Entscheidungsstichwort (Thema)
Energy from Waste II
Leitsatz (amtlich)
1.1. Die Härtefallregelung nach § 12 Abs. 1 EEG 2009 und § 12 Abs. 1 EEG 2012 ist auf Stromerzeugungsanlagen anwendbar, in denen sowohl fossile als auch erneuerbare Energieträger zur Stromerzeugung eingesetzt werden. Dies gilt auch für Anlagen, die - wie thermische Abfallverwertungsanlagen, in denen biologisch abbaubare Abfälle ungetrennt von anderen Abfällen genutzt werden - Elektrizität aus von vornherein gemischten Energieträgern erzeugen.
1.2. § 12 Abs. 1 EEG 2009 und § 12 Abs. 1 EEG 2012 gewähren jedoch dem Betreiber einer solchen Mischanlage eine Entschädigung nur für den auf die erneuerbaren Energieträger entfallenden Teil des nicht eingespeisten Stroms.
Dem Netzbetreiber steht kein Wahlrecht zwischen der Durchführung von marktbezogenen Maßnahmen auf gesetzlicher Grundlage (§ 13 Abs. 1a EnWG 2012 und § 13a Abs. 1 EnWG 2016) und Notfallmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG zu. Vielmehr ist jede Maßnahme zur Reduzierung der Stromeinspeisung aus einer Anlage, die aufgrund ihrer Nennleistung in den Anwendungsbereich des § 13 Abs. 1a EnWG 2012 oder des § 13a Abs. 1 EnWG 2016 fällt, als kraft Gesetzes vergütungspflichtige marktbezogene Maßnahme einzuordnen, wenn sie ihrem Inhalt nach eine marktbezogene Maßnahme im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnWG darstellen kann.
Normenkette
EEG 2009 § 3 Nrn. 1, 3, §§ 5, 8, 11, 12 Abs. 1, § 16; EEG 2012 § 3 Nrn. 1, 3, §§ 5, 8, 11, 12 Abs. 1; EEG 2012 § 13 Abs. 1a; EEG 2012 § 16; EEG 2012 § 66 Abs. 1 Nr. 5a; EnWG 2012 § 13 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 1a, § 14; EnWG 2016 § 13a Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Kartellsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 20. März 2020 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin betreibt in Brandenburg eine thermische Abfallverwertungsanlage mit einer installierten elektrischen Leistung von 23,3 Megawatt, in der sie Strom und Wärme erzeugt. Die Anlage wurde im Jahr 2008 von der Rechtsvorgängerin der Klägerin (gemeinsam: Klägerin) in Betrieb genommen. Der in der Anlage verwertete Abfall enthält seit 2011 einen variablen biogenen Anteil von bis zu 50 %. Den erzeugten Strom verbraucht die Klägerin zum Teil selbst; im Übrigen speist sie ihn in das Verteilernetz der Beklagten ein, mit der sie durch einen Anschluss- und Einspeisevertrag verbunden ist.
Rz. 2
Die Beklagte betreibt ein Netzsicherheitsmanagement, mit dem sie die an ihr Netz angeschlossenen Betreiber von Stromerzeugungsanlagen durch ein Funk-Rundsteuersignal zu einer Reduzierung der Stromeinspeisung in einem von ihr bestimmten zeitlichen und leistungsmäßigen Umfang anweisen kann. In den Jahren 2011 bis 2016 forderte sie die Klägerin in mindestens 263 Fällen wegen Netzengpässen zu Abregelungen der Stromeinspeisung auf, was die Klägerin jeweils händisch umsetzte. Teilweise beruhten die Aufforderungen der Beklagten auf an sie gerichteten Anforderungen der Streithelferin, der vorgelagerten Übertragungsnetzbetreiberin. Verhandlungen der Parteien über einen Ausgleich für die der Klägerin durch die Abregelungen entstandenen Kosten und Einnahmeverluste blieben ohne Ergebnis. In den Jahren 2015 und 2016 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten mit insgesamt vier Rechnungen Zahlungsansprüche in Höhe von gut 2,24 Mio. € im Hinblick auf die seit 2011 erfolgten Abregelungen geltend.
Rz. 3
Das Landgericht hat die auf Zahlung einer Entschädigung in dieser Höhe gerichtete Klage für die Jahre 2013 bis 2016 dem Grunde nach für sachlich gerechtfertigt erachtet und die Klage bezüglich der Ansprüche für die Jahre 2011 und 2012 abgewiesen. Die gegen die Teilabweisung gerichtete Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das Teil-Grundurteil abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin, die die Wiederherstellung des Teil-Grundurteils erstrebt und im Übrigen ihren ursprünglichen Klageantrag weiterverfolgt.
Rz. 4
Der Senat hat dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Auslegung von Art. 16 Abs. 2 der Richtlinie 2009/28/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen und zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinien 2001/77/EG und 2003/30/EG (ABl. L 140 vom 5. Juni 2009, S. 16 ff., im Folgenden: Richtlinie 2009/28/EG) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt (BGH, Beschluss vom 6. Juli 2021 - EnZR 27/20, RdE 2021, 546 - Energy from Waste I):
1. Ist Art. 16 Abs. 2 Buchstabe c) in Verbindung mit Art. 2 Buchstabe a) und Buchstabe e) der Richtlinie 2009/28/EG dahin auszulegen, dass auch solchen Erzeugungsanlagen Vorrang bei der Stromeinspeisung in das Netz zu gewähren ist, in denen Elektrizität durch thermische Verwertung von gemischten Abfällen erzeugt wird, wobei die Abfälle einen variablen Anteil biologisch abbaubarer Abfälle aus Industrie und Haushalten enthalten?
2. Falls die Frage 1 bejaht wird: Ist die Gewährung des Vorrangs bei der Stromeinspeisung gemäß Art. 16 Abs. 2 Buchstabe c) der Richtlinie 2009/28/EG abhängig von der Höhe des bei der Stromerzeugung in der unter 1. beschriebenen Weise eingesetzten Anteils biologisch abbaubarer Abfälle?
3. Falls die Frage 2 bejaht wird: Gibt es eine Erheblichkeitsschwelle für den Anteil biologisch abbaubarer Abfälle, unterhalb derer für die erzeugte Elektrizität eine Anwendung der für Elektrizität aus erneuerbaren Energien geltenden Regelungen ausscheidet?
4. Falls die Frage 3 bejaht wird: Bei welchem Anteil liegt diese Schwelle oder wie ist sie zu bestimmen?
5. Falls die Fragen 1 und 2 bejaht werden: Kann bei der Anwendung der Regelungen für Elektrizität aus erneuerbaren Energien auf Elektrizität, die nur anteilig aus biologisch abbaubaren Abfällen erzeugt worden ist, der Rechtsgedanke des Art. 5 Abs. 3 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2009/28/EG in der Weise herangezogen werden, dass diese Regelungen nur auf den aus erneuerbaren Energiequellen erzeugten Elektrizitätsanteil Anwendung finden und dieser Anteil aufgrund des Energiegehalts der einzelnen Energiequellen berechnet wird?
Rz. 5
Der Gerichtshof (EuGH, Urteil vom 20. April 2023 - C-580/21, ZNER 2023, 235) hat dazu festgestellt:
1. Art. 16 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2009/28/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen und zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinien 2001/77/EG und 2003/30/EG ist dahin auszulegen, dass der vorrangige Zugang zum Stromnetz für Stromerzeugungsanlagen, die erneuerbare Energiequellen einsetzen, nicht nur denjenigen Anlagen zu gewähren ist, die Strom ausschließlich aus erneuerbaren Energiequellen erzeugen, sondern auch solchen, die Strom sowohl aus erneuerbaren als auch aus herkömmlichen Energiequellen erzeugen.
2. Art. 16 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2009/28 ist dahin auszulegen, dass einer Anlage, die Strom sowohl aus erneuerbaren als auch aus herkömmlichen Energiequellen erzeugt, ein vorrangiger Netzzugang nur für den aus erneuerbaren Energiequellen erzeugten Stromanteil zu gewähren ist. Es ist Sache der Mitgliedstaaten, die Anwendungsmodalitäten für diesen vorrangigen Zugang zu bestimmen, indem sie transparente und nicht diskriminierende Kriterien festlegen, anhand deren unter Berücksichtigung der Anforderungen hinsichtlich der Wahrung der Zuverlässigkeit und der Sicherheit des Netzes eine Reihenfolge bestimmt werden kann, die sich nach dem Umfang des Anteils richtet, zu dem die jeweilige Stromerzeugungsanlage erneuerbare Energiequellen einsetzt.
