Leitsatz (amtlich)
a) Zur Frage des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes bei einem technischen Erzeugnis (hier: Noppenbahnen).
b) Der ergänzende wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz gegen eine vermeidbare Herkunftstäuschung hat nicht nur zur Voraussetzung, daß das nachgeahmte Erzeugnis wettbewerbliche Eigenart besitzt, sondern auch, daß es bei den maßgeblichen Verkehrskreisen eine gewisse Bekanntheit erlangt hat.
c) Begründet ein Nachahmer die Gefahr von Herkunftstäuschungen dadurch, daß er besondere technische Gestaltungsmerkmale eines anderen Erzeugnisses in zulässiger Weise übernimmt, handelt er nur dann wettbewerbswidrig, wenn er der Gefahr der Herkunftstäuschung nicht durch zumutbare Maßnahmen entgegenwirkt. Zur Vermeidung einer Herkunftstäuschung kann es gegebenenfalls erforderlich sein, nicht nur die Verpackung der Ware, sondern auch diese selbst mit einem Herkunftshinweis zu kennzeichnen.
Normenkette
UWG § 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 23. Juni 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien sind Wettbewerber beim Vertrieb von Materialien für den Bautenschutz. Die Klägerin bringt seit 1994 unter der Bezeichnung „D.” eine Schutzbahn für den Grundmauerschutz von Gebäuden auf den Markt, deren Noppen in diagonalen, senkrecht zueinander ausgebildeten Reihen ausgeformt sind. Sie ist Inhaberin des am 17. Februar 1994 eingetragenen Gebrauchsmusters Nr. G 93 08 077.8 „Schutzbahn für Bauzwecke”, das sich auf derartige Noppenbahnen bezieht.
Die Beklagte zu 1, deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2 ist, stellt ebenfalls Noppenbahnen mit einer diagonalen Anordnung der Noppenreihen her. Seit Dezember 1995/Januar 1996 vertreibt sie derartige Noppenbahnen unter den Bezeichnungen „P. S.” und „P. N.” in brauner und schwarzer Farbe.
Die Klägerin ist der Ansicht, daß die Beklagten bei dem Vertrieb ihrer P.-Noppenbahnen wettbewerbswidrig handeln, weil diese unlautere Nachahmungen ihres Erzeugnisses „D.” seien. Sie hat die Beklagte zu 1 zwar auch wegen einer behaupteten Verletzung ihres Gebrauchsmusters abgemahnt, ihre Klage aber nur auf § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes gestützt. Sie hat dazu vorgetragen, die besonderen Merkmale ihres Erzeugnisses seien in Verbindung mit dessen außergewöhnlichem Markterfolg zu einem Herkunftshinweis auf sie geworden. Die Beklagten hätten ihr Produkt ohne technische Notwendigkeit in Anordnung, Form, Höhe, Abstand und brauner Farbe der Noppen praktisch identisch nachgebildet.
Die Klägerin hat beantragt,
I. die Beklagten zu verurteilen,
- es zur Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu unterlassen, Schutzbahnen für Bauzwecke aus einer aus Niederdruckpolyethylen bestehenden Folie mit aus deren Oberfläche ausgeformten Noppen zum Schutz gegen mechanische Feuchtigkeitseinflüsse sowie zur Lüftung und Wärmedämmung des zu schützenden Mauerwerks anzubieten und/oder in den Verkehr zu bringen, wie nachstehend [in schwarz-weiß Kopie, Original in brauner Farbe] wiedergegeben:
Auskunft über den Umfang der vorstehend unter Ziff. I.1. bezeichneten und in nicht rechtsverjährter Zeit begangenen Handlungen zu erteilen unter Angabe
- der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen,
- der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen,
- der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
- der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns.
