Entscheidungsstichwort (Thema)
Anordnung kommisarische Verwaltung. Haupttreuhandstelle Ost. Amt zur Regelung offener Vermögensfragen. Vermögensverlust § 1 VermG. Erbe eingetragener Eigentümer. Grundbuchberichtigung. Kostenerstattungsanspruch Verfügungsberechtigter
Leitsatz (amtlich)
Hat ein im Grundbuch eingetragener Eigentümer eines Grundstücks durch die Anordnung der kommissarischen Verwaltung auf Ersuchen des Beauftragten für den Vierjahresplan, Haupttreuhandstelle Ost, nach den Bestimmungen der Verordnung über die Behandlung von Vermögen der Angehörigen des ehemaligen polnischen Staates vom 17. September 1940 (RGBl I S. 1270) verfolgungsbedingt einen Vermögensverlust im Sinn des § 1 Abs. 6 VermG erlitten, unterliegt sein Erbe auch dann einem Kostenerstattungsanspruch des Verfügungsberechtigten nach § 3 Abs. 3 Satz 4 VermG, wenn er aufgrund der verbliebenen Eintragung seines Rechtsvorgängers im Wege der Grundbuchberichtigung als Eigentümer im Grundbuch eingetragen, sein Eigentum nicht bezweifelt wird und daher ein Verwaltungsverfahren vor dem Amt zur Regelung offener Vermögensfragen nicht weiter durchgeführt wird.
Normenkette
VermG § 1 Abs. 6, § 3 Abs. 3 S. 4
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Kammergerichts vom 18. Februar 2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Erstattung behaupteter Aufwendungen in der Zeit vom 1. Januar 1991 bis zum 12. April 1996 für ein mit einem Mietshaus bebautes Grundstück in Berlin-Prenzlauer Berg.
Als Eigentümer dieses Grundstücks war seit dem 7. Januar 1924 Frau A. B. aus Lodz in Polen eingetragen. Sie verstarb am 7. September 1943 und wurde von Herrn J. B. beerbt. Nach dessen Tod am 15. Januar 1957 beerbten ihn die Beklagte und deren vor Klagezustellung verstorbene Mutter, die frühere Beklagte zu 2. Dieser Erbfolge entsprechend wurden die Beklagte und ihre Mutter am 30. Mai 1995 im Wege der Grundbuchberichtigung als Eigentümerinnen in das Grundbuch eingetragen.
Aufgrund des Ersuchens des Beauftragten für den Vierjahresplan, Haupttreuhandstelle Ost, vom 12. November 1941 war die kommissarische Verwaltung des in jüdischem Eigentum stehenden Grundstücks für das Deutsche Reich angeordnet und der Vermerk hierüber in das Grundbuch unter Lasten und Beschränkungen eingetragen worden. Das Grundbuchblatt hatte ferner nach Kriegsende zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt den Vermerk „Liste C” unter der Spalte Veränderungen erhalten.
Der VEB Kommunale Wohnungsverwaltung Berlin, der Rechtsvorgänger der Klägerin, verwaltete das Grundstück auf der Grundlage des SMAD-Befehls Nr. 124 und des Generalverwaltungsauftrags des Magistrats von Groß-Berlin vom 21. April 1953. Die Klägerin nahm die Verwaltung bis zum 12. April 1996 wahr und übergab das Grundstück an diesem Tag an die B. Grundstücksgesellschaft, die es von der Beklagten und ihrer Mutter gekauft hatte.
Mit ihrer am 8. Dezember 1998 bei Gericht eingegangenen Klage hat die Klägerin unter Verrechnung mit den Mieteinnahmen zunächst Aufwendungsersatz in Höhe von 88.816,47 DM nebst Zinsen begehrt. Das Landgericht hat ein Verwalterverhältnis zwischen den Parteien angenommen, einen Anspruch der Klägerin in entsprechender Anwendung des Auftragsrechts (§ 670 BGB) jedoch für verjährt gehalten. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin Zahlung von 80.064,28 EUR begehrt und geltend gemacht, ihr Anspruch müsse nach den Grundsätzen berechnet werden, die gegenüber Restitutionsberechtigten anzuwenden seien. Das Berufungsgericht hat das Rechtsmittel zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Denn nach dessen Feststellungen und dem im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Vorbringen der Klägerin sind unverjährte Kostenerstattungsansprüche der Klägerin in entsprechender Anwendung des § 3 Abs. 3 Satz 4 VermG nicht auszuschließen.