Entscheidungsgründe
Rz. 6
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Rz. 7
A. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Klägerin stehe gegen die Beklagte kein Anspruch auf Entschädigung nach den Vorschriften des Energiewirtschaftsgesetzes zu. Zwar sei die Beklagte für alle von ihr veranlassten Abregelungen passivlegitimiert, da sie entsprechend der Vorschrift des § 14 EnWG auch die von der Streithelferin angeforderten Maßnahmen gegenüber der Klägerin als eigene Maßnahmen umgesetzt habe. Die fraglichen Abregelungen stellten jedoch keine marktbezogenen Maßnahmen nach § 13 Abs. 1 EnWG, sondern Notfallmaßnahmen gemäß § 13 Abs. 2 EnWG dar, die weder eine Entschädigungspflicht nach sich zögen noch eine Schadensersatzhaftung des Netzbetreibers begründeten. Zwischen den Prozessparteien habe keine vertragliche Vereinbarung über marktbezogene Maßnahmen im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG bestanden. Die Beklagte habe zu Recht sämtliche Abregelungen der klägerischen Anlage als Notfallmaßnahmen deklariert. Dem Netzbetreiber stehe eine Wahlmöglichkeit zwischen marktbezogenen und Notfallmaßnahmen zu, die mit Einführung des § 13 Abs. 1a Satz 1 EnWG 2011 nicht entfallen sei. Diese Norm enthalte lediglich eine Verpflichtung des Anlagenbetreibers zur Durchführung marktbezogener Maßnahmen für den Fall einer Inanspruchnahme durch den Netzbetreiber, nicht aber eine Verpflichtung des Netzbetreibers, auf die in den Anwendungsbereich der Norm fallenden Anlagenbetreiber ausschließlich im Wege marktbezogener Maßnahmen zuzugreifen. Zudem habe es im Verhältnis zwischen den Parteien an einem - marktbezogenen Maßnahmen innewohnenden - vertragsähnlichen und planenden Element gefehlt, da die Klägerin der Beklagten ihre Kraftwerksdaten nicht übermittelt habe. Die Klägerin könne von der Beklagten auch keine Entschädigung nach der Härtefallregelung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes beanspruchen. Die entsprechenden Vorschriften fänden bereits keine Anwendung, da die Abfallverwertungsanlage der Klägerin Elektrizität nicht ausschließlich aus erneuerbaren Energieträgern erzeuge und daher nicht als Erneuerbare-Energien-Anlage im Sinne des § 3 Nr. 1 EEG in der bis Juli 2014 geltenden Fassung einzuordnen sei. Auch Schadensersatzansprüche nach § 280 Abs. 1 und 3 BGB wegen Verletzung einer aus dem zwischen den Parteien bestehenden Einspeisevertrag resultierenden Nebenpflicht stünden der Klägerin nicht zu. Sie habe nicht dargelegt, dass die nach § 13 Abs. 2 Satz 1 EnWG grundsätzlich zulässigen Notfallmaßnahmen im Einzelfall mangels Vorliegens einer Gefährdung der Sicherheit des Elektrizitätsversorgungsnetzes rechtswidrig gewesen wären. Eine Pflichtverletzung der Beklagten sei auch nicht darin zu sehen, dass sie mit der Klägerin keinen Vertrag über vergütungspflichtige Einspeisereduzierungen abgeschlossen habe. Im Zeitraum von 2013 bis 2016 sei die Klägerin überdies zu einer vertragsgleichen Zusammenarbeit einschließlich einer kontinuierlichen Datenübermittlung weder mit der Streithelferin noch mit der Beklagten selbst bereit gewesen.
Rz. 8
B. Die Revision ist uneingeschränkt zulässig (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Das Berufungsgericht hat das Rechtsmittel ohne Beschränkung zugelassen und eine Beschränkung folgt auch nicht aus seiner Begründung für die Revisionszulassung. Auf die von der Klägerin vorsorglich eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde kommt es daher nicht an.
Rz. 9
C. Die Revision ist auch begründet. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung können Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte wegen der in den Jahren 2011 bis 2016 veranlassten Abregelungen der Stromeinspeisung aus der thermischen Abfallverwertungsanlage der Klägerin nicht verneint werden.
Rz. 10
I. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht angenommen, der Klägerin könnten wegen der in Streit stehenden Einspeisereduzierungen keine Ansprüche nach der Härtefallregelung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes zustehen. Auf Grundlage des festgestellten Sachverhalts ist nicht auszuschließen, dass die Klägerin für die Einspeisereduzierungen im streitigen Zeitraum zumindest anteilig nach § 12 Abs. 1 in der vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung (EEG 2009) und nach § 12 Abs. 1 in der vom 1. Januar 2012 bis zum 31. Juli 2014 geltenden Fassung (EEG 2012) zu entschädigen ist.
Rz. 11
1. Als Anspruchsgrundlage kommt im Streitfall für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 30. Juni 2012 die Härtefallregelung in der Fassung des § 12 Abs. 1 EEG 2009 in Betracht. Dies ergibt sich für den Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis zum 30. Juni 2012 aus § 66 Abs. 1 EEG 2012, da die Anlage der Klägerin vor dem 1. Januar 2012 in Betrieb genommen worden ist. Für den Zeitraum vom 1. Juli 2012 bis zum 31. Dezember 2016 kann sich ein Anspruch aus der Härtefallregelung in der Fassung des § 12 Abs. 1 EEG 2012 ergeben (mit der Maßgabe, dass die Entschädigung 100 % beträgt). Das folgt für den Zeitraum bis zum 31. Juli 2014 aus § 66 Abs. 1 Nr. 5a EEG 2012 in der vom 1. April 2012 bis 31. Juli 2014 geltenden Fassung und für den Zeitraum vom 1. August 2014 bis 31. Dezember 2016 aus § 100 Abs. 1 Nr. 10 EEG in der vom 1. August 2014 bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung (EEG 2014) i.V.m. § 66 Abs. 1 Nr. 5a EEG 2012.
Rz. 12
2. Die Ansicht des Berufungsgerichts, die Voraussetzungen für Ansprüche nach § 12 Abs. 1 EEG 2009 und § 12 Abs. 1 EEG 2012 lägen nicht vor, weil die thermische Abfallverwertungsanlage der Klägerin Elektrizität nicht ausschließlich aus erneuerbaren Energieträgern erzeuge und daher nicht als Anlage im Sinne des § 3 Nr. 1 EEG 2009 und EEG 2012 einzuordnen sei, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Anlage der Klägerin fällt in den Anwendungsbereich der Härtefallregelung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes in der jeweils geltenden Fassung.
Rz. 13
a) Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 EEG 2009 sind Netzbetreiber unter bestimmten Voraussetzungen berechtigt, an ihr Netz angeschlossene Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien, Kraft-Wärme-Kopplung oder Grubengas zu regeln, soweit andernfalls die Netzkapazität im jeweiligen Netzbereich durch diesen Strom überlastet wäre. Anlagenbetreiber, die aufgrund einer solchen Maßnahme Strom nicht einspeisen konnten, müssen gemäß § 12 Abs. 1 EEG 2009 durch den Netzbetreiber, in dessen Netz die Ursache für den Netzengpass liegt, entschädigt werden. Ähnlich regelt § 12 Abs. 1 Satz 1 EEG 2012, dass im Falle einer Reduzierung der Einspeisung von Strom aus Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien wegen eines Netzengpasses die von der Maßnahme betroffenen Betreiber zu entschädigen sind. Beiden im Streitfall einschlägigen gesetzlichen Vorschriften ist gemeinsam, dass eine Entschädigungspflicht nach der Härtefallregelung die Unterbrechung der Stromeinspeisung aus einer Anlage zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien wegen eines Netzengpasses erfordert.
Rz. 14
b) Die thermische Abfallverwertungsanlage der Klägerin ist als Anlage zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien im Sinne von § 12 Abs. 1 EEG 2009 und § 12 Abs. 1 EEG 2012 einzuordnen.
Rz. 15
aa) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wurde in der Abfallverwertungsanlage der Klägerin im hier relevanten Zeitraum von Januar 2011 bis Dezember 2016 durch thermische Verwertung in Form des Verbrennens von Abfällen Strom erzeugt, wobei die verwerteten Abfälle einen biogenen Anteil von bis zu 50 % enthielten. Damit stellt sie eine "Anlage" im Sinne des Erneuerbare-Energien-Gesetzes dar. Diese wird in § 3 Nr. 1 EEG 2009 und EEG 2012 definiert als jede Einrichtung zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien, wobei nach der Legaldefinition in § 3 Nr. 3 EEG 2009 und EEG 2012 unter die "erneuerbaren Energien" auch der biologisch abbaubare Anteil von Abfällen aus Haushalten und Industrie fällt. Die späteren Fassungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes enthalten insoweit keine inhaltlichen Änderungen.
Rz. 16
bb) Die Anlage der Klägerin ist nicht deshalb vom Anwendungsbereich der Härtefallregelung in § 12 Abs. 1 EEG 2009 und § 12 Abs. 1 EEG 2012 ausgenommen, weil in ihr auch nicht-biogener Abfall zur Stromerzeugung eingesetzt wird. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts gelten die im Erneuerbare-Energien-Gesetz in den hier zeitlich einschlägigen Fassungen vom 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2016 enthaltenen Regelungen zum Einspeisemanagement und zur Härtefallentschädigung nicht allein für Anlagen, in denen Strom ausschließlich aus erneuerbaren Energieträgern erzeugt wird, sondern auch für Anlagen, in denen sowohl erneuerbare als auch konventionelle Energieträger zur Stromerzeugung eingesetzt werden.
