Leitsatz (amtlich)
1. Zum anwendbaren Recht auf den Innenausgleich zwischen den rumänischen Haftpflichtversicherern einer in Rumänien zugelassenen Zugmaschine und eines in Rumänien zugelassenen Aufliegers nach einem Unfall des Gespanns im März 2017 in Deutschland.
2. Zur Überprüfbarkeit des auf die Entscheidung des Rechtsstreits anzuwendenden ausländischen Rechts durch das Revisionsgericht.
Normenkette
EGV 593/2008 Art. 4 Abs. 4, Art. 7 Abs. 4; Verordnung (EG) Nr. 864/2007 Art. 19; EGBGB Art. 46d; ZPO §§ 93, 545 Abs. 1, § 560
Verfahrensgang
LG Rottweil (Entscheidung vom 13.10.2021; Aktenzeichen 1 S 13/21) |
AG Rottweil (Entscheidung vom 16.02.2021; Aktenzeichen 2 C 66/20) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Rottweil - 1. Zivilkammer - vom 13. Oktober 2021 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 2.089,08 € festgesetzt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Parteien, zwei Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer mit Sitz in Rumänien, streiten über Rückgriffsansprüche der Klägerin nach Regulierung eines Verkehrsunfallschadens.
Rz. 2
Die Klägerin behauptet, im März 2017 habe ein Gespann bestehend aus einer in Rumänien zugelassenen, bei der Klägerin haftpflichtver-sicherten Zugmaschine und einem in Rumänien zugelassenen, bei der Beklagten haftpflichtversicherten Auflieger auf einem Betriebsgelände in Deutschland eine Edelstahlsäule beschädigt. Sie habe den Schaden gegenüber der Geschädigten reguliert. Die Hälfte der an die Geschädigte geleisteten Zahlungen, einen Betrag von 2.089,08 €, verlangt die Klägerin nebst Zinsen von der Beklagten erstattet. Sie meint, auf ihren Rückgriffsanspruch sei deutsches Recht anwendbar und die Beklagte sei ihr nach § 78 Abs. 2 VVG in der bis zum 16. Juli 2020 geltenden Fassung (im Folgenden: VVG a.F.) zum hälftigen Schadensausgleich verpflichtet. Die Beklagte hält demgegenüber rumänisches Sachrecht für anwendbar, das den geltend gemachten Ausgleichsanspruch nicht vorsehe.
Rz. 3
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
Rz. 4
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Rz. 5
I. Das Berufungsgericht hat die Auffassung vertreten, auf den Rückgriffsanspruch finde deutsches Recht Anwendung.
Rz. 6
In Fällen wie dem vorliegenden könne der Leistende gemäß Art. 19 der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (ABl. EU Nr. L 199 S. 40, im Folgenden: Rom II-VO) einen Rückgriffsanspruch gegen den Anhängerversicherer geltend machen, soweit das nach Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (ABl. EU Nr. L 177 S. 6, im Folgenden: Rom I-VO) auf den Versicherungsvertrag des zuerst leistenden Versicherers anzuwendende Recht einen Eintritt des Versicherers in die Rechte des Geschädigten vorsehe. Entscheidend sei, welches Recht auf das Versicherungsverhältnis zwischen dem klagenden Versicherer und ihrem Versicherten, dem Halter der Zugmaschine, Anwendung finde. Nach Art. 7 Abs. 3 Rom I-VO sei dies grundsätzlich das Recht des Mitgliedstaates, in dem das Risiko belegen sei. Dies sei der Staat, in dem das Fahrzeug zugelassen sei, also Rumänien.
Rz. 7
Vorliegend seien jedoch die Voraussetzungen von Art. 7 Abs. 4 Buchst. b Rom I-VO in Verbindung mit Art. 46d EGBGB gegeben. Gemäß Art. 46c Abs. 2 EGBGB in der bis zum 30. Juni 2018 geltenden Fassung (im Folgenden: EGBGB a.F.), dessen Inhalt sich nunmehr wortlautidentisch in Art. 46d Abs. 2 EGBGB finde, unterliege der Versicherungsvertrag deutschem Recht, da § 1 AuslPflVG den Halter eines ausländischen Anhängers verpflichte, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen. In Rumänien sei dieses Risiko dagegen keiner Versicherungspflicht unterworfen, da das rumänische Recht abweichend vom deutschen Recht weder eine Halterhaftung des Anhängerhalters gegenüber dem Geschädigten noch einen Direktanspruch des Geschädigten gegen den Anhängerversicherer vorsehe.
