Leitsatz (amtlich)
Die fehlende Bezeichnung „Berufungsbeklagter” allein rechtfertigt nicht, die Berufung als unzulässig zu behandeln, wenn die Auslegung der Berufungsschrift ergibt, gegen wen sich die Berufung richtet.
Normenkette
ZPO § 518 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OLG |
LG Lübeck |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Teilurteil des 3. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 23. Januar 2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 21. Juli 1999 betreffend den Drittwiderbeklagten als unzulässig verworfen worden ist.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger, ein Architekt, verlangt von der Beklagten Honorar aus einem Architektenvertrag mit der Behauptung, alleiniger Inhaber der Forderung zu sein. Die Beklagte bestreitet das. Wegen behaupteter Mängel aus einem anderen Vertrag rechnet die Beklagte zudem auf und erhebt wegen des durch die Aufrechnung nicht gedeckten Betrages Widerklage gegen den Kläger und den Drittwiderbeklagten, einen weiteren Architekten.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Im Rubrum des landgerichtlichen Urteils wird zunächst der Kläger und Widerbeklagte, anschließend nach „gegen” die Beklagte und Widerklägerin sowie im Anschluß hieran der Drittwiderbeklagte aufgeführt. Die Beklagte und Widerklägerin hat dagegen unter Vorlage des landgerichtlichen Urteils Berufung eingelegt. Die Berufungsschrift richtet sich im Rubrumsteil „gegen” den Kläger, Widerbeklagten und Berufungsbeklagten. Sie ist eingelegt für die Beklagte, Widerklägerin und Berufungsklägerin. Diese wird zuerst aufgeführt, im Anschluß daran ist der Drittwiderbeklagte nur mit dieser Bezeichnung genannt.
Das Berufungsgericht hat durch Teilurteil u.a. die Berufung der Beklagten, soweit sie sich gegen den Drittwiderbeklagten richtet, als unzulässig verworfen.
Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 547 ZPO zulässige Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit die Berufung als unzulässig verworfen worden ist und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hält die Berufung für unzulässig, weil sie nicht der Form des § 518 Abs. 2 ZPO entspreche.
Die Auslegung der Berufungsschrift ergebe eindeutig, daß die Beklagte nur gegen den Kläger und Widerbeklagten habe Berufung einlegen wollen, nicht aber im Verhältnis zum Drittwiderbeklagten. Unter der Rubrik „gegen”, die kennzeichne, gegen wen sich die Beklagte wende, sei nur der Kläger mit der Bezeichnung „Kläger, Widerbeklagter und Berufungsbeklagter” aufgeführt. Der Drittwiderbeklagte sei nur mit seiner erstinstanzlichen Parteirolle bezeichnet. Es fehle der Zusatz „und Berufungsbeklagter”. Folgerichtig habe der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Senats die Berufungsschrift nur dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers zugestellt. Eine andere Auslegung sei auch nicht deswegen geboten, weil eine Urteilskopie beigefügt worden sei.
II.
Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg. Die Berufung hinsichtlich des Drittwiderbeklagten genügt der Form des § 518 Abs. 2 ZPO.
