Entscheidungsstichwort (Thema)
Schmälerung der Konkursmasse. Deckungshandlung. Mittelbare Gläubigerbenachteiligung. Sicherungsabtretung der Kaufpreisforderung an die Bank. Absonderungsrecht. Inkongruenz der Aufrechnungslage. Begünstigungsabsicht
Leitsatz (amtlich)
a) Hat der Gemeinschuldner eine Forderung sicherungshalber abgetreten, kann die Aufrechnung ihres Schuldners mit einem Gegenanspruch dennoch die Konkursgläubiger benachteiligen.
b) Verkauft der spätere Gemeinschuldner (innerhalb von zehn Tagen vor einem Eröffnungsantrag) ohne vorherige rechtliche Verpflichtung einem Gläubiger Ware, so ist die gegenüber der daraus resultierenden Kaufpreisforderung hergestellte Aufrechnungslage inkongruent.
Normenkette
KO § § 29 ff., § 30 Nr. 2
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Auf die Rechtsmittel des Klägers werden die Urteile des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 12. Mai 1998 und der 22. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 15. Mai 1997 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage wegen eines über 58.562,26 DM nebst Zinsen hinausgehenden Betrages abgewiesen worden ist.
Das bezeichnete Urteil des Landgerichts wird wie folgt neu gefaßt: Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 82.633,64 DM nebst 4% Zinsen seit 5. März 1997 zu zahlen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des ersten und zweiten Rechtszuges werden dem Kläger zu 2/5 und der Beklagten zu 3/5 auferlegt. Die Kosten des Revisionsverfahrens fallen der Beklagten zur Last.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist Verwalter im Konkurs über das Vermögen der PAS I. GmbH (nachfolgend PAS oder Gemeinschuldnerin). Diese schuldete der Beklagten aus deren Fleischlieferungen mehr als 200.000 DM. Zwischen dem 14. und 18. Oktober 1996 lieferte die PAS der Beklagten Fleisch im Wert von 141.195,91 DM. Am 22. Oktober 1996 beantragte die PAS die Eröffnung des Konkurses über ihr Vermögen; das Verfahren wurde später eröffnet. Die Beklagte hat das bezogene Fleisch weiter veräußert und mit ihren älteren Kaufpreisforderungen gegen die Zahlungsschuld aus der letzten Warenlieferung aufgerechnet.
Ein Teil dieses an die Beklagte verkauften Fleisches im Wert von 58.562,26 DM hatte die PAS ihrerseits unter Eigentumsvorbehalt von einer Firma P. gekauft und noch nicht bezahlt. Ferner hatte die PAS sämtliche Forderungen aus ihren Lieferungen und Leistungen an die D. Bank AG (fortan: Bank) zur Sicherung der von dieser gewährten Darlehen abgetreten. Der Kläger hat mit dieser Bank und den Kreditversicherern von Lieferanten der Gemeinschuldnerin einen Poolvertrag geschlossen, demzufolge er unter anderem die sicherungshalber abgetretenen Forderungen der Gemeinschuldnerin im eigenen Namen einziehen darf.
Der Kläger hat den Kaufpreis für die letzte Warenlieferung der Gemeinschuldnerin eingeklagt und sich dazu auch auf die Einziehungsermächtigung aus dem Poolvertrag gestützt. Gegen den Aufrechnungseinwand der Beklagten beruft er sich auf Anfechtung. Seine Klage blieb in den Vorinstanzen ohne Erfolg. Mit der Revision verfolgt er sein Klagebegehren nur insoweit weiter, als das verkaufte Fleisch – im Wert von 82.633,64 DM – nicht unter Eigentumsvorbehalt der Firma P. stand.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Verurteilung der Beklagten, soweit die Klage noch weiterverfolgt wird.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Konkursgläubiger seien durch die Veräußerung des Fleisches nicht benachteiligt worden, weil die Kaufpreisforderung im voraus wirksam an die Bank abgetreten gewesen sei. Daran ändere es nichts, wenn die Aufrechnung der Beklagten entsprechend § 407 BGB zum Erlöschen ihrer Kaufpreisschuld geführt habe. Denn anderenfalls hätte die Bank die Forderung absondern können.