Rz. 8
Etwas anderes gelte nicht deshalb, weil der Versicherungsschutz der nach rumänischem Recht abgeschlossenen Haftpflichtversicherungsverträge auch den Direktanspruch eines Geschädigten gegen den Anhän-gerhalter und dessen Versicherung umfasse, wenn das versicherte Fahrzeug in Deutschland bewegt werde. Zwar regele Art. 10 Abs. 2 Buchst. b der rumänischen Legea Nr. 132/2017 vom 31. Mai 2017 (Monitorul Oficial Teil I Nr. 431 vom 12. Juni 2017, im Folgenden: Legea Nr. 132/2017), dass die Haftpflichtversicherung im Außenverhältnis die nach dem Recht des Unfalllandes bestehenden Schadensersatzansprüche des Geschädigten abdecke. Eine hieraus abgeleitete Versicherungspflicht genüge aber nicht, da gerade keine genuine, originäre Versicherungspflicht rumänischen Rechts bestehe. Die rumänische Regelung verweise hinsichtlich Umfang und Ausgestaltung der Einstandspflicht lediglich auf die Vorschriften des Unfalllandes. Anders wäre es nur, wenn das rumänische Recht unabhängig von den deutschen Vorgaben selbständig, also originär, und nicht nur im Anschluss an eine in einem anderen Land bestehende Versicherungspflicht einen solchen Versicherungsschutz vorsähe. Art. 46c EGBGB a.F. erfasse gerade den Fall, dass ein Mitgliedstaat eine Versicherungspflicht vorschreibe, die in dem Staat, in dem das Risiko belegen sei, nicht bestehe. Art. 7 Abs. 4 Buchst. b Rom I-VO liefe leer, wenn darauf abgestellt werde, dass das Recht des Staates, in dem das Risiko belegen sei, den Versicherungsschutz erweitere, wenn das Fahrzeug in einem anderen Mitgliedstaat bewegt werde.
Rz. 9
Nach der deutschen Rechtslage zum Unfallzeitpunkt bestehe der Regressanspruch in Höhe der Hälfte der von der Klägerin geleisteten Zahlung. Die gesetzliche Regelung des § 78 Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. sei auch nicht abbedungen.
Rz. 10
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Rz. 11
1. Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfende (Senatsurteile vom 1. Juni 2016 - IV ZR 80/15, BGHZ 210, 277 Rn. 13; vom 11. Juli 2012 - IV ZR 122/11, juris Rn. 18) internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ist gegeben. Für die Entscheidung des Rechtsstreits sind die deutschen Gerichte jedenfalls gemäß Art. 26 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. EU Nr. L 351 S. 1) international zuständig, weil sich die Beklagte auf das vorliegende Verfahren eingelassen hat, ohne einen Mangel der Zuständigkeit zu rügen.
Rz. 12
2. Mit der gegebenen Begründung hat das Berufungsgericht nicht annehmen dürfen, der von der Klägerin erhobene Anspruch beurteile sich nach deutschem Recht und sei nach § 78 Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. begründet.
Rz. 13
Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass sich das auf den Rückgriffsanspruch der Klägerin anwendbare Recht, soweit der Innenausgleich der beteiligten Versicherer in den Anwendungsbereich von Art. 19 Rom II-VO fällt (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Januar 2016, ERGO Insurance und Gjensidige Baltic, C-359/14 und C-475/14, EU:C:2016:40 = VersR 2016, 797 Rn. 56 ff.), nach dem auf den Versicherungsvertrag des klagenden Versicherers anwendbaren Sachrecht richtet, das nach Art. 7 Rom I-VO zu bestimmen ist (EuGH, Urteil vom 21. Januar 2016 aaO Rn. 62; Senatsurteil vom 3. März 2021 - IV ZR 312/19, VersR 2021, 572 Rn. 29).