II. festzustellen, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr, der Klägerin, allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die vorstehend zu I.1. bezeichneten und in nicht rechtsverjährter Zeit begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen. Sie haben in Abrede gestellt, daß der „D.”-Noppenbahn der Klägerin wettbewerbliche Eigenart zukomme. Alle äußerlichen Merkmale dieser Noppenbahn seien technisch oder wirtschaftlich bedingt. Da erdberührende Außenwände von Gebäuden in aller Regel schwarz oder braun seien, habe auch die Farbgebung keine produktunterscheidende Bedeutung; eine schwarze oder braune Einfärbung sei zudem erheblich preiswerter als eine andere Farbgebung. Sollte die „D.”-Noppenbahn ursprünglich wettbewerblich eigenartig gewesen sein, habe sie diese Eigenschaft jedenfalls infolge des Vertriebs von Wettbewerbsprodukten verloren.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.
Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.
Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgen die Beklagten ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, daß die Klageansprüche nach § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes begründet seien, weil die Beklagten in Kenntnis der Umstände nicht alles Erforderliche getan hätten, um die Gefahr einer Herkunftsverwechslung möglichst zu beseitigen oder zu verringern. Dies könne aus eigener Sachkunde festgestellt werden, weil die Parteien ihre Erzeugnisse nicht nur an Fachkreise des Baugewerbes vertrieben, sondern auch an Heimwerker.
Die „D.”-Noppenbahn besitze wettbewerbliche Eigenart. Ihr Erscheinungsbild werde geprägt durch die besondere Gestaltung der Noppen selbst als an der Spitze abgeflachte Kegelstümpfe und ihre Anordnung mit gleichmäßigem Abstand in regelmäßigen diagonalen Reihen, die über die gesamte Oberfläche der Schutzbahn verliefen. Diese beiden Merkmale seien geeignet, die Aufmerksamkeit des Verkehrs zu wecken und sich als Hinweis auf das Erzeugnis und dessen Herkunft von einem bestimmten Hersteller einzuprägen. Es sei unschädlich, daß diese Merkmale die technische Funktion hätten, eine bestimmte Druckfestigkeit und eine verbesserte Verbindungs- und Anschlußmöglichkeit der Noppenbahnen untereinander zu gewährleisten. Wie das Marktumfeld zeige, gebe es für Noppenbahnen zahlreiche andere, ebenso brauchbare und deutlich abweichende Möglichkeiten der Gestaltung. Demgemäß sei anzunehmen, daß der Verkehr gerade mit den besonderen Merkmalen der Noppenbahnen der Klägerin bestimmte Vorstellungen über die Herkunft und die Qualität der Erzeugnisse verbinde. Die wettbewerbliche Eigenart der „D.”-Noppenbahn der Klägerin sei weder im Zeitpunkt des Beginns des Vertriebs der P.-Noppenbahnen der Beklagten noch später durch die Gestaltung der Noppenbahnen anderer Unternehmen beeinträchtigt worden.
Die P.-Noppenbahnen der Beklagten seien der „D.”-Noppenbahn der Klägerin so ähnlich, daß die Gefahr von Verwechslungen hinsichtlich der betrieblichen Herkunft bestehe, da nicht nur die Gestaltung der einzelnen Noppen, sondern auch deren Anordnung übereinstimme. Mit der Form der Noppen und ihrer Anordnung seien zwar technisch-funktional bedingte Elemente der Noppenbahnen betroffen, diese seien aber bei Beibehaltung ihrer technischen Funktion und Brauchbarkeit im übrigen frei wählbar. Den Beklagten sei deshalb eine abweichende Produktgestaltung zumutbar.
Der Aufdruck der Marke und der Firma der Klägerin auf ihrem Erzeugnis könne allenfalls eine unmittelbare Verwechslung ausschließen, nicht aber eine Verwechslungsgefahr in dem Sinne, daß der Verkehr annehme, der Hersteller von „D.”-Noppenbahnen bringe nunmehr eine preiswertere Zweitlinie auf den Markt oder der Hersteller der P.-Noppenbahnen sei aufgrund organisatorischer oder wirtschaftlicher Beziehungen mit ihm berechtigt, seine Erzeugnisse in der Gestaltung der „D.”-Noppenbahn zu vertreiben.