Der Kläger könne die Klageforderung auch nicht im Wege der gewillkürten Prozeßstandschaft für die Bank geltend machen. Sofern die Globalzession wirksam sei, sei die Kaufpreisforderung durch die Aufrechnung der Beklagten gemäß § 407 Abs. 1 BGB erloschen. Abgesehen davon habe der Kläger den genauen Umfang der Forderungen der Bank gegen die Gemeinschuldnerin nicht schlüssig dargetan.
II.
Dagegen rügt die Revision: Der geltend gemachte Anspruch ergebe sich aus § 37 i.V. § 30 Nr. 2 KO. Soweit die Ware nicht von der Firma P. geliefert worden sei, also im uneingeschränkten Eigentum der Gemeinschuldnerin gestanden habe, sei die Konkursmasse um den Bestand der ausgelieferten Ware geschmälert worden. Die Gläubigerbenachteiligung ergebe sich also nicht aus dem Verlust der Forderung, sondern aus dem Verlust der Ware.
Die Veräußerung der Ware habe der Beklagten eine inkongruente Sicherung im Sinne von § 30 Nr. 2 KO gewährt. Denn die Beklagte habe bis zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses keinen Anspruch auf die Ware gehabt und sei erst durch die Auslieferung in die Aufrechnungslage versetzt worden.
III.
Der Kläger hat die Herstellung der Aufrechnungslage durch die Beklagte angefochten.
1. Diese ist nicht identisch allein mit dem Abschluß der Kaufverträge, die vom 14. bis 18. Oktober 1996 erfüllt wurden.
Die Vertragsabschlüsse als solche könnten allenfalls gemäß § 30 Nr. 1 Fall 1 oder § 31 Nr. 1 KO anfechtbar sein. Die erstgenannte Norm ist aber nicht erfüllt, weil das verkaufte Fleisch unstreitig den ausgehandelten Preis wert war, die Gläubiger also durch die Vertragsabschlüsse – wie insoweit gesetzlich vorausgesetzt –nicht unmittelbar benachteiligt wurden. Aus diesem Grunde besteht auch kein Beweisanzeichen für eine Gläubigerbenachteiligungsabsicht mit Bezug auf den Inhalt der Kaufverträge (§ 31 Nr. 1 KO).
Der hier angefochtene Vorgang hatte jedoch ein zusätzliches Element, das über den bloßen Vertragsabschluß hinausging: Die Beklagte war zuvor schon Gläubigerin der PAS und versetzte sich insoweit durch die späteren Käufe zugleich in die Schuldnerstellung ihr gegenüber, die die Beklagte dann erst nach § 387 BGB zur Aufrechnung berechtigen konnte. Die Verknüpfung der ursprünglichen Gläubigerstellung mit einer eigenen schuldrechtlichen Verpflichtung stellt eine weitere, sichernde und die spätere Erfüllung vorbereitende Rechtsfolge dar. Angefochten wird die gläubigerbenachteiligendeWirkung, die durch eine Rechtshandlung verursacht wird (BGH, Urt. v. 21. Januar 1999 – IX ZR 329/97, ZIP 1999, 406; Henckel in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 2. Aufl., S. 813, 847 Rn. 76; Gerhardt, Die systematische Einordnung der Gläubigeranfechtung, S. 124 ff.). Die Handlung bestimmt zwar den Urheber und die Verantwortlichkeit mit. Zurückzugewähren ist aber nach Maßgabe des § 37 Abs. 1 KO der eingetretene Erfolg als solcher. Die Anfechtung richtet sich gegen diesen in vollem Umfang, soweit ein Anfechtungstatbestand eingreift. Trifft dies nur für einzelne, abtrennbare Wirkungen sogar einer einheitlichen Rechtshandlung zu, darf deren Rückgewähr nicht mit der Begründung ausgeschlossen werden, daß die Handlung auch sonstige, für sich nicht anfechtbare Folgen ausgelöst habe. Einen Rechtsgrundsatz, daß mehrere verursachte Wirkungen nur ganz oder gar nicht anfechtbar seien, gibt es auch für solche Folgen – hier: die Aufrechnungslage–nicht, die im Kausalverlauf einen Schritt ferner liegen als nähere, unanfechtbare (hier: der Vertragsschluß als solcher). Die Rückgewähr der Aufrechnungslage besteht gerade nicht