Entscheidungsstichwort (Thema)
Riptide II
Leitsatz (amtlich)
1. Die Regelung des § 97a Abs. 3 Satz 2 bis 4 UrhG, nach der für die Geltendmachung von Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen in einer Abmahnung unter den in § 97a Abs. 3 Satz 2 UrhG genannten Voraussetzungen nur Ersatz der erforderlichen Aufwendungen hinsichtlich der gesetzlichen Rechtsanwaltsgebühren nach einem Gegenstandswert von 1.000 Euro verlangt werden kann, wenn der genannte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalles nicht unbillig ist, steht mit dem Unionsrecht - insbesondere mit Art. 14 der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums - im Einklang (Anschluss an EuGH, Urteil vom 28. April 2022 - C-559/20, GRUR 2022, 849 = WRP 2022, 708 - Koch Media).
2. Die Billigkeitsklausel des § 97a Abs. 3 Satz 4 UrhG bedarf dahingehend der unionsrechtskonformen Auslegung, dass die darüber hinaus zu berücksichtigenden ("besonderen") Umstände des Einzelfalls die bereits nach § 97a Abs. 3 Satz 2 UrhG tatbestandlich zu berücksichtigenden Merkmale in der Gesamtbetrachtung überwiegen müssen, um von der Begrenzung des Gegenstandswerts absehen zu können.
3. Die so auszulegende Regelung des § 97a Abs. 3 Satz 2 bis 4 UrhG ist entsprechend auf den Schadensersatzanspruch des Rechtsinhabers nach § 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG, § 249 Abs. 1 BGB anzuwenden, der die Kosten der Abmahnung des nicht mit dem Rechtsverletzer identischen Internetanschlussinhabers umfasst (Fortführung von BGH, Urteil vom 22. März 2018 - I ZR 265/16, GRUR 2018, 914 [juris Rn. 15 bis 27] = WRP 2018, 1087 - Riptide I). Auch dies ist unionsrechtskonform.
Normenkette
UrhG § 97 Abs. 2 S. 1, § 97a Abs. 3 Sätze 2-4; BGB § 249 Abs. 1; EGRL 48/2004 Art. 14
Verfahrensgang
OLG Zweibrücken (Entscheidung vom 22.05.2020; Aktenzeichen 4 U 237/19) |
LG Frankenthal (Pfalz) (Entscheidung vom 17.09.2019; Aktenzeichen 6 O 54/19) |
Nachgehend
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 22. Mai 2020 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin nimmt den im Tatzeitraum 13-jährigen Beklagten wegen einer Urheberrechtsverletzung auf Schadensersatz in Anspruch. Sie hat die ausschließlichen Nutzungsrechte an dem Computerspiel "Dead Island - Riptide" inne und macht geltend, der Beklagte habe im Zeitraum vom 4. Februar 2014 bis zum 16. Februar 2014 zu insgesamt 26 im Einzelnen benannten Zeitpunkten unerlaubt Dateien mit diesem Computerspiel oder Teilen davon in einer Tauschbörse ("Peer-to-Peer-Network") über den Internetanschluss seiner Mutter (nachfolgend: Anschlussinhaberin) öffentlich zum Herunterladen angeboten.
Rz. 2
Nach Abmahnung der Anschlussinhaberin unter Fristsetzung bis 5. Mai 2014 nahm die Klägerin zunächst diese vor dem Amtsgericht auf Erstattung der Kosten der Abmahnung von 984,60 € - errechnet aus einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr nach einem Gegenstandswert von 20.000 € zuzüglich Auslagenpauschale - und Zahlung eines Teilschadensersatzes für das unerlaubte öffentliche Zugänglichmachen des Computerspiels von 900 € in Anspruch. In der Klageerwiderung benannte die Anschlussinhaberin ihren Sohn, den Beklagten, als Täter der Urheberrechtsverletzung. Daraufhin hat die Klägerin ihre Klage auf den Beklagten erweitert und diesen zusätzlich auf Unterlassung in Anspruch genommen. Das Amtsgericht hat das gegen den Beklagten gerichtete Verfahren abgetrennt und an das Landgericht verwiesen. Die Klägerin hat ihren Unterlassungsantrag mit Blick auf eine zwischenzeitlich vom Beklagten abgegebene strafbewehrte Unterlassungserklärung zurückgenommen.
Rz. 3
Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 184 € nebst Zinsen seit dem 9. Februar 2019 als Gesamtschuldner mit der gesondert verklagten Anschlussinhaberin verurteilt und die weitergehende Klage abgewiesen. Hiervon entfallen 124 € - errechnet aus einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr nach einem Gegenstandswert von 1.000 € zuzüglich Auslagenpauschale - auf Schadensersatz für die gegen die Anschlussinhaberin gerichtete Abmahnung. Das Berufungsgericht hat den für die Urheberrechtsverletzung zu zahlenden Schadensersatz von 60 € auf 900 € erhöht. Im Übrigen ist die Berufung der Klägerin ohne Erfolg geblieben.
Rz. 4
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihren Antrag auf Zahlung weiterer 860,60 € für die gegen die Anschlussinhaberin gerichtete Abmahnung nebst Zinsen hieraus seit 6. Mai 2014 weiter.
Rz. 5
Der Senat hat mit Beschluss vom 21. Januar 2021 das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 148 Abs. 1 ZPO bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union im Verfahren C-559/20 ausgesetzt. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat durch Urteil vom 28. April 2022 entschieden (GRUR 2022, 849 = WRP 2022, 708 - Koch Media).
Entscheidungsgründe
Rz. 6
A. Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren relevant - ausgeführt, aufgrund der eingestandenen Rechtsverletzung sei der Beklagte gegenüber der Klägerin nach § 97 Abs. 2 UrhG zum Schadensersatz verpflichtet. Die Abmahnkosten seien nach § 97a Abs. 3 UrhG in der ab dem 9. Oktober 2013 geltenden Fassung zu deckeln. Diese Vorschrift sei auch auf die hier interessierende Konstellation der Inanspruchnahme des Verletzers nach § 97 Abs. 2 UrhG für die Kosten der Abmahnung des personenverschiedenen Anschlussinhabers anwendbar, weil andernfalls die gesetzgeberische Wertung unterlaufen würde. Mit Blick auf die hohe Popularität des Computerspiels sei der von der Klägerin angenommene Gegenstandswert von 20.000 € zwar angemessen. Der Gegenstandswert der vorgerichtlichen Abmahnung sei aber nach § 97a Abs. 3 Satz 2 UrhG auf 1.000 € begrenzt. Die Ausnahme des § 97a Abs. 3 Satz 4 UrhG greife nicht ein. Die Annahme einer Unbilligkeit im Sinne dieser Vorschrift müsse auf absolute Ausnahmefälle beschränkt bleiben, um die Privilegierung nicht leerlaufen zu lassen. Es bedürfe einer besonderen Häufigkeit oder eines qualifizierten Verstoßes, der zum Beispiel dann vorliegen könne, wenn das Werk vor oder unmittelbar im Zusammenhang mit seinem Erscheinen öffentlich zugänglich gemacht werde. Ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang bestehe angesichts der Erstveröffentlichung des Computerspiels im April 2013, mithin ein Jahr vor den Tatzeitpunkten, nicht. Von einer besonderen Häufigkeit sei bei den in Rede stehenden 26 Verletzungshandlungen noch nicht auszugehen, denn sie konzentrierten sich auf einen Zeitraum von weniger als zwei Wochen. Auch unionsrechtliche Gesichtspunkte, insbesondere Art. 14 der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, geböten keine andere Auslegung der genannten Vorschriften.