Rz. 14
Nicht frei von Rechtsfehlern ist aber die Annahme des Berufungsgerichts, die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 4 Buchst. b Rom I-VO in Verbindung mit Art. 46c EGBGB a.F. seien gegeben und dies führe zur Anwendung deutschen Rechts auf den Rückgriffsanspruch. Art. 7 Abs. 4 Buchst. b Rom I-VO eröffnet den Mitgliedstaaten im Hinblick auf Versicherungsverträge über Risiken, für die ein Mitgliedstaat eine Versicherungspflicht vorschreibt, die Möglichkeit zu bestimmen, dass auf den Versicherungsvertrag das Recht dieses Mitgliedstaats anzuwenden ist. Zu Unrecht stellt das Berufungsgericht im Rahmen der Ermittlung des gemäß Art. 7 Abs. 4 Buchst. b Rom I-VO anwendbaren Rechts auf das Versicherungsverhältnis zwischen dem Halter des Aufliegers und dessen Haftpflichtversicherer, der Beklagten, ab. Es bleibt vielmehr dabei, dass im Anwendungsbereich von Art. 19 Rom II-VO das auf den Versicherungsvertrag zwischen dem klagenden Versicherer und seinem Versicherten anzuwendende Recht zu bestimmen ist, um festzustellen, ob und in welchem Umfang er aus abgeleitetem Recht die Ansprüche des Geschädigten gegen den jeweils anderen Versicherer geltend machen kann (EuGH, Urteil vom 21. Januar 2016, ERGO Insurance und Gjensidige Baltic, C-359/14 und C-475/14, EU:C:2016:40 = VersR 2016, 797 Rn. 62; Senatsurteil vom 3. März 2021 - IV ZR 312/19, VersR 2021, 572 Rn. 29). Das ist hier der Versicherungsvertrag zwischen der Klägerin und der Halterin der Zugmaschine. Maßgebend ist demnach unter Anwendung von Art. 19 Rom II-VO i.V.m. Art. 7 Abs. 4 Buchst. b Rom I-VO, Art. 46d EGBGB vorliegend, ob ein Mitgliedstaat für auf dem Betrieb der Zugmaschine beruhende Risiken eine Versicherungspflicht vorsieht und insoweit die Anwendung seines Rechts anordnet.
Rz. 15
3. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich nicht gemäß § 561 ZPO aus anderen Gründen als richtig dar.
Rz. 16
a) Die Anwendbarkeit deutschen Sachrechts auf den Rückgriffsanspruch der Klägerin lässt sich nicht auf die Feststellungen stützen, die das Berufungsgericht zu demjenigen Recht getroffen hat, das auf den Versicherungsvertrag betreffend den Auflieger anwendbar ist. Zwar kann das auf den Rückgriffsanspruch anzuwendende Recht nach der Rechtsprechung des Senats allein nach Art. 7 Rom I-VO ohne Rückgriff auf Art. 19 Rom II-VO bestimmt werden. Dies führt zur Anwendung des auf den Versicherungsvertrag des beklagten Versicherers anwendbaren Rechts auf den Rückgriffsanspruch unter den Versicherern. Insoweit ist im Rahmen des Art. 7 Abs. 4 Buchst. b Rom I-VO zu prüfen, inwieweit die beteiligten Mitgliedstaaten den Halter des Anhängers zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung verpflichten und insoweit die Geltung ihres Sachrechts anordnen (vgl. Senatsurteil vom 3. März 2021 - IV ZR 312/19, VersR 2021, 572 Rn. 30 ff.). Dass der Versicherungsvertrag betreffend den Auflieger deutschem Sachrecht unterliegt, hat das Berufungsgericht aber mit einer nicht tragfähigen Begründung bejaht.