Obwohl die Klägerin ihr Erzeugnis bisher nur in brauner Farbe auf den Markt bringe, bestehe die Gefahr der betrieblichen Herkunftstäuschung auch bei den schwarzen P.-Noppenbahnen, weil der Verkehr diese als Variante der ihm bekannten „D.”-Noppenbahn ansehen werde.
II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Auf der Grundlage des bisher festgestellten Sachverhalts können Ansprüche aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz (§ 1 UWG) nicht zuerkannt werden.
Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, daß der Nachbau fremder, nicht (mehr) unter Sonderrechtsschutz stehender technischer Erzeugnisse nach § 1 UWG wettbewerbswidrig sein kann, wenn die Erzeugnisse von wettbewerblicher Eigenart sind und besondere Umstände hinzutreten, die den Nachbau unlauter erscheinen lassen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 14.12.1995 – I ZR 240/93, GRUR 1996, 210, 211 = WRP 1996, 279 – Vakuumpumpen; Urt. v. 14.1.1999 – I ZR 203/96, GRUR 1999, 751, 752 = WRP 1999, 816 – Güllepumpen; Urt. v. 17.6.1999 – I ZR 213/96, GRUR 1999, 1106, 1108 = WRP 1999, 1031 – Rollstuhlnachbau; Urt. v. 8.12.1999 – I ZR 101/97, GRUR 2000, 521, 523 = WRP 2000, 493 – Modulgerüst; Urt. v. 12.7.2001 – I ZR 40/99, WRP 2001, 1294, 1298 – Laubhefter). Seine Ansicht, daß hier solche Umstände gegeben sind, wird jedoch von den festgestellten Umständen nicht getragen.
1. Auch technische Erzeugnisse wie die „D.”-Noppenbahn der Klägerin können, wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zu Recht angenommen hat, wettbewerbliche Eigenart besitzen.
Eine solche wettbewerbliche Eigenart setzt voraus, daß die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale des Erzeugnisses geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (st. Rspr.; vgl. BGHZ 138, 143, 148 – Les-Paul-Gitarren; BGH GRUR 2000, 521, 523 – Modulgerüst; BGH WRP 2001, 1294, 1298 – Laubhefter). Die wettbewerbliche Eigenart kann sich auch aus den technischen Merkmalen des Erzeugnisses ergeben (vgl. BGH GRUR 1999, 1106, 1108 – Rollstuhlnachbau; BGH GRUR 2000, 521, 523 – Modulgerüst; BGH WRP 2001, 1294, 1298 – Laubhefter). Für technisch notwendige Gestaltungselemente entfällt allerdings ein Schutz nach § 1 UWG, weil nach dem Grundsatz der Freiheit des Standes der Technik die Übernahme solcher nicht (mehr) unter Sonderrechtsschutz stehender Gestaltungsmerkmale wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Dementsprechend können technisch notwendige Merkmale, d.h. solche Merkmale, die bei gleichartigen Erzeugnissen aus technischen Gründen zwingend verwendet werden müssen, aus Rechtsgründen keine wettbewerbliche Eigenart begründen (vgl. BGH GRUR 2000, 521, 523 – Modulgerüst, m.w.N.). Dies gilt jedoch nicht bei technischen Gestaltungselementen, die zwar technisch bedingt, aber willkürlich wählbar und austauschbar sind (BGH GRUR 2000, 521, 523 – Modulgerüst, m.w.N.).
Danach ist es – entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung – nicht ausgeschlossen, mit dem Berufungsgericht die wettbewerbliche Eigenart der „D.”-Noppenbahn der Klägerin aus technischen Merkmalen herzuleiten wie besonderen Merkmalen der Gestaltung ihrer Noppen und deren Anordnung auf der Schutzbahn in regelmäßigen diagonalen Reihen. Denn diese Merkmale sind nach den – insoweit nicht angegriffenen – Feststellungen des Berufungsgerichts bei derartigen Schutzbahnen technisch nicht zwingend; vielmehr kommen bei gleichartigen Noppenbahnen unstreitig auch andere brauchbare Gestaltungen in Betracht.