Rz. 7
B. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass der aus § 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG folgende Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten für die Kosten der Abmahnung seiner Mutter als Anschlussinhaberin wegen der entsprechend § 97a Abs. 3 Satz 2 bis 4 UrhG vorzunehmenden Beschränkung des Gegenstandswerts 124 € beträgt.
Rz. 8
I. Nach § 97 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 1 UrhG ist, wer das Urheberrecht oder ein anderes nach dem Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht widerrechtlich sowie vorsätzlich oder fahrlässig verletzt, dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Im Streitfall hat der Beklagte durch das Anbieten des Computerspiels "Dead Island - Riptide" in einer Internettauschbörse in das ausschließliche Nutzungsrecht der Klägerin an dem nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, § 69a Abs. 3 UrhG urheberrechtlich geschützten Computerspiel eingegriffen, das das Recht auf dessen öffentliche Zugänglichmachung nach §§ 19a, 69c Nr. 4 UrhG einschließt. Die Feststellung des Berufungsgerichts, dass der Beklagte diese Rechtsverletzung eingestanden hat, zieht die Revision als für sie günstig nicht in Zweifel; sie lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen.
Rz. 9
II. Mit Recht hat das Berufungsgericht die Kosten, die der Klägerin für die Abmahnung der Anschlussinhaberin entstanden sind, als einen vom Beklagten grundsätzlich nach § 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG, § 249 Abs. 1 BGB zu ersetzenden Schaden angesehen.
Rz. 10
1. Spricht der Rechtsinhaber im Falle der öffentlichen Zugänglichmachung eines urheberrechtlich geschützten Werks über eine Internettauschbörse gegenüber dem für die Rechtsverletzung nicht verantwortlichen Anschlussinhaber eine Abmahnung aus, der daraufhin den Rechtsverletzer benennt, so umfasst der vom Rechtsverletzer zu leistende Schadensersatz die Kosten dieser Abmahnung. Es handelt sich hierbei um Aufwendungen, die adäquat kausal durch die Rechtsverletzung verursacht werden und aus Sicht des Rechtsinhabers zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig sind. Das folgt daraus, dass die gegenüber dem Anschlussinhaber ausgesprochene Abmahnung in Fällen, in denen dieser für die Rechtsverletzung nicht verantwortlich ist, das gebotene Mittel der Sachverhaltsaufklärung darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 22. März 2018 - I ZR 265/16, GRUR 2018, 914 [juris Rn. 15 bis 27] = WRP 2018, 1087 - Riptide I).
Rz. 11
2. Der Streitfall erfordert keine Entscheidung der im Schrifttum umstrittenen Frage, ob die Kosten einer berechtigten Abmahnung des Rechtsverletzers generell als ersatzfähiger Schaden anzusehen sind. Der Bundesgerichtshof hat diese Frage bislang nur für die Kosten der Abmahnung gegenüber dem mit dem Rechtsverletzer nicht identischen Anschlussinhaber geklärt und im Übrigen offengelassen (vgl. BGH, GRUR 2018, 914 [juris Rn. 26 f.] = WRP 2018, 1087 - Riptide I; bejahend Kefferpütz in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 6. Aufl., § 97a UrhG Rn. 61 bis 65; Specht in Dreier/Schulze, UrhG, 7. Aufl., § 97a Rn. 20; Teplitzky/Bacher, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 12. Aufl., Kap. 41 Rn. 82; Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl., § 13 Rn. 107 bis 109; Niebel in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 3. Aufl., § 97a UrhG Rn. 14; verneinend Ahrens/Scharen, Der Wettbewerbsprozess, 9. Aufl., Kap. 10 Rn. 13; Hewicker/Marquardt/Neurauter, NJW 2014, 2753, 2753 f.). Auch im Streitfall macht die Klägerin gegen den Beklagten nicht die Kosten der an ihn als Rechtsverletzer, sondern der an die Anschlussinhaberin gerichteten Abmahnung als Schadensersatz geltend.
Rz. 12
III. Ohne Erfolg greift die Revision an, dass das Berufungsgericht den Schadensersatzanspruch der Klägerin für die Kosten der Abmahnung der Anschlussinhaberin in entsprechender Anwendung des § 97a Abs. 3 Satz 2 bis 4 UrhG auf 124 € begrenzt hat.
Rz. 13
1. Nach § 97a Abs. 3 Satz 1 UrhG kann der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen für eine Abmahnung verlangt werden, soweit die Abmahnung berechtigt ist und § 97a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 UrhG entspricht. Die Abmahnung hat nach § 97a Abs. 2 Satz 1 UrhG in klarer und verständlicher Weise (Nr. 1) Name oder Firma des Verletzten anzugeben, wenn der Verletzte nicht selbst, sondern ein Vertreter abmahnt; (Nr. 2) die Rechtsverletzung genau zu bezeichnen; (Nr. 3) geltend gemachte Zahlungsansprüche als Schadensersatz- und Aufwendungsersatzansprüche aufzuschlüsseln und (Nr. 4), wenn darin eine Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtung enthalten ist, anzugeben, ob die vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung erheblich über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht.
Rz. 14
Nach § 97a Abs. 3 Satz 2 UrhG beschränkt sich der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen für die Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistungen hinsichtlich der gesetzlichen Gebühren auf Gebühren nach einem Gegenstandswert für den Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch von 1.000 €, wenn der Abgemahnte (Nr. 1) eine natürliche Person ist, die nach diesem Gesetz geschützte Werke oder andere nach diesem Gesetz geschützte Schutzgegenstände nicht für ihre gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit verwendet, und (Nr. 2) nicht bereits wegen eines Anspruchs des Abmahnenden durch Vertrag, auf Grund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung oder einer einstweiligen Verfügung zur Unterlassung verpflichtet ist. Der genannte Wert ist gemäß § 97a Abs. 3 Satz 3 UrhG auch dann maßgeblich, wenn ein Unterlassungs- und ein Beseitigungsanspruch nebeneinander geltend gemacht werden. Nach § 97a Abs. 3 Satz 4 UrhG gilt dies nicht, wenn der genannte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig ist.