I.
1. a) Das Vermögensgesetz ist nach seinem § 1 Abs. 6 entsprechend auf vermögensrechtliche Ansprüche von Bürgern und Vereinigungen anzuwenden, die in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 aus rassischen, politischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen verfolgt wurden und deshalb ihr Vermögen infolge von Zwangsverkäufen, Enteignungen oder auf andere Weise verloren haben. Die Bestimmung trägt damit dem Umstand Rechnung, daß es in der DDR keine Wiedergutmachung von NS-Unrecht gegeben hat. Sie lehnt sich in ihren tatbestandlichen Voraussetzungen, insbesondere was die Verfolgung und den Vermögensverlust angeht, eng an die Terminologie des alliierten Rückerstattungsrechts an, das für ihre Auslegung und Anwendung eine wichtige Erkenntnisquelle ist (vgl. BVerwGE 108, 157, 163; BVerwG VIZ 2000, 284, 286).
b) Auf der Grundlage des § 1 Abs. 6 VermG ist anzunehmen, daß die eingetragene Eigentümerin, die Rechtsvorgängerin der Beklagten, durch die Anordnung der kommissarischen Verwaltung auf Ersuchen des Beauftragten für den Vierjahresplan, Haupttreuhandstelle Ost, nach den Bestimmungen der Verordnung über die Behandlung von Vermögen der Angehörigen des ehemaligen polnischen Staates vom 17. September 1940 (RGBl. I S. 1270) verfolgungsbedingt einen Vermögensverlust erlitten hat (vgl. BVerwG VIZ 2000, 719). Die Anordnung der kommissarischen Verwaltung galt nach § 5 Abs. 2 der Verordnung als Beschlagnahme, die sowohl nach den Vorschriften des alliierten Rückerstattungsrechts (vgl. ORG Herford, RzW 1956, 291) als auch nach § 1 Abs. 6 VermG, der vornehmlich auf die faktischen Verhältnisse abstellt (vgl. BVerwG VIZ 2000, 284, 285), als Entziehung des Eigentums – hier zugunsten des Deutschen Reiches – anzusehen ist.
Für die Verwirklichung eines Wiedergutmachungstatbestandes, der wegen der Belegenheit des Vermögenswerts im Ostteil Berlins oder in der früheren DDR die Restitution nach dem Vermögensgesetz eröffnet, ist es ohne Bedeutung, ob die NS-Unrechtsmaßnahme seinerzeit zu einem zivilrechtlichen Verlust des Eigentums geführt hat (vgl. BVerwGE 98, 261, 263 zur Nichtigkeit des angeordneten Vermögensverfalls nach der Elften Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. November 1941, RGBl. I S. 722). Denn das Vermögensgesetz will auch und gerade Vermögensentziehungen des NS-Staates wiedergutmachen, die nicht zu einem Verlust des Eigentums geführt haben.
c) Folge der Anwendbarkeit des Vermögensgesetzes auf die hier in Rede stehende Vermögensentziehung ist es, daß der Berechtigte die verlorene Rechtsposition grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen des Vermögensgesetzes wiedererlangen kann. Der Senat schließt sich der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts an, daß § 1 Abs. 6 VermG für den dort angesprochenen Personenkreis erstmals konstitutiv Rückübertragungsansprüche begründet hat (BVerwGE 98, 261, 265). Dann aber konnten die Beklagte und ihre Mutter aufgrund ihrer Erbberechtigung Eigentum an dem verlorenen Grundstück – von den Fällen einer einvernehmlichen Regelung zwischen dem Verfügungsberechtigten und dem Berechtigten abgesehen (§ 30 Abs. 1 Satz 2 VermG) – grundsätzlich nur dadurch wiedererlangen, daß das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen zu ihren Gunsten auf der Grundlage eines innerhalb der Ausschlußfrist des § 30a Abs. 1 Satz 1 VermG gestellten Antrags durch entsprechenden Bescheid bestandskräftig entschied (§ 34 Abs. 1 VermG). Dabei spielt es hier keine Rolle, daß das Grundstück weder in Volkseigentum überführt noch an Dritte veräußert war. Denn für die Anwendung des § 3 Abs. 1 VermG genügt bei einem Restitutionsanspruch nach § 1 Abs. 6 VermG die Überführung des Grundstücks in Reichseigentum (vgl. BVerwGE 98, 137, 140). Auch für den Fall einer als nichtig anzusehenden Vermögensentziehung war der Berechtigte einer solchen Antragstellung nicht enthoben, um seine Rechte, auch gegenüber möglichen Antragstellern nach § 2 Abs. 1 Satz 3 VermG, zu wahren. Lagen ferner etwa Gründe vor, die eine Restitution nach § 5 VermG ausschlossen, konnte er den verlorenen Vermögenswert – auch bei einer nichtigen Entziehung – nicht wiedererlangen (vgl. BVerwGE 98, 261, 267 f).
