Entscheidungsstichwort (Thema)
Maßgeblicher Zeitpunkt eines erstmalig gestellten Prozesskostenhilfeantrags
Leitsatz (amtlich)
Für die Frage, ob ein Prozesskostenhilfeantrag "erstmalig" gestellt worden ist, ist nur der Zeitraum ab dem 1.1.2002 maßgeblich; ein früher gestellter Antrag ist grundsätzlich nicht zu berücksichtigen.
Normenkette
BGB § 204 Abs. 1 Nr. 14
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 17. Zivilsenats des OLG Karlsruhe vom 16.10.2007 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
[1] Die Klägerin und die Beklagte, eine Bank, streiten über Ansprüche im Zusammenhang mit der Verwertung mehrerer als Kreditsicherheit abgetretener Lebensversicherungen. Die Beklagte erhebt u.a. die Einrede der Verjährung.
[2] Die Beklagte gewährte dem Ehemann der Klägerin am 19.5.1980 für geschäftliche Zwecke einen Barkredit über 35.000 DM. Aus diesem Anlass übernahm die Klägerin am selben Tag eine Bürgschaft für alle bestehenden und künftigen Ansprüche der Beklagten aus der Geschäftsverbindung mit ihrem Ehemann. Außerdem trat sie als weitere Sicherheit ihre Rechte aus einer bei der H. Versicherungs-AG bestehenden Lebensversicherung an die Beklagte ab.
[3] In der Folgezeit, letztmals am 3.9.1993, erhöhte die Beklagte die Kreditsumme auf 600.000 DM. Am 2.7.1991 trat die Klägerin an die Beklagte zur Sicherheit für deren Ansprüche aus der Geschäftsverbindung mit ihrem Ehemann zwei weitere bei der H. Versicherungs-AG bestehende Lebensversicherungen ab.
[4] Nachdem die Beklagte den Ehemann der Klägerin erfolglos zur Unterbreitung konkreter Rückzahlungsvorschläge aufgefordert hatte, kündigte sie mit Schreiben vom 15.2.1996 sämtliche Kredite, wobei sie den Schuldsaldo mit 769.043 DM bezifferte. In der Folgezeit kündigte sie auch die ihr zur Sicherheit abgetretenen drei Lebensversicherungen der Klägerin und zog die Rückkaufwerte über insgesamt 183.340,76 DM im Dezember 1996 ein.
[5] Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Auszahlung des Verwertungserlöses über 93.740,54 EUR nebst Zinsen und die Feststellung ihrer weiteren Schadensersatzverpflichtung. Sie meint, die Beklagte sei zur Verwertung der drei Lebensversicherungen nicht berechtigt gewesen, weil die Abtretungserklärungen mangels Bestimmtheit unwirksam seien und die Erstreckung des Sicherungszwecks auf alle bestehenden und künftigen Ansprüche gegen ihren Ehemann eine überraschende Klausel i.S.d. § 3 AGBG sei. Außerdem sei sie mit den von ihr gestellten Sicherheiten in sittenwidriger Weise wirtschaftlich überfordert gewesen.
[6] Die Klägerin hatte für die Rechtsverfolgung ihres Begehrens bereits im Jahr 1997 Prozesskostenhilfe begehrt. Mit Beschluss vom 4.2.1999 wurde der Antrag abgelehnt, weil die Klägerin nicht ausreichend dargetan habe, dass sie aufgrund ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse außerstande sei, die Prozesskosten aufzubringen.
[7] Mit einem am 29.12.2004 eingegangenen Antrag hat die Klägerin im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits erneut die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Auszahlung der Verwertungserlöse und Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für weitere Schäden aus den Verwertungsvorgängen begehrt. Auch dieser Antrag ist vom LG mangels ausreichender Darlegung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abgelehnt worden. Hiergegen hat die Klägerin Beschwerde eingelegt und eine neue Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt. Daraufhin hat das Berufungsgericht der Klägerin mit Beschluss vom 10.1.2006 Prozesskostenhilfe bewilligt. Die von der Klägerin eingereichte Klageschrift ist der Beklagten sodann am 12.6.2006 zugestellt worden.
[8] Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
[9] Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
[10] Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
[11] Es könne dahinstehen, ob der Klägerin gegen die Beklagte wegen der Verwertung der Lebensversicherungen ein Anspruch zustehe. Ein etwaiger Anspruch, sei es aus der Sicherungsvereinbarung, sei es aus ungerechtfertigter Bereicherung, sei jedenfalls verjährt. Auf den geltend gemachten Anspruch finde mit dem Stichtag des 1.1.2002 die neue dreijährige Regelverjährung des § 195 BGB Anwendung, so dass mit Ablauf des 31.12.2004 Verjährung eingetreten sei. Der am 29.12.2004 eingereichte Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe habe die Verjährung nicht gem. § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB hemmen können, weil diese Wirkung nur dem erstmaligen - im Jahr 1997 gestellten - Antrag zukomme. Auf den Antrag vom Dezember 2004 komme es nicht an, weil weder § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB noch die Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 6 EGBGB zwischen Prozesskostenhilfeanträgen aus der Zeit vor und nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes unterschieden.
