Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundpreisangabe für in Supermärkten angebotene Waren. Gebot der deutlichen Lesbarkeit. Schriftgröße von 2 Millimetern
Leitsatz (amtlich)
Eine Grundpreisangabe für in Supermärkten angebotene Waren kann auch dann noch als deutlich lesbar i.S.v. § 1 Abs. 6 Satz 2 PAngV anzusehen sein, wenn die dabei verwendete Schriftgröße nur 2 Millimeter beträgt.
Normenkette
UWG § 4 Nr. 11; EGRL 6/98 Art. 4 Abs. 1; PreisangabenVO § 1 Abs. 6 S. 2, § 2 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
OLG Nürnberg (Urteil vom 31.01.2012; Aktenzeichen 3 U 1723/11) |
LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 02.08.2011; Aktenzeichen 7 O 1400/11) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des OLG Nürnberg - 3. Zivilsenat - vom 31.1.2012 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Beklagte betreibt Supermärkte, in denen sie ihre Waren u.a. in Verkaufsgondeln und -regalen anbietet. Die dort angebrachten Preisschilder sind wie nachstehend wiedergegeben gestaltet:
Rz. 2
Der Kläger ist ein in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragener Verein. Er beanstandet, dass die Grundpreise auf den Preisschildern der Beklagten in einer Schrift angegeben sind, deren Höhe nur zwei Millimeter beträgt; damit sei die Grundpreisangabe entgegen den Anforderungen der Preisangabenverordnung nicht deutlich zu lesen.
Rz. 3
Der Kläger hat - soweit für die Revision noch von Interesse - beantragt,
die Beklagte unter Androhung bestimmter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, in ihren Verkaufsräumen die Preise je Mengeneinheit einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile (Grundpreise) nicht deutlich lesbar anzugeben, wenn dies wie nachfolgend abgebildet geschieht: (Es folgt eine Darstellung der oben wiedergegebenen Preisschilder.)
Rz. 4
Darüber hinaus hat der Kläger Abmahnkosten i.H.v. 214 EUR nebst Zinsen ersetzt verlangt.
Rz. 5
Das LG hat der Klage in diesem Umfang stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hat zur Abweisung der Klage geführt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des Urteils des LG.
Entscheidungsgründe
Rz. 6
I. Das Berufungsgericht hat Zweifel daran geäußert, ob der vom Kläger gestellte Unterlassungsantrag und damit auch der Unterlassungsausspruch im Urteil des LG bestimmt genug sind. Der dort verwendete Begriff "deutlich lesbar" wiederhole lediglich den - wie der vorliegende Rechtsstreit zeige - für die Möglichkeit einer problemlosen Vollstreckung keineswegs eindeutig und konkret genug gefassten Gesetzestext. Die im Klageantrag enthaltene Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform mache diesen ebenfalls nicht bestimmt, da gerade Streit darüber bestehe, ob das beanstandete Verhalten der Beklagten das fragliche Tatbestandsmerkmal erfülle.
Rz. 7
Eine Änderung des Klageantrags sei aber deshalb nicht anzuregen gewesen, weil die beanstandeten Zahlen 3.15, 5.98 und 2.65 gerade noch als deutlich lesbar i.S.v. § 1 Abs. 6 Satz 2 PAngV anzusehen seien und die Klage daher (jedenfalls) unbegründet sei. Die Richtlinie 98/6/EG über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse (Preisangabenrichtlinie), deren Art. 3 Abs. 4 in § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV umgesetzt worden sei, betone in ihren Erwägungsgründen die Angabe des Grundpreises als solchen, lege aber nicht fest, wie dies zu geschehen habe. Aus der nationalen Regelung gehe nicht hervor, dass für die Beantwortung der Frage, welche Größe der Grundpreis haben müsse, nach Ansicht des Verordnungsgebers auf die DIN 1450 zurückzugreifen sei. Außerdem ergebe sich aus dem zweiten Absatz des Abschnitts 5.1 der DIN 1450, dass diese eine Schriftgröße von 1,75 mm noch als grundsätzlich leserlich und damit die Lesbarkeit als solche nicht beeinträchtigend ansehe. Die Frage, welche Anforderungen an die konkrete Schriftgröße zu stellen seien, sei letztlich im Hinblick auf die Interessen eines Verbrauchers zu beantworten, der sich dazu entschließe, nicht nur den konkreten Preis für die von ihm ausgewählte Ware festzustellen, sondern zusätzlich Preisvergleiche vorzunehmen, und dessen Augenmerk daher von vornherein auf Ziffern gerichtet sei. Aus einer Entfernung von 50 cm, aus der in dieser Weise interessierte Verbraucher Preisauszeichnungen in Leisten an Regalen oder Gondeln üblicherweise zur Kenntnis nähmen, seien die Ziffern des Grundpreises auf den beanstandeten Preisschildern der Beklagten ohne Weiteres deutlich zu erkennen.
