Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmbarkeit der Abtretung von Ansprüchen aus Verkehrsunfall
Leitsatz (amtlich)
Tritt der Geschädigte nach einem Fahrzeugschaden seine Ansprüche aus dem Verkehrsunfall in Höhe der Gutachterkosten ab, ist die Abtretung mangels hinreichender Bestimmbarkeit unwirksam.
Normenkette
BGB § 398
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das Urteil der 13. Zivilkammer des LG Saarbrücken vom 15.10.2010 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin, die ein Kfz-Sachverständigenbüro betreibt, begehrt von dem beklagten Haftpflichtversicherer aus abgetretenem Recht des Geschädigten H. Ersatz restlichen Schadens aus einem Verkehrsunfall. Die volle Einstandspflicht der Beklagten steht außer Streit. H. beauftragte die Klägerin mit der Erstattung eines Gutachtens zur Schadenshöhe und trat seine gegen den Fahrer, den Halter und den Versicherer des unfallbeteiligten Fahrzeugs bestehenden Schadensersatzansprüche in Höhe der Gutachterkosten einschließlich Mehrwertsteuer formularmäßig erfüllungshalber an die Klägerin ab. Diese berechnete ein Honorar von 1.202,32 EUR, wovon die Beklagte vorprozessual 471 EUR erstattete. Der Restbetrag von 731,32 EUR sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten sind Gegenstand der Klage.
Rz. 2
Das AG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt sie ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Rz. 3
Das Berufungsgericht, dessen Urteil in Schaden-Praxis 2010, 446 veröffentlicht ist, hält die Abtretung für unwirksam. Entgegen der Auffassung des AG liege zwar keine nach §§ 3, 5 Abs. 1 RDG erlaubnispflichtige Inkassotätigkeit vor, doch sei die Abtretung inhaltlich nicht hinreichend bestimmt. Sie erfasse nämlich - der Höhe nach beschränkt auf die Gutachterkosten - sämtliche Schadensersatzansprüche aus dem Verkehrsunfall, ohne diese der Höhe und der Reihenfolge nach aufzuschlüsseln. Die Abtretungserklärung lasse offen, ob und ggf. in welcher anteiligen Höhe der Zessionar Inhaber der Ansprüche auf Ersatz einzelner Schäden (z.B. Sachverständigenkosten, Reparaturkosten, ggf. Mietwagenkosten, Heilbehandlungskosten etc.) werde. Eine Umdeutung in eine Ermächtigung zur Geltendmachung des fremden Anspruchs im eigenen Namen scheide aus, denn diese dürfe den Vertragsgegenstand, den die Parteien regeln wollten, nicht erweitern. So läge es aber hier, denn weil die Abtretungserklärung nicht bestimme, dass die Sachverständigenkosten im Ganzen abgetreten seien, ginge eine Umdeutung in eine Einzugsermächtigung hinsichtlich der (gesamten) Sachverständigenkosten insoweit über den Gegenstand der nichtigen Vereinbarung hinaus. Die infolge der Unwirksamkeit der Abtretungsvereinbarung entstehende Lücke könne auch nicht im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung geschlossen werden. Dies komme im Falle der Unwirksamkeit einer Allgemeinen Geschäftsbedingung, wie sie hier gegeben sei, nämlich nur ausnahmsweise in Betracht und setze voraus, dass sich die mit dem Wegfall der unwirksamen Vertragsklausel entstehende Lücke nicht durch dispositives Gesetzesrecht füllen lasse und deswegen zu einem Ergebnis führe, das den beiderseitigen Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung trage, sondern das Vertragsgefüge völlig einseitig verschiebe. Letzteres sei hier nicht der Fall, da der Klägerin ihr Honoraranspruch gegen den Geschädigten verbleibe und die aufgrund der unwirksamen Abtretung fehlende Besicherung dieses Anspruchs nicht zu einem unzumutbaren Ergebnis führe.
II.
