Leitsatz (amtlich)
a) Werden in einer Fernsehsendung Auskünfte zu allgemein interessierenden Rechtsfragen anhand von Fällen erteilt, die Zuschauer in der laufenden Sendung schildern, verstößt dies nicht gegen das Verbot, ohne Erlaubnis geschäftsmäßig fremde Rechtsangelegenheiten zu besorgen.
b) Dagegen liegt in der Ankündigung einer Fernsehanstalt, Zuschauern außerhalb der Fernsehsendung am Telefon Rechtsrat zu erteilen, ein Angebot zu einer Rechtsberatung im Sinne des Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG.
Normenkette
UWG § 1; BGB § 823 Abs. 2; RBerG Art. 1 § 1 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Nürnberg (Urteil vom 03.11.1998) |
LG Regensburg (Urteil vom 24.02.1998) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 3. November 1998 im Kostenpunkt und im übrigen teilweise aufgehoben und insgesamt wie folgt neu gefaßt:
Auf die Berufung des Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des Landgerichts Regensburg – 6. Zivilkammer – vom 24. Februar 1998 teilweise aufgehoben und insgesamt wie folgt neu gefaßt:
Der Beklagte wird unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,– DM oder einer an seinem gesetzlichen Vertreter zu vollziehenden Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, Ordnungshaft auch für den Fall, daß das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, verurteilt, es zu unterlassen, in Fernsehsendungen unter Einblendung einer Telefonnummer und einer Telefaxnummer die Erteilung von Rechtsrat außerhalb von Fernsehsendungen anzukündigen, insbesondere, wenn dies mit folgenden Worten geschieht:
„Herr R., wir klären das mal ab hinter den Kulissen. Wir rufen Sie dann zurück. Ist das ein Angebot?” …
„Und wenn noch Fragen übriggeblieben sind, rufen Sie uns weiterhin an. Unsere Experten, die sind noch bis 22.30 Uhr erreichbar.”.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger ¾ und der Beklagte ¼.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Beklagte, der als öffentlich-rechtliche Anstalt organisierte Bayerische Rundfunk, sendete am 18. Februar 1997 in zwei Teilen im dritten Programm des Bayerischen Fernsehens den Beitrag „Wir Schuldenmacher”. Während der Sendung, in der der Beklagte zunächst die persönliche Situation einzelner betroffener Schuldner zeigte und die Regelungen des künftig geltenden Insolvenzrechts darstellte, wurden wiederholt eine für Zuschauer geschaltete Telefonnummer und eine Telefaxnummer gezeigt. Im Laufe der Sendung eingehende Anrufe von Zuschauern oder Zuschriften nahmen die Moderatoren entgegen und leiteten sie an eine Gesprächsrunde weiter, die aus einem Schuldnerberater, dem Vorstandsmitglied einer Sparkasse, einem Ministerialbeamten und einem Rechtsanwalt und Konkursverwalter bestand. Der Inhalt der Gespräche mit den Zuschauern im einzelnen ergibt sich aus dem Klageantrag.
Der Kläger, ein Rechtsanwalt in R., hat den Beklagten wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz auf Unterlassung in Anspruch genommen. Er ist der Ansicht, der Beklagte habe in der Sendung Rechtsberatung angekündigt und den Anrufern Rechtsrat erteilt. In der Sendung habe nicht die Belehrung der Allgemeinheit im Vordergrund gestanden, sondern die Erteilung von Rechtsrat in konkreten Einzelfällen.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, in Fernsehsendungen unter Einblendung einer Telefonnummer und einer Telefaxnummer Rechtsrat zu erteilen und die Erteilung von Rechtsrat an Zuschauer anzukündigen, insbesondere wenn dies mit folgenden Worten geschieht:
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat geltend gemacht, es seien während der Sendung mehrere 100 Zuschaueranfragen eingegangen, von denen häufig gestellte Fragen und für Schuldner typische Probleme ausgewählt worden seien. Es seien nur Rechtsprobleme in allgemeiner Art dargestellt und hierzu Informationen gegeben worden. Rechtsberatung liege nur vor, wenn die Befassung mit einer fremden Rechtsangelegenheit mit einer gewissen Intensität erfolge. Die kurze Zeit habe nur eine sehr knappe Sachverhaltsschilderung und die Erteilung mehr oder weniger allgemeiner Ratschläge zugelassen.