in der Rückabwicklung des Kaufvertrages selbst, sondern im Gegenteil in der Durchsetzung der Kaufpreisforderung unabhängig von der Gegenforderung; diese kann also nicht im Wege der Aufrechnung zur Erfüllung der Schuld aus § 433 Abs. 2 BGB verwendet werden (vgl. BGH, Urteil vom 28. September 2000 – VII ZR 372/99, ZIP 2000, 2207, 2210, z.V.b. in BGHZ; Jaeger/Henckel, KO 9. Aufl. § 30 Rn. 279-288). Soweit der erkennende Senat in einem früheren Urteil vom 12. November 1998 (IX ZR 199/97, ZIP 1998, 2165, 2166) entschieden hat, der Konkursverwalter könne in derartigen Fällen die Wirkungen der Anfechtung nicht auf die Herstellung der Aufrechnungslage beschränken und den Kaufpreisanspruch gegen den Gläubiger geltend machen, hat er daran schon für Fallgestaltungen, die dem erwähnten Urteil des VII. Zivilsenats vom 28. September 2000 zugrunde lagen, nicht festgehalten. Er rückt von der Entscheidung vom 12. November 1998, aaO, nunmehr allgemein ab, soweit es um die Frage des Anfechtungsgegenstandes geht. Entsprechendes gilt für das Urteil des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 26. Mai 1971 (VIII ZR 61/70, WM 1971, 908, 909); dessen frühere Zuständigkeit für Konkurssachen ist inzwischen auf den IX. Zivilsenat übergegangen.
a) Zwar wird in den früheren Urteilen zutreffend hervorgehoben, statt des Abschlusses eines Kaufvertrages könne auch die Hingabe des Kaufgegenstandes an Erfüllungs Statt gewollt sein. Ein derartiger Wille ist im Einzelfall im Wege der Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu klären; er kann nicht allgemein unterstellt werden. Im Gegenteil gehen die Parteien – die beide in derselben Branche tätig waren – hier übereinstimmend davon aus, daß die Kaufverträge der PAS mit der Beklagten vom 14. oder 18. Oktober 1996 als solche gewollt waren, also nicht etwa eine verschleierte Leistung an Erfüllungs Statt auf die älteren Kaufpreisforderungen der Beklagten darstellten. Der Beklagten ging es nach ihrer Darstellung vielmehr auch und gerade darum, das Fleisch der PAS zu erwerben, weil die Beklagte dafür bessere Absatzmöglichkeiten gehabt habe.
b) Die Revision beruft sich darauf, daß der Kläger auch die Erfüllung der vertraglichen Leistungspflicht durch die Gemeinschuldnerin selbst (§ 433 Abs. 1 Satz 1 BGB), also deren Fleischlieferungen, angefochten hat. Als Grundlage dafür käme aber – neben § 31 Nr. 1 KO – nur § 30 Nr. 1 Fall 2 KO mit einer für den Kläger ungünstigeren Beweislastverteilung in Betracht. Denn solange die Kaufverträge selbst rechtlich Bestand behielten, war die Fleischlieferung als solche deren kongruente Erfüllung.
2. Auf der dargelegten Grundlage fordert der Kläger gemäß § 433 Abs. 2 BGB von der Beklagten den Kaufpreis für die Lieferungen vom 14. bis 18. Oktober 1996, soweit nicht Fleisch der Firma P. verkauft wurde. Auch wenn die Forderung an die Bank abgetreten ist, darf der Kläger sie aufgrund von Abschnitt II Nr. 1 des unter anderem von dieser Bank mit abgeschlossenen Vertrages vom 26. November/5. Dezember/19. Dezember 1996 im eigenen Namen einziehen. Entgegen den Zweifeln des Berufungsgerichts wäre es unerheblich, wenn die Höhe der Forderung der Bank nicht „schlüssig dargetan” wäre. Denn die Abtretung als abstraktes Rechtsgeschäft hängt in ihrer dinglichen Wirkung nicht vom Bestand der gesicherten Forderung ab. Im übrigen wäre insoweit, als die Bank nicht Forderungsinhaberin wäre, der Kläger ohnehin für die Konkursmasse verfügungsbefugt. Danach ist es unerheblich, daß der Kläger die von der Bank angemeldete Forderung in Höhe von 1.083.827,37 DM bestritten hat.