Rz. 4
Das angefochtene Urteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
Rz. 5
1. Die von dem Geschädigten H. erklärte Abtretung ist unwirksam.
Rz. 6
a) Eine Abtretung ist, wie in der Rechtsprechung und Rechtslehre anerkannt ist, nur wirksam, wenn die Forderung, die Gegenstand der Abtretung ist, bestimmt oder wenigstens bestimmbar ist (BGH, Urt. v. 25.10.1952 - I ZR 48/52, BGHZ 7, 365, 357; v. 3.4.1974 - VIII ZR 235/72, NJW 1974, 1130; v. 16.3.1995 - IX ZR 72/94, NJW 1995, 1668, 1969; Roth in MünchKomm/BGB, 5. Aufl., § 398 Rz. 67). Dieses Erfordernis ergibt sich aus der Rechtsnatur der Abtretung, die ein dingliches Rechtsgeschäft ist. Die Abtretung bewirkt, dass das Gläubigerrecht an einer Forderung von dem bisherigen Gläubiger auf eine andere Person als neuen Gläubiger übergeht (§ 398 BGB). Wie ein Gläubigerrecht nur an einer bestimmten oder mindestens bestimmbaren Forderung bestehen kann, so kann auch nur das Gläubigerrecht an einer bestimmten oder bestimmbaren Forderung Gegenstand der Abtretung sein (RG, Urt. v. 27.2.1920 - VII 296/19, RGZ 98, 200, 202). An diesem Erfordernis der Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit fehlt es, wenn von mehreren selbständigen Forderungen ein Teil abgetreten wird, ohne dass erkennbar ist, von welcher oder von welchen Forderungen ein Teil abgetreten werden soll (BGH, Urt. v. 18.2.1965 - II ZR 166/62, WM 1965, 562; v. 27.5.1968 - VIII ZR 137/66, WarnR 1968, Nr. 165; v. 2.4.1970 - VII ZR 153/68, WM 1970, 848; OLG München OLGReport München 1993, 248; OLG Köln VersR 1998, 1269, 1270 und MDR 2005, 975; Staudinger/Busche, BGB [2005], § 398 Rz. 61; Roth in MünchKomm/BGB, a.a.O., Rz. 75).
Rz. 7
b) Entstehen aus einem Verkehrsunfall für den Geschädigten mehrere Forderungen, so kann von der Gesamtsumme dieser Forderungen nicht ein nur summenmäßig bestimmter Teil abgetreten werden (BGH, Urt. v. 8.10.1957 - VI ZR 128/56, VersR 1957, 753). Um verschiedene Forderungen handelt es sich etwa dann, wenn neben dem Anspruch auf Ersatz des an dem beschädigten Kraftfahrzeug entstandenen Sachschadens ein Anspruch auf Ersatz von Verdienstausfall geltend gemacht wird (BGH, Urt. v. 19.11.1957 - VI ZR 122/57, VersR 1958, 91, 93 f.; v. 22.5.1984 - VI ZR 228/82, VersR 1984, 782, 783). Dasselbe gilt für das Verhältnis zwischen dem Anspruch auf Ersatz des Fahrzeugschadens und dem Anspruch auf Ersatz von Schäden an der Ladung des Fahrzeugs (vgl. Senat, Urt. v. 8.10.1957 - VI ZR 128/56, a.a.O.). Für die Annahme verschiedener Forderungen spricht in diesen Fällen schon die Möglichkeit unterschiedlicher Entwicklungen in der Anspruchsinhaberschaft, die sich daraus ergibt, dass die Ersatzansprüche im Regulierungsfall ggf. auf verschiedene Versicherer übergehen können (Kaskoversicherung, Betriebsausfallversicherung, Transportversicherung; vgl. BGH, Urt. v. 22.5.1984 - VI ZR 228/82, a.a.O.). Eine Verschiedenheit von Forderungen liegt nur dann nicht vor, wenn es sich bei einzelnen Beträgen um lediglich unselbständige Rechnungsposten aus einer klar abgrenzbaren Sachgesamtheit handelt (vgl. BGH, Urt. v. 26.2.1980 - VI ZR 53/79, BGHZ 76, 216, 219 f.; v. 22.5.1984 - VI ZR 228/82, a.a.O.), wie dies etwa bei Einzelelementen der Reparaturkosten der Fall ist (vgl. BGH, Urt. v. 19.6.2000 - II ZR 319/98, NJW 2000, 3718, 3719; v. 13.3.2003 - VII ZR 418/01, MDR 2003, 824 f.; Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl., § 37 Rz. 17 [Stand: 10.1.2010]).