Rz. 15
2. Die durch das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken vom 1. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3714) geänderte Vorschrift des § 97a UrhG gilt seit dem 9. Oktober 2013. Sie ist im Streitfall zeitlich anwendbar, weil es für den Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten auf die Rechtslage zum Zeitpunkt des Zugangs der Abmahnung - hier 2014 - ankommt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, GRUR 2018, 914 [juris Rn. 28] - Riptide I, mwN; zum Wettbewerbsrecht vgl. auch BGH, Urteil vom 7. April 2022 - I ZR 143/19, GRUR 2022, 930 [juris Rn. 54] = WRP 2022, 847 - Knuspermüsli II). Die später durch das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs vom 26. November 2020 (BGBl. I S. 2568) mit Wirkung zum 2. Dezember 2020 vorgenommenen Änderungen des § 97a UrhG wären auch in inhaltlicher Hinsicht für die Entscheidung des Streitfalls ohne Bedeutung.
Rz. 16
3. Der Schadensersatzanspruch des Rechtsinhabers gegen den Rechtsverletzer nach § 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG reicht mit Blick auf die Kosten der Abmahnung jedenfalls nicht weiter als der Aufwendungsersatzanspruch nach § 97a Abs. 3 Satz 1 UrhG gegen den Anschlussinhaber. Die Voraussetzungen des § 97a Abs. 3 UrhG müssen daher auch dann erfüllt sein, wenn der Rechtsinhaber vom Rechtsverletzer die Kosten für die Abmahnung des mit diesem nicht identischen Anschlussinhabers als Schadensersatz verlangt. Insbesondere die in § 97a Abs. 3 Satz 2 bis 4 UrhG enthaltenen Vorschriften zu den erstattungsfähigen Rechtsanwaltsgebühren sind entsprechend anwendbar. Dies steht mit dem Unionsrecht im Einklang.
Rz. 17
a) Die Regelung des § 97a Abs. 3 Satz 2 bis 4 UrhG betrifft nur den außergerichtlichen Bereich und erstreckt sich nicht auf die Kostenerstattung im gerichtlichen Verfahren (vgl. Bericht des Rechtsausschusses zum Entwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken, BT-Drucks. 17/14216, S. 7; anders noch Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/13057, S. 8 und 29 f.). Sie lässt den Gebührenanspruch des Rechtsanwalts gegenüber dem auftraggebenden Rechtsinhaber unberührt und begrenzt nur dessen Erstattungsanspruch gegenüber dem Abgemahnten. Dies kann dazu führen, dass der Rechtsinhaber einen Teil seiner Abmahnkosten selbst tragen muss (vgl. LG Stuttgart, GRUR-RR 2019, 99 [juris Rn. 48 f.]; Niebel in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO § 97a UrhG Rn. 15; BeckOK.Urheberrecht/Reber, 35. Edition [Stand 15. Januar 2022], § 97a UrhG Rn. 27; Specht in Dreier/Schulze aaO § 97a Rn. 19; Eichelberger in Eichelberger/Wirth/Seifert, UrhG, 4. Aufl., § 97a Rn. 11; Backes, Der Streit- und Gegenstandswert bei Unterlassungsansprüchen im Urheberrecht, 2018, S. 220; Weber/Bockslaff, IPRB 2014, 20, 22; Kiersch, ZUM 2018, 667, 668).
Rz. 18
Die erstmals in § 49 Abs. 1 Nr. 1 und 2 GKG-E des Regierungsentwurfs eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken enthaltenen Tatbestandsmerkmale wurden unverändert in § 97a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 2 UrhG übernommen. Sie sollen aufgrund ihrer klaren Bestimmbarkeit die Probleme vermeiden, die sich aus § 97a Abs. 2 UrhG aF ("einfach gelagerter Fall" und "unerhebliche Rechtsverletzung") ergeben hätten. In der Konstellation, in der der Rechtsinhaber gegen eine Privatperson vorgehe, die ihm gegenüber noch nicht bereits wegen eines urheberrechtlichen Anspruchs zur Unterlassung verpflichtet sei, könne davon ausgegangen werden, dass aus der Perspektive des Rechtsverletzers der für sich selbst erstrebte wirtschaftliche Vorteil eher gering erscheine. Jedenfalls dann, wenn der Rechtsverletzer umgehend eine Unterlassungserklärung abgebe, stelle sich auch für den Rechtsinhaber die Verletzung als weniger gravierend dar als bei wiederholten Verletzungen. Zu den im Rahmen der Billigkeitsprüfung zu berücksichtigenden besonderen Umständen des Einzelfalls könne auch eine im Einzelfall in relevantem Ausmaß vom üblichen Maß abweichende Anzahl oder Schwere der Rechtsverletzung gehören (vgl. BT-Drucks. 17/13057, S. 29; zum angemessenen Gegenstandswert von nicht unter 15.000 € bei der öffentlichen Zugänglichmachung eines Computerspiels vgl. BGH, Urteil vom 30. März 2017 - I ZR 124/16, ZUM-RD 2018, 68 [juris Rn. 35]).
Rz. 19
b) Die Regelung des § 97a Abs. 3 Satz 2 bis 4 UrhG ist entsprechend auf den Schadensersatzanspruch des Rechtsinhabers gegen den Rechtsverletzer nach § 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG wegen der Kosten der Abmahnung des mit diesem nicht identischen Anschlussinhabers anwendbar. Wendete man diese Regelung nicht entsprechend auf den Schadensersatzanspruch an, unterliefe das die Regelungsintention des Gesetzgebers, das Urheberrecht eines anderen verletzende Privatpersonen unter bestimmten Voraussetzungen vor hohen Abmahnkosten zu schützen (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken, BT-Drucks. 17/13057, S. 10 f. und 29; ebenso Specht in Dreier/Schulze aaO § 97a Rn. 20; Wimmers in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl., § 97a UrhG Rn. 46; Teplitzky/Bacher aaO Kap. 41 Rn. 82b; Hoeren, CR 2009, 378, 380 [zu § 97a Abs. 2 UrhG aF]; Malkus, MMR 2010, 382, 388 [zu § 97a Abs. 2 UrhG aF]; Hewicker/Marquardt/Neurauter, NJW 2014, 2753, 2754 [zu § 97a Abs. 2 UrhG aF]; Backes aaO S. 207; aA Kefferpütz in Wandtke/Bullinger aaO § 97a UrhG Rn. 65; Niebel in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO § 97a UrhG Rn. 15; Faustmann/Ramsperger, MMR 2010, 662, 666 [zu § 97a Abs. 2 UrhG aF]). Der Rechtsverletzer haftete dann zwar für die Kosten der gegen ihn selbst gerichteten Abmahnung gemäß § 97a Abs. 3 Satz 1 UrhG unter Umständen nur nach dem auf 1.000 € begrenzten Gegenstandswert, zusätzlich aber aus dem vollen Gegenstandswert für die Kosten der gegen den Anschlussinhaber gerichteten Abmahnung. Erachtete man darüber hinaus die Kosten für die Abmahnung des Rechtsverletzers als nach § 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG erstattungsfähigen Schaden (vgl. hierzu Rn.11), entfaltete die Beschränkung des § 97a Abs. 3 Satz 2 bis 4 UrhG für den - wie häufig - vorsätzlich oder fahrlässig handelnden Rechtsverletzer sogar überhaupt keine Wirkung.
