Entscheidungsstichwort (Thema)
Abfassung der tatsächlichen Grundlagen einer Entscheidung im Urteil oder Sitzungsprotokoll
Leitsatz (amtlich)
Die tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung müssen sich aus dem Urteil oder im Falle des § 540 Abs. 1 Satz 2 ZPO aus dem Sitzungsprotokoll so erschließen, dass eine revisionsrechtliche Nachprüfung möglich ist (im Anschluss an BGH v. 10.2.2004 - VI ZR 94/03, BGHZ 158, 60 = MDR 2004, 826 = BGHReport 2004, 759).
Normenkette
ZPO § 540 Abs. 1 und 2
Verfahrensgang
KG Berlin (Urteil vom 10.02.2003; Aktenzeichen 8 U 218/02) |
LG Berlin (Urteil vom 05.06.2002; Aktenzeichen 32 O 747/01) |
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 8. Zivilsenats des KG in Berlin vom 10.2.2003 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das KG zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte hat gegen das der Klage stattgebende Urteil des LG Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, das Berufungsurteil verkündet. Das Verhandlungsprotokoll gibt in Form eines Hinweises eine kurze Begründung. Das Berufungsurteil, mit dem das Berufungsgericht das Urteil des LG abgeändert und die Klage abgewiesen hat, enthält nur den Tenor.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision erstreben die Kläger die Aufhebung des Berufungsurteils und Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
I.
Gegen die im Verhandlungstermin nicht erschienene Beklagte ist durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Dieses beruht jedoch inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern berücksichtigt den gesamten Sach- und Streitstand (BGHZ 37, 79 [81 ff.]).
II.
Das Berufungsurteil ist aufzuheben, da es mangels tatsächlicher Feststellungen in der Revision nicht überprüfbar ist.
1. Auf das Berufungsverfahren ist die Zivilprozessordnung in der am 1.1.2002 geltenden Fassung anzuwenden, weil die mündliche Verhandlung vor dem LG am 15.5.2002 geschlossen worden ist (§ 26 Nr. 5 EGZPO). Damit sind an die Stelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen die durch § 540 Abs. 1 ZPO näher geregelten Gründe des Berufungsurteils getreten. Nach § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO erfordert das Urteil die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen und eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung. Diese Darlegungen können bei Verkündung des Urteils im Verhandlungstermin in das Protokoll aufgenommen werden (§ 540 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
Diese Mindestvoraussetzungen sind, auch wenn das neue Recht die Berufungsgerichte bei der Urteilsabfassung entlasten will, für den Inhalt eines Urteils nicht entbehrlich (BGH v. 10.2.2004 - VI ZR 94/03, BGHZ 158, 60 [61] = MDR 2004, 826 = BGHReport 2004, 759, m.w.N.). Das ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut des Gesetzes, sondern auch und vor allem aus seinem Sinn, trotz der Erleichterungen bei der Abfassung von Berufungsurteilen deren revisionsrechtliche Nachprüfung zu ermöglichen. Deshalb müssen sich die tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung aus dem Urteil oder im Falle des § 540 Abs. 1 Satz 2 ZPO aus dem Sitzungsprotokoll so erschließen, dass eine revisionsrechtliche Nachprüfung möglich ist (BGH v. 10.2.2004 - VI ZR 94/03, BGHZ 158, 60 [62] = MDR 2004, 826 = BGHReport 2004, 759).
2. Die Revision rügt zu Recht, dass das Berufungsurteil diesen Anforderungen nicht genügt. Weder das Urteil noch das Verhandlungsprotokoll enthalten eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (§ 540 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ZPO). Auch die knappe Begründung im Sitzungsprotokoll lässt die tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erkennen.
Deshalb ist das Berufungsurteil von Amts wegen aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (st.Rspr.; BGH v. 10.2.2004 - VI ZR 94/03, BGHZ 158, 60 [63] = MDR 2004, 826 = BGHReport 2004, 759, m.w.N.).
Fundstellen