene Mandat auf die vollumfängliche Prüfung der Verteidigungsmöglichkeiten des Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts bezogen habe und dementsprechend die Rechtsmitteleinlegung uneingeschränkt erfolgt sei. Der hierzu angehörte Beklagte hat dies nicht in Abrede genommen.
II.
Rz. 5
Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit des Antragstellers für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren des Beklagten ist auf bis 9.000 € festzusetzen.
Rz. 6
1. Gemäß § 33 Abs. 1 RVG setzt das Gericht des Rechtszugs den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf Antrag durch Beschluss selbständig fest, wenn sich die Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert berechnen. Diese Voraus-setzungen sind vorliegend gegeben, weil der Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens und der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit des Antragstellers im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht übereinstimmen.
Rz. 7
a) Der für die Gerichtskosten maßgebende gerichtliche Streitwert im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist gemäß § 47 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1 GKG der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert. Er bestimmt sich nach dem Antrag des Rechtsmittelführers, also danach, inwiefern der Rechtsmittelführer für den Fall der Zulassung des Rechtsmittels eine Abänderung der Entscheidung begehrt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 6. November 2019 - VIII ZR 325/18, juris Rn. 6; vom 19. Oktober 2021 - VIII ZR 160/20, juris Rn. 7; vom 26. April 2023 - VIII ZR 136/22, juris Rn. 7).
Rz. 8
Der Beklagte hat mit der Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde zum Ausdruck gebracht, dass er für den Fall der Revisionszulassung die Entscheidung des Berufungsgerichts allein insoweit zur Überprüfung stellen will, als er hierdurch zur Räumung der Wohnung und zur Zahlung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 794,92 € (nebst Zinsen) verurteilt worden ist. Den Wert des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens hat der Senat - unter Zugrundelegung einer monatlichen Nettokaltmiete von 562 € - dementsprechend auf bis 7.000 € festgesetzt.
Rz. 9
b) Für den Gebührenanspruch des Rechtsanwalts bestimmt sich der Gegenstandswert im gerichtlichen Verfahren gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG grundsätzlich nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften. Wird der für die Gerichtsgebühren maßgebende Wert gerichtlich festgesetzt, ist nach § 32 Abs. 1 RVG die Festsetzung auch für die Gebühren des Rechtsanwalts maßgebend. Dies gilt allerdings nur, wenn der Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens mit dem der anwaltlichen Tätigkeit identisch ist (BGH, Urteil vom 14. Dezember 2017 - IX ZR 243/16, NJW-RR 2018, 700 Rn. 21 f.; Beschluss vom 30. Oktober 2019 - V ZR 299/14, juris Rn. 3; jeweils mwN). Fehlt es daran, etwa weil der Wert der bei der Einlegung des Rechtsmittels entfalteten anwaltlichen Tätigkeit höher als der Wert des später durchgeführten Rechtsmittelverfahrens liegt, ist der Rechtsanwalt nicht gehindert, für seine auf einem umfassenderen Auftrag beruhende Tätigkeit entsprechende Gebühren gegenüber seinem Mandanten geltend zu machen (BGH, Urteil vom 14. Dezember 2017 - IX ZR 243/16, aaO Rn. 22; Beschlüsse vom 30. Oktober 2019 - VI ZR 299/14, aaO Rn. 5; vom 19. Oktober 2021 - VIII ZR 160/20, juris Rn. 9; vom 26. April 2023 - VIII ZR 136/22, juris Rn. 9).
Rz. 10
Vorliegend weicht der anwaltliche Gegenstandswert von dem gerichtlichen Streitwert ab. Er richtet sich nach dem Wert, der die Grundlage für den Auftrag des Beklagten zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde bildete (BGH, Urteil vom 14. Dezember 2017 - IX ZR 243/16, aaO Rn. 29; Beschlüsse vom 9. Oktober 2018 - VII ZR 228/16, juris Rn. 4; vom 19. Oktober 2019 - VIII ZR 160/20, aaO Rn. 10; vom 26. April 2023 - VIII ZR 136/22, aaO Rn. 10). Da sich das von dem Beklagten übertragene Mandat nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Antragstellers auf die vollumfängliche Prüfung der Verteidigungsmöglichkeiten des Beklagten gegen das Berufungsurteil bezogen hat und dem Antragsteller somit ein Rechtsmittelauftrag unbeschränkt erteilt worden war, bemisst sich der Wert seiner anwaltlichen Tätigkeit nach dem Streitwert bei Zugrundelegung der sich aus der Entscheidung des Berufungsgerichts insgesamt ergebenden Beschwer der Beklagten (vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 2017 - IX ZR 243/16, aaO; Senatsbeschluss vom 6. November 2019 - VIII ZR 325/18, juris Rn. 7 f.).
Rz. 11
Dieser Wert beträgt allerdings (trotz der entsprechenden Festsetzung durch das Berufungsgericht für das Berufungsverfahren) nicht 21.054 €. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass die für die Kündigung entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.589,84 € gemäß § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO nicht streitwerterhöhend sind. Hinzu kommt, dass sich im Fall einer einseitigen Teilerledigung der Klägerseite der Wert des Antrags auf Feststellung der teilweisen Erledigung der Hauptsache nach den Kosten richtet, die auf den erledigten Teil des Rechtsstreits entfallen. Diese sind im Wege einer Differenzrechnung zu ermitteln. Dabei sind von den Gesamtkosten die Kosten abzuziehen, die entstanden wären, wenn der Prozess von Anfang an ohne den für erledigt erklärten Teil geführt worden wäre (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. Juni 2015 - XI ZR 323/14, juris; vom 2. Februar 2016 - XI ZR 136/15, juris Rn. 3; vom 27. September 2017 - VIII ZR 100/17, juris Rn. 2; vom 31. März 2020 - XI ZR 577/18, juris Rn. 4; vom 12. Januar 2021 - XI ZR 589/19, juris Rn. 5). Ferner ist der Differenzbetrag vorliegend lediglich anteilig zu berücksichtigen, weil das Berufungsgericht dem Antrag auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache lediglich in Höhe von 7.824,14 € stattgegeben hat, der Beklagte also im Übrigen bereits in der Berufungsinstanz obsiegt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 31. März 2020 - XI ZR 577/18, aaO).
Rz. 12
Im Rahmen der Differenzberechnung kann mangels Ergebnisrelevanz offenbleiben, ob sich der hypothetische Streitwert unter Einbeziehung der übereinstimmend für erledigt erklärten Teilforderung von 480,04 € (dann: 7.224,04 €) oder allein nach dem Räumungsbegehren (dann: 6.744 €) richtet. Ersterenfalls betrüge die Differenz nur rund 2.230 €, letzterenfalls rund 2.608 €. Die sich aus der anteiligen Differenz in Addition mit dem Wert der Räumung (6.744 €) ergebende Summe liegt in beiden Fällen über 8.000 € und unter 9.000 € und damit in der Gebührenstufe bis 9.000 €.
Rz. 13
2. Über den Antrag auf Festsetzung entscheidet nach dem Inkrafttreten von § 1 Abs. 3 RVG auch beim Bundesgerichtshof gemäß § 33 Abs. 8 Satz 1 Halbs. 1 RVG der Einzelrichter (BGH - Großer Senat für Zivilsachen, Beschluss vom 9. August 2021 - GSZ 1/20, juris Rn. 8).
III.
Rz. 14
Die Nebenentscheidungen folgen aus § 33 Abs. 9 RVG.
Dr. Böhm
Fundstellen
Dokument-Index HI15984041 |