Leitsatz (amtlich)
Als Garantieerklärung, die den in § 477 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB bestimmten Erfordernissen entsprechen muss, ist im Falle einer selbständigen Garantie die auf den Abschluss eines Garantievertrags gerichtete Willenserklärung des Unternehmers und bei einer unselbständigen Garantie dessen auf die Modifikation der gesetzlichen Rechtsbehelfe des Verbrauchers gerichtete Willenserklärung anzusehen (Ergänzung zu BGH, Urt. v. 14.4.2011 - I ZR 133/09, GRUR 2011, 638 Rz. 32 = WRP 2011, 866 - Werbung mit Garantie; Urt. v. 15.12.2011 - I ZR 174/10, GRUR 2012, 730 Rz. 43 = WRP 2012, 930 - Bauheizgerät).
Normenkette
UWG § 4 Nr. 11; BGB §§ 443, 477 Abs. 1 Sätze 1-2
Verfahrensgang
OLG Hamburg (Urteil vom 06.07.2011; Aktenzeichen 5 U 103/09) |
LG Hamburg (Entscheidung vom 14.08.2009; Aktenzeichen 406 HKO 80/09) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des OLG Hamburg - 5. Zivilsenat - vom 6.7.2011 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin steht beim Vertrieb von Fotoartikeln über die Internet-Plattform eBay mit der Beklagten in Wettbewerb. Sie nimmt diese wegen eines Kaufangebots, das die Beklagte unter Hinweis auf eine dabei nur hinsichtlich ihrer Laufzeit beschriebene Herstellergarantie gemacht hat, auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch. Ferner begehrt sie die Feststellung, dass die Beklagte ihr zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet ist.
Rz. 2
Die Beklagte bot am 16.11.2008 bei eBay eine neue Digitalkamera des Herstellers Nikon Modell Coolpix S210 samt Zubehör zum Preis von 133,50 EUR zum Kauf an. Die Beschreibung der Kamera enthielt u.a. den Hinweis "24 Monate Herstellergarantie". Weitere Angaben zu dieser Garantie waren in dem Angebot nicht enthalten.
Rz. 3
Nach Ansicht der Klägerin hat die Beklagte damit ihre Informationspflichten aus § 477 Abs. 1 Satz 2 BGB verletzt und zugleich wettbewerbswidrig gehandelt.
Rz. 4
Das LG hat der Klage mit dem Antrag,
es der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Bereich Fotoartikel über die Internet-Handelsplattform www.ebay.de den Abschluss entgeltlicher Verträge mit Verbrauchern anzubieten und/oder anbieten zu lassen und dabei eine Werbung mit dem Hinweis auf eine Garantie zu verwenden, ohne Angaben zu ihrem Inhalt und Geltungsbereich zu machen, wie in der Auktion vom 16.11.2008 unter der Artikelnummer 140281782654 geschehen,
sowie mit den Folgeanträgen stattgegeben, mit dem Zahlungsantrag allerdings nur i.H.v. 651,80 EUR - statt 755,80 EUR - nebst Zinsen.
Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass im Unterlassungstenor die Wörter "im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs" durch die Wörter "im Rahmen geschäftlicher Handlungen" ersetzt wurden.
Rz. 7
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 8
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Bestimmung des § 477 Abs. 1 Satz 2 BGB enthalte eine Regelung des Marktverhaltens, die immer dann gelte, wenn ein Unternehmen - wie hier die Beklagte - Verbrauchern gegenüber ein bindendes Kaufangebot mit einer Garantieerklärung mache. Soweit der angesprochene Verbraucher - wie im Streitfall - davon ausgehen könne, dass sich das Angebot nicht allein auf den Abschluss eines Kaufvertrags, sondern zugleich auf den Abschluss eines Garantievertrags erstrecke und er dieses Angebot daher insoweit ebenfalls nur noch anzunehmen brauche, müsse der Unternehmer die in § 477 Abs. 1 Satz 2 BGB genannten Angaben auch dann machen, wenn es sich nicht um eine Verkäufergarantie, sondern um eine Herstellergarantie handele.
Rz. 9
II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte dadurch, dass sie in ihrem Kaufangebot keine Angaben zum Inhalt der dabei zugleich angebotenen Herstellergarantie gemacht hat, gegen § 477 Abs. 1 Satz 2 BGB verstoßen hat (dazu unten unter II 1 bis 4). Mit Recht hat es auch angenommen, dass die Beklagte damit zugleich wettbewerbswidrig gehandelt hat und die von der Klägerin deswegen geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Ansprüche begründet sind (dazu unten unter II 5).
Rz. 10
1. Nach der für den Verbrauchsgüterkauf i.S.v. § 474 Abs. 1 BGB geltenden und gem. § 475 Abs. 1 BGB zwingenden Vorschrift des § 477 Abs. 1 Satz 1 BGB muss eine Garantieerklärung i.S.d. § 443 BGB einfach und verständlich abgefasst sein. Gemäß § 477 Abs. 1 Satz 2 BGB muss eine solche Erklärung zudem den Hinweis auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers und darauf, dass diese durch die Garantie nicht eingeschränkt werden (§ 477 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB), sowie den Inhalt der Garantie und alle wesentlichen Angaben enthalten, die für die Geltendmachung der Garantie erforderlich sind, insb. die Dauer und den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes sowie den Namen und die Anschrift des Garantiegebers (§ 477 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB). Diese Bestimmungen setzen die Vorschrift des Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 1999/44/EG zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter in das deutsche Recht um. Unter den Begriff der Garantieerklärung fallen dabei nur Willenserklärungen, die zum Abschluss eines Kaufvertrags (unselbständige Garantie) oder eines eigenständigen Garantievertrags führen, nicht dagegen die Werbung, die den Verbraucher lediglich zur Bestellung auffordert und in diesem Zusammenhang eine Garantie ankündigt, ohne sie bereits rechtsverbindlich zu versprechen (vgl. BGH, Urt. v. 14.4.2011 - I ZR 133/09, GRUR 2011, 638 Rz. 26 bis 31 = WRP 2011, 866 - Werbung mit Garantie, m.w.N.).