Die Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen des Bundesgerichtshofs vom 28. Februar 1955 (BGHZ 16, 350) steht dieser Würdigung nicht entgegen. In dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Fall hat der Bundesgerichtshof hinsichtlich eines bei einer Bank aufgrund eines Vertrags verwahrten Wertpapierdepots, das von einer nichtigen Verfallserklärung betroffen war, zwar die Einleitung eines förmlichen Rückerstattungsverfahren für entbehrlich gehalten, weil der entzogene Vermögenswert ohne jede Veränderung der ihn betreffenden tatsächlichen Verhältnisse erhalten geblieben war, das Verfolgungsunrecht sich mit dem Ende des NS-Regimes erledigt hatte und der Verfolgte deshalb ohne weiteres auf den Vermögenswert zugreifen konnte. Eine vergleichbare Situation liegt jedoch, wie das Bundesverwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, bei entzogenen Vermögensgegenständen, die sich bei Kriegsende auf dem Gebiet der sowjetischen Besatzungszone befanden, nicht vor (vgl. BVerwGE 98, 261, 268 f). Es kann auch im vorliegenden Fall keine Rede davon sein, daß der erste Erbe der im Jahre 1943 verstorbenen Verfolgten – ungeachtet des Umstands, daß ihm im Jahr 1949 vom Amtsgericht Berlin-Mitte ein Erbschein erteilt wurde – nach der Beendigung des NS-Regimes ohne weiteres auf das Grundstück zugreifen konnte. Vielmehr wurde das Grundstück auf der Grundlage des SMAD-Befehls Nr. 124 weiter festgehalten und durch den Generalverwaltungsauftrag des Magistrats von Groß-Berlin vom 21. April 1953 in die Verwaltung der Rechtsvorgängerin der Klägerin gegeben. Die Gemeinsame Anweisung der Minister der Finanzen und des Innern der Deutschen Demokratischen Republik vom 11. Oktober 1961 über die Berichtigung der Grundbücher und Liegenschaftskataster für Grundstücke des ehemaligen Reich-, Preußen-, Wehrmachts-, Landes-, Kreis- und Gemeindevermögens (als Dokument 24 abgedruckt in Schriftenreihe des Bundesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen, Heft 7) verdeutlicht die Auffassung der DDR, daß es sich bei dem hiervon betroffenen Grundbesitz um Eigentum der öffentlichen Hand handelte, für das grundsätzlich Eigentum des Volkes eingetragen werden sollte. Daß hiervon in der Liste C erfaßtes Grundvermögen ausgenommen wurde, beruhte nicht auf der Vorstellung oder dem Willen, NS-Unrecht – etwa in Anlehnung an die Praxis in der Bundesrepublik – wiedergutzumachen, sondern auf der Scheu, mit einer offiziellen grundbuchlichen Bereinigung in dieser Richtung den Eindruck hervorzurufen, Maßnahmen der NS-Herrschaft zu sanktionieren (vgl. Link/Minden/Roth, ZOV 1993, 323, 325 unter Hinweis auf eine Vorlage der Abteilung Finanzen über die weitere Behandlung des unter vorläufige Verwaltung gestellten ehemals jüdischen Vermögens vom 30. August 1954).
