Leitsatz (amtlich)
Zur Wirksamkeit des formularmäßigen Ausschlusses der Gewährleistung für anfängliche Mängel bei für möglich gehaltener gesundheitsgefährdender Schadstoffbelastung der Mieträume.
Normenkette
BGB a.F. § 538 Abs. 1; BGB § 544; AGBG § 9 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
OLG Stuttgart (Urteil vom 02.11.2000) |
LG Tübingen |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 2. November 2000 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Bundesrepublik Deutschland hatte der Beklagten auf einem ehemaligen Kasernengelände, das sie 1996 an den Kläger veräußerte, für die Zeit ab 1. Juni 1995 eine Halle als Gewerberaum zur Produktion von Folien auf unbestimmte Zeit zu einem monatlichen Mietzins vermietet, der sich ab 1. Januar 1997 auf 1.722 DM belief. Mit Schreiben vom 30. Juni 1997 kündigte der Kläger das Mietverhältnis zum 31. Dezember 1997, nachdem die Beklagte für 1997 lediglich 9.918,66 DM gezahlt hatte. Ende Juni 1998 gab die Beklagte das Mietobjekt zurück, ohne eine Nutzungsentschädigung gezahlt zu haben.
Mit der Klage verlangt der Kläger nach Klagerücknahme im übrigen rückständigen Mietzins und Nutzungsentschädigung für die Zeit von Januar 1997 bis Juni 1998 in Höhe von nunmehr noch 1.653,11 DM × 18 = 29.755,98 DM abzüglich gezahlter 9.918,66 DM = 19.837,32 DM.
Die Beklagte nutzte die Halle lediglich zu Lagerzwecken und Laborversuchen. Sie macht geltend, wegen einer gesundheitsgefährdenden Verseuchung des Hallenbodens mit polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) an der vertraglich vereinbarten Nutzung gehindert gewesen und deshalb von der Zahlungspflicht befreit zu sein. Der Kläger hält die Belastung für nicht erheblich und beruft sich im übrigen auf den in § 6 des Mietvertrages enthaltenen Gewährleistungsausschluß, der wie folgt lautet:
§ 6
Gewährleistung
1. Die Mietsache wird in dem Zustand überlassen, in dem sie sich bei Beginn des Vertragsverhältnisses befindet. Der Mieter kennt den Zustand. Etwa vorhandene Mängel sind bei der Bemessung des Entgelts berücksichtigt.
2. Für eine bestimmte Größe und Beschaffenheit sowie für sichtbare oder unsichtbare Mängel des Vertragsobjekts leistet der Bund keine Gewähr.
3. Der Bund übernimmt keine Gewährleistung für die Sicherheit der eingelagerten Gegenstände.
Das Landgericht wies die Klage ab. Auf die Berufung des Klägers gab das Oberlandesgericht ihr in Höhe des zuletzt noch beantragten Betrages nebst Verzugszinsen statt. Dagegen richtet sich die zugelassene Revision der Beklagten, mit der diese ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
Das Berufungsgericht läßt dahinstehen, ob die Belastung der Halle mit PAK so hoch war, daß dies einen zur Mietminderung führenden Mangel darstellte, weil die Haftung des Klägers für einen derartigen Mangel durch § 6 Abs. 1 und 2 des Mietvertrages wirksam ausgeschlossen sei.
Das hält der revisionsrechtlichen Prüfung stand.
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß es sich bei dem abgeschlossenen Vertrag um von der Bundesrepublik gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, so daß seine Regelungen nach dem AGB-Gesetz zu prüfen sind.
Das Berufungsgericht hat auch nicht verkannt, daß der vereinbarte Gewährleistungsausschluß gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG unwirksam wäre, wenn damit jegliche Gewährleistung sowohl für anfängliche wie auch für nachträglich auftretende Mängel ausgeschlossen wäre. Es hat § 6 Abs. 2 MV aber dahin ausgelegt, daß diese Klausel lediglich die Gewährleistung für bei Abschluß des Vertrages bereits vorhandene Mängel ausschließt, und den formularmäßigen Ausschluß der verschuldensunabhängigen Haftung für anfängliche Sachmängel nach § 538 BGB a.F. in einem gewerblichen Mietvertrag zu Recht als zulässig angesehen (vgl. Senatsurteil vom 27. Januar 1993 – XII ZR 141/91 – NJW-RR 1993, 519, 520; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 8. Aufl. Rdn. 379).