3. Die Begründung, mit der das Berufungsgericht den Anfechtungseinwand des Klägers gegen diese Aufrechnung nicht hat durchgreifen lassen, hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Entgegen der im Berufungsurteil vertretenen Auffassung hat die Herstellung der Aufrechnungslage die Gläubiger objektiv benachteiligt.
a) Eine solche Deckungshandlung kann entweder nach § 30 Nr. 2 oder § 30 Nr. 1 Fall 2 KO und gegebenenfalls gemäß § 31 Nr. 1 KO anfechtbar sein. Für alle drei Anfechtungstatbestände reicht schon eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung aus. Diese liegt hier vor:
Ohne die Aufrechnungslage hätte die Beklagte nur eine Konkursforderung gegen die Gemeinschuldnerin gehabt. Auf jene wäre nach Konkurseröffnung allenfalls eine Quote des Nennwerts entfallen. Dagegen hätte die Beklagte den Kaufpreis für die zwischen dem 14. und 18. Oktober 1996 bezogene Ware in voller Höhe an die Konkursmasse zahlen müssen. Infolge der Aufrechnung gelingt es ihr, diese vollwertige Schuld durch Aufopferung eines minderwertigen Anspruchs zu erfüllen. Hierdurch entgeht der Konkursmasse der Unterschied zwischen dem Nennwert der Kaufpreisschuld der Beklagten einerseits sowie der bloßen Quote auf deren Gegenforderung andererseits. Auf die übrigen Insolvenzgläubiger entfällt rechnerisch eine entsprechend geringere Insolvenzquote, so daß sie insgesamt geschädigt sind.
Hieran ändert die Abtretung der Kaufpreisforderung der Gemeinschuldnerin gegen die Beklagte an die Bank nichts Entscheidendes. Denn eine solche Sicherungsabtretung begründet im Konkursfalle nur ein Absonderungsrecht; d.h. die Konkursmasse verliert wirtschaftlich nicht die Inhaberschaft der Forderung, sondern die Bank als Sicherungsnehmerin erlangt lediglich ein Recht auf vorzugsweise Befriedigung. Erst eine Freigabe der dem Absonderungsrecht unterliegenden Forderung aus der Konkursmasse würde den Weg für eine Befriedigung gemäß §§ 4 Abs. 2, 127 Abs. 2 KO außerhalb des Konkursverfahrens freimachen (Senatsurteil vom 28. März 1996 – IX ZR 77/95, ZIP 1996, 842, 843). Das der Konkursmasse verbleibende Recht verkörpert durchweg noch einen selbständigen, im Kern geschützten Vermögenswert. Dies verdeutlichen die §§ 166 Abs. 2, 170, 171 InsO nur sinnfällig für das seit 1. Januar 1999 geltende Recht, indem sie dem Insolvenzverwalter das Verwertungsrecht und einen Anspruch auf Kostenbeiträge zuerkennen. Schon vor Inkrafttreten dieser Gesetzesbestimmungen verschaffte die wirtschaftliche Inhaberschaft als solche dem Konkursverwalter oft die bevorzugte Verwertungsmöglichkeit, die dann durchweg mit der Vereinbarung eines Erlösanteils zugunsten der Konkursmasse verbunden war. Dementsprechend haben die Sicherungsnehmer der Gemeinschuldnerin im vorliegenden Falle durch III des Poolvertrages dem Kläger für die Konkursmasse einen Anteil von 17,5% des Netto-Verwertungserlöses zugestanden. Dieser Vertrag schuf nicht etwa erst diesen Vermögenswert, sondern füllte ihn nur für die besonderen Umstände des vorliegenden Falles aus.
b) Dem steht das vom Berufungsgericht zitierte Senatsurteil vom 5. Dezember 1985 (IX ZR 165/84, ZIP 1986, 452, 454 f. = NJW-RR 1986, 536, 538 f.) nicht entgegen. In dem damals entschiedenen Fall hatte die Gemeinschuldnerin schon die von ihr später verkaufte Ware selbst an dasselbe Kreditinstitut übereignet, dem dann die Kaufpreisforderung ebenfalls abgetreten wurde. Damit wurde dessen Absonderungsrecht an der Ware nur vereinbarungsgemäß durch dasjenige an der Kaufpreisforderung ersetzt. In einem solchen bloßen Austausch einer konkursbeständigen Sicherung durch eine andere, jedenfalls nicht höherwertige wurde eine objektive Gläubigerbenachteiligung nicht gesehen.
