Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang der gerichtlichen Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist. Objektiver Inhalt. Antragsgemäße Verlängerung. Einwilligung des Prozessgegners. Fristberechnung
Leitsatz (amtlich)
Maßgeblich für den Umfang der gerichtlichen Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist, auf den sich eine Partei grundsätzlich verlassen kann, ist der objektive Inhalt (Fortführung von BGH, Beschl. v. 21.1.1999 - V ZB 31/98, NJW 1999, 1036).
Mit einer "antragsgemäßen" Verlängerung macht das Berufungsgericht den Fristverlängerungsantrag zum Inhalt der Fristverlängerung selbst, auch wenn die Frist im Antrag fehlerhaft berechnet ist. Dabei ist es unerheblich, ob die erforderliche Einwilligung des Gegners nach § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO für eine Fristverlängerung in der beantragten Weise vorgelegen hat, denn auch ohne sie ist eine bewilligte Fristverlängerung wirksam (Anschluss an BGHZ 161, 86, 89).
Normenkette
ZPO § 520 Abs. 2
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 12.11.2007; Aktenzeichen 34 S 20173/06) |
AG München (Entscheidung vom 27.09.2006; Aktenzeichen 233 C 26849/05) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss der 34. Zivilkammer des LG München I vom 12.11.2007 - 34 S 20173/06 - aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 4.305,19 EUR festgesetzt.
Gründe
[1] Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, ZPO statthafte Rechtsbeschwerde der Klägerin ist zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO erfüllt sind. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts, weil der angegriffene Beschluss den Anspruch der Klägerin auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) verletzt. Die Berufungsbegründungsfrist ist im Gegensatz zur Auffassung des LG aufgrund dessen Fristverlängerung durch Verfügung des Kammervorsitzenden vom 13.12.2006 bis zum 13.1.2007 verlängert und mit der beim Berufungsgericht am 15.1.2007 (Montag) eingegangenen Begründungsschrift gewahrt worden (§ 222 Abs. 2 ZPO).
[2] Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat fristgerecht die Verlängerung "der am 13.12.2006 endenden Berufungsbegründungsfrist um ... einen Monat" beantragt. Mit Verfügung des Kammervorsitzenden ist "die Frist ... antragsgemäß" und damit berechnet ab dem 13.12.2006 um einen Monat verlängert worden, denn maßgeblich für den Umfang der gerichtlichen Fristverlängerung, auf den sich eine Partei grundsätzlich verlassen kann, ist deren objektiver Inhalt (vgl. BGH, Beschl. v. 21.1.1999 - V ZB 31/98, NJW 1999, 1036; HK-ZPO/Wöstmann, ZPO, 2. Aufl., § 520 Rz. 13). Mit der "antragsgemäßen" Verlängerung hat das Berufungsgericht den Antrag der Klägerin zum Inhalt der Fristverlängerung selbst gemacht. Dieser enthielt seinem objektiven Inhalt nach eine Fristverlängerung von einem Monat berechnet ab dem 13.12.2006, auch wenn das angegebene Fristende fehlerhaft berechnet worden und das ursprüngliche Ende der 12.12.2006 gewesen war.
[3] Nicht frei von Rechtsfehlern ist die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe nicht auf den objektiven Inhalt der Fristverlängerung vertraut, weil sie erkannt gehabt habe, dass tatsächlich nur eine Fristverlängerung bis einschließlich den 12.1.2007 hätte gewährt werden sollen. Die hierzu getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts sind nicht tragfähig. Der Umstand, dass die Berufungsbegründung während der laufenden Frist gefertigt worden ist, bedeutet nicht, dass damit die Erkenntnis dokumentiert ist, dass der Schriftsatz auch am Tag der Erstellung hätte abgesandt werden müssen.
[4] Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist es auch unerheblich, ob die erforderliche Einwilligung des Gegners (§ 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO) für eine Fristverlängerung in der beantragten Weise vorgelegen hat, denn auch ohne sie ist eine bewilligte Fristverlängerung wirksam (vgl. BGHZ 161, 86, 89 m.w.N.).
[5] Da die Berufungsbegründung bereits rechtzeitig eingegangen ist, kommt es auf die Frage der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht mehr an.
Fundstellen
HFR 2008, 1295 |
BGHR 2008, 810 |
EBE/BGH 2008 |
FamRZ 2008, 1349 |
NJW-RR 2008, 1162 |
ZAP 2008, 1020 |
MDR 2008, 813 |
VersR 2009, 1245 |
Mitt. 2008, 286 |
Rafa-Z 2008, 10 |