Entscheidungsstichwort (Thema)

Mietminderung bei Flächenabweichung der möbliert vermieteten Wohnung

 

Leitsatz (amtlich)

Auch wenn eine Wohnung möbliert vermietet ist, ist die Bruttomiete bei einer Wohnflächenabweichung um mehr als 10 % gegenüber der vereinbarten Wohnfläche im Verhältnis der Wohnflächenabweichung gemindert.

 

Normenkette

BGB § 536 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 13.07.2010; Aktenzeichen 65 S 28/10)

AG Berlin-Charlottenburg (Urteil vom 17.12.2009; Aktenzeichen 211 C 334/09)

 

Tenor

Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil der Zivilkammer 65 des LG Berlin vom 13.7.2010 - auch im Kostenpunkt - aufgehoben und das Urteil des AG Charlottenburg vom 17.12.2009 abgeändert, soweit zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 939,40 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.9.2009 zu zahlen.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Der Kläger ist seit Oktober 2006 Mieter einer möblierten Wohnung des Beklagten in B. In dem Mietvertrag vom 11.10.2006 ist die Wohnungsgröße mit 50 m2 angegeben; weiter vereinbarten die Parteien eine monatliche Kaltmiete von 560 EUR sowie pauschalierte Nebenkostenvorauszahlungen für Heizung (15 EUR) und Strom (25 EUR). In § 3 Nr. 1 des Mietvertrages ist u.a. bestimmt, dass sich die Kaltmiete aus einer Kapitalverzinsung, Abschreibung der Möbel, Betriebskosten und Reparaturkosten am Haus und der Wohnung zusammensetzt.

Rz. 2

Die tatsächliche Wohnfläche der Wohnung des Klägers beträgt 44,30 m2. Wegen der Flächenabweichung von 11,5 % zu der im Mietvertrag angegebenen Wohnungsgröße ist der Kläger der Auffassung, dass die Kaltmiete um 11,5 % gemindert sei und ihm für die vergangene Mietzeit vom 15.10.2006 bis 30.4.2009 (= 30,5 Monate) ein Rückforderungsanspruch i.H.v. 1.964,20 EUR zustehe; in dieser Höhe habe wegen der Wohnflächenabweichung kein Rechtsgrund für eine Mietzahlung bestanden. Der Beklagte zahlte vorprozessual 736,58 EUR an den Kläger. Mit seiner Klage macht der Kläger den Differenzbetrag von 1.227,62 EUR nebst Zinsen geltend.

Rz. 3

Das AG hat den Beklagten zur Zahlung von 288,22 EUR nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 4

Die Revision hat Erfolg.

I.

Rz. 5

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Rz. 6

Die an den Kläger vermietete Wohnung weise einen Mangel auf, da die tatsächliche Wohnfläche von der vereinbarten Wohnfläche um mehr als 10 % abweiche. Damit stehe dem Kläger grundsätzlich nach § 536 BGB ein Minderungsanspruch zu; die für den streitgegenständlichen Zeitraum 15.10.2006 bis 30.4.2009 aufgrund des Mangels der Mietsache überzahlte Miete könne nach § 812 BGB zurückgefordert werden. Bemessungsgrundlage der Minderung sei die vereinbarte monatliche Kaltmiete i.H.v. 560 EUR zzgl. der Heizkostenvorauszahlung i.H.v. 15 EUR, insgesamt 575 EUR. Zwar sei bei der Bemessung des Minderungsanspruchs nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung grundsätzlich von der Bruttomiete auszugehen. Die nach dem Mietvertrag im Voraus zu zahlende Stromkostenpauschale i.H.v. 25 EUR gehöre jedoch hierzu nicht, da diese Kosten nicht zu den Betriebskosten in Anlage 3 zu § 27 der II. Berechnungsverordnung zu zählen seien. Die Stromkosten fielen nicht typischerweise beim Vermieter, sondern beim Mieter an.

Rz. 7

Die damit dem Minderungsanspruch zugrunde zu legende monatliche Bruttomiete i.H.v. 575 EUR sei vorliegend nicht um den Prozentsatz der Wohnflächenabweichung (11,5 %), sondern - der vom AG angenommenen Minderungsquote von 6 % folgend - unter Berücksichtigung der Heizkostenpauschale nur um 5,8 % zu mindern. Bei der vollständig möblierten und auch im Übrigen vollständig mit Hausrat eingerichteten Wohnung sei das Maß der Beeinträchtigung bei einer erheblichen Wohnflächenabweichung nicht identisch mit dem Maß der Wohnflächenabweichung, weil die vollständige Möblierung und Einrichtung einen wesentlichen Teil der Mietsachgesamtheit ausmache. Der Gebrauchswert bzw. die Nutzungsmöglichkeit sei angesichts der Einrichtung nicht so erheblich beeinträchtigt wie bei einer leer vermieteten Wohnung, in der die geringere Wohnfläche auch die Einrichtungsmöglichkeiten beschränken könne und die Bewegungsfläche erheblich gemindert sein könne. Der Vortrag des Klägers, dass die Möblierung und Einrichtung seit Mietbeginn bereits erheblichem Verschleiß unterlegen sei, ändere nichts an dem vertragsgemäßen Zustand. Denn maßgeblich für die Mietminderung sei der Gebrauchswert der Mietsache, nicht ihr finanzieller Wert. Auch ältere Einrichtungsgegenstände könnten einen erheblichen Gebrauchswert haben. Davon sei auch im Streitfall auszugehen, denn der Beklagte habe nicht behauptet, dass Einrichtungsgegenstände nicht mehr zu nutzen seien oder ihre Nutzung durch die Flächenunterschreitung erheblich eingeschränkt sei.

