Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung der Kosten des Umgangsrechts bei Berechnung des pfändungsfreien Einkommens
Leitsatz (redaktionell)
Besuchsfahrten des Unterhaltsschuldners zur Ausübung des Umgangsrechts mit einem seiner Kinder können bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Einkommens nicht entsprechend der gesetzlichen Regeln für notwendige Fahrten zur Arbeitsstätte behandelt werden. Der Schuldner muß sich insoweit auf die Möglichkeit, seine besonderen Bedürfnisse durch Leistungen der Sozialhilfe ab zu decken, verweisen lassen.
Normenkette
ZPO § 850f Abs. 1 Buchst. b
Verfahrensgang
LG Dortmund (Beschluss vom 10.10.2003) |
Tenor
Der Antrag des Schuldners auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des LG Dortmund v. 10.10.2003 wird abgelehnt.
Gründe
Prozesskostenhilfe kann dem Schuldner unabhängig von seiner nicht lückenlos dargelegten Bedürftigkeit nicht gewährt werden, weil seine Rechtsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 114 ZPO).
1. Es ist schon zweifelhaft, ob Prozesskostenhilfe für eine Revision oder Rechtsbeschwerde gewährt werden muss, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt (bejahend BGH, Beschl. v. 26.6.2003 - III ZR 91/03, MDR 2003, 1369 = BGHReport 2003, 1030 = WM 2003, 2251; krit. Bungeroth, ZIP 2003, 2280). Jedenfalls hindert die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das LG den Senat an einer abweichenden und hier zutreffenden Beurteilung der Schwierigkeit und Grundsätzlichkeit nicht (vgl. BGH, Beschl. v. 11.9.2002 - VIII ZR 235/02, MDR 2003, 109 = BGHReport 2003, 100 = NJW-RR 2003, 130 [131]).
2. Das LG hat dem Schuldner für zweimalige Hin- und Rückfahrten im Monat zum Wohnort seines nichtehelichen Kindes einen weiteren pfändbaren Teil i. H. v. 130 Euro seines gem. § 850e ZPO zusammengerechneten Einkommens aus Arbeitslosenhilfe und Erwerbsminderungsrente belassen. Der Schuldner hält diesen Betrag gem. § 850 f Abs. 1 Buchst. b) ZPO für ungenügend. Damit kann er nicht durchdringen.
Zwar ist der landgerichtliche Beschluss deshalb rechtsfehlerhaft, weil die Besuchsfahrten des Unterhaltsschuldners zur Ausübung des Umgangsrechts mit einem seiner Kinder nicht entsprechend den gesetzlichen Regelungen für die notwendigen Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (§ 76 Abs. 2 Nr. 4 BSHG, § 3 Abs. 4 Nr. 2, Abs. 6 Nr. 2 Buchst. b DV zu § 76 BSHG) behandelt werden dürfen. Es fehlt insoweit an einer Lücke im Gesetz.
Die Rechtsbeschwerde wäre aber nach § 577 Abs. 3 ZPO zurückzuweisen. Sozialhilferechtlich hat der umgangsberechtigte Elternteil für die aufgewendeten Fahrtkosten grundsätzlich Anspruch auf einmalige Leistungen nach § 21 Abs. 1a BSHG oder besondere Leistungen nach § 22 Abs. 1 S. 2 BSHG (vgl. BVerwG FEVS Bd. 46, 89 [93]; siehe außerdem BVerfG v. 25.10.1994 - 1 BvR 1197/93, NJW 1995, 1342; zur Neuregelung nach Ablauf des 31.12.2004 siehe das Dritte Kapitel SGB XII, eingeführt durch Art. 1 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch v. 27.12.2003, BGBl. I, 3022). Es ist nicht erkennbar, dass der Schuldner einen solchen Sozialhilfeanspruch geltend gemacht hat, der ihm nach § 54 Abs. 2 SGB I oder nach § 850 f Abs. 1 Buchst. b) ZPO auf Antrag pfändungsfrei zu verbleiben hätte. Auf die Deckung seiner besonderen Bedürfnisse i. S. d. § 850 f Abs. 1 Buchst. b) ZPO durch Leistungen der Sozialhilfe muss sich der Schuldner im Vollstreckungsverhältnis aber verweisen lassen, wenn überwiegende Belange der Gläubiger insoweit einer Belassung der nach den §§ 850c, 850d und 850i ZPO pfändbaren Teile des Arbeits- oder Arbeitsersatzeinkommens entgegenstehen. So liegt es auch hier. Denn unter den gegebenen Umständen hätte eine Anhebung der Pfändungsfreigrenze wegen der Umgangskosten des Schuldners mit seinem nichtehelichen Sohn zur Folge, dass die Befriedigung des Unterhalts seiner beiden ehelichen Kinder zurückstehen würde. Dies wäre durch nichts gerechtfertigt. Das Beschwerdegericht hat sich - möglicherweise infolge des fehlerhaft gesetzten Normtextes in dem verbreiteten Kommentar zur Zivilprozessordnung von Thomas/Putzo - mit den Belangen der Gläubiger hier gar nicht befasst.
3. Soweit die Rechtsbeschwerde einen erhöhten Freibetrag auch wegen des Beköstigungs- und Unterbringungsaufwandes für den nichtehelichen Sohn des Schuldners während der Besuchstage erstrebt, können diese Leistungen möglicherweise als Naturalunterhalt gegenüber dem Kind gewertet werden und würden so gesehen nach § 850d Abs. 1 S. 2, Abs. 2 ZPO im Gleichrang mit dem vollstreckten Kindesunterhalt stehen. Aus diesem Grund kommt jedoch eine Erhöhung des vom LG festgesetzten Freibetrages nicht in Betracht, weil hierin 130 Euro zu Unrecht berücksichtigte Fahrtkosten enthalten sind. Diesen Betrag übersteigende Leistungen des Schuldners an das nichteheliche Kind sind nicht dargetan.
Fundstellen
Haufe-Index 1121196 |
BGHR 2004, 853 |
FamRZ 2004, 873 |
FPR 2004, 403 |
JAmt 2004, 607 |