Rz. 17
(1) Zwar folgte das Erneuerbare-Energien-Gesetz ursprünglich dem sogenannten Ausschließlichkeitsprinzip. In der im Jahr 2000 in Kraft getretenen ersten Fassung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG 2000) war allein die Abnahme und Vergütung von Strom geregelt, der ausschließlich aus Wasserkraft, Windkraft, solarer Strahlungsenergie, Geothermie, Deponiegas, Klärgas, Grubengas oder aus Biomasse gewonnen wird (§ 2 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1 Satz 1 EEG 2000). Wie die Revision zu Recht hervorhebt, wurde der Anwendungsbereich des Erneuerbare-Energien-Gesetzes im Hinblick auf die Vorgaben der Richtlinie 2001/77/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. September 2001 zur Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen im Elektrizitätsbinnenmarkt (ABl. L 283 vom 27. Oktober 2001, S. 33 ff., im Folgenden: Richtlinie 2001/77/EG) jedoch mit der Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes im Jahr 2004 erweitert. Nach der Begriffsbestimmung in Artikel 2 Buchstabe c) der Richtlinie 2001/77/EG gilt für deren Zwecke als "Strom aus erneuerbaren Energiequellen" Strom, der in Anlagen erzeugt wurde, die ausschließlich erneuerbare Energiequellen nutzen, sowie der Anteil von Strom aus erneuerbaren Energiequellen in Hybridanlagen, die auch konventionelle Energieträger einsetzen. In der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes wird ausgeführt, aus der Richtlinie ergäben sich Änderungen für dessen Anwendungsbereich, weil in ihr der Begriff der erneuerbaren Energien umfassender definiert werde als bisher im nationalen Recht; zudem erfordere die Richtlinie teilweise eine Abkehr vom Ausschließlichkeitsprinzip. Um die Vorgaben der Richtlinie umzusetzen, werde künftig unterschieden zwischen der Verpflichtung zur Vergütung, die sich weiterhin am Ausschließlichkeitsprinzip orientiere, und den Regelungen zur Anschluss-, Abnahme- und Verteilungspflicht, die für sämtliche Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien im Sinne der Richtlinie gelte (vgl. BR-Drucks. 15/04, S. 33; ebenso die Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 13. Januar 2004, BT-Drucks. 15/2327, S. 16 f.).
Rz. 18
(2) Die infolgedessen mit der im August 2004 in Kraft getretenen Neufassung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG 2004) eingeführte Differenzierung nach "Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien" einerseits, deren Betreiber einen Anspruch gegen den Netzbetreiber auf Anschluss ans Netz sowie auf Abnahme und Verteilung des Stroms haben (§ 4 EEG 2004), und "Anlagen, die ausschließlich erneuerbare Energien einsetzen" andererseits, denen darüber hinaus ein gesetzlicher Vergütungsanspruch gegen den Netzbetreiber zusteht (§ 5 EEG 2004), ist in den nachfolgenden Fassungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes unverändert bestehen geblieben (vgl. § 5 und § 16 EEG 2009 und EEG 2012, § 8 und § 19 EEG 2014 und EEG 2017).
Rz. 19
(3) Die mit § 12 Abs. 1 EEG 2009 erstmals eingeführte Härtefallregelung knüpft - in Verbindung mit § 3 Nr. 1 EEG 2009 - ihrem Wortlaut nach an die erstgenannte Gruppe von Erneuerbare-Energien-Anlagen an, die nicht zwingend ausschließlich erneuerbare Energieträger verwenden, und erfasst daher auch sogenannte Mischanlagen. Dem entspricht die systematische Stellung der Vorschrift im zweiten Teil des Erneuerbare-Energien-Gesetzes in allen Fassungen seit 2009, der die Regelungen zur Anschluss-, Abnahme- und Verteilungspflicht des Netzbetreibers enthält, die für sämtliche Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien gelten, während sich die besonderen Vergütungsvorschriften, die den Anlagen vorbehalten sind, die ausschließlich erneuerbare Energien einsetzen, im nachfolgenden dritten Teil des Gesetzes befinden.
Rz. 20
cc) Der Anwendbarkeit der Härtefallregelung auf die Anlage der Klägerin steht nicht entgegen, dass in ihr erneuerbare und konventionelle Energieträger - Abfälle biogenen Ursprungs und sonstige Abfälle - nicht abwechselnd, sondern gemischt und in variierenden Mengenverhältnissen zur Stromerzeugung eingesetzt werden.
Rz. 21
(1) Das Erneuerbare-Energien-Gesetz in den zwischen 2011 und 2016 geltenden Fassungen enthält für Mischanlagen weder eine Unterscheidung danach, ob die dort verwendeten erneuerbaren und herkömmlichen Energieträger abwechselnd oder kombiniert zur Stromerzeugung eingesetzt werden, noch - bei kombiniertem Einsatz - ob sie bereits ursprünglich gemischt sind oder ihre Zusammenführung erst in der Anlage selbst vorgenommen wird, noch in welchem Mengenverhältnis die verschiedenen Energieträger verwertet werden. Auch die Gesetzgebungsgeschichte der ab 2004, also seit der Abkehr vom Ausschließlichkeitsprinzip, in Kraft getretenen Neufassungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes enthält keine Hinweise darauf, dass der deutsche Gesetzgeber innerhalb der Gruppe der Mischanlagen differenzieren wollte.
Rz. 22
(2) Die zwischen 2009 und 2016 geltenden Regelungen zum Einspeisevorrang im Erneuerbare-Energien-Gesetz in der jeweils geltenden Fassung sind mit Blick auf die Richtlinie 2009/28/EG dahin auszulegen, dass sie auch Anlagen erfassen, die Elektrizität aus von vornherein gemischten Energieträgern erzeugen, und zwar auch dann, wenn die jeweiligen Anteile variieren und der Anteil der erneuerbaren Energien gering ist.
Rz. 23
(a) Nach Art. 16 Abs. 2 der Richtlinie 2009/28/EG sehen die Mitgliedstaaten entweder einen vorrangigen Netzzugang oder einen garantierten Netzzugang für Elektrizität aus erneuerbaren Energiequellen vor (Buchstabe b) und stellen sicher, dass die Betreiber der Übertragungsnetze beim Abrufen von Elektrizitätserzeugungsanlagen auf der Grundlage transparenter und nichtdiskriminierender Kriterien Erzeugungsanlagen Vorrang gewähren, in denen erneuerbare Energiequellen eingesetzt werden, soweit der sichere Betrieb des nationalen Elektrizitätssystems dies zulässt, und dass angemessene netz- und marktbezogene betriebliche Maßnahmen ergriffen werden, um Beschränkungen der Einspeisung von Elektrizität aus erneuerbaren Energiequellen möglichst gering zu halten (Buchstabe c). In Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2009/28/EG wird als Energie aus erneuerbaren Quellen die Energie aus erneuerbaren, nichtfossilen Energiequellen, unter anderem Biomasse, beschrieben. Art. 2 Buchst. e der Richtlinie definiert als Biomasse unter anderem den biologisch abbaubaren Teil von Abfällen aus Industrie und Haushalten.
Rz. 24
(b) Diese Vorgaben sind nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union dahin auszulegen, dass der vorrangige Zugang zum Stromnetz für Stromerzeugungsanlagen, die erneuerbare Energiequellen einsetzen, nicht nur denjenigen Anlagen zu gewähren ist, die Strom ausschließlich aus erneuerbaren Energiequellen erzeugen, sondern auch solchen, die Strom sowohl aus erneuerbaren als auch aus herkömmlichen Energiequellen erzeugen (EuGH, ZNER 2023, 235 Rn. 32). Ferner hat der Gerichtshof entschieden, dass eine Stromerzeugungsanlage, die variable Anteile sowohl erneuerbarer als auch herkömmlicher Energiequellen wie beispielsweise eine Mischung aus Abfällen einsetzt, bei der nur ein variabler Anteil aus biologisch abbaubaren Industrie- und Haushaltsabfällen besteht, (nur) für den aus erneuerbaren Energiequellen erzeugten variablen Stromanteil vorrangigen Zugang zum Netz erhalten können muss (EuGH, aaO, Rn. 37, 57). Zudem hat er klargestellt, dass die Richtlinie 2009/28/EG nicht bestimmt, ob der Anteil der eingesetzten erneuerbaren Energieträger einen Mindestwert als Schwelle erreichen muss, damit der daraus erzeugte Strom vorrangigen Zugang erhält (EuGH, aaO, Rn. 38).
Rz. 25
(c) Da der deutsche Gesetzgeber eine Mindestschwelle nicht festgelegt hat, ist davon auszugehen, dass im Grundsatz jede Anlage, die Strom aus einer Mischung von konventionellen und erneuerbaren Energieträgern erzeugt, nach § 5 Abs. 1 EEG 2009 und EEG 2012 vorrangig vor (rein) konventionellen Stromerzeugungsanlagen an das Netz anzuschließen ist und dass der von ihr produzierte Strom, jedenfalls soweit er aus erneuerbaren Energieträgern stammt, gemäß § 8 Abs. 1 EEG 2009 und EEG 2012 gegenüber Strom aus konventionellen Energieträgern Einspeisevorrang genießt.
Rz. 26
(3) Danach ist auch die Härtefallregelung aus § 12 Abs. 1 EEG 2009 und § 12 Abs. 1 EEG 2012 grundsätzlich auf alle Anlagen anwendbar, in denen zumindest teilweise erneuerbare Energieträger zur Stromerzeugung eingesetzt werden.
Rz. 27
(a) Zwar folgt dies nicht unmittelbar aus unionsrechtlichen Vorgaben. Denn die Richtlinie 2009/28/EG sieht nicht vor, dass die Mitgliedstaaten für den Fall der Nichteinhaltung des Einspeisevorrangs eine Entschädigung für den betroffenen Betreiber einer Erneuerbare-Energien-Anlage vorsehen müssen. Es ergibt sich jedoch aus dem vom deutschen Gesetzgeber mit der Schaffung der Härtefallregelung verfolgten Ziel.