Rz. 20
c) Die Regelung des § 97a Abs. 3 Satz 2 bis 4 UrhG ist mit dem Unionsrecht vereinbar, bedarf allerdings der richtlinienkonformen Auslegung. Auch die entsprechende Anwendung der so auszulegenden Regelung auf den Schadensersatzanspruch nach § 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG ist unionsrechtskonform.
Rz. 21
aa) Die Regelung des § 97a Abs. 3 Satz 2 bis 4 UrhG ist mit dem Unionsrecht vereinbar.
Rz. 22
(1) Gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums sehen die Mitgliedstaaten die Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe vor, die zur Durchsetzung unter anderem des Urheberrechts erforderlich sind. Diese Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe müssen nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2004/48/EG fair und gerecht sein, außerdem dürfen sie nicht unnötig kompliziert oder kostspielig sein und keine unangemessenen Fristen oder ungerechtfertigten Verzögerungen mit sich bringen. Sie müssen gemäß Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2004/48/EG darüber hinaus wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein und so angewendet werden, dass die Einrichtung von Schranken für den rechtmäßigen Handel vermieden wird und die Gewähr gegen ihren Missbrauch gegeben ist.
Rz. 23
Nach Art. 14 der Richtlinie 2004/48/EG stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Prozesskosten und sonstigen Kosten der obsiegenden Partei in der Regel, soweit sie zumutbar und angemessen sind, von der unterlegenen Partei getragen werden, sofern Billigkeitsgründe dem nicht entgegenstehen.
Rz. 24
(2) Gemäß der nach dem Erlass des Berufungsurteils ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist Art. 14 der Richtlinie 2004/48/EG dahin auszulegen, dass die Kosten, die einem Inhaber von Rechten des geistigen Eigentums für seine Vertretung durch einen Beistand im Hinblick auf die außergerichtliche Durchsetzung dieser Rechte entstanden sind, wie zum Beispiel die mit einer Abmahnung verbundenen Kosten, unter den Begriff "sonstige Kosten" im Sinne dieser Bestimmung fallen (vgl. EuGH, GRUR 2022, 849 [juris Rn. 45] - Koch Media). Art. 14 der Richtlinie 2004/48 ist ferner dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die vorsieht, dass in einem Fall, in dem die Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums von einer natürlichen Person außerhalb ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit begangen wurde, die Erstattung der "sonstigen Kosten" im Sinne dieser Bestimmung, auf die der Inhaber dieses Rechts Anspruch hat, pauschal auf der Grundlage eines durch diese Regelung begrenzten Streitwerts berechnet wird, sofern nicht das nationale Gericht der Ansicht ist, dass die Anwendung einer solchen Begrenzung unter Berücksichtigung der spezifischen Merkmale des ihm vorgelegten Falles unbillig sei (vgl. EuGH, GRUR 2022, 849 [juris Rn. 65] - Koch Media).
Rz. 25
(3) Den Begriff der Zumutbarkeit im Sinne des Art. 14 der Richtlinie 2004/48/EG hat der Gerichtshof der Europäischen Union so konkretisiert, dass übermäßige Kosten, die darauf zurückzuführen sind, dass die obsiegende Partei und ihr Anwalt ungewöhnlich hohe Honorare vereinbart haben oder der Anwalt Dienstleistungen erbracht hat, die für die Durchsetzung des betreffenden Rechts des geistigen Eigentums nicht als erforderlich angesehen werden, nicht zumutbar sind (vgl. EuGH, Urteil vom 28. Juli 2016 - C-57/15, GRUR Int 2016, 962 [juris Rn. 25] - United Video Properties; EuGH, GRUR 2022, 849 [juris Rn. 50] - Koch Media).
Rz. 26
(4) Mit Blick auf das Kriterium der Angemessenheit hat der Gerichtshof der Europäischen Union ausgeführt, dass die obsiegende Partei einen Anspruch auf die Erstattung wenigstens eines erheblichen und angemessenen Teils der ihr tatsächlich entstandenen zumutbaren Kosten haben muss (vgl. EuGH, GRUR Int. 2016, 962 [juris Rn. 29] - United Video Properties; GRUR 2022, 849 [juris Rn. 52] - Koch Media). Das gilt auch bei Rechtsverletzungen durch eine natürliche Person, die außerhalb ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit gehandelt hat (vgl. EuGH, GRUR 2022, 849 [juris Rn. 53 f.] - Koch Media). Die Mitgliedstaaten dürfen Pauschaltarife einführen, allerdings diese nicht so niedrig ansetzen, dass sie - entgegen Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2004/48/EG und dem mit dieser Richtlinie verfolgten Hauptziel, ein hohes Schutzniveau für geistiges Eigentum im Binnenmarkt zu gewährleisten - die abschreckende Wirkung eines Verfahrens wegen Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums erheblich schwächen. Außerdem ist es Sache des nationalen Gerichts, auch darauf zu achten, dass die voraussichtliche Höhe der Prozesskosten, die dem Inhaber von Rechten des geistigen Eigentums zugesprochen werden können, nicht geeignet ist, ihn in Anbetracht der von ihm als außergerichtliche Kosten zu tragenden Beträge und ihres Nutzens für die Schadensersatzklage davon abzuhalten, seine Rechte gerichtlich geltend zu machen (vgl. EuGH, GRUR 2022, 849 [juris Rn. 55 bis 57] - Koch Media).
Rz. 27
(5) Zur in Art. 14 der Richtlinie 2004/48/EG enthaltenen Billigkeitsklausel hat der Gerichtshof der Europäischen Union ausgeführt, dass die allgemeine Kostenregelung keine Anwendung findet, wenn Billigkeitsgründe es verbieten, der unterlegenen Partei die Kosten der obsiegenden Partei aufzuerlegen, selbst wenn diese zumutbar und angemessen sind. Die Billigkeitsklausel betrifft nationale Vorschriften, die es dem nationalen Gericht ermöglichen, in einem Einzelfall, in dem die Anwendung der allgemeinen Regelung zu einem Ergebnis führen würde, das als ungerecht angesehen wird, ausnahmsweise von dieser abzuweichen. Jedoch können Billigkeitsgründe schon allein aufgrund ihres Wesens einen allgemeinen und bedingungslosen Ausschluss der Erstattung von Kosten, die eine bestimmte Obergrenze überschreiten, nicht rechtfertigen (vgl. EuGH, GRUR Int. 2016, 962 [juris Rn. 31] - United Video Properties; GRUR 2022, 849 [juris Rn. 58 f.] - Koch Media).