II.
[12] Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Der von der Klägerin geltend gemachte Schadensersatz- und Bereicherungsanspruch ist nicht verjährt.
[13] 1. Nach der für das Verjährungsrecht geltenden Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB finden hier die seit dem 1.1.2002 geltenden Verjährungsvorschriften Anwendung. Denn der von der Klägerin geltend gemachte Schadensersatz- und Bereicherungsanspruch war an diesem Tag noch nicht verjährt. Dieser unterlag ursprünglich der regelmäßigen dreißigjährigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB a.F. Die Verjährungsfrist begann gem. § 198 Satz 1 BGB a.F. mit der Entstehung des Anspruchs, hier also mit der Verwertung der Sicherheiten im Dezember 1996. Danach wäre die Verjährung erst im Jahr 2026 eingetreten. Mit dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes gilt jedoch seit dem 1.1.2002 die dreijährige Regelverjährung des § 195 BGB, die gem. Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 EGBGB ab dem 1.1.2002 zu berechnen ist und somit am 31.12.2004 endete.
[14] 2. Die Verjährung ist jedoch durch die am 29.12.2004 erfolgte Einreichung des Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gem. § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB rechtzeitig gehemmt worden. Das LG hat die Bekanntgabe des Antrags am 3.1.2005 und damit "demnächst" veranlasst, weshalb die Bekanntgabe auf den Zeitpunkt der Einreichung zurückwirkt, § 204 Abs. 1 Nr. 14 Halbs. 2 BGB. Die Hemmung endete zwar gem. § 204 Abs. 2 BGB sechs Monate nach der Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufgrund des Beschlusses des Berufungsgerichts vom 10.1.2006. Durch die Zustellung der Klageschrift an die Beklagte am 12.6.2006 ist die Verjährung aber gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB i.V.m. § 253 Abs. 1 ZPO in unverjährter Zeit erneut gehemmt worden.
[15] 3. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat im Rahmen des § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB der von der Klägerin bereits im Jahr 1997 gestellte Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unberücksichtigt zu bleiben.
[16] a) Dabei ist allerdings unerheblich, dass dieser Antrag in einem anderen Verfahren gestellt worden ist. Für die Anwendung des § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB kommt es nach seinem Sinn und Zweck, eine mehrfache Verjährungshemmung durch wiederholte Prozesskostenhilfeanträge zu vermeiden, allein darauf an, ob sich der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe - was hier der Fall ist - auf denselben Streitgegenstand bezogen hat (vgl. OLG Celle NJW-RR 2007, 224, 225; Lakkis, in jurisPK-BGB, 4. Aufl. 2008, Stand: 6.10.2008, § 204 Rz. 87).
[17] b) Bei dem Antrag aus dem Jahr 1997 handelt es sich aber nicht um einen "erstmaligen" Antrag i.S.d. § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB. Hierfür kann nur ein Antrag maßgeblich sein, der nach Inkrafttreten des neuen Verjährungsrechts am 1.1.2002 gestellt worden ist.
[18] aa) Dies ergibt sich bereits aus Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB, nach dem sich der Beginn, die Hemmung, die Ablaufhemmung und der Neubeginn der Verjährung für den Zeitraum vor dem 1.1.2002 nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung bestimmen. Nach der bis zum 31.12.2001 geltenden Rechtslage konnte ein Prozesskostenhilfeantrag eine Hemmung der Verjährung wegen Verhinderung der Rechtsverfolgung infolge höherer Gewalt i.S.d. § 203 BGB a.F. zwar herbeiführen. Hierzu mussten aber innerhalb der Verjährungsfrist ein ordnungsgemäß begründetes und vollständiges Bewilligungsgesuch eingereicht und die nach § 117 ZPO erforderlichen Unterlagen rechtzeitig und vollständig dem Gericht vorgelegt werden (vgl. BGHZ 70, 235, 237, 239; BGH, Urt. v. 20.12.1988 - IX ZR 88/88, WM 1989, 450, 453; v. 8.3.1989 - IVa ZR 221/87, NJW 1989, 3149); außerdem war weitere Voraussetzung, dass der Antragsteller subjektiv der Ansicht sein durfte, er sei bedürftig (vgl. BGH, Beschl. v. 16.9.1981 - IVb ZB 832/81, VersR 1982, 41 f.; OLG Düsseldorf WM 1998, 1628, 1630). Schließlich musste die Verjährung innerhalb von sechs Monaten drohen.
[19] Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, kam nach diesen Maßgaben dem Prozesskostenhilfeantrag der Klägerin aus dem Jahr 1997 keine Hemmungswirkung zu. Es drohte weder die Verjährung des geltend gemachten Anspruchs binnen sechs Monaten noch lag ein ordnungsgemäß begründetes und vollständiges Bewilligungsgesuch vor.