IV.
Das Berufungsurteil beruht danach auf einem Rechtsfehler (§ 564 Abs. 1 ZPO). Es erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig; vielmehr ist die Klage in dem Umfange, wie sie weiterverfolgt wird, begründet (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Der Kläger kann die Herstellung der Aufrechnungslage als inkongruente Deckung gemäß § 30 Nr. 2 KO anfechten.
1. Die Beklagte hat die Aufrechnungslage durch die Bestellungen frühestens ab 14. Oktober 1986, also innerhalb der letzten zehn Tage vor dem Eröffnungsantrag der PAS begründet. Diesen Antrag nahm das Konkursgericht am 22. Oktober 1996 auf.
2. Die Aufrechnungslage wurde in inkongruenter Weise hergestellt, weil die Beklagte darauf keinen Anspruch hatte (vgl. Jaeger/Henckel, KO 9. Aufl. § 30 Rdn. 274; LG Saarbrücken NJW-RR 1996, 1274).
a) Zwar stand es der Beklagten frei, bei der PAS Fleisch zu bestellen. Diese wäre aber nicht zur Vertragsannahme verpflichtet gewesen. Daran ändert die von der Beklagten behauptete Vereinbarung vom 9. Oktober 1996 mit der PAS nichts, daß die Forderungen aus deren zunächst fällig werdenden Rechnungen mit den Außenständen der Beklagten verrechnet werden sollten. Eine solche Vereinbarung konnte Rechtswirkungen allenfalls auslösen, wenn die Gemeinschuldnerin einen Kaufantrag der Beklagten angenommen hatte. Ein Recht darauf, bestimmte Kaufverträge abzuschließen, gewährte die Vereinbarung nicht.
b) Soweit das Landgericht im vorliegenden Fall eine kongruente Deckung angenommen hat, hat es zu Unrecht auf die Aufrechnungserklärung und damit auf die Rechtslagenach Entstehen der wechselseitigen Forderungen abgestellt. Statt dessen ist schon der frühere Zeitpunkt unmittelbar vor Annahme des Kaufangebots maßgeblich, die erst als Folge die Aufrechnungslage begründete.
Das vom Landgericht zitierte Urteil BGHZ 86, 349, 353 ff. (= WM 1983, 215 ff.) steht der Annahme einer inkongruenten Deckung hier nicht entgegen. In jenem Falle hatte zwar der Gläubiger die Aufrechnungslage erst durch die Nutzung der auf der Baustelle befindlichen Sachen des Schuldners hergestellt, doch stand ihm jeweils schon vor der kritischen Zeit des § 30 Nr. 1 KO ein schuldrechtlicher Anspruch gerade auf diese Nutzung aufgrund einer gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung zu. Genauso verhielt es sich in dem durch Senatsurteil vom 9. März 2000 (IX ZR 355/98, ZIP 2000, 757 f.) entschiedenen Fall. Aus demselben Grund weicht der Senat mit der vorstehenden Wertung auch nicht etwa vom Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28. September 2000 (VII ZR 372/99, aaO) ab. In diesem Fall hatte der Gläubiger ebenfalls bereits gemäß § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOB/B einen mit der früheren Anlieferung an der Baustelle konkretisierten Anspruch auf die Nutzung, also eine kongruente Deckung erlangt.