Rz. 28
(6) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat ferner auf Erwägungsgrund 17 der Richtlinie 2004/48/EG Bezug genommen, nach dem die in dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe in jedem Einzelfall so bestimmt werden sollten, dass den spezifischen Merkmalen dieses Falls, einschließlich der Sonderaspekte jedes Rechts an geistigem Eigentum und gegebenenfalls des vorsätzlichen oder nicht vorsätzlichen Charakters der Rechtsverletzung, gebührend Rechnung getragen wird (vgl. EuGH, GRUR 2022, 849 [juris Rn. 60] - Koch Media). Als spezifische Merkmale in diesem Sinne, die das nationale Gericht berücksichtigen können soll, hat der Gerichtshof insbesondere die Aktualität des Werks, die Dauer der Veröffentlichung, den Umstand, dass die Verletzung der Rechte von einer natürlichen Person außerhalb ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit begangen wurde, sowie die genannten Sonderaspekte des betreffenden Rechts des geistigen Eigentums und gegebenenfalls den vorsätzlichen oder nicht vorsätzlichen Charakter der Rechtsverletzung angesehen. Im Übrigen muss das nationale Gericht im Einklang mit Art. 3 der Richtlinie 2004/48/EG prüfen können, ob ein Antrag auf Verurteilung zur Tragung der Kosten eines Vertreters für eine Abmahnung unter anderem fair, gerecht und nicht missbräuchlich ist (vgl. EuGH, GRUR 2022, 849 [juris Rn. 60 bis 62] - Koch Media).
Rz. 29
(7) Auf dieser Grundlage hat der Gerichtshof der Europäischen Union die Regelung des § 97a Abs. 3 Satz 2 bis 4 UrhG für mit den Anforderungen der Richtlinie 2004/48/EG vereinbar gehalten, da sie sicherstellen soll, dass die von der unterlegenen Partei zu tragenden Kosten zumutbar und angemessen sind, soweit sie dem Gericht, dem die Kostenentscheidung obliegt, die Möglichkeit gibt, in jedem Einzelfall dessen spezifische Merkmale zu berücksichtigen (vgl. EuGH, GRUR 2022, 849 [juris Rn. 63 f.] - Koch Media).
Rz. 30
bb) Die Regelung des § 97a Abs. 3 Satz 2 bis 4 UrhG bedarf allerdings der richtlinienkonformen Auslegung (vgl. hierzu bereits LG Stuttgart, GRUR-RR 2019, 99 [juris Rn. 40 bis 56], LG Köln, GRUR-RS 2020, 36413 Rn. 69; König, ZUM-RD 2019, 452; ohne Annahme eines solchen Bedarfs OLG Nürnberg, ZUM-RD 2020, 141 [juris Rn. 43 bis 48 und 63 bis 71]; OLG Celle, GRUR-RR 2020, 146 [juris Rn. 21]; OLG Frankfurt, GRUR-RR 2020, 346 [juris Rn. 69 bis 76]; AG Charlottenburg, Urteil vom 28. August 2017 - 213 C 99/17, juris Rn. 19; AG Düsseldorf, ZUM-RD 2019, 122 [juris Rn. 34 f.]; AG Kassel, Urteil vom 20. April 2021 - 410 C 2101/20, juris Rn. 27 f.; Kiersch, ZUM 2018, 667, 673).
Rz. 31
(1) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat nicht beanstandet, dass Art. 14 der Richtlinie 2004/48/EG als Grundsatz eine Pflicht zur Tragung der zumutbaren und angemessenen sonstigen Kosten vorsieht und Ausnahmen aus Billigkeitsgesichtspunkten ermöglicht, während § 97a Abs. 3 Satz 2 und 3 UrhG unter den in § 97a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 2 UrhG genannten Voraussetzungen als Grundsatz eine Pflicht zur Tragung geringerer als der zumutbaren und angemessenen Kosten anordnet, von der nach § 97a Abs. 3 Satz 4 UrhG unter Billigkeitsgesichtspunkten abgewichen werden kann (vgl. hierzu Schlussanträge des Generalanwalts vom 11. November 2021 - C-559/20, GRUR-RS 2021, 34073 Rn. 82 f.; Lerach, GRUR-Prax 2022, 65).
Rz. 32
(2) Bei der Anwendung der Billigkeitsklausel hat das Gericht die spezifischen Merkmale des Einzelfalls zu berücksichtigen (vgl. EuGH, GRUR 2022, 849 [juris Rn. 61] - Koch Media). Der deutsche Gesetzgeber hat den vom Gerichtshof der Europäischen Union genannten Umstand, dass die Rechtsverletzung von einer natürlichen Person außerhalb ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit begangen worden ist, sowie den weiteren Umstand, dass der Rechtsverletzer dem Abmahnenden nicht bereits zur Unterlassung verpflichtet ist, in § 97a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 2 UrhG zu kumulativen tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Begrenzung des Gegenstandswerts auf 1.000 € erhoben. Nur wenn diese erfüllt sind, hat der Rechtsverletzer - sofern nicht Billigkeitsgesichtspunkte entgegenstehen - geringere als die zumutbaren und angemessenen Kosten zu erstatten (vgl. auch Toussaint, NJW 2022, 1799). Die Formulierung in § 97a Abs. 3 Satz 4 UrhG, nach der die Begrenzung auf einen Gegenstandswert von 1.000 € dann nicht gilt, wenn dieser Wert nach den "besonderen" Umständen des Einzelfalls unbillig ist, bedarf dahingehend der unionsrechtskonformen Auslegung, dass die darüber hinaus zu berücksichtigenden ("besonderen") Umstände des Einzelfalls die bereits tatbestandlich zu berücksichtigenden Merkmale in der Gesamtbetrachtung überwiegen müssen, um von der Begrenzung des Gegenstandswerts absehen zu können (zur Regelungsstruktur des § 97a Abs. 3 Satz 2 bis 4 UrhG vgl. auch BT-Drucks. 17/13057, S. 29 [zu § 49 Abs. 1 GKG-E]; OLG Celle, GRUR-RR 2019, 420 [juris Rn. 21]; OLG Nürnberg, ZUM-RD 2020, 141 [juris Rn. 40]; OLG Celle, GRUR-RR 2020, 146 [juris Rn. 20]; OLG Frankfurt, GRUR-RR 2020, 346 [juris Rn. 64]; Wimmers in Schricker/Loewenheim aaO § 97a UrhG Rn. 45; J. B. Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 12. Aufl., § 97a UrhG Rn. 50 f.; BeckOK.Urheberrecht/Reber aaO § 97a UrhG Rn. 28; Specht in Dreier/Schulze aaO § 97a Rn. 19b; Spindler in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 4. Aufl., § 97a UrhG Rn. 18 und 23; Niebel in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO § 97a UrhG Rn. 15; Specht, GRUR 2017, 42, 45 f.; Kiersch, ZUM 2018, 667, 672). Ein solches Verständnis wahrt den durch die anerkannten Auslegungsmethoden vorgegebenen Rahmen für eine unionsrechtskonforme Auslegung (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 29. Juli 2021 - I ZR 135/20, GRUR 2021, 1320 [juris Rn. 36 f.] = WRP 2021, 1290 - Flaschenpfand III).