Der ergänzende Leistungsschutz aus § 1 UWG wird aber bei technischen Erzeugnissen dadurch beschränkt, daß die technische Lehre und der Stand der Technik frei sind (vgl. BGHZ 50, 125, 128 f. – Pulverbehälter; BGH, Urt. v. 23.1.1981 – I ZR 48/79, GRUR 1981, 517, 519 = WRP 1981, 514 – Rollhocker; BGH GRUR 1996, 210, 211 – Vakuumpumpen; BGH GRUR 1999, 1106, 1108 – Rollstuhlnachbau; BGH WRP 2001, 1294, 1299 – Laubhefter). Wenn ein Erzeugnis aufgrund technischer Merkmale wettbewerblich eigenartig ist, kann es deshalb grundsätzlich nicht als wettbewerbsrechtlich unlauter angesehen werden, wenn solche Merkmale übernommen werden, die dem freizuhaltenden Stand der Technik angehören und – unter Berücksichtigung des Gebrauchszwecks, der Verkäuflichkeit der Ware sowie der Verbrauchererwartung – der angemessenen Lösung einer technischen Aufgabe dienen (vgl. BGHZ 50, 125, 128 f. – Pulverbehälter; BGH GRUR 1981, 517, 519 – Rollhocker; BGH GRUR 1996, 210, 213 – Vakuumpumpen; BGH GRUR 2000, 521, 523 – Modulgerüst).
2. Das Berufungsgericht ist zwar von diesen Grundsätzen ausgegangen, hat aber gleichwohl angenommen, daß den Beklagten nur solche Abweichungen der Gestaltungsform unzumutbar gewesen seien, die die technische Brauchbarkeit und Handhabung des Erzeugnisses beeinträchtigen oder nur unter Inkaufnahme wirtschaftlicher Nachteile vorgenommen werden können. Dem kann nicht zugestimmt werden. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts hätte zur Folge, daß eine angemessene technische Lösung als solche allein deshalb nicht übernommen werden darf, weil der Verkehr an die entsprechenden gemeinfreien technischen Gestaltungsmerkmale Herkunfts- und Gütevorstellungen knüpft. Damit wird jedoch den Wettbewerbern entgegen dem Grundsatz der Nachahmungsfreiheit allgemein aufgebürdet, statt eine nicht unter Sonderrechtsschutz stehende technische Lösung zu nutzen, andere Gestaltungsmöglichkeiten zu suchen. Wie der Senat bereits in der Entscheidung „Pulverbehälter” (BGHZ 50, 125, 129; vgl. auch Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., § 1 UWG Rdn. 463 m.w.N.) dargelegt hat, wird das Recht auf Benutzung des freien Standes der Technik mißachtet, wenn im Einzelfall der Übernehmer einer gemeinfreien technischen Gestaltung auf das Risiko verwiesen wird, es mit einer anderen Lösung zu versuchen oder es auf einen Rechtsstreit darüber ankommen zu lassen, ob nach dem letzten Stand der Technik eine andere gleichwertige Lösung objektiv möglich ist.
Danach kann den Beklagten mit der bisher gegebenen Begründung nicht untersagt werden, Noppenbahnen mit der beanstandeten besonderen Ausformung und diagonalen Anordnung der Noppen zu vertreiben. Die Klägerin hat nicht in Abrede gestellt, daß gerade mit diesen Merkmalen eine angemessene Lösung technischer Probleme erreicht wird, die bei dem Einsatz von Schutzbahnen für Bauzwecke bestehen. Die von den Beklagten übernommenen Gestaltungsmerkmale sind nach dem eigenen Gebrauchsmuster der Klägerin, auf das sie noch ihre Abmahnung, wenn auch nicht mehr ihre Klage gestützt hat, technisch sogar besonders vorteilhaft. Nach der Gebrauchsmusterschrift kann gerade durch die Ausbildung einer Schutzbahn mit Noppenreihen in der Anordnung und Ausformung, wie sie die Beklagten übernommen haben, eine wesentliche Steigerung der Festigkeit der Schutzbahn gegenüber dem Erddruck erreicht werden. Eine solche Gestaltung soll u.a. auch gewährleisten, daß die Schutzbahn auf der Baustelle einfach verarbeitet werden kann und leicht handhabbar ist. Eine identische Übernahme der Gestaltung ihrer „D.”-Noppenbahn in allen Abmessungen behauptet die Klägerin nicht.