Im Lichte der Presse- und Rundfunkfreiheit nach dem Grundgesetz sei es zulässig, exemplarisch Rechtsfälle und Rechtsprobleme des Alltags an konkreten Einzelfällen darzustellen. Ergänzend hat der Beklagte sich auf Verjährung berufen.
Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt, wobei es – über den Antrag des Klägers hinaus – einzelne Passagen der Moderation in dem Unterlassungsgebot zusätzlich gesondert hervorgehoben hat.
Das Berufungsgericht hat den Beklagten nach dem Antrag des Klägers verurteilt.
Mit seiner Revision begehrt der Beklagte weiter, die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat den Unterlassungsanspruch gemäß § 823 Abs. 2 i.V.m. § 1004 BGB und Art. 1 § 1 RBerG für begründet erachtet und hierzu ausgeführt:
Der Kläger sei befugt, den Unterlassungsanspruch geltend zu machen, weil er als Rechtsanwalt gegen einen Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz, das auch den Schutz seiner Betätigung bezwecke, vorgehen könne. Der Beklagte habe in der Sendung vom 18. Februar 1997 angeboten und angekündigt, Rechtsberatung im Einzelfall zu erteilen und diese Ankündigung auch umgesetzt. Den Zuschauern sei nicht nur ermöglicht worden, während der Sendung anzurufen, sondern auch in der Pause zwischen den zwei Sendeteilen und nach Abschluß der zweiten Sendung. Durch die vorangegangenen Filmbeiträge und die Darstellung des zukünftig gültigen Insolvenzrechts sei für die Zuschauer klargestellt gewesen, daß Gegenstand der Anrufe nicht wirtschaftliche oder soziale Probleme einer Überschuldung, sondern die Klärung rechtlicher Verhältnisse sein sollte. Der Beklagte habe in den im Klageantrag aufgeführten Dialogen konkrete Rechtsfragen beantwortet und Rechtsberatung im Einzelfall und geschäftsmäßig ohne die erforderliche Erlaubnis erteilt. Das Rechtsberatungsgesetz diene wichtigen Gemeinwohlinteressen. Deren Schutz gelte auch gegenüber Presse und Rundfunk. Ihr Informationsauftrag erfordere nicht, Zuschauern aufgrund zufällig eingehender und in keinem systematischen Zusammenhang stehender Anrufe individuell Rechtsrat zu erteilen.
Die Ansprüche des Klägers seien nicht verjährt. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 852 BGB sei ebensowenig abgelaufen wie die kurze Verjährungsfrist des § 21 UWG.
II. Die Revision des Beklagten hat teilweise Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage, soweit der Beklagte nicht angekündigt hat, außerhalb der beanstandeten Sendung Rechtsrat zu erteilen. Im übrigen (Ankündigung, außerhalb der Sendung Rechtsrat zu erteilen) bleibt es bei dem vom Berufungsgericht ausgesprochenen Unterlassungsgebot.
1. Das Berufungsgericht ist zutreffend von der Bestimmtheit des Klageantrags ausgegangen. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Unterlassungsantrag nicht so undeutlich gefaßt sein, daß der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht mehr klar umrissen sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was dem Beklagten verboten ist (vgl. BGH, Urt. v. 24.11.1999 – I ZR 189/97, GRUR 2000, 438, 440 = WRP 2000, 389 – Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge; BGHZ 144, 255, 263 – Abgasemissionen; BGH, Urt. v. 26.10.2000 – I ZR 180/98, GRUR 2001, 453, 454 = WRP 2001, 400 – TCM-Zentrum; Urt. v. 9.11.2000 – I ZR 167/98, GRUR 2001, 529, 531 = WRP 2001, 531 – Herz-Kreislauf-Studie).