Rz. 28
(b) Maßnahmen des Einspeisemanagements stellen eine Ausnahme von der - unionsrechtlich vorgegebenen - in § 8 Abs. 1 EEG 2009 und EEG 2012 festgeschriebenen Verpflichtung der Netzbetreiber zur vorrangigen Abnahme von Strom aus erneuerbaren Energien dar. Die Regelungen in § 11 EEG 2009 und § 11 EEG 2012 zielen darauf ab, die Aufrechterhaltung der Netzsicherheit zu ermöglichen und zugleich einen möglichst hohen Anteil von Strom aus erneuerbaren Energien in das Verbundnetz zu integrieren. Durch die Härtefallregelung sollen Anlagenbetreiber, die trotz des ihnen zustehenden Einspeisevorrangs im Rahmen des Einspeisemanagements eine Reduzierung ihrer Einspeiseleistung hinzunehmen haben, für die darauf beruhenden Einnahmeausfälle kompensiert werden. Auf diese Weise soll ein effizienter Einsatz des Einspeisemanagements durch den Netzbetreiber gewährleistet werden (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zu der im Jahr 2009 in Kraft getretenen Fassung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vom 18. Februar 2008, BT-Drucks. 16/8148, S. 46; s. dazu auch BGH, Urteil vom 11. Februar 2020 - XIII ZR 27/19, RdE 2020, 460 Rn. 33 - Einspeisemanagement). Dies setzt voraus, dass sämtlicher Strom aus erneuerbaren Energieträgern in das Einspeisemanagement und die Härtefallentschädigung einbezogen wird.
Rz. 29
(c) Entgegen der Ansicht der Streithelferin scheitert die Anwendbarkeit des § 12 Abs. 1 EEG 2009 und § 12 Abs. 1 EEG 2012 auf die Anlage der Klägerin auch nicht daran, dass der deutsche Gesetzgeber keine transparenten Kriterien dafür aufgestellt hat, wie Netzbetreiber den Einspeisevorrang von Anlagen, die sowohl erneuerbare als auch herkömmliche Energieträger verwerten, bei der Abschaltreihenfolge zu berücksichtigen haben. Denn der Entschädigungsanspruch nach der Härtefallregelung hängt nicht davon ab, dass der Netzbetreiber die gesetzlich vorgegebene Abschaltreihenfolge einhält. Davon abgesehen können solche Kriterien nur für das Verhältnis verschiedener Mischanlagen im Anwendungsbereich des Einspeisemanagements untereinander Bedeutung haben, da reine Erneuerbare-Energien-Anlagen unzweifelhaft auch vor allen Mischanlagen Einspeisevorrang genießen.
Rz. 30
c) Unerheblich ist für die Geltung der Härtefallregelung im Streitfall, anders als die Beklagte meint, ob die Anlage der Klägerin über eine betriebliche Einrichtung im Sinne des § 6 Nr. 1 EEG 2009 und des § 6 Abs. 1 EEG 2012 verfügte. Ein Entschädigungsanspruch nach § 12 Abs. 1 EEG 2009 und § 12 Abs. 1 EEG 2012 setzt nicht voraus, dass die geregelte Erneuerbare-Energien-Anlage über eine entsprechende technische Einrichtung verfügt.
Rz. 31
aa) Für die Härtefallentschädigung nach § 12 Abs. 1 EEG 2009 folgt dies unmittelbar aus dem Gesetz. § 11 Abs. 1 EEG 2009 verlangt für die Durchführung von Einspeisemanagementmaßnahmen nicht, dass die zu regelnde Erneuerbare-Energien-Anlage mit einer Einrichtung zur ferngesteuerten Reduzierung der Einspeiseleistung bei Netzüberlastung im Sinne des § 6 Nr. 1 EEG 2009 ausgestattet ist; auch § 12 Abs. 1 EEG 2009 enthält keine entsprechende Voraussetzung.
Rz. 32
bb) Auch nach der ab 2012 geltenden Rechtslage setzt ein Anspruch auf Härtefallentschädigung nicht voraus, dass die betreffende Anlage über eine entsprechende technische Einrichtung verfügt. Zwar sind in § 11 Abs. 1 EEG 2012 Einspeisemanagementmaßnahmen (nur) für Erneuerbare-Energien-Anlagen vorgesehen, die mit einer Einrichtung zur ferngesteuerten Reduzierung der Einspeiseleistung bei Netzüberlastung im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 1 EEG 2012 ausgestattet sind. § 12 Abs. 1 EEG 2012 knüpft aber seinem Wortlaut nach lediglich an die Reduzierung der Einspeiseleistung wegen eines Netzengpasses im Sinne von § 11 Abs. 1 EEG 2012 an, nicht an die technische Ausstattung der geregelten Anlage. Das entspricht auch den Vorstellungen des Gesetzgebers. In der Begründung des der Neufassung von § 12 Abs. 1 EEG 2012 zugrundeliegenden Gesetzentwurfs wird ausgeführt, Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien, die aufgrund von Netzengpässen geregelt würden, sollten zukünftig immer nach § 12 EEG entschädigt werden und diese Vorschrift sei nicht auf den Fall beschränkt, dass alle Anspruchsvoraussetzungen des § 11 EEG 2012 vorlägen; vielmehr sei ausreichend, dass ein Netzengpass im Sinne des § 11 vorliege (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsrahmens für die Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien der Fraktionen der CDU/CSU und FDP vom 6. Juni 2021, BT-Drucks. 17/6071, S. 65). Zudem hat der Gesetzgeber in § 17 Abs. 1 EEG 2012 für diejenigen Anlagen, die entgegen der gesetzlichen Verpflichtung keine technische Einrichtung vorhalten, eine ausdrückliche Sanktion in Form einer Reduzierung der gesetzlichen Einspeisevergütung - gegebenenfalls auf null - vorgesehen, Entsprechendes aber für die Härtefallentschädigung nach § 12 Abs. 1 EEG 2012 gerade nicht angeordnet (vgl. Schäfermeier in Reshöft/Schäfermeier, EEG, 4. Aufl., § 12 Rn. 10).
Rz. 33
d) Entschädigungsansprüche der Klägerin aus § 12 Abs. 1 EEG 2009 und EEG 2012 sind schließlich auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil sie im fraglichen Zeitraum für den in ihrer Abfallverwertungsanlage erzeugten Strom keine Einspeisevergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz erhalten hat. Die Härtefallentschädigung dient, wie sich aus der Entstehungsgeschichte der Norm sowie ihrem Sinn und Zweck ergibt, als Ersatz für jegliche Einnahme, die der Anlagenbetreiber durch Vermarktung des aus erneuerbaren Energieträgern erzeugten Stroms erzielt hätte, insbesondere auch für entgangene Direktvermarktungsentgelte (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2022 - XIII ZR 4/21, ZNER 2022, 440 Rn. 15 ff. - Windpark Högel).
Rz. 34
3. Im Ergebnis zutreffend ist die Entscheidung des Berufungsgerichts allerdings insoweit, als damit (implizit) Ansprüche der Klägerin auf Härtefallentschädigung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz für denjenigen Teil des Stroms aus ihrer Anlage abgelehnt worden sind, der aus Abfällen nicht-biogenen Ursprungs gewonnen wird. Denn § 12 Abs. 1 EEG 2009 und § 12 Abs. 1 EEG 2012 sind dahin auszulegen, dass sie dem Betreiber einer Mischanlage, in der sowohl erneuerbare als auch herkömmliche Energieträger eingesetzt werden, eine Entschädigung nur für den auf die erneuerbaren Energieträger entfallenden Teil des nicht eingespeisten Stroms gewährt.
Rz. 35
a) Zwar ergibt sich eine solche Beschränkung der Härtefallentschädigung auf den "erneuerbaren Stromanteil" nicht aus dem jeweiligen Wortlaut des § 12 Abs. 1 EEG 2009 und des § 12 Abs. 1 EEG 2012. Während der in § 8 Abs. 1 EEG 2009 und EEG 2012 geregelte Abnahme- oder Einspeisevorrang sich ausdrücklich auf den "angebotenen Strom aus erneuerbaren Energien" bezieht, stellt § 12 Abs. 1 EEG in den genannten Fassungen auf die Anlagenbetreiber ab, die der Netzbetreiber zu entschädigen hat, wenn sie aufgrund von Engpassmanagement-Maßnahmen Strom nicht einspeisen konnten. Dies könnte dahin verstanden werden, dass für die Bemessung des Entschädigungsanspruchs auf den gesamten Strom abzustellen ist, der ohne die netzengpassbedingte Einspeisereduzierung von einer Erneuerbare-Energien-Anlage in Form einer Mischanlage eingespeist worden wäre.
Rz. 36
b) Aus Sinn und Zweck der Norm folgt aber, dass die Härtefallentschädigung nach § 12 Abs. 1 EEG 2009 und § 12 Abs. 1 EEG 2012 nur für die auf erneuerbare Energieträger entfallenden Anteile des nicht eingespeisten Stroms gewährt werden kann.
Rz. 37
aa) Wie bereits ausgeführt (oben Rn. 28), dient der Anspruch auf Härtefallentschädigung dem Ausgleich dafür, dass der Anspruch der Betreiber von Erneuerbare-Energien-Anlagen auf vorrangige Abnahme und Verteilung von Strom in bestimmten Situationen hinter das Allgemeinwohlinteresse der Netzsicherheit zurücktreten muss.