Rz. 8
Soweit der BGH eine Schriftgröße von umgerechnet mindestens 2,1162 mm in seiner Rechtsprechung zu § 4 HWG verlangt habe, sei zu berücksichtigen, dass die aufgrund dieser Bestimmung vorgesehenen Angaben wegen ihrer Länge und der dort verwendeten, oft schwer verständlichen medizinischen, pharmazeutischen oder chemischen Begriffe ganz anderen Anforderungen entsprechen müssten als einzelne ziffernmäßige Preisangaben. Überdies verlange § 4 Abs. 4 HWG im Gegensatz zu § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV nicht nur deutlich lesbare, sondern gut lesbare Angaben.
Rz. 9
II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand. Das Berufungsgericht hat zwar zu Unrecht die Frage offen gelassen, ob der vom Kläger gestellte Unterlassungsantrag und damit auch der Unterlassungsausspruch im Urteil des LG bestimmt genug ist (dazu unter II 1 und 2). Ohne Rechtsfehler hat es aber angenommen, dass die vom Kläger beanstandeten Grundpreisangaben gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV noch deutlich lesbar i.S.v. § 1 Abs. 6 Satz 2 PAngV sind (dazu unter II 3).
Rz. 10
1. Das Berufungsgericht hätte nicht in die Prüfung der Begründetheit der Klage eintreten dürfen, bevor es abschließend festgestellt hatte, ob der vom Kläger gestellte Unterlassungsantrag den Erfordernissen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO entsprechend hinreichend bestimmt und die Klage zulässig war (vgl. BGH, Urt. v. 4.4.1984 - VIII ZR 129/83, BGHZ 91, 37, 41; Beschl. v. 26.9.1995 - KVR 25/94, BGHZ 130, 390, 399 f. - Stadtgaspreise; Urt. v. 10.11.1999 - VIII ZR 78/98, NJW 2000, 738 f.; Urt. v. 12.1.2006 - IX ZR 131/04, BGHZ 166, 1 Rz. 7; Becker-Eberhard in MünchKomm/ZPO, 4. Aufl., Vor §§ 253 ff. Rz. 3 und 19, jeweils m.w.N.). Dies gilt schon im Hinblick auf den Umfang der materiellen Rechtskraft, der bei einem Prozessurteil ein anderer ist als bei einem Sachurteil (vgl. dazu näher BGH, Urt. v. 19.4.2012 - I ZR 86/10, GRUR 2012, 1145 Rz. 25 = WRP 2012, 1392 - Pelikan, m.w.N.). Ausnahmen von diesem Grundsatz, dem zufolge die Sachurteilsvoraussetzungen vorrangig zu prüfen sind, sind anerkannt für das Rechtsschutzbedürfnis und das bei Feststellungsklagen erforderliche besondere Feststellungsinteresse sowie die Prozessführungsbefugnis nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 und 3 UWG; deren Prüfung kann unterbleiben, wenn die Unbegründetheit der Klage bereits feststeht (vgl. BGHZ 130, 390, 400; BGH, Urt. v. 20.5.1999 - I ZR 31/97, GRUR 1999, 1119, 1120 = WRP 1999, 1159 - RUMMS!; BGHZ 166, 1 Rz. 7; Becker-Eberhard in MünchKomm/ZPO, a.a.O., Rz. 19 und § 256 Rz. 36; Zöller/, ZPO, 29. Aufl., Vor § 253 Rz. 10 und § 256 Rz. 7, jeweils m.w.N.).
Rz. 11
2. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht die Bestimmtheit des Unterlassungsantrags in Zweifel gezogen. Die hinreichende Bestimmtheit dieses Antrags folgt aus der konkreten Verletzungsform, auf die der Antrag insoweit Bezug nimmt, als er die Schilder abbildet. Die Höhe der Ziffern ist unstreitig. Es geht danach allein um die rechtliche Qualifikation der vom Kläger angegriffenen Verhaltensweise der Beklagten.
Rz. 12
3. Das Berufungsgericht hat den damit bestimmten und auch ansonsten zulässigen Unterlassungsantrag mit Recht als unbegründet angesehen.