Dem entspricht der Klageantrag. In ihm wird durch wörtliche Wiedergabe der zwei Sendeteile die beanstandete Verletzungsform angeführt und der allgemein gehaltene Begriff der Erteilung von Rechtsrat ausreichend konkretisiert.
2. Der Unterlassungsanspruch des Klägers ist nach § 1 UWG i.V.m. Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG nur im vorstehend angeführten Umfang begründet.
a) Der Kläger ist entgegen der Ansicht der Revision als unmittelbar betroffener Wettbewerber des Beklagten sachbefugt.
Als unmittelbar von einer zu Wettbewerbszwecken begangenen Handlung betroffen sind grundsätzlich diejenigen Mitbewerber anzusehen, die zu dem Verletzer in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stehen. Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis ist dann gegeben, wenn beide Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen mit der Folge, daß das konkret beanstandete Wettbewerbsverhalten den anderen beeinträchtigen, d.h. im Absatz behindern oder stören kann (vgl. BGH, Urt. v. 5.10.2000 – I ZR 210/98, GRUR 2001, 258 = WRP 2001, 146 – Immobilienpreisangaben; BGH, Urt. v. 5.10.2000 – I ZR 237/98, GRUR 2001, 260 = WRP 2001, 148 – Vielfachabmahner; Großkomm./Erdmann, § 13 UWG Rdn. 13 f.; Pastor/Ahrens/Jestaedt, Der Wettbewerbsprozeß, 4. Aufl., Kap. 23 Rdn. 6 f.).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Der Beklagte hat den Zuschauern angeboten, sie in der zweiteiligen Sendung vom 18. Februar 1997 in dem Zeitraum von 45 Minuten zwischen den Sendeteilen und für 30 Minuten nach Ende der Sendung rechtlich zu beraten. Der Beklagte hat trotz seiner andersartigen Branchenzugehörigkeit als Fernsehanstalt im Verhältnis zum Kläger gleichartige Dienstleistungen innerhalb desselben Abnehmerkreises angeboten und ist dadurch in Wettbewerb zu dem Kläger getreten.
Ohne Erfolg macht die Revision geltend, der Kläger habe seine Beeinträchtigung nicht ausreichend dargelegt. Für die Annahme eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses ist jedoch nicht der Nachweis erforderlich, daß dem Kläger aufgrund der Fernsehsendung tatsächlich Mandate entgangen sind. Ausreichend ist, daß der Wettbewerbsverstoß des Beklagten geeignet ist, den Kläger – wie vorliegend gegeben – im Absatz seiner Dienstleistungen unmittelbar zu behindern. Das ist bei dem im Sendebereich des Beklagten ansässigen Kläger der Fall.
b) Das Berufungsgericht hat in sämtlichen im Klageantrag angeführten in der laufenden Sendung ausgestrahlten 14 Fällen einen Verstoß gegen Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG gesehen. Das hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Eine – erlaubnispflichtige – Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten i.S. des Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG liegt vor, wenn eine geschäftsmäßige Tätigkeit darauf gerichtet und geeignet ist, konkrete fremde Rechtsangelegenheiten zu verwirklichen oder konkrete Rechtsverhältnisse zu gestalten (vgl. BGH, Urt. v. 16.3.1989 – I ZR 30/87, GRUR 1989, 437, 438 = WRP 1989, 508 – Erbensucher; Urt. v. 18.5.1995 – III ZR 109/94, NJW 1995, 3122; Urt. v. 30.3.2000 – I ZR 289/97, GRUR 2000, 729, 730 = WRP 2000, 727 – Sachverständigenbeauftragung, jeweils m.w.N.).