Rz. 33
(3) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat die Umstände, die als spezifische Merkmale des Einzelfalls berücksichtigt werden können, nicht abschließend aufgezählt. Grundsätzlich können alle für die Bemessung des Streitwerts maßgeblichen Faktoren einbezogen werden (vgl. J. B. Nordemann in Fromm/Nordemann aaO § 97a UrhG Rn. 51), namentlich der wirtschaftliche Wert des verletzten Rechts und die Intensität sowie der Umfang der Rechtsverletzung (sogenannter Angriffsfaktor). Der Angriffsfaktor wird insbesondere durch die Stellung des Verletzers und des Verletzten, die Qualität der Urheberrechtsverletzung, den drohenden Verletzungsumfang, die Art der Begehung des Rechtsverstoßes und eine hierdurch etwa begründete Gefahr der Nachahmung durch Dritte sowie subjektive Umstände aufseiten des Verletzers wie den Verschuldensgrad bestimmt. Auch anderen, von der Verletzungshandlung unabhängigen Faktoren - etwa dem Grad der Wahrscheinlichkeit künftiger Zuwiderhandlungen - kann im Einzelfall Rechnung zu tragen sein (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 - I ZR 1/15, GRUR 2016, 1275 [juris Rn. 33 f.] = WRP 2016, 1525 - Tannöd; BGH, ZUM-RD 2018, 68 [juris Rn. 24 f.], jeweils mwN; BGH, Urteil vom 22. September 2021 - I ZR 83/20, GRUR 2021, 1519 [juris Rn. 48] = WRP 2021, 1577 - Uli-Stein-Cartoon).
Rz. 34
Die zu § 97a Abs. 2 UrhG aF ergangene Rechtsprechung des Senats, nach der das Anbieten eines urheberrechtlich geschützten Werks zum Herunterladen über eine Internettauschbörse keine nur unerhebliche Rechtsverletzung im Sinne dieser Vorschrift darstellt (BGH, GRUR 2016, 1275 [juris Rn. 51 bis 56] - Tannöd; ZUM-RD 2018, 68 [juris Rn. 34]), kann danach nicht unmittelbar auf die neue Rechtslage übertragen werden (vgl. OLG Celle, GRUR-RR 2019, 420 [juris Rn. 21]; OLG Nürnberg, ZUM-RD 2020, 141 [juris Rn. 41]; OLG Celle, GRUR-RR 2020, 146 [juris Rn. 20]; Wimmers in Schricker/Loewenheim aaO § 97a UrhG Rn. 45; Specht in Dreier/Schulze aaO § 97a Rn. 19b; BeckOK.Urheberrecht/Reber aaO § 97a UrhG Rn. 28; Spindler in Spindler/Schuster aaO § 97a UrhG Rn. 18; Backes aaO S. 216 f.; Schulte-Noelke/Henning-Bodewig/Podszun, Evaluierung der verbraucherschützenden Regelungen im Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken, Schlussbericht, 2017, S. 230).
Rz. 35
(4) Entgegen der Ansicht der Revision ist es nicht erforderlich, dass der Rechtsverletzer stets einen erheblichen Teil der dem Rechtsinhaber entstandenen Kosten trägt. Dieses Kriterium gilt für die Bestimmung der angemessenen Kostentragung, von der aus Billigkeitsgesichtspunkten jedoch abgewichen werden kann (vgl. Rn. 26 f.). Jedoch ist der Revision insoweit zuzustimmen, als das Verhältnis der entstandenen zu den erstattungsfähigen Kosten bei der Billigkeitsprüfung zu berücksichtigen ist.
Rz. 36
(5) Nach allgemeinen Grundsätzen trägt der Abgemahnte die Darlegungs- und Beweislast für die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 97a Abs. 3 Satz 2 UrhG und der Rechtsinhaber, der sich auf die Regelung des § 97a Abs. 3 Satz 4 UrhG beruft, für das Vorliegen einer Unbilligkeit im Einzelfall (aA hierzu Lerach, GRUR-Prax 2022, 65; Issa, GRUR-Prax 2022, 353; Toussaint, NJW 2022, 1799; für eine Darlegungs- und Beweislast des Rechtsinhabers OLG Nürnberg, ZUM-RD 2020, 141 [juris Rn. 40]; Wimmers in Schricker/Loewenheim aaO § 97a UrhG Rn. 45; J. B. Nordemann in Fromm/Nordemann aaO § 97a UrhG Rn. 50; Meckel in Dreyer/Kotthoff/Meckel/Hentsch, Urheberrecht, 4. Aufl., § 97a UrhG Rn. 10).
Rz. 37
cc) Auch die entsprechende Anwendung der so auszulegenden Regelung des § 97a Abs. 3 Satz 2 bis 4 UrhG auf den Schadensersatzanspruch nach § 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG ist unionsrechtskonform. Zwar richten sich die Anforderungen an den von den Mitgliedstaaten vorzusehenden Schadensersatzanspruch nicht nach Art. 14, sondern Art. 13 der Richtlinie 2004/48/EG. Zur Abgrenzung der beiden Vorschriften hat der Gerichtshof der Europäischen Union aber entschieden, dass unter die - hier in Rede stehenden - sonstigen Kosten im Sinne des Art. 14 der Richtlinie 2004/48/EG nur Kosten fallen, die unmittelbar und eng mit dem betreffenden Gerichtsverfahren zusammenhängen (vgl. EuGH, GRUR Int 2016, 962 [juris Rn. 36] - United Video Properties; GRUR 2022, 849 [juris Rn. 41] - Koch Media). Das ist vorliegend der Fall, weil die Abmahnung des Anschlussinhabers das gebotene Mittel der Sachverhaltsaufklärung darstellt (vgl. Rn. 10) und ein außergerichtliches sowie gegebenenfalls gerichtliches Vorgehen gegen den Rechtsverletzer ermöglichen soll.