Rz. 17
aa) Wie das Berufungsgericht im Ergebnis richtig erkannt hat, ergibt sich aus Art. 7 Abs. 4 Buchst. b Rom I-VO in Verbindung mit dem - hier mit Blick auf Art. 229 § 42 EGBGB anwendbaren - Art. 46d EGBGB eine Anknüpfung für die Anwendung deutschen Sachrechts auf den Versicherungsvertrag zwischen der Beklagten und dem Halter des Aufliegers. Ein über eine Pflichtversicherung abgeschlossener Vertrag unterliegt deutschem Recht, wenn die gesetzliche Verpflichtung zu seinem Abschluss auf deutschem Recht beruht. Das ist hier der Fall. Abhängig vom regelmäßigen Standort des in Rumänien zugelassenen Aufliegers besteht gemäß § 1 Satz 1 PflVG oder gemäß § 1 Abs. 1 AuslPflVG eine Versicherungspflicht im Sinne von Art. 46d EGBGB (vgl. Senatsbeschlüsse vom 5. Mai 2021 - IV ZR 147/20, ZfSch 2021, 630 Rn. 16; IV ZR 228/20, r+s 2021, 684 Rn. 15; Senatsurteile vom 3. März 2021 - IV ZR 312/19, VersR 2021, 572 Rn. 33; vom 18. März 2020 - IV ZR 62/19, VersR 2020, 614 Rn. 17).
Rz. 18
bb) Dabei hat das Berufungsgericht es aber nicht bewenden lassen dürfen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich aus Art. 7 Abs. 4 Buchst. b Rom I-VO in Verbindung mit Art. 46d Abs. 1 EGBGB zugleich eine Anknüpfung für die Anwendbarkeit rumänischen Sachrechts auf den Versicherungsvertrag zwischen der Beklagten und dem Halter des Aufliegers ergibt. In diesem Fall wäre auf den Versicherungsvertrag rumänisches Recht anwendbar, so dass sich der Rückgriffsanspruch - soweit das auf ihn anwendbare Recht ohne Rückgriff auf Art. 19 Rom II-VO allein gemäß Art. 7 Rom I-VO ermittelt wird - nach rumänischem Sachrecht richtete.
Rz. 19
(1) Unterwerfen zwei Mitgliedstaaten dasselbe, gemäß Art. 7 Abs. 6 Rom I-VO in Verbindung mit Art. 13 Nr. 13 Buchst. b, Art. 310 und Anhang VII der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II-Richtlinie) nur in einem Mitgliedstaat belegene Risiko einer Versicherungspflicht, ist gemäß Art. 46d EGBGB auf den Rückgriffs-anspruch des Versicherers nach dem Rechtsgedanken des Art. 4 Abs. 4 Rom I-VO das Recht des Mitgliedstaats anzuwenden, mit dem der Vertrag die engste Verbindung aufweist (vgl. Staudinger in Ferrari, Internationales Vertragsrecht 3. Aufl. Rom I-VO Art. 7 Rn. 54; Schäfer in Looschelders/Pohlmann, VVG 3. Aufl. Internationales Versicherungsvertragsrecht Rn. 134; MünchKomm-BGB/Martiny, 8. Aufl. EGBGB Art. 46d Rn. 7; MünchKomm-VVG/Looschelders, 2. Aufl. Internationales Versicherungsvertragsrecht Rn. 118; NK-BGB/Leible, 3. Aufl. Rom I-VO Art. 7 Rn. 63; Armbrüster in Staudinger, BGB (2021) EGBGB Art. 46d Rn. 9). Der Versicherungsvertrag ist regelmäßig am engsten mit dem Staat verbunden, in dem das durch ihn gedeckte Risiko belegen ist. Das ist der Zulassungsstaat im Sinne von Art. 13 Nr. 13 Buchst. b Solvabilität II-Richtlinie, hier also Rumänien. Der Senat hat dies bereits im Zusammenhang mit einem Rückgriffsanspruch des Versicherers gegen seinen Versicherten entschieden und näher begründet (Senatsurteil vom 18. März 2020 - IV ZR 62/19, VersR 2020, 614 Rn. 18 f.). Die dortigen Erwägungen sind auf die Anknüpfung des Rückgriffsverhältnisses zweier beteiligter Versicherer untereinander übertragbar.
