Leitsatz (amtlich)
a) Das Angebot einer Minderung im Rahmen später gescheiterter Vergleichsgespräche führt nicht zum Verlust des Mängelbeseitigungsanspruchs.
b) Wird der Werklohn wegen Mängeln nicht fällig, kann sich der Besteller auch nach längerer Nutzung des Bauwerks noch auf die fehlende Fälligkeit berufen.
Normenkette
BGB § 633 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Koblenz (Urteil vom 22.04.2002) |
LG Koblenz |
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 12. Zivilsenats des OLG Koblenz v. 22.4.2002 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage abgewiesen worden ist, soweit mit ihr auch begehrt wurde, die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde des Notars F. mit Amtssitz in W. v. 2.12.1998 (UR-Nr. 2157/1998) für derzeit unzulässig zu erklären.
Auf die Anschlussrevision der Beklagten wird das Urteil insoweit aufgehoben, als die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde i. H. v. 29.790,93 Euro für unzulässig erklärt worden ist. Die weiter gehende Anschlussrevision wird zurückgewiesen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen die Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde.
Sie erwarben mit notariellem Vertrag v. 2.12.1998 ein Grundstück mit einem weitgehend errichteten und bis zum 28.2.1999 fertig zu stellenden Einfamilienhaus zum Preis von 319.000 DM. Der Preis sollte in voller Höhe mit Fertigstellung fällig werden. Die Kläger unterwarfen sich der sofortigen Zwangsvollstreckung aus der Urkunde; der Notar konnte die vollstreckbare Ausfertigung ohne Nachweis der Fälligkeit erteilen.
Nach Einzug der Kläger am 17.7.1999 teilte der Notar ihnen mit, die Voraussetzungen für die Fälligkeit seien erfüllt. Die Kläger leiteten daraufhin ein selbstständiges Beweisverfahren gegen die Beklagten wegen zahlreicher Mängel und fehlender Fertigstellung ein; der Sachverständige stellte einen Beseitigungsaufwand von 58.266 DM fest.
Das LG hat auf die Vollstreckungsgegenklage der Kläger die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde mangels Fälligkeit des Erwerbspreises für derzeit unzulässig erklärt. Hiergegen haben die Beklagten Berufung und die Kläger Anschlussberufung mit dem Ziel eingelegt, die Zwangsvollstreckung endgültig für unzulässig zu erklären. Das Berufungsgericht hat ein Abrechnungsverhältnis der Parteien angenommen und die Zwangsvollstreckung i. H. v. 58.266 DM gleich 29.790,93 Euro für endgültig unzulässig erklärt. Die weiter gehende Klage sowie die im zweiten Rechtszug erhobene Hilfswiderklage auf Zahlung des Preises hat es abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Kläger, die im Umfang der Klageabweisung auf Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils zielt. Die Beklagten haben hilfsweise Anschlussrevision eingelegt.
Entscheidungsgründe
Die Revision und zum Teil die Anschlussrevision haben Erfolg.
Das für das Schuldverhältnis maßgebliche Recht richtet sich nach den bis zum 31.12.2001 geltenden Gesetzen (Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB).
A. Revision
I.
Das Berufungsgericht führt aus, die Anschlussberufung habe keinen Erfolg, soweit die Kläger sich gegen die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung insgesamt wendeten. Die Makler- und Bauträgerverordnung sei nicht anwendbar, weil die Beklagten keine Gewerbetreibenden seien. Daher seien die von der Rechtsprechung des BGH entwickelten Grundsätze zur Nichtigkeit einer Unterwerfungserklärung unter die sofortige Zwangsvollstreckung ohne Fälligkeitsnachweis nicht anwendbar.
Das zieht die Revision nicht in Zweifel. Im Hinblick auf ihren eingeschränkten Antrag, im Umfang der Klageabweisung das landgerichtliche Urteil wieder herzustellen, ist dem Senat eine eigene Prüfung verwehrt (§ 308 ZPO).
II.
1. Das Berufungsgericht meint, die Beklagten seien unabhängig von der Frage der Abnahme und der Fertigstellung des Bauvorhabens berechtigt, die Zwangsvollstreckung i. H. v. 260.734 DM zu betreiben. Das ursprünglich auf Erfüllung gerichtete Vertragsverhältnis der Parteien habe sich in ein Abwicklungsverhältnis umgewandelt. Die Kläger hätten in der mündlichen Verhandlung vor dem Einzelrichter im ersten Rechtszug den vom Sachverständigen ermittelten Mangelbeseitigungsaufwand als Minderung des Erwerbspreises in Betracht gezogen.