1. Die Form des § 518 Abs. 2 ZPO ist nur beachtet, wenn bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist angegeben ist, für wen und gegen wen das Rechtsmittel eingelegt werden soll (BGH, Beschluß vom 16. Juli 1998 – VII ZB 7/98, NJW 1998, 3499 = BGHR ZPO § 518 Abs. 2 Parteibezeichnung 14). Die Berufung darf auch unter Beachtung der Verfahrensgarantie des Grundgesetzes, den Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingerichteten Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren, nicht an unvollständigen oder fehlerhaften Angaben scheitern, wenn für Gericht und Prozeßgegner das wirklich Gewollte deutlich wird (BGH, Urteil vom 15. Dezember 1998 – VI ZR 316/97, NJW 1999, 1554 = BGHR ZPO § 518 Abs. 2 Parteibezeichnung 16). Eine uneingeschränkt eingelegte Berufung gegen ein klageabweisendes Urteil richtet sich im Zweifel gegen alle erfolgreichen Streitgenossen. Ist nur der an erster Stelle des Urteilsrubrums stehende Streitgenosse als Berufungsbeklagter genannt, so ist das Urteil auch gegenüber den anderen angefochten, außer wenn die Berufungsschrift eine Beschränkung erkennen läßt (BGH, Urteil vom 16. November 1993 – XI ZR 214/92, NJW 1994, 512, 514). Eine unbeschränkte Berufungseinlegung wird vom Bundesgerichtshof auch dann bejaht, wenn als Rechtsmittelgegner nur einer von mehreren Streitgenossen und zwar der im Urteilsrubrum an erster Stelle Stehende genannt wird oder wenn die Streitgenossen auf seiten des Rechtsmittelgegners nur teilweise als „Beklagte und Berufungsbeklagte”, im übrigen aber nur als „Beklagte” bezeichnet worden waren (BGH, Urteil vom 20. Januar 1988 – VIII ZR 296/86, NJW 1988, 1204, 1205).
2. Nach diesen Grundsätzen genügt die Berufungsschrift in Verbindung mit dem vom Prozeßbevollmächtigten der Beklagten vorgelegten angefochtenen Urteil den Formerfordernissen des § 518 Abs. 2 ZPO.
Der Berufungsschrift ist zu entnehmen, daß sich die Berufung auch gegen den Drittwiderbeklagten richten soll. Für die Auslegung ist nicht maßgebend, daß der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle nur die Zustellung an den Prozeßbevollmächtigten des Klägers veranlaßt hat und nur eine Urteilsabschrift vorgelegt worden ist. Das Berufungsgericht hat im wesentlichen wegen der fehlenden Bezeichnung des Drittwiderbeklagten als „Berufungsbeklagten” die Berufung für unzulässig gehalten. Es hat nicht bedacht, daß die Berufung sich in ihrem Aufbau nach dem Rubrum des landgerichtlichen Urteils richtet. Die Beklagte und Widerklägerin wird entsprechend den Gepflogenheiten im Rechtsmittelverfahren als Rechtsmittelführerin an erster Stelle genannt. Im Anschluß hieran wird wie im landgerichtlichen Urteil der Drittwiderbeklagte aufgeführt. Auch wenn er nicht gleichzeitig als „Berufungsbeklagter” bezeichnet ist, wird durch die an das Rubrum des angefochtenen Urteils angepaßte Bezeichnung der Parteien deutlich, daß er nicht an der Seite der Beklagten, Widerklägerin und Berufungsklägerin steht.
Die Nennung des Drittwiderbeklagten im Rubrum der Berufungsschrift auf der Seite der berufungsführenden Beklagten und Widerklägerin ist erkennbar fehlerhaft. Der Fehler war schon im Rubrum des beigefügten Urteils des Landgerichts angelegt. Ein Widerbeklagter kann nicht auf seiten des einzigen Widerklägers stehen, der das Rechtsmittel führt. Er ist notwendigerweise dem Gegner zuzuordnen. Dem Drittwiderbeklagten kann nur die Rolle des Rechtsmittelgegners zukommen. Die fehlende Bezeichnung des Drittwiderbeklagten als „Berufungsbeklagter” ist wegen der umfassend eingelegten Berufung unschädlich (BGH, Urteil vom 16. November 1993 – XI ZR 294/92 aaO). Die Berufung weist nämlich keine Beschränkung auf.
Unterschriften
Ullmann, Thode, Kuffer, Kniffka, Bauner
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 08.11.2001 durch Seelinger-Schardt, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 666375 |
BB 2002, 327 |
NJW 2002, 831 |
BGHR 2002, 217 |
BauR 2002, 366 |
BauR 2002, 521 |
Nachschlagewerk BGH |
ZAP 2002, 201 |
MDR 2002, 287 |
SGb 2002, 383 |
VersR 2002, 1256 |
ZfBR 2002, 107 |
ZfBR 2002, 246 |
KammerForum 2002, 196 |