d) Bedurfte es daher für eine Rückgabe des Vermögenswerts an die Beklagte und ihre Mutter grundsätzlich einer positiven Entscheidung des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen, waren diese auch im Rahmen von Rechtsgeschäften und Maßnahmen des Verfügungsberechtigten nach § 3 Abs. 3 Satz 2, 3 und 5 VermG, soweit sie über gewöhnliche Erhaltungsaufwendungen hinausgingen, zu einer Kostenerstattung in (entsprechender) Anwendung des § 3 Abs. 3 Satz 4 VermG verpflichtet. Ein möglicher Anspruch nach dieser Bestimmung, der nach der Rechtsprechung des Senats entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts mangels Eingreifens einer speziellen Regelung der regelmäßigen Verjährungsfrist von damals 30 Jahren (§ 195 BGB a.F.) unterliegt (vgl. BGHZ 148, 241, 251; Urteil vom 4. April 2002 – III ZR 4/01 – NJW 2002, 2242, 2246; zur Veröffentlichung in BGHZ 150, 237 vorgesehen), wäre nicht verjährt. Wie das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend sieht, ist die Anwendung jener Bestimmung in den Restitutionsfällen des § 1 Abs. 6 VermG nicht ausgeschlossen; vielmehr ist in § 1 Abs. 6 VermG die Grundentscheidung getroffen worden, die Opfer von NS- und DDR-Unrecht prinzipiell gleich zu behandeln.
2. Das Berufungsgericht schließt eine Anwendung des § 3 Abs. 3 Satz 4 VermG aus, weil es hier zu einer Restitution nach § 1 Abs. 6 VermG nicht gekommen sei. Eine analoge Anwendung komme nicht in Betracht, weil eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes nicht zu erkennen sei. Ein Grundstücksverwalter sei nämlich außerhalb des Restitutionsverhältnisses hinsichtlich seiner getätigten Aufwendungen für das Grundstück vor Beendigung der Verwaltung nicht rechtlos gestellt. Das gelte sowohl für den staatlichen Verwalter, der einen Anspruch auf Erstattung aller von ihm verauslagten Kosten nach allgemeinem Auftragsrecht geltend machen könne, als auch – im Rahmen eines Anspruchs aus Geschäftsführung ohne Auftrag – für ein kommunales Wohnungsunternehmen, das ein in die Sicherungsverwaltung überführtes Grundstück in der Annahme verwalte, hierzu auch gegenüber dem Eigentümer nach den Bestimmungen des Vermögensgesetzes berechtigt und verpflichtet zu sein.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
a) Das Berufungsgericht geht ohne weiteres davon aus, die Beklagte und ihre Mutter hätten aufgrund ihres Erbrechts und der Grundbuchberichtigung Eigentum erworben. Richtig ist, daß die Klägerin das Eigentum der Beklagten nicht förmlich bestritten hat. Auch der Umstand, daß sie ihre Ansprüche gegen die Beklagte richtet, spricht dafür, daß sie die Beklagte als diejenige betrachtet, in deren Person sich ein materieller Restitutionsanspruch verwirklicht hat. Eine Restitution war insbesondere deshalb nahegelegt, weil für das Grundstück ein Liste C-Vermerk in das Grundbuch eingetragen war. Hinzu kommt, wie sich aus einem Schreiben des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen an die Klägerin vom 8. Dezember 1995 ergibt, daß die Conference on Jewish Material Claims against Germany – mutmaßlich innerhalb der Frist des § 30a Abs. 1 Satz 1 VermG – einen Rückgabeantrag gestellt hatte. Im Zusammenhang mit ihrem Vortrag, sie habe unter diesen Umständen auf eine Restitutionsentscheidung hinsichtlich des Grundstücks gewartet, hat die Klägerin zugleich in Zweifel gezogen, ob die Grundbuchberichtigung Rechtswirkungen für die Erbberechtigten entfalten konnte.