Rz. 38
dd) Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV ist danach nicht veranlasst. Im Streitfall stellt sich keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung des Unionsrechts, die nicht bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt oder nicht zweifelsfrei zu beantworten ist (zu diesem Maßstab vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - 283/81, Slg. 1982, 3415 [juris Rn. 21] = NJW 1983, 1257 - Cilfit u.a.; Urteil vom 6. Oktober 2021 - C-561/19, NJW 2021, 3303 [juris Rn. 33, 36 und 39 bis 49] - Consorzio Italian Management und Catania Multiservizi).
Rz. 39
4. Die Rügen der Revision gegen die Rechtsanwendung des Berufungsgerichts dringen im Ergebnis nicht durch.
Rz. 40
a) Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen zu der Frage getroffen, ob die an die Anschlussinhaberin gerichtete Abmahnung die nach § 97a Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Satz 1 UrhG erforderlichen Angaben enthalten hat. Dies ist im Revisionsverfahren zugunsten der Klägerin zu unterstellen.
Rz. 41
b) Mit Recht und von der Revision unangegriffen hat das Berufungsgericht angenommen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 97a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 2 UrhG für eine Beschränkung des Gegenstandswerts, aus dem die Klägerin Erstattung der ihr für die Abmahnung der Anschlussinhaberin entstandenen Rechtsanwaltsgebühren verlangen kann, erfüllt sind. Es kommt hierfür auf den Beklagten als Anspruchsgegner und nicht auf die Anschlussinhaberin als Empfängerin der Abmahnung an, weil der Beklagte nicht für deren Verbindlichkeit haftet, sondern aufgrund einer in seiner Person verwirklichten Anspruchsgrundlage.
Rz. 42
c) Im Ergebnis ohne Erfolg rügt die Revision, die Begrenzung des Gegenstandswerts auf 1.000 € sei unbillig und dieser müsse auf 20.000 € festgesetzt werden. Der Revision ist zwar insoweit beizutreten, als der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, nach dem die Annahme einer Unbilligkeit im Sinne des § 97a Abs. 3 Satz 4 UrhG auf absolute Ausnahmefälle beschränkt bleiben müsse, um die Privilegierung nach § 97a Abs. 3 Satz 2 und 3 UrhG nicht leerlaufen zu lassen, die unionsrechtlichen Vorgaben nicht hinreichend berücksichtigt. Jedoch hat das Berufungsgericht eine Unbilligkeit der Begrenzung des Gegenstandswerts auf 1.000 € aufgrund einer rechtsfehlerfreien Würdigung der Umstände des Streitfalls verneint.
Rz. 43
aa) Soweit das Berufungsgericht in die Beurteilung eingestellt hat, dass die geltend gemachte Urheberrechtsverletzung im Februar 2014 keinen unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zur Erstveröffentlichung des Computerspiels im April 2013 aufgewiesen habe, ist dies nicht zu beanstanden. Der Umstand, dass die Verletzungshandlung während der besonders umsatzstarken Erstverwertungsphase eines Computerspiels stattgefunden hat, ist für die Beurteilung des wirtschaftlichen Werts des geschützten Werks von Bedeutung und kann daher bei der Anwendung des § 97a Abs. 3 Satz 4 UrhG berücksichtigt werden (vgl. EuGH, GRUR 2022, 849 [juris Rn. 61] - Koch Media; OLG Celle, GRUR-RR 2019, 420 [juris Rn. 21]; OLG Nürnberg, ZUM-RD 2020, 141 [juris Rn. 42]; OLG Celle, GRUR-RR 2020, 146 [juris Rn. 20]; LG Hannover, Urteil vom 20. Mai 2019 - 13 O 42/19, juris Rn. 60; AG Düsseldorf, ZUM-RD 2019, 122 [juris Rn. 37]; Wimmers in Schricker/Loewenheim aaO § 97a UrhG Rn. 45; J. B. Nordemann in Fromm/Nordemann aaO § 97a UrhG Rn. 50; Spindler in Spindler/Schuster aaO § 97a UrhG Rn. 23; BeckOK.Urheberrecht/Reber aaO § 97a UrhG Rn. 28; Reuther, MMR 2018, 433, 436; offenlassend AG Charlottenburg, Urteil vom 28. August 2017 - 213 C 99/17, juris Rn. 19; zurückhaltend OLG Frankfurt, GRUR-RR 2020, 346 [juris Rn. 66 und 68]; AG Kassel, Urteil vom 19. November 2019 - 410 C 2389/19, juris Rn. 15; Kiersch, ZUM 2018, 667, 672). Die Einschätzung des Berufungsgerichts, nach einem Zeitraum von (knapp) einem Jahr bestehe kein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zur Erstveröffentlichung mehr, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
Rz. 44
bb) Ebenfalls frei von Rechtsfehlern ist das Berufungsgericht angesichts der von ihm festgestellten 26 Verletzungshandlungen in weniger als zwei Wochen noch nicht von einer besonderen Häufung von Rechtsverletzungen ausgegangen. Das Berufungsgericht hat sich für diese Feststellung auf die im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils im Einzelnen mitgeteilten Zeitpunkte bezogen, zu denen Beauftragte der Klägerin in der Tauschbörse vom Beklagten angebotene Dateien mit diesem Computerspiel oder Teilen davon heruntergeladen haben. Die Feststellung ist so zu verstehen, dass der Beklagte die Dateien im Rahmen einer Dauerhandlung während eines Zeitraums von knapp zwei Wochen angeboten und dies zu 26 nachgewiesenen Rechtsverletzungen geführt hat. Dass damit 26 eigenständige Verletzungshandlungen des Beklagten einhergehen, ist nicht festgestellt und wird von der Klägerin auch nicht behauptet.
Rz. 45
cc) Das Berufungsgericht hat ein Verschulden des Beklagten inzident bejaht, indem es der Klägerin einen verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruch nach § 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG zugesprochen hat. Feststellungen zum Verschuldensgrad hat es zwar nicht getroffen. Es ist jedoch nicht zu erwarten, dass hierzu weitere Feststellungen getroffen werden können.
Rz. 46
dd) Weitere Umstände, die für eine Unbilligkeit des auf 1.000 € begrenzten Gegenstandswerts sprechen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Entgegen der Ansicht der Revision bedarf es bei der Anwendung des § 97a Abs. 3 Satz 4 UrhG nicht der Bestimmung des "üblichen Maßes" einer Rechtsverletzung, um hiervon ausgehend die Unbilligkeit eines auf 1.000 € begrenzten Gegenstandswertes beurteilen zu können. Das wäre angesichts der Vielgestaltigkeit möglicher Konstellationen kaum möglich (vgl. auch J. B. Nordemann in Fromm/Nordemann aaO § 97a UrhG Rn. 51). Erforderlich, aber auch ausreichend ist eine wertende Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalls. Diese führt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Klägerin rund 87 % der ihr entstandenen Kosten (860,60 € von 984,60 €) selbst tragen muss, nicht zur Unbilligkeit der Begrenzung des Gegenstandswerts.