In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß die in Zeitungen und Zeitschriften an die gesamte Leserschaft gerichtete allgemeine Rechtsbelehrung über juristische Fragen aufgrund einer (fingierten) Anfrage anhand eines typischen Sachverhalts von allgemeinem Interesse zulässig ist, weil nicht die Rechtsberatung im konkreten Fall im Vordergrund steht (vgl. BGH, Urt. v. 13.12.1955 – I ZR 20/54, GRUR 1957, 425, 426 – Ratgeber; Urt. v. 13.2.1981 – I ZR 63/79, GRUR 1981, 529, 530 = WRP 1981, 385 – Rechtsberatungsanschein).
Ob die Erteilung von Rat zu Rechtsverhältnissen in Medien aufgrund eines konkreten Falles als Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz aufzufassen ist (so Henssler/Prütting, BRAO, Art. 1 § 1 RBerG Rdn. 6; Rennen/Caliebe, Rechtsberatungsgesetz, 3. Aufl., Art. 1 § 1 Rdn. 21; Altenhoff/Busch/Chemnitz, Rechtsberatungsgesetz, 10. Aufl., Rdn. 50 f., 53; König, Rechtsberatungsgesetz, S. 71; Hirtz, EWiR 1998, 853, 854; Henssler/Holthausen, EWiR 1999, 419, 420) oder die Darstellung und Besprechung eines typischen Sachverhalts anhand eines konkreten Falles zulässig ist, wenn nicht der Einzelfall im Vordergrund steht (in diesem Sinn: OLG Dresden AfP 1996, 180; OLG Köln NJW 1999, 504, 505 f.; Flechsig, ZUM 1999, 273, 275; Prinz/Peters, Medienrecht, Rdn. 238), ist umstritten.
Bei der Abgrenzung erlaubnisfreier Geschäftsbesorgung von erlaubnispflichtiger Rechtsbesorgung wird vom Bundesgerichtshof auf den Kern und den Schwerpunkt der Tätigkeit abgestellt, weil eine Besorgung wirtschaftlicher Belange vielfach auch mit rechtlichen Vorgängen verknüpft ist. Daher ist zu fragen, ob die Tätigkeit überwiegend auf wirtschaftlichem Gebiet liegt und die Wahrnehmung wirtschaftlicher Belange bezweckt oder ob die rechtliche Seite der Angelegenheit im Vordergrund steht und es wesentlich um die Klärung rechtlicher Verhältnisse geht. Für die Einstufung als erlaubnispflichtige Rechtsbesorgung kann in Anbetracht der Tatsache, daß nahezu alle Lebensbereiche rechtlich durchdrungen sind und kaum eine wirtschaftliche Betätigung ohne rechtsgeschäftliches Handeln möglich ist oder ohne rechtliche Wirkung bleibt, nicht allein auf die rechtlichen Formen und Auswirkungen des Verhaltens abgestellt werden. Es bedarf vielmehr einer abwägenden Beurteilung des jeweils beanstandeten Verhaltens danach, ob es sich hierbei um Rechtsbesorgung handelt oder ob es um eine Tätigkeit geht, welche von anderen Dienstleistern erfüllt werden kann, ohne daß die Qualität der Dienstleistung oder die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege und die zu ihrer Aufrechterhaltung benötigten Rechtsberater beeinträchtigt werden (BGH, Urt. v. 25.6.1998 – I ZR 62/96, GRUR 1998, 956, 957 = WRP 1998, 976 – Titelschutzanzeigen für Dritte; BGH GRUR 2000, 729, 730 – Sachverständigenbeauftragung, jeweils m.w.N.; vgl. auch GroßKomm. UWG/Teplitzky, § 1 Rdn. G 119). Zudem ist mit Rechtsberatung im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes grundsätzlich nur die umfassende und vollwertige Beratung der Rechtsuchenden gemeint (BVerfGE 97, 12, 28).