3. Die Rechtshandlung hat die Insolvenzgläubiger benachteiligt (s.o. III. 3. a).
4. Die Beklagte hat auf der Grundlage ihres eigenen Vorbringens jedenfalls nicht substantiiert dargetan, daß ihr zur Zeit der Bestellung eine Absicht der PAS, sie vor den übrigen Gläubigern zu begünstigen, nicht bekannt war. Das gereicht ihr zum Nachteil, weil § 30 Nr. 2 KO die Beweislast insoweit dem Anfechtungsgegner auferlegt.
a) Begünstigungsabsicht ist der Wille des späteren Gemeinschuldners, einen einzelnen Gläubiger durch eine ihm gewährte Befriedigung oder Sicherung vor anderen zu bevorzugen (BGH, Urteil vom 3. März 1959 – VIII ZR 176/58, WM 1959, 470, 471 f.; vom 30. April 1959 – VIII ZR 179/58, WM 1959, 891, 892). Die Begünstigung braucht nicht der ausschließliche Zweck der Rechtshandlung gewesen zu sein; es genügt, wenn der Gemeinschuldner die Begünstigung neben anderen Zielen im Auge hatte (BGH, Urteil vom 13. November 1961 – VIII ZR 158/60, WM 1961, 1371 f.; Kilger/K. Schmidt, Insolvenzgesetze 17. Aufl. § 30 KO Anm. 21). Vorausgesetzt wird das Bewußtsein des Gemeinschuldners, daß er in Konkurs geraten könne, und sein Wille, auch und gerade für diesen Fall den Empfänger der anfechtbaren Leistung besserzustellen. Hat der Gemeinschuldner jenes Bewußtsein, so folgt daraus regelmäßig der Begünstigungswille. Lediglich die volle Überzeugung des Gemeinschuldners, daß er in absehbarer Zeit seine Gläubiger werde voll befriedigen können, schließt dann die Begünstigungsabsicht aus (BGHZ 128, 196, 202; BGH, Urteil vom 12. Juni 1963 – VIII ZR 30/62, KTS 1963, 177, 178 f.). Die bloße, unrealistische Hoffnung, über eine Finanzierungslücke hinwegzukommen, genügt nicht (BGH, Urteil vom 26. Juni 1997 – IX ZR 203/96, ZIP 1997, 1509, 1510; Kilger/K. Schmidt, aaO).
b) Eine derartige Begünstigungsabsicht des Geschäftsführers der PAS ist hier nicht auszuschließen. Nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten standen ihr am 11. Oktober 1996 Forderungen in Höhe von insgesamt 203.018,48 DM gegen die Gemeinschuldnerin zu. Die Beklagte hatte die Zahlungsweise der PAS als „größeres Problem” erkannt: Statt wie üblich nach vier bis fünf Wochen, erhielt die Beklagte das Geld von der PAS meist erst nach acht Wochen. Die Beklagte bemühte sich, den Debitorensaldo zu senken. Beim Kreditversicherer H. der Beklagten hatte sich der Geschäftsführer der PAS um eine Deckungssumme von 200.000 DM bemüht; diese hätte die offenstehenden Verbindlichkeiten im wesentlichen abgedeckt. Die Versicherung erteilte dagegen nur eine Deckungszusage von 30.000 DM. Einer solchen Einschätzung der Kreditwürdigkeit der PAS war, wie der Versicherer später selbst erklärte, „nichts mehr hinzuzufügen”. Nur zwei Tage nach dieser geringfügigen Deckungszusage – am 9. Oktober 1996 – kamen die PAS und die Beklagte überein, „die zunächst fällig werdenden Rechnungen von der Firma PAS mit unseren offenen Posten” zu verrechnen. Dem dienten die Lieferungen vom 14. bis 18. Oktober 1996. Am letztgenannten Tag löste die Hausbank der Gemeinschuldnerin Schecks in Höhe von fast 100.000 DM nicht mehr ein. Vier Tage später stellte der Geschäftsführer der PAS den Konkursantrag, in dem er die Verbindlichkeiten mit rund 1,8 Mio. DM angab; ob die nicht eingelösten Schecks „abredewidrig” vorgelegt worden waren, ist demgegenüber unerheblich.