Rz. 38
bb) Eine solche Kompensation ist jedoch nur insoweit gerechtfertigt, wie es auch zu einer Beeinträchtigung der vorrangigen Rechtsposition kommt, also in Bezug auf denjenigen Strom, für den der Einspeisevorrang gilt. Das ist aber gemäß § 8 Abs. 1 EEG 2009 und EEG 2012 in Einklang mit den Vorgaben der Richtlinie 2009/28/EG (vgl. EuGH, ZNER 2023, 235 Rn. 36 f.) allein der aus erneuerbaren Energieträgern stammende Strom, nicht hingegen derjenige, der - sei es auch in derselben Anlage und gleichzeitig - aus fossilen Energieträgern erzeugt wird. In diesem Sinne hat auch der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen im hiesigen Vorlageverfahren ausgeführt, dass sich ein Entschädigungsanspruch des Betreibers einer Erzeugungsanlage, dem der Netzzugang aufgrund von Netzengpässen verweigert wurde, nur auf den Anteil des Stroms beziehen würde, der aus dem biologisch abbaubaren Anteil des Abfallgemischs erzeugt wurde (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts vom 17. November 2022 - C-580/21 Rn. 58).
Rz. 39
cc) Gegen eine Erstreckung der Härtefallentschädigung auf den gesamten von einer Mischanlage nicht eingespeisten Strom spricht zudem, dass die Entschädigung im Ergebnis von den Netzkunden finanziert wird. Denn nach § 12 Abs. 2 EEG 2009 und § 12 Abs. 2 EEG 2012 kann der Netzbetreiber die ihm durch die Zahlung der Härtefallentschädigung entstehenden Kosten grundsätzlich bei der Ermittlung der Netzentgelte in Ansatz bringen. Diese Erhöhung der Netzentgelte ist jedoch nur gerechtfertigt, soweit sie dem mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz verfolgten Ziel dient, einen möglichst hohen Anteil von Strom aus erneuerbaren Energien in das Verbundnetz zu integrieren. Das trifft auf den Anteil des in einer Mischanlage erzeugten Stroms, der aus herkömmlichen Energieträgern erzeugt wird, nicht zu.
Rz. 40
II. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung können wegen der Einspeisereduzierungen in den Jahren 2013 bis 2016 auch Vergütungsansprüche der Klägerin nach § 13 Abs. 1a Satz 1 EnWG in der vom 28. Dezember 2012 bis 29. Juli 2016 geltenden Fassung (EnWG 2012) und nach § 13a Abs. 1 Satz 1 EnWG in der vom 30. Juli 2016 bis 30. September 2021 geltenden Fassung (EnWG 2016), jeweils in Verbindung mit § 14 Abs. 1 Satz 1 EnWG 2012 und EnWG 2016, nicht ausgeschlossen werden. Die Annahme des Berufungsgerichts, die in Streit stehenden Abregelungen stellten keine marktbezogenen Maßnahmen im Sinne dieser Normen, sondern Notfallmaßnahmen gemäß § 13 Abs. 2 EnWG dar, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Rz. 41
1. Nach § 13 Abs. 1 EnWG in den zwischen Januar 2013 und Dezember 2016 geltenden Fassungen sind Betreiber von Übertragungsnetzen berechtigt und verpflichtet, eine bestehende Gefährdung oder Störung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems in der jeweiligen Regelzone erstens durch netzbezogene Maßnahmen, insbesondere durch Netzschaltungen, und zweitens durch marktbezogene Maßnahmen, insbesondere durch den Einsatz von Regelenergie, vertraglich vereinbarte abschaltbare und zuschaltbare Lasten, Information über Engpässe und Management von Engpässen sowie Mobilisierung zusätzlicher Reserven zu beseitigen. § 13 Abs. 1a Satz 1 EnWG 2012 legt fest, dass für die Durchführung von marktbezogenen Maßnahmen Betreiber von Anlagen zur Speicherung von elektrischer Energie und von Anlagen zur Erzeugung von elektrischer Energie mit einer Nennleistung ab 10 Megawatt verpflichtet sind, auf Anforderung durch die Betreiber von Übertragungsnetzen und erforderlichenfalls in Abstimmung mit dem Betreiber desjenigen Netzes, in das die Erzeugungsanlage eingebunden ist, gegen angemessene Vergütung die Wirkleistungs- oder Blindleistungseinspeisung anzupassen. Eine entsprechende Regelung enthält § 13a Abs. 1 EnWG 2016.
Rz. 42
Gemäß § 13 Abs. 2 EnWG in allen im streitigen Zeitraum geltenden Fassungen sind Betreiber von Übertragungsnetzen im Rahmen der Zusammenarbeit nach § 12 Abs. 1 EnWG berechtigt und verpflichtet, sämtliche Stromeinspeisungen, Stromtransite und Stromabnahmen in ihren Regelzonen den Erfordernissen eines sicheren und zuverlässigen Betriebs des Übertragungsnetzes anzupassen oder diese Anpassung zu verlangen, wenn sich eine Gefährdung oder Störung durch Maßnahmen nach § 13 Abs. 1 EnWG nicht oder nicht rechtzeitig beseitigen lässt. Für solche - allgemein als Notfallmaßnahmen bezeichneten - Maßnahmen sieht das Gesetz keine Entschädigung der Anlagenbetreiber vor. Diese können auch nicht auf anderem Wege Ersatz verlangen, da bei einer berechtigten Anpassung nach § 13 Abs. 2 EnWG gemäß § 13 Abs. 4 EnWG 2012 und § 13 Abs. 5 EnWG 2016 bis zur Beseitigung der Gefährdung oder Störung alle hiervon betroffenen Leistungspflichten ruhen.
Rz. 43
Die vorgenannten Regelungen finden gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 EnWG 2012 und EnWG 2016 auf Betreiber von Elektrizitätsverteilernetzen im Rahmen ihrer Verteilungsaufgaben entsprechende Anwendung, soweit sie für die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Elektrizitätsversorgung in ihrem Netz verantwortlich sind.
Rz. 44
2. Das Berufungsgericht hat die in den Jahren 2013 bis 2016 von der Beklagten im Rahmen ihres Netzsicherheitsmanagements an die Klägerin erteilten Aufforderungen zur Reduzierung der Stromeinspeisung als Notfallmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG gewertet. Zur Begründung hat es ausgeführt, eine Einordnung als marktbezogene Maßnahmen nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EnWG komme nicht in Betracht, da diese eine vertragliche Vereinbarung zwischen dem Netzbetreiber und dem Anlagenbetreiber voraussetzten, welche den Netzbetreiber zur Vornahme von Abregelungen ermächtige und zugleich Zahlungsansprüche des Anlagenbetreibers begründe. Eine entsprechende Abrede hätten die Parteien jedoch nicht getroffen; sie folge auch nicht aus der im Anschluss- und Einspeisevertrag vereinbarten Teilnahme der Klägerin am Netzsicherheitsmanagement der Beklagten. Die Qualifizierung der erfolgten Einspeisereduzierungen als marktbezogene Maßnahmen ergebe sich auch nicht aus § 13 Abs. 1a Satz 1 EnWG 2012, in dessen Anwendungsbereich die Anlage der Klägerin falle. Mit Einführung dieser Vorschrift habe keine Verpflichtung des jeweiligen Netzbetreibers begründet werden sollen, auf den dort genannten Adressatenkreis ausschließlich im Wege marktbezogener Maßnahmen einzuwirken; vielmehr habe die bereits zuvor bestehende Auswahlbefugnis des Netzbetreibers zwischen marktbezogenen Maßnahmen und Notfallmaßnahmen fortbestanden. Daher sei für die Zuordnung zu einer der beiden Maßnahmearten darauf abzustellen, auf welche Ermächtigungsgrundlage sich der jeweilige Netzbetreiber für die Abregelung stütze. Im Streitfall habe die Beklagte sämtliche Einspeisereduzierungen als Notfallmaßnahmen deklariert. Zudem habe im Verhältnis zwischen den Parteien des Rechtsstreits das marktbezogenen Maßnahmen immanente vorausschauende und planende Element gefehlt, welches den Gesamtaufwand der notwendigen Sicherungsmaßnahmen für Netzbetreiber und Anlagenbetreiber reduzieren könne.
Rz. 45
3. Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Einspeisereduzierungen in den Jahren 2013 bis 2016 sind nicht als Notfallmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG, sondern als - vergütungspflichtige - marktbezogene Maßnahmen nach § 13 Abs. 1a EnWG 2012 und § 13a Abs. 1 EnWG 2016 einzuordnen.