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Weder die Parteien und ihre Prozessbevollmächtigten noch das LG hatten die in der mündlichen Verhandlung im Rahmen von Vergleichsgesprächen erörterte Möglichkeit, die Mängelbeseitigungskosten als Minderung vom Erwerbspreis abzuziehen, dahin verstanden, die Kläger wollten nunmehr ausschließlich sekundäre Gewährleistungsrechte geltend machen. Die Ausführungen des Berufungsgerichts, die Kläger erstrebten eine Abrechnung des Vertragsverhältnisses, sind ohne jede Grundlage. Den gegenteiligen Vortrag der Kläger, die auch im zweiten Rechtszug auf Mängelbeseitigung bestanden, nimmt das Berufungsgericht nicht zur Kenntnis. Seine Ausführungen, die Beklagten als Auftragnehmer seien nicht mehr zur Erfüllung bereit, sind für die rechtliche Beurteilung ohne Bedeutung.
III.
1. Das Berufungsgericht führt aus, die Kläger könnten sich jedenfalls gem. § 242 BGB nicht auf eine fehlende Abnahme berufen. Es sei dabei zu berücksichtigen, dass die Kläger das streitgegenständliche Haus bereits annähernd drei Jahre bewohnten. Dagegen hätten nach dem Vertrag Besitz und Nutzungen erst mit der Zahlung des Preises auf die Kläger übergehen sollen. Teilleistungen oder eine Vergütung für die zwischenzeitliche Nutzung hätten die Kläger nicht erbracht. Sie hätten allein die fehlende Fälligkeit des Werklohns wegen der von ihnen gerügten Baumängel geltend gemacht. Es müsse ferner berücksichtigt werden, dass die Beklagten die gesamte Vorleistungspflicht gemäß dem notariellen Vertrag übernommen hätten, ohne dass die Kläger bis zur Fertigstellung des Hauses auch nur zur Leistung von Teilbeträgen verpflichtet gewesen seien.
2. Diese Beurteilung des Berufungsgerichts ist rechtsfehlerhaft.
Seine Auffassung ist auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen mit dem Gesetz nicht vereinbar. Für die Revision ist davon auszugehen, dass die geltend gemachten Mängel bestehen. Wegen dieser Mängel war das Bauwerk nicht fertig gestellt; nach der vertraglichen Vereinbarung war der Werklohn nicht fällig.
Die Überlegungen des Berufungsgerichts zu § 242 BGB liegen neben der Sache. Solange die Beklagten das Bauwerk nicht fertig stellen, d. h. die Mängel beseitigen, sind die Kläger nicht zur Zahlung des Werklohns verpflichtet. Daran ändert nichts, dass die Kläger vor Fertigstellung eingezogen sind. Daraus kann entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung keine Abbedingung der Fälligkeitsregelung abgeleitet werden. Auch ein längerer Zeitraum von drei Jahren nach Einzug der Kläger ändert an der Beurteilung nichts. Die Beklagten können die Fälligkeit jederzeit dadurch herbeiführen, dass sie die Mängel beseitigen.
B. Anschlussrevision
Die Hilfsanschlussrevision hat in der Sache insoweit Erfolg, als sie sich dagegen richtet, dass das Berufungsgericht die Vollstreckung aus der Urkunde i. H. v. DM 58.266 für endgültig unzulässig erklärt hat. Der Vertrag befindet sich insgesamt noch im Erfüllungsstadium. Die Beklagten können das Bauwerk noch fertig stellen und danach wegen des Erwerbspreises in voller Höhe aus der Urkunde vollstrecken. Gründe, die eine endgültige Klageabweisung in vollem Umfang rechtfertigen könnten, zeigt die Hilfsanschlussrevision nicht auf.
Soweit sich die Hilfsanschlussrevision gegen die Abweisung der Hilfswiderklage richtet, mit der die Beklagten Zahlung des Erwerbspreises begehren, ist sie nicht begründet. Die Widerklage ist wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig. Das hat das Berufungsgericht zutreffend festgestellt. Die Beklagten haben die Kläger bereits im Verfahren 4 O 231/01 LG Koblenz auf Zahlung in Anspruch genommen, bevor sie die Hilfswiderklage in diesem Rechtsstreit erhoben haben.
C.
Nach alledem ist im noch anhängigen Rechtsstreit zu prüfen, ob die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde in vollem Umfang als derzeit unzulässig erklärt werden muss. Das ist der Fall, wenn das Bauwerk noch nicht fertig gestellt ist, also die behaupteten Mängel vorliegen. Dazu fehlen die Feststellungen, die das Berufungsgericht zu treffen haben wird.
Fundstellen
Haufe-Index 1101273 |
BGHR 2004, 508 |
BauR 2004, 670 |
NJW-RR 2004, 591 |
IBR 2004, 128 |
MittBayNot 2004, 356 |
WM 2004, 797 |
ZAP 2004, 398 |
ZfIR 2004, 208 |
MDR 2004, 441 |
ZfBR 2004, 269 |
BISach 2004, 154 |
BrBp 2004, 344 |
NJW-Spezial 2004, 23 |
NZBau 2004, 210 |
BauRB 2004, 125 |
JbBauR 2005, 339 |