Was die Beklagte demgegenüber ergänzend vorträgt, ist schon inhaltlich nicht geeignet, eine Begünstigungsabsicht des Geschäftsführers der PAS auszuräumen. Wenn dieser Ende September 1996 mit der Beklagten noch eine Ausweitung der Zusammenarbeit vereinbart hatte, erklärt das nicht, warum sofort nach der geringen Deckungszusage des Kreditversicherers vorrangig gerade eine Rückführung des Kreditengagements der Beklagten durch Verrechnungsgeschäfte vereinbart wurde. Dasselbe gilt für die Behauptung der Beklagten, der Debitorensaldo der PAS sei in der letzten Zeit vor dem Verrechnungsgeschäft sogar verringert worden: In den letzten beiden Monaten zuvor – seit 15. August 1996 – hatte die Beklagte gemäß ihren eigenen Angaben für 192.808,40 DM an die Gemeinschuldnerin geliefert und Zahlungen in Höhe von 223.725,36 DM erhalten. Dies verringerte den Sollsaldo nur in verhältnismäßig geringem Umfange. Im übrigen waren nach den eigenen Angaben der Beklagten zeitliche Schwankungen bei den Einkäufen wegen der besonderen Bedingungen des Fleischhandels durchaus üblich, so daß aus einer zwischenzeitlichen, geringfügigen Rückführung des Sollsaldos allein keine wirtschaftliche Gesundung abzuleiten war. Die Behauptung, die H. Kreditversicherungs-AG habe „noch in der Zeit vom 16.10.1996 … einen neuen Versicherungsvertrag zugunsten der Kunden der Gemeinschuldnerin abgeschlossen”, ist inhaltlich unerheblich. Denn sie läßt nicht erkennen, daß und in welchem Umfang die PAS weitergehend kreditfähig gewesen sein soll als vorher angenommen.
c) Die Begünstigungsabsicht kennt derjenige Gläubiger, der weiß, daß der Schuldner ihn durch die Deckungshandlung besserstellen will als andere Gläubiger. Im Rahmen des § 30 Nr. 2 KO muß der begünstigte Gläubiger deshalb entweder beweisen, daß er die Tatsachen nicht kennt, aus denen die Begünstigungsabsicht folgt. Gelingt ihm das nicht, so ist bis zum Beweis des Gegenteils auch zu vermuten, daß der Gläubiger den Schluß auf diese Absicht wenigstens in laienhafter Weise gezogen hat; eine zutreffende rechtliche Bewertung wird nicht vorausgesetzt.
Die Geschäftsleitung der Beklagten kannte alle diejenigen Tatsachen, die im vorliegenden Fall bis zum 14. Oktober 1996 eingetreten sind und entscheidend auf eine Begünstigungsabsicht hindeuten (s.o. b). Sie war daran selbst beteiligt. Zusätzlicher Hinweise auf geschäftliche Schwierigkeiten der PAS – welche die Beklagte bestreitet – bedurfte es nicht. Auch wenn sie als ferneren Erfolg auf eine Ausweitung der Geschäftsbeziehungen gehofft haben mag, beseitigt das nicht ihre unmittelbare Besserstellung durch die Begründung der Verrechnungslage. Die Beklagte behauptet zudem selbst nicht, sie habe die bestimmte Vorstellung gehabt, die PAS könne in absehbarer Zeit alle ihre Gläubiger befriedigen.
Damit hat die Beklagte einen schlüssigen Entlastungsbeweis nicht einmal angetreten. Die von ihr mit hergestellte Aufrechnungslage ist gemäß § 30 Nr. 2 KO anfechtbar und kann deshalb nicht zur Erfüllung der Klageforderung führen.
Zinsen kann der Kläger erst ab Klagezustellung beantragen. Denn erst aufgrund einer wirksamen Konkursanfechtung vermochte er den Aufrechnungseinwand der Beklagten auszuräumen.
Unterschriften
Kreft, Kirchhof, Fischer, Zugehör, Ganter
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 05.04.2001 durch Preuß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 584417 |
BGHZ |
BGHZ, 233 |
BB 2001, 1062 |
NJW 2001, 1940 |
BGHR 2001, 486 |
EWiR 2001, 883 |
KTS 2001, 342 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2001, 1041 |
WuB 2002, 729 |
ZAP 2001, 860 |
ZIP 2001, 885 |
InVo 2001, 277 |
MDR 2001, 1013 |
NZI 2001, 28 |
NZI 2001, 357 |
ZInsO 2001, 464 |