Rz. 20
(2) Auf der Grundlage seiner Feststellungen zum rumänischen Recht hat das Berufungsgericht nicht ausschließen dürfen, dass Art. 7 Abs. 4 Buchst. b Rom I-VO und Art. 46d Abs. 1 EGBGB zur Anwendung rumänischen Rechts auf den Versicherungsvertrag zwischen der Beklagten und dem Halter des Aufliegers führen.
Rz. 21
Allerdings ist der Senat grundsätzlich gemäß § 560 ZPO in Verbindung mit § 545 ZPO an die Feststellungen des Berufungsgerichts über den Inhalt ausländischen Rechts gebunden (Senatsbeschluss vom 3. Dezember 2014 - IV ZB 9/14, ZEV 2015, 163 Rn. 24; BGH, Urteil vom 14. Januar 2014 - II ZR 192/13, NJW 2014, 1244 Rn. 14; MünchKomm-ZPO/Krüger, 6. Aufl. § 545 Rn. 11; vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 15. Juni 2021 - II ZB 25/17, WM 2021, 1440 Rn. 24; vom 4. Juli 2013 - V ZB 197/12, BGHZ 198, 14 Rn. 13 ff. jeweils zu § 72 Abs. 3 FamFG). Eine auf nicht revisiblem Recht beruhende Berufungsentscheidung ist revisionsrechtlich aber insoweit nachprüfbar, als es auf eine nach revisiblem Recht beruhende Vorfrage ankommt (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juni 1992 - III ZR 39/91, NJW 1992, 2769 [juris Rn. 12]). So liegt es hier.
Rz. 22
Für die Feststellung, dass nicht auch das rumänische Recht die Haftpflicht des Aufliegers zum Unfallzeitpunkt im Sinne von Art. 46d Abs. 1 EGBGB einer Versicherungspflicht unterworfen und in Fällen mit Auslandsberührung seine Anwendung angeordnet hat, genügt hier - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht allein die Feststellung, das rumänische Sachrecht sehe abweichend von der deutschen Rechtslage weder eine Haftung des Aufliegerhalters gegenüber dem Geschädigten noch einen Direktanspruch des Geschädigten gegen den Versicherer des Aufliegers vor. Art. 46d Abs. 1 EGBGB setzt voraus, dass das Recht eines anderen Mitgliedstaats zum einen das im Streitfall betroffene Risiko, hier also die durch den Gebrauch eines im Ausland zugelassenen Fahrzeugs eintretende Haftpflicht (vgl. Senatsurteil vom 18. März 2020 - IV ZR 62/19, VersR 2020, 614 Rn. 17), einer Versicherungspflicht unterwirft und zum anderen in Fällen mit Auslandsberührung seine Anwendung anordnet (Senatsurteil vom 18. März 2020 aaO; Armbrüster in Prölss/Martin, VVG 31. Aufl. Erläuterungen zu Art. 1 ff. Rom I-VO Rn. 55; Armbrüster in Staudinger, BGB (2021) EGBGB Art. 46d Rn. 8; Dörner in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. Art. 46c Pflichtversicherungsverträge Rn. 10; MünchKomm-BGB/Martiny, 8. Aufl. EGBGB Art. 46d Rn. 5; Roth in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 3. Aufl. § 4 Rn. 101 f.; HK-BGB/Staudinger, 11. Aufl. EGBGB Art. 46d Rn. 1). Dabei ist - worauf die Revision zu Recht hinweist - die Frage, ob eine Versicherungspflicht für dasselbe Risiko besteht, von der Ausgestaltung der jeweiligen nationalen Haftungsregime zu trennen (vgl. Staudinger/Scharnetzki, IPrax 2022, 588, 592; Staudinger, NZV 2021, 314, 315).