Diese Zweifel sind berechtigt. Wiedergutmachung konnten die Beklagte und ihre Mutter – von den Fällen einer einvernehmlichen Rückgabe abgesehen – grundsätzlich nur über ein positiv abgeschlossenes Restitutionsverfahren erhalten. Versäumten sie beispielsweise die Ausschlußfrist des § 30a Abs. 1 VermG – Feststellungen hierzu sind nicht getroffen worden, aber der Zeitpunkt der Beantragung eines gebührenbefreiten Erbscheins für ein vermögensrechtliches Verfahren könnte hierfür sprechen –, konnten sie den entzogenen Vermögenswert nicht zurückerhalten. Mit dieser klaren wiedergutmachungsrechtlichen Regelung im Vermögensgesetz, die – anders als nach den alliierten Rückerstattungsgesetzen – auch einem sozialverträglichen Interessenausgleich Rechnung trägt, wäre es nicht zu vereinbaren, wenn der Erbe eines Verfolgten bereits durch den schlichten Nachweis seiner Erbberechtigung das Eigentum deshalb wiedererlangen könnte, weil das Grundbuch den Verfolgten – wie es bei Liste C-Grundstücken nicht durchgängig der Fall war – immer noch als Eigentümer auswies. Nach der wiedergutmachungsrechtlichen Sicht, die hier zugrunde zu legen ist, stand der eingetragenen Eigentümerin nach der Entziehung ihres Vermögenswertes zunächst nur noch eine Buchposition zu, wobei sich aus dem Grundbuch zugleich die Fakten ergaben, aus denen – jedenfalls bei einer rechtlich zutreffenden, die historischen Zusammenhänge einbeziehenden Betrachtung – ohne weiteres auf einen vermögensrechtlich relevanten Vermögensverlust zu schließen war. Unter diesen Umständen konnte eine schlichte Grundbuchberichtigung, gewissermaßen am Amt zur Regelung offener Vermögensfragen vorbei, für die Beklagte und ihre Mutter kein (gesichertes) Eigentum begründen (in diesem Sinn wohl auch Neuhaus, in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, § 1 VermG Rn. 154; Brettholle/Schülke, in: Rädler/Raupach/Bezzenberger, § 1 VermG Rn. 131).
Ungeachtet dieser Zweifel stellt die Klägerin, wie ihr Prozeßbevollmächtigter in der mündlichen Revisionsverhandlung betont hat, das Eigentum der Beklagten und ihrer Mutter nicht wirklich in Frage. Gleiches gilt für die Claims Conference, die den von ihr gestellten Rückgabeantrag offensichtlich deshalb zurückgenommen hat, weil sie die materielle Berechtigung der Beklagten und ihrer Mutter an dem entzogenen Vermögenswert anerkannt hat. Schließlich hat auch das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen in seinem Schreiben vom 8. Dezember 1995 zum Ausdruck gebracht, aus seiner Sicht stehe einer Herausgabe des Grundstücks an die im Grundbuch eingetragenen Eigentümer nichts entgegen. Es spricht bei einer rückschauenden Betrachtungsweise einiges dafür, daß die genannten Beteiligten – möglicherweise in der Annahme des Vorliegens einer staatlichen Verwaltung (dazu unter 2 b) – nicht hinreichend beachtet haben, daß die Wiedererlangung gesicherten Eigentums entweder eines Bescheides oder einer formgültigen Einigung zwischen dem Berechtigten und dem Verfügungsberechtigten bedurft hätte. Eine Fehlbeurteilung in dieser Hinsicht wäre jedoch kein hinreichender Grund, der Klägerin einen Kostenerstattungsanspruch in entsprechender Anwendung des § 3 Abs. 3 Satz 4 VermG zu versagen.
b) Dem Berufungsgericht kann auch nicht darin beigetreten werden, für mögliche Ansprüche der Klägerin kämen vorrangig andere Grundlagen in Betracht.