Diese Grundsätze sind auch bei der Beurteilung, ob durch die konkrete Gestaltung einer Fernsehsendung gegen das Rechtsberatungsgesetz verstoßen wird, entsprechend heranzuziehen (vgl. hierzu auch: Rennen/Caliebe aaO Art. 1 § 1 RBerG Rdn. 23). In die Abwägung sind die das Rechtsberatungsgesetz tragenden Belange des Gemeinwohls einzubeziehen, den einzelnen und die Allgemeinheit vor ungeeigneten Rechtsberatern zu schützen und die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege nicht zu gefährden (vgl. BVerfGE 97, 12, 27; BVerfG NJW 2000, 1251). Dabei ist auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der rechtsberatenden Berufe Rücksicht zu nehmen.
Weiter ist zu berücksichtigen, daß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG die Rundfunkfreiheit gewährleistet, die der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung dient (vgl. BVerfGE 90, 60, 87). Die sich aus allgemeinen Gesetzen ergebenden Grenzen des Grundrechts der Freiheit der Berichterstattung durch Presse und Rundfunk muß im Licht dieses Grundrechts gesehen werden. Die allgemeinen Gesetze sind daher aus der Erkenntnis der Bedeutung dieses Grundrechts auszulegen und so in ihrer dieses Grundrecht beschränkenden Wirkung selbst wieder einzuschränken (vgl. BVerfGE 71, 206, 214). Die Einschränkung der Presse- und Rundfunkfreiheit muß zudem geeignet und erforderlich sein, den Schutz des allgemeinen Gesetzes – hier des Rechtsberatungsgesetzes – zu bewirken.
Im Streitfall hat der Beklagte in der Ausstrahlung der Fragen 1 bis 14 und der dargestellten Antworten nicht unter Verstoß gegen Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG Rechtsrat erteilt. Die Schutzgüter des Rechtsberatungsgesetzes werden durch die Sendebeiträge in den 14 Fällen nicht berührt. Der Beklagte hat nur allgemein interessierende Fälle zu dem Thema „Schuldenmachen” besprochen. Es wurden die Kredithaftung von Eheleuten nach der Trennung, die Zins- und Zahlungsabwicklung bei sehr hoher Verschuldung aufgrund eines (gewerblichen) Kredits, Verbindlichkeiten beim Finanzamt, die Haftungsfortdauer nach dem Tod eines (Mit-)Verpflichteten und die Vererbbarkeit von Schulden, die Errichtung eines Bankkontos trotz zweifelhafter Bonität, die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung, die Verjährung titulierter Forderungen und die Löschung im Schuldnerverzeichnis behandelt. Weiter sprachen die Anrufer Fragen zur Pfändbarkeit von Mutterschutzgeld und zum Abschluß eines Ehevertrages, die Abwicklung eines durch Kredit finanzierten Möbelkaufs, zu einer strafrechtlichen Verstrickung bei einer Darlehensaufnahme, zur Möglichkeit der Übernahme von Unterhaltszahlungen durch eine Unterhaltsvorschußkasse und zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber wegen Pfändung des Arbeitslohnes an, die die im Studio des Beklagten anwesenden Mitglieder der Gesprächsrunde beantworteten. Auch in den Fällen Nr. 9 und Nr. 11, in der Gläubiger zu Worte kamen, wurden nur allgemein interessierende Fragen zum Themenkreis „Schuldenmachen” behandelt, auch wenn Anrufer in diesen Fällen nicht Schuldner, sondern Gläubiger waren.
Die Beiträge zu den Fällen 1 bis 14 unterfallen nicht dem Verbot des Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG. Es handelt sich um die Besprechung einer überschaubaren Anzahl allgemein interessierender Sachverhalte. Die Auskünfte konnten aufgrund des mit der Sendung verbundenen Zeitdrucks und der fehlenden Möglichkeit, sämtliche Aspekte des Falles einschließlich der schriftlichen Vertragsunterlagen in die rechtliche Beurteilung einzubeziehen, nicht abschließend sein und mußten deshalb unverbindlich bleiben. Das war für die Anrufer und Zuschauer auch erkennbar. Diese konnten nicht erwarten, umfassend informiert und beraten zu werden, wie es eine Rechtsberatung im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes voraussetzt. Auf den nicht abschließenden Charakter der Auskünfte wurde wiederholt hingewiesen (Fälle Nr. 2, 3, 4 und 14) und die Notwendigkeit, weitere Beratungsmöglichkeiten (Schuldnerberatung und Rechtsanwälte) in Anspruch zu nehmen, betont.