Rz. 23
Zwar kann die Feststellung, dass eine Rechtsordnung das nach deutschem Recht einer Versicherungspflicht unterliegende Haftpflichtrisiko eines im Ausland zugelassenen Fahrzeugs nach ausländischem Recht keiner Versicherungspflicht unterwirft, im Einzelfall auf die sachverständige Feststellung gestützt werden, dass nach ausländischem Recht weder eine Halterhaftung noch ein Direktanspruch des Geschädigten gegen den Versicherer besteht (Senatsurteil vom 3. März 2021 - IV ZR 312/19, VersR 2021, 572 Rn. 34). Die Revision beanstandet mit ihrer Verfahrensrüge aber zu Recht, dass das Berufungsgericht den Inhalt des rumänischen Rechts unzureichend ermittelt hat. Der Tatrichter hat das ausländische Recht gemäß § 293 ZPO von Amts wegen nach pflichtgemäßem Ermessen zu ermitteln. Vom Revisionsgericht wird aber überprüft, ob er sein Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt, insbesondere sich anbietende Erkenntnisquellen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles hinreichend ausgeschöpft hat (Senatsurteil vom 18. März 2020 - IV ZR 62/19, VersR 2020, 614 Rn. 23; BGH, Beschluss vom 17. Mai 2018 - IX ZB 26/17, WM 2018, 1316 Rn. 12). Gemessen daran hat das Berufungsgericht sein Ermessen nicht rechtsfehlerfrei ausgeübt. Trotz entsprechenden Vorbringens der Beklagten hat es die Bestimmungen der rumänischen Legea Nr. 132/2017 unberücksichtigt gelassen, obwohl Art. 3 Legea Nr. 132/2017 eine Versicherungspflicht für in Rumänien zugelassene Fahrzeuge für jegliche zivilrechtliche Haftpflicht für Unfallschäden vorsieht. Diese Versicherungspflicht umfasst gemäß Art. 2 Nr. 27 Legea Nr. 132/2017 den Gebrauch von Anhängern und erstreckt sich gemäß Art. 2 Nr. 18 Buchst. b Legea Nr. 132/2017 auf das Gebiet der EU-Mitgliedstaaten. Daran ändert der Einwand der Revisionserwiderung nichts, dass die Vorschriften der Legea Nr. 132/2017 auf den Unfall vom März 2017 zeitlich nicht anwendbar seien. Mit der zeitlichen Anwendbarkeit der Legea Nr. 132/2017 hat sich das Berufungsgericht ebenso wenig befasst wie mit etwa anzuwendenden Vorgängervorschriften.
Rz. 24
Die erforderlichen Feststellungen, ob auch das rumänische Recht die Haftpflicht des Aufliegers zum Unfallzeitpunkt einer Versicherungspflicht unterworfen und in Fällen mit Auslandsberührung seine Anwendung angeordnet hat, lassen sich in der Revisionsinstanz nicht nachholen. Ausländisches Recht ist so anzuwenden, wie es der Richter des betreffenden Landes auslegt und anwendet (Senatsurteil vom 18. März 2020 - IV ZR 62/19, VersR 2020, 614 Rn. 23; BGH, Beschluss vom 17. Mai 2018 - IX ZB 26/17, WM 2018, 1316 Rn. 12). Aus den ihm zugänglichen Erkenntnisquellen kann der Senat weder feststellen, ob die Legea Nr. 132/2017 in zeitlicher Hinsicht auf den vorliegenden Unfall anwendbar ist, noch, welche Vorschriften möglicherweise anstelle der Legea Nr. 132/2017 zum Unfallzeitpunkt gegolten haben. Ebensowenig kann der Senat feststellen, inwieweit das rumänische Recht für einen über eine Pflichtversicherung abgeschlossenen Vertrag seine Anwendbarkeit vorgeschrieben hat.
Rz. 25
b) Die Feststellungen des Berufungsgerichts rechtfertigen auch nicht, gemäß Art. 19 Rom II-VO deutsches Recht auf den Rückgriffsanspruch anzuwenden. Zwar kann der Rückgriffsanspruch der Klägerin deutschem Recht unterliegen, wenn gemäß Art. 7 Abs. 4 Buchst. b Rom I-VO in Verbindung mit Art. 46d EGBGB auf den - gemäß Art. 19 Rom II-VO maßgebenden - Versicherungsvertrag betreffend die Zugmaschine deutsches Recht Anwendung findet. Das lässt sich aber auf der Grundlage des Berufungsurteils nicht feststellen.