Rz. 46
a) Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass zwischen den Parteien keine vertragliche Vereinbarung über marktbezogene Maßnahmen bestand. Zwar trifft seine Einschätzung, eine Vereinbarung marktbezogener Maßnahmen müsse Zahlungsansprüche des Anlagenbetreibers begründen, in dieser Allgemeinheit nicht zu. Vielmehr hat der Bundesgerichtshof nach Verkündung des Berufungsurteils entschieden, dass die Einordnung einer Maßnahme als marktbezogene Maßnahme nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG nicht voraussetze, dass in der vertraglichen Vereinbarung ein finanzieller Ausgleich vorgesehen werde, weil wesentliches Kennzeichen einer marktbezogenen Maßnahme nicht der finanzielle Ausgleich, sondern der Eingriff in Rechte des Netznutzers auf vertraglicher Grundlage sei (BGH, Beschluss vom 1. September 2020 - EnVR 7/19, RdE 2021, 141 Rn. 27 - Baltic Cable AB II). Diese Entscheidung ist indes auf die vorliegende Konstellation nicht übertragbar. Sie betraf einen besonders gelagerten Einzelfall, in dem es nicht um die Regelung einer Stromerzeugungsanlage ging, sondern um die zeitweilige Unterbrechung der Stromeinspeisung aus einer grenzüberschreitenden Fernleitung. Der zwischen dem einspeisewilligen Stromtransporteur und dem aufnehmenden Übertragungsnetzbetreiber geschlossene Netzanschlussvertrag sah zwar für den Fall eines drohenden Stromausfalls in Deutschland die Möglichkeit einer Einspeiseunterbrechung ohne Entschädigung vor, allerdings hatte der Fernleitungsbetreiber - anders als Betreiber von Stromerzeugungsanlagen - auch kein Entgelt für den Netzanschluss zu entrichten. Damit hatten die dortigen Parteien eine Regelung getroffen, die zwar keinen direkten finanziellen Ausgleich für den Fall von Einspeiseunterbrechungen vorsah, wohl aber wechselseitige wirtschaftliche Zugeständnisse zum Gegenstand hatte.
Rz. 47
Zudem hat das Berufungsgericht die ihm obliegende und vom Revisionsgericht nur im Hinblick auf die Verletzung von gesetzlichen oder allgemein anerkannten Auslegungsregeln, Denkgesetzen oder Erfahrungssätzen sowie die verfahrensrechtswidrige Nichtbeachtung erheblichen Tatsachenvortrags zu überprüfende (vgl. BGH, RdE 2021, 141 Rn. 25 - Baltic Cable AB II) Auslegung, dass die zwischen den Parteien zum Netzanschluss und zum Netzsicherheitsmanagement getroffenen Vereinbarungen keine Vereinbarungen über marktbezogene Maßnahmen darstellen, nicht allein auf das Fehlen einer Vergütungsregelung gestützt. Vielmehr hat es auf Grundlage der ihm aus anderen Rechtsstreitigkeiten bekannten Verträge zwischen der Beklagten und anderen Anlagenbetreibern darauf geschlossen, dass damit lediglich die für die Umsetzung des Netzsicherheitsmanagements der Beklagten technisch notwendigen Voraussetzungen geregelt wurden, die nach dem Verständnis beider Parteien für den Fall vorgesehen waren, dass die Beklagte (zulässigerweise) Notfallmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 Satz 1 EnWG ergreifen muss. Dem ist keine der Parteien im Revisionsverfahren entgegengetreten; vielmehr haben sowohl die Klägerin als auch die Beklagte ausdrücklich erklärt, dass zwischen ihnen nach ihrer übereinstimmenden Vorstellung keine vertragliche Vereinbarung zur Vornahme marktbezogener Maßnahmen bestand.
Rz. 48
b) Die Einordnung der von der Beklagten veranlassten Einspeisereduzierungen als - vergütungspflichtige - marktbezogene Maßnahmen ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Parteien keine vertragliche Vereinbarung über marktbezogene Maßnahmen getroffen hatten.
Rz. 49
aa) Seit der am 4. August 2011 in Kraft getretenen Neufassung des § 13 EnWG setzt die Durchführung marktbezogener Maßnahmen eine vertragliche Verbindung zwischen Netzbetreiber und Anlagenbetreiber nicht mehr voraus. § 13 Abs. 1a Satz 1 EnWG 2011 sieht vielmehr gerade vor, dass marktbezogene Maßnahmen gegenüber Erzeugungsanlagen mit einer bestimmten Nennleistung - zu diesem Zeitpunkt noch 50 Megawatt - auch dann erfolgen können, wenn eine vertragliche Möglichkeit zur Anpassung der Wirk- oder Blindleistung nicht besteht. Gleiches gilt für die - im Streitfall anwendbaren - Nachfolgeregelungen in § 13 Abs. 1a Satz 1 EnWG 2012 und § 13a Abs. 1 EnWG 2016, in denen der Anwendungsbereich lediglich auf Erzeugungsanlagen mit einer Nennleistung ab 10 Megawatt erweitert wurde.
Rz. 50
bb) Zwar lässt sich dem Wortlaut des § 13 Abs. 1a Satz 1 EnWG 2011 und der späteren Fassungen dieser Norm nicht unmittelbar entnehmen, dass sie keine vertragliche Vereinbarung über marktbezogene Maßnahmen verlangt. Denn danach wird, worauf auch das Berufungsgericht hinweist, lediglich eine Verpflichtung der adressierten Anlagenbetreiber festgelegt, für die Durchführung marktbezogener Maßnahmen auf Anforderung des Netzbetreibers die Wirkleistungs- oder Blindleistungseinspeisung anzupassen. Aus der Gesetzgebungsgeschichte ergibt sich aber, dass mit der Neuregelung gerade die Möglichkeit geschaffen werden sollte, marktbezogene Maßnahmen auf Grundlage eines gesetzlichen Schuldverhältnisses durchzuführen.
Rz. 51
(1) Nach der Begründung des Gesetzentwurfs gibt die Norm Netzbetreibern in standardisierter Form Befugnisse an die Hand, auf Erzeugungskapazitäten ab einer bestimmten Nennleistung gegen angemessene Vergütung zuzugreifen, soweit dies aus Gründen der Aufrechterhaltung der Systemstabilität erforderlich ist. Derartige Befugnisse seien in der Vergangenheit teilweise von Kraftwerksbetreibern entweder in Frage gestellt oder die Wirk- und Blindleistungserzeugung von der Kostenerstattung abhängig gemacht worden. Die Netzbetreiber hätten bisher keine Möglichkeit, Betreiber von Erzeugungsanlagen zur Mitwirkung an marktbezogenen Maßnahmen zu verpflichten; sie seien ihrerseits allerdings auch nicht gehalten, Vereinbarungen für marktbezogene Maßnahmen zu unangemessenen Konditionen zu kontrahieren. Bereits nach bestehender Rechtslage könnten Netzbetreiber die Maßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG gegenüber Erzeugungsanlagen treffen, um deren Einspeisung - ohne Vergütung - an das für die Systemsicherheit notwendige Niveau anzupassen, sofern die Maßnahmen nach § 13 Abs. 1 EnWG nicht ausreichten. Der neu eingeführte Absatz 1a schaffe einen Ausgleich zwischen den wechselseitigen Interessen, indem Anpassungsbefugnisse gegenüber größeren Kraftwerken gegen Zahlung einer angemessenen Vergütung unmittelbar gesetzlich vorgegeben würden. Die Netzbetreiber könnten daher, sofern die Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems nach Absatz 1 gefährdet oder gestört sei, bei der Durchführung von marktbezogenen Maßnahmen auch auf den gesetzlich ausgestalteten Anspruch nach Absatz 1a zurückgreifen (vgl. Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften vom 6. Juni 2011, BT-Drucks. 17/6072, S. 71).
Rz. 52
(2) Mit der Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes im Jahr 2012 hat sich an dieser Zielsetzung nichts geändert. § 13 Abs. 1a Satz 1 EnWG wurde auf Betreiben des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie dahingehend modifiziert, dass die Leistungsgrenze der vom Netzbetreiber adressierbaren Kraftwerke von 50 auf 10 Megawatt gesenkt und das Mindesterfordernis der Anbindung an Elektrizitätsversorgungsnetze mit einer Spannung von mindestens 110 Kilovolt gestrichen wurde. Diese Änderung wurde damit begründet, dass eine Absenkung des Schwellenwertes und damit eine Ausweitung des Kreises der potentiell Verpflichteten zielführend sei, nachdem die Erfahrungen im Umgang mit Versorgungsengpässen im Winter 2011/2012 gezeigt hätten, dass auch Kraftwerke mit geringerer Leistung entscheidenden Einfluss auf den Erhalt der Systemstabilität haben könnten (vgl. Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie zum Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 28. November 2012, BT-Drucks. 17/11705, S. 50).
Rz. 53
cc) Auch in der Literatur wird § 13 Abs. 1a Satz 1 EnWG in allen Fassungen ebenso wie § 13a Abs. 1 EnWG 2016 vor dem Hintergrund der Gesetzesbegründung wohl einhellig dahingehend verstanden, dass damit die Durchführung von marktbezogenen Maßnahmen aufgrund eines gesetzlichen Schuldverhältnisses und damit ohne Vertrag ermöglicht wird (vgl. Hartmann/Weise in Theobald/Kühling, Energierecht, Werkstand Juni 2023 [Bearbeitungsstand Mai 2016], § 13 EnWG Rn. 27; König in Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 1 Halbbd. 1, 3. Aufl., § 13 EnWG Rn. 30; ders., aaO, 4. Aufl., § 13a EnWG Rn. 16; Sötebier in Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, 3. Aufl., § 13 Rn. 36 bis 38; Schulz/Rohrer, ZNER 2011, 494, 498).
Rz. 54
c) Aus der Systematik sowie aus Sinn und Zweck des § 13 EnWG in den im Streitfall anzuwendenden Fassungen folgt, dass die von der Beklagten ab dem Jahr 2013 veranlassten Regelungen der Anlage der Klägerin als - vergütungspflichtige - marktbezogene Maßnahmen gemäß § 13 Abs. 1a EnWG 2012, § 13a Abs. 1 EnWG 2016 und nicht als Notfallmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG zu qualifizieren sind.