Wegen der ersichtlich nicht abschließenden Beurteilung der Fälle in einer Fernsehsendung wurden weder der Schutz des einzelnen oder der Allgemeinheit vor ungeeignetem fachlichen Rat betroffen noch wurden bei der Zahl der Anrufer die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der rechtsberatenden Berufe tangiert. Vielmehr stand die allgemeine Unterrichtung der Zuschauer über typische allgemein interessierende Sachverhalte im Rahmen einer Fernsehsendung im Vordergrund und nicht die Erteilung von Rechtsrat im konkreten Fall, auch wenn einzelne Anrufer die Gelegenheit erhielten, ihren Fall darzustellen und sie hierzu Auskünfte bekamen.
Das Berufungsgericht ist aber mit Recht davon ausgegangen, daß der Beklagte in der Sendung wiederholt angekündigt hat, außerhalb der Fernsehsendung geschäftsmäßig Rechtsberatung im Einzelfall entgegen Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG zu erteilen. Er hat nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts den Zuschauern angeboten, ihnen in der Zeit zwischen den zwei Programmteilen und im Anschluß an die Sendung am Telefon Rechtsrat zu erteilen. Weiter hat er bei der Erörterung der Frage Nr. 9 dem Anrufer angeboten, ihn zur Klärung der von ihm aufgeworfenen Fragen außerhalb der Sendung zurückzurufen.
Die Erteilung von Rechtsrat im Einzelfall außerhalb der laufenden Sendung ist nicht mehr durch das allgemeine Interesse begründet, die Zuschauer anhand konkreter Fälle über typische Sachverhalte zu unterrichten und läßt sich auch nicht damit rechtfertigen, daß der Beklagte auf diese Weise eine möglichst große Zahl von Anrufern erhalten wollte, aus denen er die für die Sendung am besten geeignetsten Fälle herausfiltern konnte. Die Ankündigung stellte sich für die Zuschauer zudem als ein Angebot zu einer vollwertigen (telefonischen) Rechtsberatung dar. Bei einem Anruf außerhalb der Sendung, bei der nicht der in einer Fernsehsendung bestehende Zeitdruck bestand, konnten die Anrufer erwarten, daß sie ihr Problem im einzelnen darstellen konnten und eine darauf abgestellte umfassende Rechtsberatung erhalten würden. Entsprechendes gilt für den angekündigten Rückruf im Fall Nr. 9, der außerhalb der Sendung erfolgen sollte, weil dem Anrufer zugesagt worden war, das von ihm aufgeworfene Rechtsproblem zunächst zu klären. Dann konnte der Anrufer erwarten, einen umfassenden und nicht nur vorläufigen Rechtsrat zu erhalten.