Ein Fall der staatlichen Verwaltung im Sinn der §§ 1 Abs. 4, 11 ff VermG, die zum 31. Dezember 1992 kraft Gesetzes beendet gewesen wäre, ist nicht gegeben (a.A. LG Berlin ZOV 1998, 142 f). Wie der Gemeinsamen Anweisung der Minister der Finanzen und des Innern der Deutschen Demokratischen Republik vom 11. Oktober 1961 (vgl. Schriftenreihe des Bundesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen, Heft 7, Dokument 24) zu entnehmen ist, sollten Eintragungen, die das Eigentum des Deutschen Reichs, des preußischen Staates, der Wehrmacht und ihrer Einrichtungen sowie der Länder, Kreise und Gemeinden auswiesen, gelöscht und für die betroffenen Grundstücke im Liegenschaftskataster als Eigentümer „Eigentum des Volkes” eingetragen werden. Hiervon waren zwar Grundstücke, die im Zuge der faschistischen Gesetzgebung – unabhängig davon, ob dieser Eigentumsübergang im Grundbuch verlautbart war – Reichsvermögen geworden waren, ausgenommen. In der Praxis wurden diese Grundstücke jedoch gleichwohl wie Volkseigentum angesehen, wie sich aus einer Mitteilung des Sektors Volkseigentum vom 28. April 1981 über Grundstücke polnischer Eigentümer, die vom ehemaligen faschistischen Staat unter „kommissarische Verwaltung” gestellt wurden, ergibt (vgl. Schriftenreihe des Bundesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen, Heft 7, Dokument 64). Aus der Sicht des Vermögensgesetzes sind die Fallgestaltungen des § 1 Abs. 6 VermG als Restitutionsfälle anzusehen, für die – anders als bei den staatlich verwalteten Grundstücken (vgl. Nentwig/Nethe, in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, § 11 VermG Rn. 57, 81) – grundsätzlich auch die Regelungen über den Vorrang für Investitionen bei Rückübertragungsansprüchen nach dem Vermögensgesetz (Investitionsvorranggesetz – InVorG) gelten. Zwar werden in die Liste C aufgenommene Grundstücke nach § 22 InVorG von den Vorrangregelungen ausgenommen. Dies ändert aber nichts daran, daß diese Grundstücke grundsätzlich dem Restitutionsrecht unterliegen. Für die Fälle, in denen ein anderer als der Verfolgte im Grundbuch als Eigentümer eingetragen ist, bedarf dies keiner näheren Begründung. Aber auch dann, wenn der Verfolgte noch eingetragen war, ist jedenfalls bei erbenlosen Nachlässen ein Restitutionsverfahren erforderlich, wenn ein Berechtigter nach § 2 Abs. 1 Satz 3, Abs. 1a VermG den Rückgabeantrag stellt. Die Rechtsstellung des Verfügungsberechtigten kann aber nicht von der zufälligen Gestaltung abhängen, wer im konkreten Fall Rechtsnachfolger des Verfolgten geworden ist. Ist die Klägerin hiernach nicht als staatlicher Verwalter anzusehen (so bereits Senatsbeschluß vom 22. Februar 2001 – III ZR 168/00; vgl. auch Senatsurteil BGHZ 149, 380, 386 f), kann sie wegen möglicher Aufwendungsersatzansprüche nicht auf diese Rechtsstellung verwiesen werden.
Gleiches gilt für die vom Berufungsgericht in Erwägung gezogene Gestaltung, daß einem kommunalen Wohnungsunternehmen ein Privatgrundstück nach den Bewirtschaftungsvorschriften der ehemaligen DDR in die sogenannte Sicherungsverwaltung übergeben ist. Im Unterschied zu dem hier zu beurteilenden Fall sind die Vorschriften des Vermögensgesetzes auf die Sicherungsverwaltung nicht anzuwenden (vgl. Senatsurteil 143, 9, 12; Senatsbeschluß BGHZ 128, 173, 181). Ein Anspruch nach den Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag unter dem Gesichtspunkt, das Wohnungsunternehmen habe das Grundstück in der Annahme verwaltet, hierzu (auch) gegenüber dem Eigentümer nach den Bestimmungen des Vermögensgesetzes berechtigt und verpflichtet zu sein, kommt nicht in Betracht, wenn das nach der Fallgestaltung grundsätzlich anwendbare Vermögensgesetz in § 3 Abs. 3 Satz 4 eine auf das Verhältnis zwischen Verfügungsberechtigtem und Berechtigtem zugeschnittene Regelung der Kostenerstattung enthält.
II.