Rz. 11
2. Danach sind die Fälle, in denen ein Unternehmer gegenüber einem Verbraucher eine Garantieerklärung in dem vorstehend genannten Sinn abgibt und diese Erklärung daher den in § 477 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB bestimmten Erfordernissen entsprechen muss, von einer Werbung danach abzugrenzen, ob der Unternehmer - wie im Zweifel bei durch das Internet übermittelten Aufforderungen zur Bestellung - nur eine invitatio ad offerendum gemacht (vgl. BGH GRUR 2011, 638 Rz. 32 - Werbung mit Garantie; BGH, Urt. v. 15.12.2011 - I ZR 174/10, GRUR 2012, 730 Rz. 43 = WRP 2012, 930 - Bauheizgerät) oder aber bereits ein rechtsverbindliches Angebot i.S.d. § 145 BGB abgegeben hat und der Verbraucher damit zu entscheiden hat, ob er dieses annehmen soll. Als Garantieerklärung, die den in § 477 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB bestimmten Erfordernissen entsprechen muss, ist deshalb im Falle einer selbständigen Garantie die auf den Abschluss eines Garantievertrags gerichtete Willenserklärung des Unternehmers und bei einer unselbständigen Garantie dessen auf die Modifikation der gesetzlichen Rechtsbehelfe des Verbrauchers gerichtete Willenserklärung anzusehen (S. Lorenz in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., § 477 Rz. 3; Faust in Bamberger/Roth, BGB, 3. Aufl., § 477 Rz. 3 i.V.m. § 443 Rz. 14 f.). Dagegen ist in diesem Zusammenhang eine Unterscheidung zwischen selbständiger und unselbständiger Garantie nicht angebracht; insb. ist unerheblich, ob der Unternehmer auch der Verkäufer ist (Faust in Bamberger/Roth, a.a.O., § 477 Rz. 3 i.V.m. § 443 Rz. 11 f.). Die gegenteilige Auffassung vernachlässigt, dass gem. § 443 BGB, Art. 1 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie 1999/44/EG neben dem Verkäufer insb. auch der Hersteller Garantiegeber sein kann.
Rz. 12
3. Nach den vom Berufungsgericht getroffenen, unbeanstandet gebliebenen Feststellungen bezog sich das von der Beklagten gemachte Angebot aus der insoweit maßgeblichen Sicht der angesprochenen Verbraucher nicht allein auf den Abschluss eines Kaufvertrags, sondern auch auf den Abschluss eines Garantievertrags mit dem Hersteller. Ob die Beklagte dabei die Stellung einer Erklärungsvertreterin (§ 164 BGB) oder einer Erklärungsbotin (§ 120 BGB) hatte, ist für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung ohne Belang (vgl. unten Rz. 13).
Rz. 13
4. Die Revision macht auch vergeblich geltend, dass Herstellergarantien nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH, Urt. v. 23.3.1988 - VIII ZR 58/87, BGHZ 104, 82, 85 f. m.w.N.) jedenfalls in der Regel dadurch zustande kommen, dass der Ware - etwa in Form einer Garantiekarte - eine auf den Abschluss eines entsprechenden Vertrags gerichtete schriftliche Willenserklärung des Herstellers beiliegt und die Annahme dieser Erklärung durch den Käufer gem. § 151 BGB unter Verzicht auf eine Willenserklärung und deren Zugang gegenüber dem Hersteller erfolgt. Es erscheint schon als zweifelhaft, ob diese Rechtsprechung auch nach der der Umsetzung der Richtlinie 1999/44/EG dienenden Änderung der §§ 443, 477 BGB noch gelten kann (vgl. dazu H.P. Westermann in MünchKomm/BGB, a.a.O., § 443 Rz. 7; Faust in Bamberger/Roth, a.a.O., § 443 Rz. 14). Ihre Anwendung kommt aber jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn der Garantievertrag - wie im Streitfall - bereits zum selben Zeitpunkt wie der Kaufvertrag zustande gekommen ist.
Rz. 14
5. Die weiteren Voraussetzungen für die wettbewerbsrechtliche Haftung der Beklagten sind - wie die Revision selbst nicht in Zweifel zieht - ebenfalls erfüllt (vgl. im Einzelnen BGH GRUR 2011, 638 Rz. 16 bis 22 - Werbung mit Garantie, m.w.N.). Der Umstand, dass die Beklagte die beanstandete Garantieerklärung nicht im eigenen Namen, sondern als Erklärungsvertreterin oder Erklärungsbotin des Herstellers abgegeben hat, ist in diesem Zusammenhang unerheblich, weil die Beklagte dabei zugleich zugunsten ihres eigenen Unternehmens gehandelt hat. Zudem hätte auch bei einem Tätigwerden allein zugunsten des Herstellers eine geschäftliche Handlung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG vorgelegen.
Rz. 15
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
BlPMZ 2013, 312 |
EBE/BGH 2013 |
EWiR 2013, 739 |
GRUR 2013, 7 |
GRUR 2013, 851 |
IBR 2013, 496 |
ZIP 2013, 1480 |
JZ 2013, 478 |
MDR 2013, 1300 |
WRP 2013, 1029 |
GRUR-Prax 2013, 318 |
K&R 2013, 584 |
MMR 2013, 589 |
Mitt. 2014, 45 |