2. Diese Auslegung hält der revisionsrechtlichen Prüfung stand.
a) Das Berufungsgericht hat die Revision mit der Begründung zugelassen, § 6 des Mietvertrages bedürfe wegen weiterer Streitfälle einer abschließenden Auslegung. Das läßt darauf schließen, daß es davon ausging, die Bundesrepublik verwende die fragliche Klausel auch außerhalb seines Bezirks, denn andernfalls hätte es die Revision mit dieser Begründung nicht zulassen dürfen, sondern wäre selbst dazu berufen gewesen, die nur in seinem Bezirk verwendete Klausel zur Wahrung der Rechtseinheit abschließend auszulegen.
Andererseits ist eine Verwendung dieser Klausel außerhalb des Bezirks des Berufungsgerichts aber nicht festgestellt und auch dem Vortrag der Parteien nicht zu entnehmen:
Zwar befinden sich die §§ 1 bis 3 des Vertrages, welche die Vertragsparteien, das Mietobjekt, den zu zahlenden Mietzins sowie die Mietdauer bezeichnen, auf Formularbögen, die von der Bundesrepublik für Mietverträge im Bereich mehrerer Vermögensämter vorgesehen sind. Die im Schriftbild davon abweichenden detaillierten Regelungen der §§ 4 bis 11 MV sind aber ersichtlich für eine regional eingeschränkte Verwendung konzipiert, wie sich unter anderem daraus ergibt, daß § 4 MV auf die Gesamtliegenschaft „E. -Kaserne” und deren mögliche Übernahme durch den klagenden Zweckverband Bezug nimmt und § 7 MV auf eine einzuholende baurechtliche Genehmigung des Landratsamts R. hinweist, und zwar beides wortgleich auch in den drei weiteren Verträgen, die die Beklagte mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2000 zum Nachweis der mehrfachen Verwendung des Vertragsformulars zu den Akten gereicht hatte. Eine über den Bezirk des Berufungsgerichts hinausgehende Verwendung dieses Vertragsteils mit der hier maßgeblichen Gewährleistungsregelung hat keine der Parteien vorgetragen, und auch den Feststellungen des Berufungsgerichts ist nur zu entnehmen, daß die Bundesrepublik das vorliegende Vertragsformular „im ehemaligen Kasernengelände” in einer Vielzahl von Fällen verwendet hat. Allein der Umstand, daß das Berufungsgericht die Revision wegen der Auslegung dieser Klausel zugelassen hat, ist jedenfalls für sich allein nicht geeignet, diese uneingeschränkt revisibel zu machen.
b) Im Ergebnis kann jedoch dahinstehen, ob es sich um eine überregional verwendete Klausel handelt mit der Folge, daß das Revisionsgericht sie frei und ohne Bindung an die Auslegung des Berufungsgerichts selbst auslegen kann, oder ob die Verwendung der Klausel nicht über dessen Bezirk hinausgeht und das Revisionsgericht ihre Auslegung daher nur in demselben Umfang überprüfen kann, wie es bei Individualverträgen der Fall ist, nämlich auf die Verletzung von Auslegungsregeln, auf Denkfehler und auf Verstöße gegen Erfahrungssätze (vgl. BGH, Urteile vom 10. November 1976 – VIII ZR 84/75 – WM 1977, 112 f. und vom 25. Februar 1992 – X ZR 88/90 – BGHR ZPO § 549 Abs. 1 Vertragsauslegung 1).
Auch die freie Auslegung der Klausel durch den Senat führt nämlich zu keinem anderen Ergebnis als jenem, das das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat:
3. Die Revision greift diese Auslegung zum einen mit dem Hinweis an, der Wortlaut des § 6 Abs. 2 MV enthalte keine Beschränkung auf vorhandene Mängel, und macht zum anderen geltend, der Kläger würde sich bei einem nachträglich auftretenden Mangel „mit Sicherheit” auch auf diese Gewährleistungsausschlußklausel berufen. Damit kann sie keinen Erfolg haben.