Rz. 55
aa) Eine inhaltliche Abgrenzung von marktbezogenen Maßnahmen im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG und von (Notfall-)Maßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG nimmt das Energiewirtschaftsgesetz nicht vor. Beide Instrumente setzen gleichermaßen die "Gefährdung oder Störung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungsnetzes" voraus. Da § 13 Abs. 2 EnWG für die Anwendung von Notfallmaßnahmen lediglich die zusätzliche Anforderung aufstellt, dass sich diese Gefährdung oder Störung durch Maßnahmen nach Absatz 1, also durch netzbezogene oder marktbezogene Maßnahmen, nicht beseitigen lässt, können diese nicht anhand des konkreten Gefährdungszustands des Netzes unterschieden werden.
Rz. 56
bb) Ebensowenig kann die Abgrenzung nach der Art der zur Beseitigung der Gefährdung der Netzsicherheit vorgenommenen Maßnahmen erfolgen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts liegt eine marktbezogene Maßnahme nicht nur vor, wenn der Anlagenbetreiber aktiv an der Ausübung der Systemverantwortung des Netzbetreibers mitwirkt, indem er diesem - durch Übermittlung der Plandaten seines Kraftwerks - eine vorausschauende und planende Ausübung der Systemverantwortung ermöglicht. Diese - vom Berufungsgericht in einer späteren Entscheidung, die Gegenstand einer zeitgleich ergangenen Revisionsentscheidung des Senats ist (BGH, Urteil vom 7. November 2023 - EnZR 85/20, zur Veröffentlichung bestimmt - Energy from Waste III), aufgegebene - Ansicht findet weder im Gesetzeswortlaut noch in der Gesetzgebungsgeschichte eine Stütze und widerspricht dem einhelligen Verständnis in der Literatur. Danach fallen unter das in § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG als Regelbeispiel genannte Engpassmanagement alle Maßnahmen, die zur Vermeidung oder Behebung eines Netzengpasses erforderlich sind (vgl. Sötebier, aaO, 3. Aufl., § 13 Rn. 33; ausdrücklich für den Anwendungsbereich des § 13 Abs. 1a EnWG 2012: König, aaO, 3. Aufl., § 13 EnWG Rn. 30, 36, 39). Generell können alle geeigneten Maßnahmen zur Beseitigung von Gefährdungen oder Störungen der Sicherheit des Elektrizitätsversorgungssystems marktbezogene Maßnahmen darstellen (vgl. Sötebier, aaO, 3. Aufl., § 13 Rn. 35). Insofern kann auch eine gegebenenfalls kurzfristige Reduzierung der Stromzufuhr aus Stromerzeugungsanlagen - wie sie im Streitfall mehrfach vorgenommen wurde - bei abstrakter Betrachtung nicht nur Gegenstand einer Notfallmaßnahme nach § 13 Abs. 2 EnWG sein, sondern gleichermaßen eine marktbezogene Maßnahme darstellen (vgl. Sötebier in Bourwieg/Hellermann/Hermes, EnWG, 4. Aufl., § 13 Rn. 398).
Rz. 57
cc) Aus der Systematik des § 13 EnWG in der seit dem 4. August 2011 geltenden Fassung sowie aus Sinn und Zweck seines Absatz 1a folgt, dass jede Maßnahme zur Reduzierung der Stromeinspeisung aus einer Anlage, die aufgrund ihrer Nennleistung in den Anwendungsbereich des § 13 Abs. 1a EnWG 2012 und des § 13a Abs. 1 EnWG 2016 fällt, als von Gesetzes wegen vergütungspflichtige marktbezogene, nicht hingegen als Notfallmaßnahme nach § 13 Abs. 2 EnWG einzuordnen ist, wenn sie ihrem Inhalt nach eine marktbezogene Maßnahme im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnWG darstellen, also Gegenstand einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung sein kann.
Rz. 58
(1) Nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes darf der Netzbetreiber (Notfall-)Maßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG erst und nur dann ergreifen, wenn sich eine Gefährdung oder Störung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems durch „Maßnahmen nach Absatz 1“ nicht oder nicht rechtzeitig beseitigen lässt. Der Netzbetreiber muss also alle ihm zur Verfügung stehenden netzbezogenen und marktbezogenen Maßnahmen ausschöpfen, bevor er - als ultima ratio - Notfallmaßnahmen ergreifen darf (allg.M., vgl. König in Säcker, aaO, 3. Aufl., § 13 EnWG Rn. 104; Sötebier, aaO, 4. Aufl., § 13 Rn. 394; Hartmann/Weise, aaO, § 13 EnWG Rn. 40). Dieses Stufenverhältnis gilt auch für die in § 13 Abs. 1a EnWG 2012 und § 13a Abs. 1 EnWG 2016 geregelten marktbezogenen Maßnahmen (vgl. König in Säcker, aaO, 3. Aufl., § 13 EnWG Rn. 104; ders., aaO, 4. Aufl., § 13 EnWG Rn. 96 f. und § 13a EnWG Rn. 6 f.; Sötebier, aaO, 4. Aufl., § 13 Rn. 394, 399; ders. aaO, 3. Aufl. § 13 Rn. 40 f.; i.E. ebenso: Tüngler in: Kment, EnWG, 2. Aufl., § 13 Rn. 35). Auch diese sind marktbezogene Maßnahmen im Sinne des § 13 Abs. 1 EnWG.
Rz. 59
(2) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts steht dem Netzbetreiber kein Wahlrecht zwischen marktbezogenen Maßnahmen nach § 13 Abs. 1a EnWG 2012 und Notfallmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG zu. Der Gesetzgeber wollte mit der Einführung des § 13 Abs. 1a EnWG 2011 und der darin geschaffenen Möglichkeit, marktbezogene Maßnahmen auf gesetzlicher Grundlage zu ergreifen, den Netzbetreibern gesicherte Befugnisse zur Anpassung der Einspeisung von Erzeugungsanlagen einräumen, die keine vorgeschalteten Verhandlungen über die Konditionen einer Inanspruchnahme erforderten, im Gegenzug aber auch den Interessen der Anlagenbetreiber Rechnung tragen, indem er diesen für den Fall einer solchen Inanspruchnahme durch den Netzbetreiber einen unmittelbaren gesetzlichen Vergütungsanspruch eingeräumt hat (vgl. BT-Drucks. 17/6072, S. 71). Dieses Ziel würde durch ein Wahlrecht des Netzbetreibers zwischen marktbezogenen Maßnahmen auf gesetzlicher Grundlage und Notfallmaßnahmen konterkariert. Denn es würde dem Netzbetreiber ermöglichen, die aus § 13 Abs. 1a EnWG 2012 und § 13a Abs. 1 EnWG 2016 resultierenden Pflichten zum (bilanziellen und finanziellen Ausgleich) zu unterlaufen, indem er entschädigungsfreie Notfallmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG anordnet, statt dieselben Maßnahmen auf Basis des gesetzlichen Schuldverhältnisses nach § 13 Abs. 1a EnWG 2012 und somit gegen angemessene Vergütung durchzuführen (vgl. Sötebier, aaO, 3. Aufl. § 13 Rn. 43; ders. aaO, 4. Aufl., § 13 Rn. 400; Schulz/Rohrer, ZNER 2011, 494, 498; siehe auch: BNetzA, Beschluss vom 6. November 2020 - BK6-20-059, S. 16 f., abrufbar unter www.bundesnetzagentur.de). Zudem stünde ein Wahlrecht des Netzbetreibers in eklatantem Widerspruch zu der vorgenannten gesetzlichen Rangfolge von netzbezogenen, marktbezogenen und Notfallmaßnahmen.
Rz. 60
(3) Ein Ermessen steht dem Netzbetreiber somit - innerhalb der gesetzlich angeordneten Rangfolge - allein hinsichtlich der technischen Auswahl unter den zur Verhinderung oder Beseitigung einer Gefährdungs- oder Störungslage zur Verfügung stehenden Maßnahmen, einschließlich der Auswahl der betroffenen Erzeugungsanlagen, zu.
Rz. 61
dd) Der Einordnung der von der Beklagten veranlassten Einspeisereduzierungen als marktbezogene Maßnahmen nach § 13 Abs. 1a EnWG 2012 und § 13a Abs. 1 EnWG 2016 steht schließlich nicht die Feststellung des Berufungsgerichts entgegen, die Beklagte habe diese Maßnahmen selbst ausnahmslos als Notfallmaßnahmen deklariert. Wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der im Berufungsurteil getroffenen Feststellungen ergibt, hat die Beklagte die Regelungen der klägerischen Anlage jeweils durch ihr Rund-Funksteuersignal angefordert, von dieser also lediglich ein bestimmtes technisches Ergebnis - die Reduzierung der Stromeinspeisung aus ihrer Anlage - verlangt. Die Einordnung als Notfallmaßnahmen im Sinne des § 13 Abs. 2 EnWG hat sie demgegenüber erst im Nachhinein im Rahmen der zwischen den Parteien geführten Verhandlungen über eine Entschädigung der Klägerin und durch entsprechende Meldungen an die Bundesnetzagentur vorgenommen. Damit hat sie aber lediglich ihre - nach den vorstehenden Ausführungen unzutreffende - Rechtsansicht geäußert, der Klägerin für die Einspeisereduzierungen nicht zu einem bilanziellen und finanziellen Ausgleich verpflichtet zu sein. Das ist indes unerheblich. Denn für die rechtliche Einordnung einer Maßnahme, die von ihrem Inhalt und ihrer Wirkungsweise her sowohl eine marktbezogene Maßnahme als auch eine Notfallmaßnahme darstellen kann, ist darauf abzustellen, welche Rechtsgrundlage dem Netzbetreiber objektiv zur Verfügung stand.