Rz. 26
aa) Art. 7 Abs. 4 Buchst. b Rom I-VO und Art. 46d EGBGB ordnen für den Versicherungsvertrag betreffend die Zugmaschine im Ausgangspunkt zwar die Anwendung deutschen Sachrechts an. Nach deutschem Recht besteht auch für die in Rumänien zugelassene Zugmaschine eine Versicherungspflicht im Sinne von Art. 46d EGBGB abhängig vom regelmäßigen Standort entweder gemäß § 1 Satz 1 PflVG oder gemäß § 1 Abs. 1 AuslPflVG.
Rz. 27
bb) Nicht ausgeschlossen ist aber, dass über Art. 7 Abs. 4 Buchst. b Rom I-VO und Art. 46d Abs. 1 EGBGB rumänisches Sachrecht auf den Versicherungsvertrag betreffend die Zugmaschine anwendbar ist, weil das rumänische Recht zum Unfallzeitpunkt ebenfalls eine Versicherungspflicht vorgeschrieben und seine Anwendung angeordnet hat. Das Berufungsgericht hat weder Feststellungen dazu getroffen, ob das rumänische Recht für das Risiko einer durch den Gebrauch der Zugmaschine eintretenden Haftpflicht eine Versicherungspflicht vorschreibt, noch geprüft, ob es in Fällen mit Auslandsberührung seine Anwendung anordnet. Diese Feststellungen lassen sich in der Revisionsinstanz nicht nachholen. Zwar kann der Senat aufgrund der fehlenden Berücksichtigung des ausländischen Rechts durch das Berufungsgericht grundsätzlich den Inhalt dieses Rechts selbst ermitteln und der Entscheidung zugrunde legen (Senatsurteil vom 18. März 2020 - IV ZR 62/19, VersR 2020, 614 Rn. 17; Senatsbeschluss vom 3. Dezember 2014 - IV ZB 9/14, ZEV 2015, 163 Rn. 24; BGH, Urteile vom 12. November 2009 - Xa ZR 76/07, NJW 2010, 1070 Rn. 21; vom 12. November 2003 - VIII ZR 268/02, NJW-RR 2004, 308 [juris Rn. 13]). Wie hinsichtlich des Versicherungsverhältnisses betreffend den Auflieger kann der Senat die erforderlichen Feststellungen aber weder anhand der möglicherweise einschlägigen Bestimmungen der Legea Nr. 132/2017 noch aus den sonstigen ihm zugänglichen Erkenntnisquellen abschließend treffen.
Rz. 28
c) Die Anwendbarkeit rumänischen Rechts auf die Versicherungsverträge betreffend die Zugmaschine oder den Auflieger lässt sich auch nicht mit der Erwägung des Berufungsgerichts verneinen, eine Versicherungspflicht nach rumänischem Recht genüge dann nicht, wenn sie sich allein aus Art. 10 Abs. 2 Buchst. b (richtig: Buchst. a) Legea Nr. 132/2017 ableite, wonach die Haftpflichtversicherung im Außenverhältnis in jedem Fall die nach dem Recht des Unfalllandes bestehenden Schadensersatzansprüche des Geschädigten abdecke.
Rz. 29
Die Anwendbarkeit der Bestimmungen der Legea Nr. 132/2017 auf den Unfall vom März 2017 in zeitlicher Hinsicht unterstellt, deckt die sich daraus ergebende Versicherungspflicht auch dann kein geringeres Risiko ab als die Versicherungspflicht nach deutschem Recht, wenn sich der in Art. 10 Abs. 2 Buchst. a Legea Nr. 132/2017 geregelte Leistungsumfang der Pflichtversicherung nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats richtet, in dem der Unfall stattgefunden hat. Insoweit kommt es - entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung - wiederum nicht darauf an, ob der jeweilige Halter oder dessen Haftpflichtversicherer dem Geschädigten nach rumänischem Recht auf Schadensersatz haften. Das stattdessen maßgebliche Risiko, die durch den Gebrauch eines im Ausland zugelassenen Fahrzeugs eintretende Haftpflicht (vgl. Senatsurteil vom 18. März 2020 - IV ZR 62/19, VersR 2020, 614 Rn. 17), ist von der gemäß Art. 3 Legea Nr. 132/2017 verpflichtenden Haftpflichtversicherung für in Rumänien zugelassene Fahrzeuge gemäß Art. 2 Nr. 18 Buchst. b Legea Nr. 132/2017 im Gebiet aller Mitgliedstaaten der Europäischen Union umfasst. Dies ist - wie die Revision zutreffend sieht - eine Folge der unionsrechtlichen Harmonisierung des Deckungsumfangs der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung gemäß Art. 3 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2009/103/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und die Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht (ABl. EU Nr. L 263 S. 11).