Rz. 8
c) Die Abtretung des Geschädigten H. wird diesen Erfordernissen nicht gerecht, denn sie ist weder hinreichend bestimmt noch bestimmbar. Nach ihrem eindeutigen Wortlaut erfasst sie eine Mehrzahl von Forderungen, nämlich sämtliche Ansprüche des Geschädigten aus dem betreffenden Verkehrsunfall. Mit Recht hat das Berufungsgericht in der Bezugnahme der Abtretung auf die Höhe der Gutachterkosten lediglich eine Beschränkung hinsichtlich des Umfangs der Abtretung gesehen. Die Abtretung sollte ersichtlich nicht nur die Forderung auf Ersatz der Gutachterkosten erfassen. Dieser Anspruch ist entgegen der Auffassung der Revision auch kein unselbständiger Rechnungsposten, sondern im Verhältnis zu dem Anspruch auf Ersatz des Fahrzeugschadens vielmehr eine selbständige Forderung. Dies folgt schon aus der Möglichkeit unterschiedlicher Entwicklungen in der Anspruchsinhaberschaft, denn anders als der Anspruch auf Ersatz des Fahrzeugschadens geht der hiervon schon dem Gegenstand nach klar abgrenzbare (vgl. BGH, Urt. v. 22.5.1984 - VI ZR 228/82, a.a.O.) Anspruch auf Ersatz der Gutachterkosten im Regulierungsfall gem. § 86 Abs. 1 VVG nur unter engen Voraussetzungen auf den Kaskoversicherer über (vgl. Ziffer A.2.8 AKB 08 [Stand: 9.7.2008]). Um dem Bestimmbarkeitserfordernis zu genügen, wäre es deshalb erforderlich gewesen, in der Abtretungserklärung den Umfang der von der Abtretung erfassten Forderungen der Höhe und der Reihenfolge nach aufzuschlüsseln. Daran fehlt es bei der hier verwendeten Abtretungserklärung. Da es sich dabei nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen um von der Klägerin gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, gehen bestehende Unklarheiten zu ihren Lasten (§ 305c Abs. 2 BGB).
Rz. 9
2. Mit Recht hat es das Berufungsgericht abgelehnt, die nichtige Abtretung gem. § 140 BGB in eine Prozessführungsermächtigung umzudeuten.
Rz. 10
a) Eine Umdeutung in ein Ersatzgeschäft darf nicht dazu führen, dass an die Stelle des nichtigen Geschäfts ein solches gesetzt wird, das über den Erfolg des ursprünglich gewollten Geschäfts hinausgeht (BGH, Urt. v. 15.12.1955 - II ZR 204/54, BGHZ 19, 269, 275; v. 14.5.1956 - II ZR 229/54, BGHZ 20, 363, 370 f.; BAG, NJW 1976, 592; MünchKomm/BGB/Busche, a.a.O., § 140 Rz. 17 m.w.N.). Dies wäre hier entgegen der Auffassung der Revisionsbegründung aber der Fall, wenn die (unwirksame) Abtretung umgedeutet würde in die Ermächtigung, die Gutachterkosten im eigenen Namen geltend zu machen. Da sich der Abtretungserklärung gerade nicht entnehmen lässt, dass die Klägerin Gläubigerin der gesamten Forderung auf Ersatz der Gutachterkosten werden sollte, verbietet sich eine Umdeutung dahin gehend, sie als ermächtigt anzusehen, im Wege der Prozessstandschaft diese Forderung in voller Höhe im eigenen Namen geltend zu machen.
Rz. 11
b) Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision auch nicht aus der in der Abtretungsvereinbarung enthaltenen Anweisung an den regulierungspflichtigen Versicherer, die Sachverständigenkosten unmittelbar an die Klägerin zu zahlen. Diese Zahlungsanweisung darf nicht isoliert ausgelegt werden, sondern ist im Zusammenhang mit der im vorausgehenden Satz geregelten Abtretung zu sehen. Sie nimmt ersichtlich Bezug auf die Höhe des von der vorgesehenen Abtretung erfassten Betrags und bezieht sich nicht auf einen von der (unwirksamen) Abtretung möglicherweise nicht erfassten Teil der Forderung auf Ersatz der Gutachterkosten. Eine auf diese Zahlungsanweisung gestützte Klage wäre mangels hinreichender Bestimmtheit unzulässig (vgl. BGH, Urt. v. 3.12.1953 - III ZR 66/52, BGHZ 11, 192, 194; Greger, a.a.O., Rz. 17, 19).
III.
Rz. 12
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 2712713 |
NJW 2011, 2713 |
NJW 2011, 6 |
EBE/BGH 2011 |
JurBüro 2011, 611 |
ZAP 2011, 1026 |
DAR 2011, 463 |
DAR 2011, 634 |
DAR 2012, 311 |
DAR 2013, 19 |
MDR 2011, 845 |
NZV 2011, 485 |
VRS 2011, 283 |
VersR 2011, 1008 |
VuR 2011, 397 |
ZfS 2011, 561 |
NJW-Spezial 2011, 425 |
SVR 2012, 55 |
VRA 2011, 129 |
VRR 2011, 381 |
ZGS 2011, 388 |
r+s 2011, 357 |
ACE-VERKEHRSJURIST 2011, 7 |
ACE-VERKEHRSJURIST 2013, 27 |
DS 2011, 398 |
FMP 2011, 131 |
NRÜ 2011, 335 |