3. Ansprüche aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz können hier jedoch unter dem Gesichtspunkt einer unlauteren betrieblichen Herkunftstäuschung gegeben sein, wenn die Gestaltung der nachgeahmten „D.”-Noppenbahn der Klägerin zur Zeit der Markteinführung der Noppenbahnen der Beklagten den maßgeblichen Verkehrskreisen in hinreichendem Umfang bekannt war und die Beklagten zumutbare und geeignete Maßnahmen zur Vermeidung einer Herkunftstäuschung unterlassen haben.
a) Der ergänzende wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz gegen eine vermeidbare Herkunftstäuschung hat nicht nur zur Voraussetzung, daß das nachgeahmte Erzeugnis wettbewerbliche Eigenart besitzt, sondern auch, daß es bei den maßgeblichen Verkehrskreisen eine gewisse Bekanntheit erlangt hat, da andernfalls die Gefahr einer Herkunftstäuschung nicht bestehen könnte (vgl. BGHZ 50, 125, 130 f. – Pulverbehälter; Baumbach/Hefermehl aaO § 1 UWG Rdn. 450, 457; Gloy/Schmidt-Diemitz/Eck, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 2. Aufl., § 43 Rdn. 38; Sambuc, Der UWG-Nachahmungsschutz, 1996, Rdn. 97; a.A. Köhler/Piper, UWG, 2. Aufl., § 1 Rdn. 524). Eine Verkehrsgeltung ist dazu nicht erforderlich (vgl. BGHZ 50, 125, 130 f. – Pulverbehälter). Es genügt, daß das wettbewerblich eigenartige Erzeugnis bei nicht unerheblichen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise eine solche Bekanntheit erreicht hat, daß sich in relevantem Umfang die Gefahr der Herkunftstäuschung ergeben kann, wenn Nachahmungen vertrieben werden (vgl. dazu auch Gloy/Schmidt-Diemitz/Eck aaO § 43 Rdn. 39). Abweichend von der Ansicht des Berufungsgerichts kann dies nicht schon dann angenommen werden, wenn das wettbewerblich eigenartige Erzeugnis in nicht nur völlig irrelevantem Umfang auf den inländischen Markt gelangt ist.
Maßgebend ist hier die Bekanntheit bei den Fachkreisen – als den allein wirtschaftlich bedeutsamen Abnehmerkreisen – im Zeitpunkt der Markteinführung der beanstandeten Erzeugnisse der Beklagten. Die Beweislast für diese Anspruchsvoraussetzung trifft die Klägerin. Falls festzustellen ist, daß die maßgeblichen Verkehrskreise zu der damaligen Zeit mit der besonderen Gestaltung der „D.”-Noppenbahn der Klägerin in ausreichendem Umfang Herkunftsvorstellungen verbunden haben, würde sich daraus zugleich der Nachweis ergeben, daß die „D.”-Noppenbahn – ungeachtet eines etwaigen Vertriebs von Noppenbahnen ähnlicher oder gleicher Gestaltung durch Wettbewerber – eine hinreichende wettbewerbliche Eigenart besessen hat.
b) Begründet ein Nachahmer die Gefahr von Herkunftstäuschungen dadurch, daß er besondere technische Gestaltungsmerkmale eines anderen Erzeugnisses in zulässiger Weise übernimmt, handelt er nur dann wettbewerbswidrig, wenn er der Gefahr der Herkunftstäuschung nicht durch zumutbare Maßnahmen entgegenwirkt (vgl. dazu auch BGHZ 50, 125, 129 f. – Pulverbehälter). Ist dies der Fall, muß eine noch verbleibende Verwechslungsgefahr, insbesondere hinsichtlich geschäftlicher oder organisatorischer Beziehungen zwischen den beteiligten Unternehmen (vgl. BGH, Urt. v. 15.6.2000 – I ZR 90/98, GRUR 2001, 251, 254 = WRP 2001, 153 – Messerkennzeichnung), hingenommen werden. Auf eigene Bemühungen des Herstellers des nachgeahmten Erzeugnisses kann sich der Nachahmende, der die Gefahr der Herkunftstäuschung begründet hat, dagegen nicht berufen.