c) Der Beklagte hat bei der Ankündigung, Zuschauern außerhalb der Sendung am Telefon Rechtsrat zu erteilen, entgegen der Ansicht der Revision auch zu Zwecken des Wettbewerbs im Sinne von § 1 UWG gehandelt. Davon ist auszugehen, wenn das Verhalten objektiv geeignet ist, den Absatz von Waren oder Dienstleistungen einer Person zum Nachteil einer anderen zu begünstigen und wenn der Handelnde in subjektiver Hinsicht zusätzlich in der Absicht vorgegangen ist, den eigenen oder fremden Wettbewerb zum Nachteil eines anderen zu fördern, sofern diese Absicht nicht völlig hinter anderen Beweggründen zurücktritt (vgl. BGH, Urt. v. 17.2.1983 – I ZR 194/80, GRUR 1983, 379, 380 = WRP 1983, 395 – Geldmafiosi; Urt. v. 20.3.1986 – I ZR 13/84, GRUR 1986, 812, 813 = WRP 1986, 547 – Gastrokritiker; Urt. v. 20.2.1997 – I ZR 12/95, GRUR 1997, 907, 908 = WRP 1997, 843 – Emil-Grünbär-Klub). Die im Streitfall gegebene objektive Eignung des Verhaltens des Beklagten, den Absatz seiner Dienstleistungen zum Nachteil des Klägers zu begünstigen (vgl. hierzu Abschnitt II 2 a), begründet wegen des dem Beklagten zukommenden allgemeinen Presse- und Rundfunkprivilegs nach Art. 5 Abs. 1 GG keine Vermutung für eine Wettbewerbsabsicht (vgl. hierzu: BGH, Urt. v. 10.11.1994 – I ZR 216/92, GRUR 1995, 270, 272 = WRP 1995, 186 – Dubioses Geschäftsgebaren). Daher bedarf es vorliegend konkreter Umstände, wonach neben der Wahrnehmung der publizistischen Aufgabe des Beklagten die Absicht, eigenen oder fremden Wettbewerb zu fördern, eine größere als nur notwendig begleitende Rolle gespielt hat (vgl. BGH, Urt. v. 30.4.1997 – I ZR 196/94, GRUR 1997, 912, 913 = WRP 1997, 1048 – Die Besten I; Urt. v. 30.4.1997 – I ZR 154/95, GRUR 1997, 914, 915 = WRP 1997, 1051 – Die Besten II). Vom Vorliegen einer Wettbewerbsabsicht des Beklagten ist im Streitfall auszugehen. Der Beklagte förderte, indem er die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten anbot, seinen eigenen Wettbewerb zu Lasten der Rechtsanwaltschaft, was ihm auch bewußt war. Diese Förderung stellte keine notwendig begleitende Rolle dar, weil der Beklagte mit einem telefonischen Rechtsberatungsservice außerhalb der Sendung die unabdingbare Beschränkung der Rechtsberatung auf die journalistische Berichterstattung und Informationserteilung an die Zuschauer über allgemein interessierende Rechtsfragen nicht mehr einhielt.
3. Der Unterlassungsanspruch des Klägers besteht im zuerkannten Umfang auch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG, weil diese Vorschrift Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ist (vgl. BGHZ 15, 315, 317; 48, 12, 16; Altenhoff/Busch/Chemnitz, aaO Rdn. 234; Henssler/Prütting aaO Art. 1 § 1 RBerG Rdn. 63; Rennen/Caliebe aaO Art. 1 § 1 Rdn. 205) und der Kläger entgegen der Ansicht der Revision klagebefugt ist. Er ist als Rechtsanwalt, der in dem Sendegebiet des Beklagten tätig ist, von der öffentlichen Ankündigung unzulässiger Rechtsberatung auch konkret betroffen worden.
4. Mit Recht ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, daß weder die Verjährungsfrist des § 852 BGB noch diejenige des § 21 UWG abgelaufen ist. Die Revision erhebt gegen diese Beurteilung des Berufungsgerichts auch keine Einwendungen.
III. Auf die Revision des Beklagten war danach unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen das Berufungsurteil im Kostenpunkt und insoweit aufzuheben, als der Beklagte verurteilt worden ist, es zu unterlassen, Rechtsrat zu erteilen und die Erteilung von Rechtsrat anzukündigen, sofern er sich nicht auch erboten hat, Rechtsrat außerhalb der Sendung zu erteilen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Erdmann, v. Ungern-Sternberg, Starck, Pokrant, Büscher
Fundstellen
BB 2002, 1511 |
NJW 2002, 2882 |
BGHR 2002, 696 |
BGHR |
GRUR 2002, 987 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2002, 2022 |
AfP 2002, 421 |
MDR 2002, 1205 |
WRP 2002, 956 |
ZUM 2002, 639 |
DVBl. 2002, 1279 |
K&R 2002, 491 |
BRAK-Mitt. 2002, 192 |
KammerForum 2002, 282 |