II.

Rz. 8

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Nach den vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen steht dem Kläger für den streitgegenständlichen Zeitraum 15.10.2006 bis 30.4.2006 aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB ein Rückforderungsanspruch in der eingeklagten Höhe von 1.227,62 EUR zu, da die vom Kläger geschuldete Miete über die vorprozessual gezahlten 736,58 EUR hinaus jedenfalls in dieser Höhe gem. § 536 Abs. 1 Satz 2 BGB gemindert war.

Rz. 9

1. Nach der Rechtsprechung des Senats - von der im Ansatz auch das Berufungsgericht ausgeht - stellt die Abweichung der tatsächlichen Wohnfläche von der vertraglich vereinbarten Wohnfläche um mehr als 10 % einen Mangel der Mietsache dar, der den Mieter gem. § 536 Abs. 1 Satz 2 BGB zur Minderung der Miete in dem Verhältnis berechtigt, in dem die tatsächliche Wohnfläche die vereinbarte Wohnfläche unterschreitet (BGH, Urt. v. 10.3.2010 - VIII ZR 144/09, NJW 2010, 1745 Rz. 8, 11 f.; v. 10.11.2010 - VIII ZR 306/09, NJW 2011, 220 Rz. 14; jeweils m.w.N.).

Rz. 10

So liegen die Dinge nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auch im Streitfall, denn die tatsächliche Wohnfläche weicht von der im Mietvertrag vereinbarten Wohnfläche um 11,5 % ab; in dieser Höhe war daher die vertraglich geschuldete Bruttomiete gem. § 536 Abs. 1 Satz 2 BGB gemindert. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Minderung nicht etwa deshalb geringer, weil die an den Kläger vermietete Wohnung möbliert ist. Der Auffassung des Berufungsgerichts, bei einer vollständig möblierten und auch im Übrigen vollständig mit Hausrat eingerichteten Wohnung sei das Maß der Beeinträchtigung bei einer erheblichen Wohnflächenabweichung nicht mit dem Maß der Wohnflächenabweichung identisch, vermag der Senat nicht zu folgen. Die von einer Wohnflächenabweichung ausgehende Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeit ist nicht deshalb geringer zu veranschlagen, weil trotz der geringeren Fläche die für eine Haushaltsführung benötigten Einrichtungsgegenstände vollständig untergebracht werden können.

Rz. 11

2. Bemessungsgrundlage der Minderung nach § 536 BGB ist grundsätzlich die Bruttomiete einschließlich einer Nebenkostenpauschale oder einer Vorauszahlung auf die Nebenkosten (BGH, Urt. v. 20.7.2005 - VIII ZR 347/04, NJW 2005, 2773 unter II 1a). Daran ändert die Möblierung der Wohnung im Streitfall nichts, denn der Mietwert der Wohnungseinrichtung ist ausweislich § 3 Nr. 1 des Mietvertrags der Parteien vom 11.10.2005 Teil der Kalkulation der Nettokaltmiete gewesen. Ob eine andere Beurteilung gerechtfertigt ist, wenn im Mietvertrag der Tatsache der Möblierung ein gegenüber den übrigen Mietkonditionen eigenständiges Gewicht - etwa durch die Vereinbarung eines Möblierungszuschlags - verliehen wird, bedarf hier keiner Entscheidung.

Rz. 12

Ob - wie es das Berufungsgericht annimmt - die Stromkostenvorauszahlung zur Bruttomiete zu zählen ist, kann im Streitfall offen bleiben, da der Kläger seine Rückzahlungsforderung auf Basis der Nettokaltmiete errechnet hat. Bei einem geltend gemachten Minderungszeitraum vom 15.10.2006 bis 30.4.2009 (= 30,5 Monate) errechnet sich daher unter Zugrundelegung der Nettokaltmiete ein Minderungsanspruch von 1.964,20 EUR.

III.

Rz. 13

Das Berufungsurteil kann daher keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da keine weiteren tatsächlichen Feststellungen zu treffen sind, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Wie dargestellt, steht dem Kläger für den streitgegenständlichen Zeitraum ein (weiterer) aufgrund der Minderung gerechtfertigter Rückzahlungsanspruch jedenfalls i.H.v. 939,40 EUR zu. Der Klage ist daher in vollem Umfang stattzugeben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2658462

NJW 2011, 1282

NJW 2011, 6

DWW 2011, 278

EBE/BGH 2011, 118

NZM 2011, 309

ZAP 2011, 393

ZMR 2011, 542

ZfIR 2011, 4

MDR 2011, 474

MDR 2011, 9

NJ 2011, 6

WuM 2011, 213

BauSV 2011, 81

Info M 2011, 1

Info M 2011, 110

MietRB 2011, 137

NJW-Spezial 2011, 321

RdW 2011, 477

ZGS 2011, 152

BBB 2011, 53

IWR 2011, 110

ImmWert 2011, 28

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