Rz. 30
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts läuft bei einem anderen Verständnis die in Art. 7 Abs. 4 Buchst. b Rom I-VO geschaffene Möglichkeit der Sonderanknüpfung nicht leer. Die unionsrechtliche Harmonisierung des Deckungsumfangs widerspricht dem Zweck der Sonderanknüpfung auch dann nicht, wenn sie zur Anwendbarkeit des Rechts des Zulassungsstaats führt. Weder muss sich das die Versicherung verpflichtend vorschreibende Recht im Schutzinteresse der Allgemeinheit, insbesondere der Geschädigten (Armbrüster in Staudinger, BGB (2021) EGBGB Art. 46d Rn. 4; Dörner in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. Art. 46c Rn. 2; BeckOGK/Lüttringhaus, EGBGB Art. 46d Rn. 3 [Stand: 1. Dezember 2021]; MünchKomm-BGB/Martiny, 8. Aufl. EGBGB Art. 46d Rn. 2), gegenüber dem Recht des Zulassungsstaates durchsetzen, noch muss einer territorialen Verbundenheit zum die Versicherungspflicht vorschreibenden Staat (Armbrüster in Staudinger, BGB (2021) Art. 46d Rn. 4; HK-BGB/Staudinger, Art. 46d Rn. 1) Rechnung getragen werden.
Rz. 31
4. Ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union hinsichtlich der Frage, ob der im deutschen Recht den Regeln der Mehrfachversicherung unterliegende Innenausgleich der beteiligten Versicherer der Regelung des Art. 19 Rom II-VO unterfällt oder ob sich das auf den Innenausgleich anzuwendende Vertragsrecht allein nach Art. 7 Rom I-VO bestimmt (vgl. Senatsurteil vom 3. März 2021 - IV ZR 312/19, VersR 2021, 572 Rn. 30), ist nicht veranlasst. Jedenfalls weil sich - wie hier nach beiden Lösungswegen - die Notwendigkeit einer Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht ergibt, ist eine Vorlage nicht sachgerecht (vgl. Schoch/Schneider/Marsch, Verwaltungsrecht AEUV Art. 267 Rn. 38 [Stand: August 2022]). Aus prozessökonomischen Gründen sollten zum Zeitpunkt einer Vorlage der Sachverhalt und die ausschließlich nach nationalem Recht zu beurteilenden Fragen geklärt sein, so dass der Gerichtshof der Europäischen Union sich über alle Tatsachen- und Rechtsfragen unterrichten kann, auf die es bei der von ihm vorzunehmenden Auslegung des Unionsrechts möglicherweise ankommt (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Juli 1992, Meilicke/ADV/ORGA, C-83/91, Slg. 1992 I-4871 Rn. 26; Streinz/Ehricke, EUV/AEUV 3. Aufl. AEUV Art. 267 Rn. 38). Ergibt die Nachholung der gebotenen Feststellungen, dass auf beide Versicherungsverträge entweder einheitlich rumänisches oder einheitlich deutsches Recht anwendbar ist, fehlt es zudem an der Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage.
Rz. 32
III. Gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses die erforderlichen Feststellungen zum Inhalt des rumänischen Rechts treffen kann.
Prof. Dr. Karczewski |
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Dr. Brockmöller |
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Dr. Bußmann |
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Rust |
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Piontek |
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Fundstellen
Haufe-Index 15768844 |
NJW 2023, 9 |
NJW-RR 2023, 1146 |
WM 2023, 1456 |
JZ 2023, 480 |
JZ 2023, 482 |
MDR 2023, 1050 |
RIW 2023, 687 |
TranspR 2024, 232 |
VRS 2024, 30 |
r+s 2023, 758 |
IWRZ 2024, 46 |
r+s 2024, 728 |