Rz. 62
d) Die vorstehenden Ausführungen gelten uneingeschränkt auch für Betreiber von Elektrizitätsverteilernetzen im Rahmen ihrer Verteilungsaufgaben, soweit sie die in § 14 Abs. 1 Satz 1 EnWG genannten Voraussetzungen erfüllen, also für die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Elektrizitätsversorgung in ihrem Netz verantwortlich sind. Ob und inwiefern der jeweilige Verteilernetzbetreiber die ihm aufgrund einer Maßnahme nach § 13 Abs. 1a Satz 1 EnWG 2011 und EnWG 2012 oder § 13a Abs. 1 Satz 1 EnWG 2016 und der damit verbundenen Vergütungspflicht entstehenden Kosten auf den ihm vorgelagerten Übertragungsnetzbetreiber abwälzen kann, spielt für das Rechtsverhältnis zwischen ihm und dem Anlagenbetreiber keine Rolle. Das folgt bereits aus der bedingungslosen Anordnung der entsprechenden Geltung des § 13 bzw. der §§ 13, 13a EnWG in § 14 Abs. 1 Satz 1 EnWG.
Rz. 63
4. Die §§ 13 ff. EnWG in der jeweils geltenden Fassung finden auf die Anlage der Klägerin Anwendung. Der Einordnung der von der Beklagten geforderten Einspeisereduzierungen als marktbezogene Maßnahmen steht nicht entgegen, dass die Anlage der Klägerin als Erneuerbare-Energien-Anlage einzuordnen ist. Vielmehr ist sie insoweit, wie sie Strom aus fossilen Energieträgern erzeugt, als konventionelles Kraftwerk einzuordnen, das in den Anwendungsbereich der §§ 13 ff. EnWG in den im hier relevanten Zeitraum geltenden Fassungen fällt. Da die von der Beklagten veranlassten Regelungen notwendig die Einspeiseleistung der Gesamtanlage betroffen haben, kommen Vergütungsansprüche der Klägerin wegen marktbezogener Maßnahmen der Beklagten nach § 13 Abs. 1a EnWG 2012 und § 13a Abs. 1 EnWG 2016 allerdings nur insoweit in Betracht, als kein Entschädigungsanspruch nach der Härtefallregelung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes besteht, also für den Anteil des nicht eingespeisten Stroms, der aus dem nicht-biogenen Abfallanteil erzeugt worden wäre.
Rz. 64
III. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht demgegenüber eine Zahlungspflicht der Beklagten nach dem Energiewirtschaftsgesetz wegen der vom 1. Januar 2011 bis 27. Dezember 2012 vorgenommenen Einspeisereduzierungen verneint.
Rz. 65
1. Die vom 1. Januar 2009 bis zum 3. August 2011 geltende Fassung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG 2009) sah eine gesetzliche Vergütungs- oder Entschädigungspflicht der Netzbetreiber bei Abregelungen von an ihr Netz angeschlossenen Kraftwerken nicht vor. Zahlungsansprüche des Anlagenbetreibers gegen den Netzbetreiber konnten sich bei Maßnahmen zur Regelung der Stromeinspeisung nur aus einem Vertrag über marktbezogene Maßnahmen im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG ergeben. Ein solcher lag im Streitfall nicht vor (s.o. Rn. 46).
Rz. 66
2. Auch für die zwischen dem 4. August 2011 und dem 27. Dezember 2012 von der Beklagten veranlassten Einspeisereduzierungen hat das Berufungsgericht zutreffend Vergütungs- oder Entschädigungsansprüche der Klägerin nach dem Energiewirtschaftsgesetz verneint. Auf § 13 Abs. 1a Satz 1 EnWG in der vom 4. August 2011 bis zum 27. Dezember 2012 geltenden Fassung (EnWG 2011) kann sich die Klägerin für diesen Zeitraum nicht berufen, da ihre Anlage die dort genannte Voraussetzung einer Nennleistung von mindestens 50 Megawatt nicht erfüllt hat. Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, kommt mangels Regelungslücke auch keine analoge Anwendung der Vorschrift auf die Anlage der Klägerin in Betracht.
Rz. 67
D. Da sich das Urteil des Berufungsgerichts nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO), ist es aufzuheben (§ 562 ZPO).
Rz. 68
E. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, da das Berufungsgericht - von seinem Ansatz her folgerichtig - nicht die für eine Sachentscheidung erforderlichen Feststellungen zu den der Klage zugrundeliegenden Einspeisereduzierungen getroffen hat. Insbesondere scheidet eine Wiederherstellung des Teil-Grundurteils des Landgerichts aus, welches "die Klage für die Jahre 2013 bis 2016 dem Grunde nach für gerechtfertigt" erklärt. Denn die geltend gemachten Entschädigungen für eine Vielzahl von Abregelungen bilden jeweils materiell-rechtlich selbständige Ansprüche. Daher liegt prozessual eine objektive Klagehäufung nach § 260 ZPO vor und müsste für jeden einzelnen Anspruch sein Bestehen dem Grunde nach festgestellt werden. Aus den Feststellungen im Berufungsurteil ergibt sich jedoch, dass unter anderem die Zahl der von der Beklagten im Gesamtzeitraum veranlassten Abregelungen zwischen den Parteien streitig ist. Die Sache ist daher insgesamt zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).
Rz. 69
F. Für das wiedereröffnete Berufungsverfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
Rz. 70
I. Bei der Prüfung, ob und in welcher Höhe der Klägerin für die einzelnen Abregelungen jeweils Ansprüche nach der Härtefallregelung zustehen, wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob die Beklagte Kenntnis davon hatte, dass die Klägerin in ihrer Anlage auch biologisch abbaubare Abfälle zur Stromerzeugung eingesetzt hat (vgl. zu diesem Erfordernis BGH, Urteil vom 7. November 2023 - EnZR 85/20, zur Veröffentlichung bestimmt, Rn. 19 f. - Energy from Waste III). Sollte dies der Fall sein, so wird es für die Ermittlung des Verhältnisses der in der Anlage der Klägerin eingesetzten erneuerbaren und herkömmlichen Energiequellen auf die vom Gerichtshof der Europäischen Union im Urteil vom 20. April 2023 (ZNER 2023, 235) in den Randnummern 50 bis 56 dargelegten Erwägungen zurückgreifen und bei der Berechnung der Entschädigung auf monatliche oder gegebenenfalls auch jährliche Durchschnittswerte abstellen können.
Rz. 71
II. Sollten Ansprüche nach § 12 Abs. 1 EEG 2009 und § 12 Abs. 1 EEG 2012 ausgeschlossen sein, weil die Beklagte keine Kenntnis von den in der Anlage der Klägerin verwerteten Energieträgern hatte, die eine solche Einordnung zur Folge gehabt hätten, so können der Klägerin für die Jahre 2013 bis 2016 im Hinblick auf den gesamten Strom Ansprüche aus § 13 Abs. 1a EnWG 2012 und § 13a Abs. 1 EnWG 2016 zustehen. Insoweit hat das Berufungsgericht zutreffend festgestellt, dass die Beklagte als Netzbetreiberin im Sinne des § 14 EnWG für alle in Streit stehenden Entschädigungsansprüche passivlegitimiert ist. In Bezug auf die Maßnahmen, die sie gegenüber der Klägerin in Umsetzung von Regelungsanforderungen der Streithelferin ergriffen hat, hat das Berufungsgericht zu Recht aus § 14 Abs. 1a EnWG 2012 und § 14 Abs. 1c EnWG 2016, wonach Verteilernetzbetreiber verpflichtet sind, die Maßnahmen des vorgelagerten Übertragungsnetzbetreibers durch eigene Maßnahmen zu unterstützen, den Schluss gezogen, dass Anspruchsgegner jeweils der aus der Sicht des betroffenen Anlagenbetreibers handelnde Netzbetreiber ist.
Rz. 72
III. Hinsichtlich der von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzansprüche wird das Berufungsgericht in den Blick zu nehmen haben, dass die Rechtmäßigkeit der Abregelungen 2011 und 2012 auch davon abhängen könnte, ob der Beklagten netz- und marktbezogene Maßnahmen gegenüber anderen Anlagenbetreibern zur Verfügung gestanden hätten. Sollte sich ergeben, dass der Beklagten mangels entsprechender Vertragsschlüsse mit Kraftwerksbetreibern keinerlei marktbezogene Maßnahmen zur Verfügung standen, wird das Berufungsgericht gegebenenfalls zu prüfen haben, ob aufgrund der Störanfälligkeit ihres Verteilernetzes der Abschluss entsprechender Vereinbarungen zum damaligen Zeitpunkt geboten und der Beklagten zumutbar gewesen wäre, und ob insoweit die Streithelferin netz- oder marktbezogene Maßnahmen hätte ergreifen können.
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Fundstellen
Haufe-Index 16178164 |
BGHZ 2024, 352 |
NVwZ-RR 2024, 191 |
NVwZ-RR 2024, 6 |
WM 2024, 796 |
JZ 2024, 79 |
REE 2024, 15 |
RdE 2024, 108 |
AbfallR 2024, 51 |
ZNER 2024, 19 |
N&R 2024, 48 |