Richtig ist zwar, daß der Wortlaut des § 6 Abs. 2 MV bei isolierter Betrachtung als umfassender Ausschluß jeglicher Gewährleistung verstanden werden könnte, weil jeder Mangel, ob anfänglich oder nachträglich, entweder sichtbar oder unsichtbar ist. Dies würde jedoch der Stellung dieser Klausel im Gesamtzusammenhang des § 6 nicht gerecht. Die vom Berufungsgericht vorgenommene einschränkende Auslegung ist nicht nur möglich, sondern auch naheliegend und richtig:
§ 6 Abs. 1 MV bezieht sich ausschließlich auf bei Mietbeginn vorhandene Mängel und dient in erster Linie der Festlegung des vertraglich geschuldeten Zustandes, was insbesondere aus dem Zusatz hervorgeht, daß die Höhe des Mietzinses mit Rücksicht auf den bei Mietbeginn vorhandenen Zustand der Mietsache bemessen worden ist. Ein ausdrücklicher Gewährleistungsausschluß findet sich demgegenüber erst in § 6 Abs. 2 MV. Soweit der Vermieter danach keine Gewähr für Größe und Beschaffenheit leistet, bezieht auch dies sich auf den ursprünglichen Zustand der Mietsache. Bereits das legt es nahe, mit dem Berufungsgericht auch den Ausschluß der Gewährleistung für sichtbare und unsichtbare Mängel allein auf ursprüngliche Mängel zu beziehen und dahin zu verstehen, daß der Ausschluß der Gewährleistung für sichtbare Mängel, der sich bereits als Folge der Regelung in § 6 Abs. 1 MV ergibt, ausdrücklich normiert und um den Ausschluß der Gewährleistung auch für solche Mängel erstreckt wird, die bei Mietbeginn vorhanden, aber noch nicht ohne weiteres erkennbar waren.
Hätte hingegen mit der Regelung des § 6 Abs. 2 MV auch die Haftung für nachträgliche Mängel ausgeschlossen werden sollen, ergäbe die ausdrückliche Erwähnung sichtbarer und unsichtbarer Mängel wenig Sinn, da es bei der Haftung für nachträgliche Mängel auf deren Erkennbarkeit nicht ankommt. Vielmehr hätte es nahegelegen, einen umfassenden Haftungsausschluß entweder dahingehend zu formulieren, daß „jegliche” Gewährleistung ausgeschlossen wird, oder aber ausdrücklich sowohl die Haftung für anfängliche als auch für später auftretende Mängel auszuschließen. Hinzu kommt, daß sich der Ausschluß der Gewährleistung für die Sicherheit eingelagerter Gegenstände in § 6 Abs. 3 MV als überflüssig erweisen würde, wenn der Haftungsausschluß in § 6 Abs. 2 MV auch später auftretende Mängel erfassen würde.
4. Soweit die Revision hilfsweise geltend macht, die Regelung des § 6 Abs. 2 MV sei unklar, so daß Zweifel bei ihrer Auslegung gemäß § 5 AGBG zu Lasten des Verwenders gehen müßten, verhilft ihr auch das nicht zum Erfolg. Denn § 5 AGBG kommt nicht schon stets dann zur Anwendung, wenn unterschiedliche Auslegungen möglich sind, sondern erst dann, wenn von diesen nach den vorrangigen allgemeinen Auslegungsprinzipien keine den klaren Vorzug verdient (vgl. Wolf/Horn/Lindacher, AGB-Gesetz 4. Aufl. § 5 Rdn. 28). Hier aber liegt nach der Auffassung des erkennenden Senats die vom Berufungsgericht gefundene Auslegung weitaus näher und verdient den klaren Vorzug vor der Auslegung im Sinne eines umfassenden Haftungsausschlusses. Demgegenüber vermag der Umstand, daß die Vorinstanzen die hier zu beurteilende Klausel unterschiedlich ausgelegt haben, für sich allein noch nicht den Schluß auf das Vorliegen einer nicht behebbaren Mehrdeutigkeit und damit Unklarheit im Sinne des § 5 AGBG zu rechtfertigen (vgl. Wolf/Horn/Lindacher aaO Rdn. 29).
5. Angesichts dieses Auslegungsergebnisses enthält § 6 Abs. 2 MV – entgegen der Auffassung der Revision – auch keine gegen § 11 Nr. 7 AGBG verstoßende Freizeichnung von einer Haftung des Vermieters für Vorsatz oder grobes Verschulden bei der Durchführung des Vertrages. Insoweit kann auch dahinstehen, ob der uneingeschränkte Ausschluß der Gewährleistung für die Sicherheit eingelagerter Gegenstände in § 6 Abs. 3 MV wirksam ist oder nicht, da es sich insoweit um eine eigenständige Klausel handelt, deren Unwirksamkeit sich auf die inhaltlich in sich geschlossene und vollständig bleibende Regelung der Absätze 1 und 2 des § 6 MV nicht auswirkt (vgl. BGH, Urteil vom 30. September 1987 – VIII ZR 226/86 – MDR 1988, 224, 225; Wolf/Horn/Lindacher aaO § 6 Rdn. 41).