Rz. 47
d) Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht habe den Vortrag der Klägerin übergangen, sie habe mit der Abmahnung der Anschlussinhaberin auch ihre Ansprüche auf Schadensersatz(feststellung) und Auskunft verfolgt, hinsichtlich derer der Gegenstandswert nicht begrenzt sei und die mit 4.000 € zu bewerten seien.
Rz. 48
aa) Zwar trifft der rechtliche Ausgangspunkt der Revision zu, dass die Begrenzung des Gegenstandswerts nach § 97a Abs. 3 Satz 2 bis 4 UrhG nur den Gegenstandswert des Unterlassungs- und Beseitigungsanspruchs erfasst (vgl. auch OLG Frankfurt, GRUR-RR 2020, 346 [juris Rn. 78 bis 80]; BeckOK.Urheberrecht/Reber aaO § 97a UrhG Rn. 27; J. B. Nordemann in Fromm/Nordemann aaO § 97a UrhG Rn. 48). Bereits der Wortlaut des § 97a Abs. 1 UrhG legt ein enges, auf die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs bezogenes Verständnis des Begriffs der Abmahnung nahe. Das schließt die Erhebung von Folgeansprüchen bereits mit der Abmahnung freilich nicht aus; insoweit stellt § 97a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 UrhG sogar die Wirksamkeitsvoraussetzung auf, mit der Abmahnung geltend gemachte Zahlungsansprüche als Schadensersatz- und Aufwendungsersatzansprüche aufzuschlüsseln. Der Streitfall erfordert keine Entscheidung, ob der Rechtsinhaber die für die Geltendmachung von Folgeansprüchen entstehenden Rechtsverfolgungskosten in entsprechender Anwendung des § 97a Abs. 3 Satz 1 UrhG als Aufwendungsersatz (so J. B. Nordemann in Fromm/Nordemann aaO § 97a Rn. 11) oder nur aus anderen Anspruchsgrundlagen - wie etwa als Schadensersatz nach § 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG unter den dafür geltenden Voraussetzungen - verlangen kann (so OLG Frankfurt, GRUR-RR 2020, 346 [juris Rn. 78 bis 80]).
Rz. 49
bb) Die Rüge bleibt jedoch ohne Erfolg, weil sich aus den für das Revisionsgericht bindenden tatgerichtlichen Feststellungen die Geltendmachung solcher Ansprüche nicht ergibt. Das Berufungsgericht hat - wie zuvor auch schon das Landgericht - festgestellt, dass die Klägerin vom Beklagten "die Kosten der Abmahnung" verlangt hat.
Rz. 50
Die in § 314 Satz 1 ZPO angeordnete Beweiskraft des Tatbestands entfällt, wenn ein Widerspruch zwischen den tatbestandlichen Feststellungen und einem konkret in Bezug genommenen schriftsätzlichen Vorbringen einer Partei besteht (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2010 - I ZR 161/08, GRUR 2011, 459 [juris Rn. 12] = WRP 2011, 467 - Satan der Rache; Urteil vom 1. Juli 2021 - I ZR 137/20, GRUR 2021, 1544 [juris Rn. 28] = WRP 2022, 48 - Kaffeebereiter). Darüber hinaus kann eine Unrichtigkeit tatbestandlicher Feststellungen im Berufungsurteil in der Revisionsinstanz mit einer Verfahrensrüge nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO geltend gemacht werden, soweit eine Berichtigung des Tatbestands nach § 320 ZPO beantragt worden ist und sich aus der den Berichtigungsantrag zurückweisenden Entscheidung des Berufungsgerichts ergibt, dass seine tatbestandlichen Feststellungen widersprüchlich sind (BGH, GRUR 2011, 459 [juris Rn. 12] - Satan der Rache, mwN; BGH, Beschluss vom 11. Mai 2022 - I ZR 186/20, juris Rn. 8).
Rz. 51
Die tatbestandlichen Feststellungen enthalten keine konkrete Bezugnahme auf die an die Mutter des Beklagten als Anschlussinhaberin gerichtete Abmahnung. Die Revision macht auch nicht geltend, dass die Klägerin eine Berichtigung des Tatbestands des Berufungsurteils mit Blick auf die Geltendmachung von Folgeansprüchen beantragt hätte.
Rz. 52
cc) Unabhängig davon ist die Erstattungsfähigkeit der Aufwendungen des Rechtsinhabers für die Abmahnung des nicht mit dem Rechtsverletzer identischen Anschlussinhabers als Schaden nach § 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG, § 249 Abs. 1 BGB auf die Kosten für die Geltendmachung des Unterlassungs- und Beseitigungsanspruchs beschränkt. Soweit die Klägerin darüber hinaus mit ihrer Abmahnung auch Folgeansprüche geltend gemacht hätte, wäre dies zur Wahrnehmung ihrer Rechte zunächst nicht erforderlich und zweckmäßig gewesen. Dem steht nicht entgegen, dass die Abmahnung gegenüber dem Anschlussinhaber auch bei unklarer Verantwortlichkeit das gebotene Mittel zur Sachverhaltsaufklärung darstellt (vgl. hierzu Rn. 10), weil sich dieser Zweck auch bei alleiniger Geltendmachung des Unterlassungs- und Beseitigungsanspruchs erreichen lässt.
Rz. 53
e) Es lässt keinen Rechtsfehler erkennen und wird von der Klägerin auch nicht angegriffen, dass das Berufungsgericht den Erstattungsanspruch auf 104 €, entsprechend einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr (Nr. 2300 VV RVG) aus dem Gegenstandswert von 1.000 € nach der bis zum 31. Dezember 2020 geltenden Gebührentabelle, zuzüglich der Auslagenpauschale von 20 € (Nr. 7002 VV RVG) festgesetzt hat. Die Formulierung "hinsichtlich der gesetzlichen Gebühren" in § 97a Abs. 3 Satz 2 UrhG soll gewährleisten, dass die Auslagenpauschale sowie weitere Aufwendungen weiterhin erstattet werden können (vgl. BT-Drucks. 17/14216, S. 7).
Rz. 54
IV. Rechtsfehlerfrei und von der Revision unbeanstandet hat das Berufungsgericht der Klägerin Rechtshängigkeitszinsen aus den ihr gegenüber dem Beklagten zustehenden Forderungen seit 9. Februar 2019 zuerkannt (§§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der Ablauf der in der Abmahnung an die Mutter des Beklagten gesetzten Frist am 5. Mai 2014 wirkte für diesen nicht verzugsbegründend. Die Klägerin hat auch kein anderes Ereignis dargetan, das ihn vor Rechtshängigkeit der gegen ihn erhobenen Klage in Verzug gesetzt hätte (§ 288 Abs. 1 Satz 1, § 286 BGB).
Rz. 55
C. Danach ist die Revision der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 zurückzuweisen.
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