Rz. 13
a) Die Preisangabenverordnung dient dem Zweck, durch eine sachlich zutreffende und vollständige Verbraucherinformation Preiswahrheit und -klarheit zu gewährleisten, durch optimale Preisvergleichsmöglichkeiten die Stellung der Verbraucher gegenüber Handel und Gewerbe zu stärken und den Wettbewerb zu fördern (vgl. BGH, Urt. v. 4.10.2007 - I ZR 143/04, GRUR 2008, 84 Rz. 25 = WRP 2008, 98 - Versandkosten; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., Vorbem. PAngV Rz. 2 m.w.N. und Hinweis auf Art. 1 sowie die Erwägungsgründe 1 und 6 der Preisangabenrichtlinie). Nach § 1 Abs. 6 Satz 2 PAngV müssen die in der Preisangabenverordnung vorgesehenen Angaben eindeutig zugeordnet, leicht erkennbar und deutlich lesbar oder sonst gut wahrnehmbar sein. Diese Anforderungen können auf unterschiedliche Weise erfüllt werden (vgl. BGH GRUR 2008, 84 Rz. 30 - Versandkosten; BGH, Urt. v. 10.12.2009 - I ZR 149/07, GRUR 2010, 744 Rz. 35 = WRP 2010, 1023 - Sondernewsletter, jeweils zum Erfordernis der eindeutigen Zuordnung; vgl. weiter Köhler in Köhler/, a.a.O., § 1 PAngV Rz. 44). Eine Preisangabe entspricht dann dem in § 1 Abs. 6 Satz 2 PAngV aufgestellten Gebot der deutlichen Lesbarkeit, das das Erfordernis der guten Lesbarkeit in Art. 4 Abs. 1 Satz 1 der Preisangabenrichtlinie umsetzt, wenn sie von einem Verbraucher mit normaler Sehkraft aus angemessener Entfernung ohne Hilfsmittel und ohne Mühe gelesen werden kann (Sosnitza in Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl., § 1 PAngV Rz. 55; Völker in Harte/Henning, UWG, 2. Aufl., § 1 PAngV Rz. 60; Fezer/, UWG, 2. Aufl., § 4-S14 Rz. 157). Die Frage, ob eine Angabe diese Voraussetzungen erfüllt, ist unter Berücksichtigung des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen, wobei neben der Schriftgröße auch das Druckbild, d.h. u.a. die Wort- und Zahlenanordnung, die Gliederung, das Papier, die Farbe sowie der Hintergrund von Bedeutung sind; außerdem ist der Abstand zu berücksichtigen, aus dem der Verbraucher die Angabe liest (vgl. Völker in Harte/Henning, a.a.O., § 1 PAngV Rz. 60; Fezer/Wenglorz, a.a.O., § 4-S14 Rz. 157). Die (abstrakte) Festlegung exakter Mindestschriftgrößen gemäß der DIN 1450 "Schriften Leserlichkeit", die der aus Vertretern des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie und der Wirtschafts- bzw. Verbraucherminister/-senatoren der Länder bestehende Bund-/Länder-Ausschuss "Preisangaben" vorgeschlagen hat (vgl. Jacobi, WRP 2010, 1217, 1221), lässt sich den geltenden Bestimmungen der Preisangabenverordnung nicht entnehmen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, das die Preisangabenverordnung zuletzt mit der Sechsten Verordnung zur Änderung der Preisangabenverordnung vom 1.8.2012 geändert hat (BGBl. I, 1706), hat diesen Vorschlag auch nicht aufgenommen.
Rz. 14
b) Das Berufungsgericht ist der Sache nach von dem vorstehend dargestellten Maßstab ausgegangen und hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass ein Verbraucher, der beim Einkauf Preise vergleichen will, die beanstandeten Grundpreisangaben der Beklagten aus einer Entfernung von 50 cm ohne Weiteres lesen kann. Hierzu trägt der Umstand bei, dass die Grundpreise kontrastreich und in einem umrandeten Kästchen übersichtlich zusammengefasst dargestellt sind. Damit ist insgesamt gewährleistet, dass der Verbraucher, der vor den Regalen steht, die Grundpreise jedenfalls bei Waren ohne Mühe zur Kenntnis nehmen kann, die in den Supermärkten der Beklagten in den mittleren und oberen Fächern der Verkaufsregale angeboten werden. Entsprechendes gilt für die Grundpreise der in den Supermärkten der Beklagten in Verkaufsgondeln angebotenen Waren.
Rz. 15
c) Der Revision verhilft es auch nicht zum Erfolg, dass die Preisschilder in den Supermärkten der Beklagten für die in den unteren Fächern der Verkaufsregale angebotenen Waren und womöglich auch bei Verkaufsgondeln ggf. nur wenige Zentimeter über dem Fußboden angebracht sind, so dass ein Verbraucher, der die auf diesen Preisschildern angegebenen Grundpreise lesen will, sich bücken muss. Das Berufungsgericht hat auch insoweit in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass der Verbraucher, der das Angebot der von der Beklagten dort platzierten Waren prüfen will, sich ihnen ohnedies so weit nähern wird, dass er die Grundpreisangaben noch gut lesen kann.
Rz. 16
d) Zu Recht ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, dass die Senatsrechtsprechung zur Gestaltung der Pflichtangaben nach § 4 Abs. 4 HWG (BGH, Urt. v. 10.12.1986 - I ZR 213/84, GRUR 1987, 301, 302 = WRP 1987, 378 - 6-Punkt-Schrift) wegen des regelmäßig größeren Umfangs und schwerer zu erfassenden Inhalts auf die Grundpreisangaben nicht übertragbar ist.
Rz. 17
III. Nach allem ist die Revision des Klägers mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Fundstellen
DB 2013, 1663 |
DB 2013, 9 |
EBE/BGH 2013 |
GRUR 2013, 850 |
JZ 2013, 445 |
MDR 2013, 1052 |
WRP 2013, 1022 |
GRUR-Prax 2013, 317 |
RdW 2013, 558 |
IPRB 2013, 198 |
ZVertriebsR 2013, 315 |