6. Das Mietzahlungsverlangen des Klägers erweist sich auch nicht angesichts der revisionsrechtlich zu unterstellenden Gesundheitsgefährdung durch die Schadstoffbelastung der Mieträume als treuwidrig, § 242 BGB. Soweit die Revision geltend macht, bei Kenntnis dieser Gefahr hätte weder die Bundesrepublik die Halle vermieten dürfen noch die Beklagte sie angemietet, steht dieser Gesichtspunkt dem Verlangen des Klägers nach Erfüllung des Vertrages nicht entgegen. Die vorvertragliche Kenntnis der Vertragsparteien von der Belastung des Holzbodens der zuvor militärisch genutzten Halle durch Schmutz und Ölrückstände zeigt vielmehr, daß beide Vertragsparteien mit einer möglicherweise auch gesundheitsgefährdenden Schadstoffbelastung rechneten, zumal § 7 Abs. 2 MV Ölrückstände ausdrücklich als schädigende Stoffe bezeichnet, und daß sie den Vertrag in Kenntnis dieses Risikos gleichwohl zu einem dieses Risiko berücksichtigenden Mietzins schließen wollten.
Daß eine gesundheitsgefährdende Schadstoffbelastung tatsächlich vorhanden war und sich dieses Risiko somit verwirklicht hat, wie revisionsrechtlich zu unterstellen ist, hindert den Kläger nicht, sich auf den darauf bezogenen Gewährleistungsausschluß zu berufen. Ein Verzicht des Mieters auf Gewährleistungsansprüche ist grundsätzlich auch im Hinblick auf Gesundheitsgefährdungen zulässig, wie sich bereits aus § 544 letzter Halbsatz BGB a.F. ergibt (vgl. auch RG JW 1936, 2706 m. Anm. Roquette).
Die Berufung des Klägers auf den Haftungsausschluß verstößt hier auch nicht etwa deshalb gegen Treu und Glauben, weil das Ausmaß der Gesundheitsgefährdung die Tauglichkeit der Mieträume zum vertraglich vorgesehenen Gebrauch völlig ausschloß. Denn die Beklagte hätte sich von der weiteren Zahlung des Mietzinses jederzeit durch fristlose Kündigung nach § 544 BGB a.F. befreien können. Sie kann sich insoweit auch nicht darauf berufen, allein wegen der Ungewißheit darüber, wie gravierend die Belastung war, an der Aufnahme der vorgesehenen Produktion gehindert gewesen zu sein. Sie hätte sich vielmehr sogleich – notfalls im Wege eines Beweissicherungsverfahrens – Gewißheit verschaffen und sodann entscheiden können, ob sie ihr Kündigungsrecht nach § 544 BGB a.F. ausübt, oder ob es im Hinblick auf den ohnehin geringer bemessenen Mietzins wirtschaftlich sinnvoller erschien, die Kontaminierung durch Entfernung oder Versiegelung des verseuchten Holzfußbodens selbst zu beseitigen.
7. Dem Zahlungsbegehren des Klägers steht schließlich auch nicht das in der Revisionsverhandlung vorgetragene Argument der Beklagten entgegen, in ihrer Einstellung der Mietzahlungen sei angesichts des Ausmaßes der Gesundheitsgefährdung und der dadurch bedingten Untauglichkeit des Mietobjekts zum vertragsgemäßen Gebrauch eine fristlose Kündigung nach § 544 BGB a.F. zu sehen. Denn noch mit Schreiben vom 7. August 1997 hatte die Beklagte dem Kläger Zahlung der ungeminderten Miete angeboten, sobald dieser eine Bescheinigung über die Einhaltung der zulässigen Grenzwerte vorlege, und mit Schriftsatz vom 28. Mai 1998 gegenüber dem Zahlungsbegehren des Klägers eine Mietminderung um 100 % eingewandt. Daraus ist zu ersehen, daß sie selbst vom Fortbestand des Mietverhältnisses bis zum Wirksamwerden der vom Kläger ausgesprochenen Kündigung ausging. Um so weniger konnte und mußte der Kläger ihr Verhalten als konkludente Kündigungserklärung ihrerseits verstehen.
Unterschriften
Hahne, Sprick, Weber-Monecke, Fuchs, Vézina
Fundstellen
Haufe-Index 780057 |
NJW 2002, 3232 |
BGHR 2002, 972 |
DWW 2002, 265 |
IBR 2002, 578 |
NZM 2002, 784 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2003, 389 |
ZMR 2002, 899 |
MDR 2002, 1361 |
GuT 2003, 8 |
RdW 2003, 318 |
JURAtelegramm 2003, 51 |
LL 2003, 5 |