Die Beantwortung der Frage, welche Maßnahmen im Einzelfall zur Vermeidung von Herkunftsverwechslungen geeignet und zumutbar sind, liegt weitgehend auf tatrichterlichem Gebiet (BGH GRUR 2000, 521, 524 f. – Modulgerüst, m.w.N.). Insbesondere die Frage, welche Bedeutung der Verkehr der Anbringung von (unterscheidenden) Kennzeichnungen beimißt, bedarf einer umfassenden tatrichterlichen Würdigung aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls, um feststellen zu können, ob dadurch eine Täuschung des Verkehrs vermieden wird (BGH GRUR 1999, 751, 753 – Güllepumpen; BGH, Urt. v. 19.10.2000 – I ZR 225/98, GRUR 2001, 443, 445 = WRP 2001, 534 – Viennetta, m.w.N.).
Nach den gestellten Klageanträgen, zumindest nach deren Wortlaut, kommt es hier allerdings bei der Beurteilung, welche Maßnahmen zur Vermeidung einer Herkunftstäuschung den Beklagten zumutbar waren, nicht auf die umstrittene Frage an, ob die Kennzeichnung der Noppenbahnen der Beklagten durch eine Banderole mit Herkunftshinweisen genügen konnte, um Herkunftstäuschungen beim Kauf zu vermeiden. Denn die Anträge beziehen sich, so wie sie gestellt sind, auf das Anbieten und Inverkehrbringen der Noppenbahnen als solche, d.h. unabhängig davon, in welcher Verpackung diese vertrieben wurden.
Es wird deshalb im weiteren Verfahren gegebenenfalls zu prüfen sein, ob die Beklagten durch das mit den Anträgen beanstandete Verhalten deshalb wettbewerbsrechtlich unlauter gehandelt haben, weil die Gestaltung ihrer Noppenbahnen – nach der Beseitigung einer etwaigen Verpackung – eine vermeidbare Herkunftstäuschung begründet hat (vgl. dazu auch BGH GRUR 2000, 521, 524 – Modulgerüst, m.w.N.). Das anzuerkennende Interesse der Klägerin, davor geschützt zu sein, daß ihr nicht fast gleich gestaltete (möglicherweise minderwertige) Erzeugnisse von Wettbewerbern zugerechnet werden (z.B. während der Verarbeitung der Noppenbahnen am Bau und bei späteren Mängelrügen), spricht sehr wesentlich dafür, von den Beklagten eine herkunftshinweisende Kennzeichnung der Noppenbahnen selbst zu fordern. Der Umstand, daß die Klägerin ihre eigenen Noppenbahnen nicht nur auf der Verpackung, sondern auch als solche gekennzeichnet hat, ist ein wichtiges Indiz dafür, daß den Beklagten – falls die Gefahr einer Herkunftstäuschung gegeben war – eine Kennzeichnung ihrer Noppenbahnen zumutbar war. Es wird gegebenenfalls auch zu prüfen sein, ob die Beklagten der Pflicht, zur Vermeidung von Herkunftstäuschungen beizutragen, schon dadurch genügen konnten, daß sie Noppenbahnen – anders als die Klägerin ihre „D.”-Noppenbahn – in schwarzer Farbgebung vertrieben haben (vgl. BGH GRUR 2000, 521, 524 – Modulgerüst; vgl. auch BGH GRUR 2001, 251, 253 – Messerkennzeichnung).
III. Auf die Revision der Beklagten war danach das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Erdmann, v. Ungern-Sternberg, Starck, Pokrant, Büscher
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 08.11.2001 durch Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 666286 |
BGHR 2002, 239 |
BGHR |
GRUR 2002, 275 |
Nachschlagewerk BGH |
MDR 2002, 471 |
WRP 2002, 207 |
Mitt. 2002, 248 |