Da das Berufungsgericht – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – nicht geprüft hat, ob der Klägerin der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch nach § 3 Abs. 3 Satz 4 VermG zusteht, ist das angefochtene Urteil zur Nachholung der entsprechenden Feststellungen aufzuheben. Für das weitere Verfahren weist der Senat noch auf folgendes hin:
1. Der Kostenerstattungsanspruch nach § 3 Abs. 3 Satz 4 VermG ist zeitlich auf den Ersatz von Aufwendungen begrenzt, die der Verfügungsberechtigte bis zur Bestandskraft der Rückübertragung des Vermögenswertes getätigt hat. Da es hier an einer förmlichen Restitutionsentscheidung fehlt, muß bei einer entsprechenden Anwendung des § 3 Abs. 3 Satz 4 VermG an einen anderen Zeitpunkt angeknüpft werden. Dabei liegt es im Hinblick auf die hier geübte und von den Beteiligten hingenommene Verfahrensweise, die Beklagte und ihre Mutter aufgrund ihrer Erbberechtigung als Eigentümerinnen in das Grundbuch einzutragen, nahe, ungeachtet der nur deklaratorischen Wirkung einer Grundbuchberichtigung auf den Zeitpunkt dieser Eintragung abzustellen. Denn damit war nach außen eine Stellung der Beklagten und ihrer Mutter dokumentiert, die in ihren praktischen Folgen einer Rückgabe des Grundstücks gleichkam. Zum einen wurde hierdurch der Weg für eine Rücknahme des von der Claims Conference gestellten Rückgabeantrags und für eine Erledigung des vermögensrechtlichen Verfahrens geebnet. Zum anderen ging die Klägerin nach diesem Zeitpunkt nicht mehr davon aus, Aufwendungen für ein der Kommune gehörendes Grundstück zu erbringen.
2. Soweit die Klägerin Aufwendungen getätigt hat, die nach dem für den Anspruch nach § 3 Abs. 3 Satz 4 VermG zugrunde zu legenden Zeitpunkt liegen, kommen Aufwendungsersatzansprüche der Klägerin – je nach Fallgestaltung – aus Auftrag oder Geschäftsführung ohne Auftrag in Betracht. Dem Berufungsgericht ist darin zu folgen, daß solche Ansprüche, soweit sie im Jahr 1995 entstanden sind, bis zur Erhebung der Klage in dieser Sache verjährt sind. Ansprüche des (auftragslosen) Geschäftsführers aus der Besorgung eines fremden Geschäfts im Rahmen seines Berufs oder Gewerbes, für die zugleich eine Vergütung geschuldet ist, unterliegen nämlich nach der Rechtsprechung des Senats der kurzen Verjährung nach § 196 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 7 BGB in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung (vgl. BGHZ 143, 9, 16 f).
Ob auch Aufwendungsersatzansprüche der Klägerin für die im Jahr 1996 geltend gemachten Aufwendungen verjährt sind, hängt davon ab, ob die Zustellung für die am 8. Dezember 1998 bei Gericht eingereichte Klage „demnächst” im Sinn des § 270 Abs. 3 ZPO erfolgt ist. Das Berufungsgericht verneint diese Frage mit der Erwägung, zwischen der Aufforderung zur Vorschußzahlung am 10. Dezember 1998 und dem Zahlungseingang vom 27. Januar 1999 liege ein Zeitraum von 48 Tagen. Demgegenüber weist die Revision zu Recht darauf hin, daß bei Anwendung des § 270 Abs. 3 ZPO darauf abzustellen ist, ob nach Ablauf der einzuhaltenden Frist, also hier ab dem 31. Dezember 1998, eine erhebliche Verzögerung eingetreten ist (vgl. BGH, Urteil vom 27. Mai 1993 – I ZR 100/91 – NJW 1993, 2320; Senatsurteil vom 6. Juli 1995 – III ZR 145/94 – NJW 1995, 2778, 2780). Sollte hiernach die Behauptung der Klägerin zutreffen, sie habe den Vorschuß bereits am 12. Januar 1999 eingezahlt – Feststellungen des Berufungsgerichts fehlen insoweit –, hielte sich dies im Rahmen einer grundsätzlich unschädlichen Zustellungsverzögerung von 14 Tagen.
Unterschriften
Wurm, Schlick, Kapsa, Dörr, Galke
Fundstellen
Haufe-Index 891937 |
BGHZ 2004, 258 |
BGHZ |
BGHR 2003, 371 |
BGHR |
EWiR 2004, 147 |
Nachschlagewerk BGH |
VIZ 2003, 179 |
WM 2003, 1480 |
ZfIR 2003, 218 |
NJ 2003, 314 |