Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückzahlung der Mietkaution durch Grundstückserwerber bei fehlender insolvenzsicherer Anlage durch Voreigentümer
Leitsatz (amtlich)
Auf den Ersteher eines vermieteten Grundstücks geht die Verpflichtung zur Rückzahlung der Mietsicherheit an den Mieter kraft Gesetzes auch dann über, wenn der insolvent gewordene Voreigentümer die vom Mieter erhaltene Mietsicherheit nicht getrennt von seinem sonstigen Vermögen angelegt hatte.
Normenkette
BGB §§ 566a, 578; ZVG § 57
Verfahrensgang
LG Braunschweig (Urteil vom 22.12.2009; Aktenzeichen 6 S 60/09 (015)) |
AG Braunschweig (Urteil vom 14.01.2009; Aktenzeichen 115 C 465/08) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 6. Zivilkammer des LG Braunschweig vom 22.12.2009 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des AG Braunschweig vom 14.1.2009 wird zurückgewiesen.
Der Beklagten werden die Kosten der Rechtsmittelinstanzen auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger mietete gewerbliche Räume. Er zahlte eine vereinbarte Mietsicherheit von 813,14 EUR an den Vermieter, die dieser nicht getrennt von seinem sonstigen Vermögen anlegte. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vermieters erstand die Beklagte die durch den Insolvenzverwalter versteigerte Immobilie. Der Kläger verlangt von der Beklagten u.a. die Auszahlung der inzwischen rückzahlungsreifen Mietsicherheit.
Rz. 2
Das AG hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das LG die Klage insoweit abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom LG zugelassene Revision des Klägers.
Entscheidungsgründe
Rz. 3
Die zulässige Revision hat Erfolg und führt zur Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
I.
Rz. 4
Das LG hat zur Begründung seiner in ZMR 2010, 361 veröffentlichten Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Der Anspruch auf Rückzahlung der Mietsicherheit bestehe nicht oder sei wenigstens nicht fällig. Zwar sei die Beklagte gem. § 566a Satz 1 BGB in die Verpflichtung des Voreigentümers eingetreten; die Vorschrift gelte nach § 57 ZVG auch im Falle des Erwerbs im Wege der Zwangsversteigerung. Dieser Grundsatz erfahre aber eine Ausnahme, wenn die Mietsicherheit vom vorherigen Vermieter nicht insolvenzfest angelegt worden und der Rückzahlungsanspruch daher zu einer Insolvenzforderung geworden sei. Denn es sei grundsätzlich Sache des Mieters, auf eine vom sonstigen Vermögen des Vermieters getrennte, insolvenzfest angelegte Mietsicherheit zu achten. Demgegenüber habe der Erwerber keine Möglichkeit, die Mietsicherheit vom insolventen Voreigentümer heraus zu verlangen. Dem Mieter stehe gegenüber dem Erwerber zumindest insoweit und so lange kein Rückzahlungsanspruch zu, wie der Erwerber seinerseits an der Durchsetzung seines Anspruchs gegenüber dem Veräußerer auf Auskehrung der Mietsicherheit insolvenzrechtlich gehindert sei.
II.
Rz. 5
Diese Ausführungen halten einer revisionsgerichtlichen Nachprüfung nicht stand.
Rz. 6
Nach § 44 Abs. 1 ZVG wird bei der Versteigerung nur ein solches Gebot zugelassen, durch welches die dem Anspruch des Gläubigers vorgehenden Rechte sowie die aus dem Versteigerungserlös zu entnehmenden Kosten des Verfahrens gedeckt werden (geringstes Gebot). Darüber hinaus stellen die Versteigerungsbedingungen fest, in welche weiteren Pflichten der Ersteher eintritt. Zu diesen Pflichten gehört gem. § 57 ZVG die Verpflichtung zur Rückzahlung einer vom Mieter gewährten Sicherheit (§§ 566a, 578 Abs. 1, 2 BGB). Das im Versteigerungstermin abzugebende Bargebot setzt die Erfüllung sämtlicher nach den Versteigerungsbedingungen zu übernehmenden Pflichten voraus.
Rz. 7
Mit dem Zuschlag geht die Pflicht für die Rückzahlung der Mietsicherheit kraft Gesetzes auf den Ersteher über. Dieser hat die Verpflichtung bei eintretender Rückzahlungsreife zu erfüllen. Ob und unter welchen Voraussetzungen der Ersteher seinerseits anschließend bei dem Voreigentümer Rückgriff nehmen kann (vgl. etwa BGH, Urt. v. 9.6.2010 - VIII ZR 189/09, NJW-RR 2010, 1237 Rz. 21), mag dahinstehen. Die Pflicht zur Erfüllung der in die Versteigerungsbedingungen fallenden Mieterrechte hängt davon nicht ab. Deswegen erübrigen sich die weiteren Erwägungen des LG.
Rz. 8
Die mieterschützende Vorschrift des § 566a BGB enthält die nach früherem Recht (§ 572 BGB a.F.) gegebene Tatbestandsvoraussetzung, dass die Sicherheit dem Erwerber ausgehändigt wird oder dieser dem früheren Vermieter gegenüber die Verpflichtung zur Rückgewähr übernimmt, nicht mehr. Durch die geänderte Vorschrift wird der Erwerber dem Mieter gegenüber zur Rückzahlung der Sicherheit ohne Rücksicht darauf verpflichtet, ob er die Mietsicherheit vom früheren Vermieter ausgehändigt bekommen hat oder noch erhalten kann. Nach der gesetzlichen Wertung des § 566a BGB übernimmt er damit auch das Insolvenzrisiko des früheren Vermieters, wenn dieser die Mietsicherheit weder insolvenzfest angelegt hat noch an den Erwerber aushändigt. Die ungeschmälerte Rückzahlungspflicht des Erwerbers besteht in einem solchen Fall fort (Schmidt-Futterer/Blank Mietrecht 9. Aufl., § 551 BGB Rz. 111; Häublein in MünchKomm/BGB, 5. Aufl., § 566a Rz. 13; Schmidt-Futterer/Gather Mietrecht 9. Aufl., § 566a Rz. 24; Zipperer ZfIR 2007, 388, 392; Blank/Börstinghaus Miete 3. Aufl., § 566a Rz. 30; Löhnig/Gietel ZVG § 57 Rz. 27; Stöber ZVG 19. Aufl., § 57 Rz. 4.6; Böttcher ZVG 5. Aufl., § 57 Rz. 3; Hintzen/Engels/Rellermeyer ZVG 13. Aufl., § 57 Rz. 14; Derleder WuM 2002, 239, 244), ebenso wie ein Erwerber, an den das Grundstück vom Insolvenzverwalter veräußert wird, für die Rückzahlung haftet (vgl. Staudinger/Emmerich BGB [2011] § 566a Rz. 7; Eckert in MünchKomm/InsO, 2. Aufl., § 111 Rz. 11; Franken/Dahl Mietverhältnisse in der Insolvenz 2. Aufl. Rz. 254; Derleder NZM 2004, 568, 578; a.A. Noltin NZI 2007, 149). Der Gesetzgeber hat damit der Sache nach eine Belastung des vermieteten Grundstücks geschaffen (Häublein in MünchKomm/BGB, 5. Aufl., § 566a Rz. 13).
Fundstellen