[20] bb) Die Unmaßgeblichkeit des Prozesskostenhilfeantrags aus dem Jahr 1997 für den Hemmungstatbestand des § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB folgt insb. auch daraus, dass dieser Hemmungsgrund dem alten Recht zwar nicht unbekannt war, aber einen grundlegend anderen Regelungsinhalt erfahren hat.
[21] Wie oben unter II.3.b)aa) im Einzelnen ausgeführt worden ist, konnte nach der bis zum 31.12.2001 geltenden Rechtslage ein Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter bestimmten Voraussetzungen eine Hemmung der Verjährung wegen Verhinderung der Rechtsverfolgung infolge höherer Gewalt i.S.d. § 203 BGB a.F. herbeiführen. Dessen enge Voraussetzungen wirkten zugleich der missbräuchlichen wiederholten Einreichung von Prozesskostenhilfeanträgen entgegen.
[22] Demgegenüber ist nach neuer Rechtslage - in bewusster Abkehr von der früheren Rechtsprechung - für den Eintritt der Hemmungswirkung nur noch die Bekanntgabe des bloßen Prozesskostenhilfeantrags erforderlich. Der Antrag muss weder ordnungsgemäß begründet, vollständig und von den erforderlichen Unterlagen begleitet noch von der subjektiven Ansicht der Bedürftigkeit getragen sein (vgl. BT-Drucks. 14/6040, 116), sondern lediglich bestimmten Mindestanforderungen - etwa die Individualisierbarkeit der Parteien und die ausreichende Darstellung des Sach- und Streitverhältnisses - genügen (h.M.; vgl. Henrich, in Bamberger/Roth BGB, 2. Aufl., § 204 Rz. 45; MünchKomm/BGB/Grothe, 5. Aufl., § 204 Rz. 65; Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl., § 204 Rz. 30; Soergel/Niedenführ, BGB, 13. Aufl., § 204 Rz. 98; Staudinger/Peters, BGB Bearbeitung 2004 § 204 Rz. 116; Gottwald, Verjährung im Zivilrecht 2005 Rz. 315; Mansel/Budzikiewicz, Das neue Verjährungsrecht 2002 § 8 Rz. 82; a.A. Lakkis, in jurisPK-BGB, 4. Aufl. 2008, Stand: 6.10.2008, § 204 Rz. 89; Nickel FamRB 2003, 86, 88; Wax FPR 2002, 471, 478). Um einem Missbrauch des § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB durch die Einreichung wiederholter Prozesskostenhilfeanträge zu begegnen, hat der Gesetzgeber die Hemmungswirkung auf den erstmaligen Prozesskostenhilfeantrag beschränkt. Danach löst ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe keine Hemmung der Verjährung aus, wenn er mangels Erfüllung der genannten Mindestvoraussetzungen vom Gericht der Gegenseite nicht bekannt gegeben, sondern ohne deren Anhörung abgelehnt oder aus anderen Gründen nicht beschieden wird (vgl. BGH, Urt. v. 24.1.2008 - IX ZR 195/06, WM 2008, 806 Tz. 7 ff.). In einem solchen Fall ist ein weiterer, nunmehr dem Gegner bekannt gegebener Antrag als "erstmaliger Antrag" i.S.d. § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB zu behandeln (Henrich, in Bamberger/Roth BGB, 2. Aufl., § 204 Rz. 46; Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl., § 204 Rz. 32; PWW/Kesseler, BGB, 3. Aufl., § 204 Rz. 20).
[23] Nach diesen Grundsätzen kann der Antrag der Klägerin aus dem Jahr 1997 nicht als "erstmaliger Antrag" i.S.d. § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB angesehen werden. Wie bereits oben unter II.3.b)aa) ausgeführt worden ist, kam dem Antrag aus dem Jahr 1997 keine Hemmungswirkung nach § 203 BGB a.F. zu. Der Zweck des Erfordernisses des "erstmaligen" Antrags i.S.d. § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB, eine mehrfache Verjährungshemmung durch wiederholte Prozesskostenhilfeanträge zu verhindern, greift damit nicht ein.
[24] 4. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung steht der Berufung der Klägerin auf den Hemmungstatbestand des § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB auch nicht der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen. Die Klägerin durfte die Verjährungsfrist voll ausnutzen. Die Vorschrift des § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB soll gewährleisten, dass die bedürftige Partei zur Rechtsverfolgung ebenso viel Zeit hat wie diejenige, die das Verfahren selbst finanzieren muss (vgl. BT-Drucks. 14/6040, 116). Eine nichtbedürftige Partei hätte vorliegend eine Hemmung der Verjährung noch erreichen können, wenn sie bis zum 31.12.2004 bei dem zuständigen Gericht eine Klageschrift eingereicht hätte und diese alsbald zugestellt worden wäre (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, § 167 ZPO). Für die bedürftige Partei kann im Hinblick auf die Einreichung des Prozesskostenhilfeantrags nach § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB nichts anderes gelten (vgl. BGHZ 70, 235, 237).
III.
[25] Das angefochtene Urteil war demnach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, war sie zur weiteren Sachaufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Fundstellen