Entscheidungsstichwort (Thema)
Kontaminierungsschäden an vermietetem Tankstellengrundstück. Schadensersatz. Keine Mieterhaftung bei vertragsgemäßem Gebrauch
Leitsatz (amtlich)
Zu der Verpflichtung des Mieters eines Tankstellengrundstücks, nach Beendigung des Mietvertrages Kontaminierungen zu beseitigen, die ausschließlich auf den vertragsgemäßen Gebrauch zurückzuführen sind.
Normenkette
BGB a.F. § 548; BGB Fassung: 27. Juli 2001 § 538
Verfahrensgang
KG Berlin (Urteil vom 04.03.1999) |
LG Berlin |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Kammergerichts vom 4. März 1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den Schaden zu ersetzen, der seiner verstorbenen Mutter dadurch entstanden ist, daß das von der Beklagten nach Beendigung eines Mietvertrages zurückgegebene Tankstellengrundstück erhebliche Kontaminationsschäden aufwies.
Im Jahre 1949 erwarb der Vater der später verstorbenen E.K., Rechtsvorgängerin des Klägers, in D. (Sachsen) ein ca. 1.800 m² großes Grundstück und errichtete darauf eine Tankstelle. Nach Fertigstellung im April 1950 übertrug er das Grundstück seiner Tochter, die die Tankstelle zunächst betrieb. Im Jahre 1951 siedelte sie in die Bundesrepublik über und übertrug das Grundstück an ihren Vater zurück, der die Tankstelle – zum Teil als Tankstellenverwalter des VEB Minol – weiterführte.
Mit Vertrag vom 1. September 1961 vermietete der Vater das Tankstellengrundstück dem VEB Minol zum Betrieb einer Tankstelle. 1966 verstarb der Vater und wurde aufgrund gewillkürter Erbfolge von seiner Schwester, Frau K., beerbt. Diese erneuerte im Jahre 1967 den Nutzungsvertrag mit dem VEB Minol und vereinbarte ein monatliches Nutzungsentgelt von 200 DDR-Mark. 1967 verlängerten Frau K. und der VEB Minol die Laufzeit des Vertrages um weitere 25 Jahre, also bis 1992.
Frau K. starb im Jahre 1984. Ihre Erben übertrugen aufgrund eines von ihr ausgesetzten Vermächtnisses im März 1991 das Tankstellengrundstück der E.K.. Als seit Juni 1991 geführte Verhandlungen über eine Neugestaltung des Vertrages zu keinem Ergebnis führten, kündigte E.K. im September 1991 den Vertrag fristlos. Als die Firma Minol die Kündigung zurückwies, erklärte E.K., sie nehme sie zurück.
Anfang 1992 fand durch den TÜV eine Bodenuntersuchung des Tankstellengrundstücks statt, aus der sich eine erhebliche Kontaminierung ergab. Über die Pflicht, die Sanierungskosten zu tragen, haben die Parteien anschließend korrespondiert.
Das Tankstellengrundstück wurde sodann an E.K. zurückgegeben. Der Zeitpunkt der Rückgabe ist zwischen den Parteien streitig.
Mit einer am 24. März 1993 zugestellten Klageschrift erhob E.K. wegen der Verpflichtung, den durch die Kontaminierung entstandenen Schaden zu ersetzen, Feststellungsklage sowohl gegen die Minol Südtank GmbH als auch gegen die Minol AG. Beide Gesellschaften sind aus dem VEB Minol hervorgegangen. Rechtsnachfolgerin des VEB Minol als Mieterin ist die Minol AG, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist.
Die (damalige) Klage gegen die Minol AG nahm E.K. mit Schriftsatz vom 26. März 1993 zurück, verkündete aber der Minol AG mit Schriftsatz vom 6. Mai 1993 den Streit. Die Klage gegen die Minol Südtank GmbH wurde durch Urteil vom 22. Juni 1993, das rechtskräftig ist, wegen fehlender Passivlegitimation abgewiesen.
Im vorliegenden Rechtsstreit ging die Klage mit einem entsprechenden Feststellungsantrag am 20. Juli 1993 bei Gericht ein und wurde am 5. August 1993 der Beklagten zugestellt. Mit notariellem Vertrag vom 27. August 1993 räumte E.K. der H.-H. E. Mineralölhandels GmbH ein Erbbaurecht an dem Tankstellengrundstück ein. In diesem Vertrag übernahm E.K. die Kosten der Sanierung.
In den Jahren 1994/1995 ließ E.K. den Boden unter der Tankstelle für ca. 350.000 DM entsorgen und errichtete anschließend darauf eine neue Tankstellenanlage.
Das Landgericht hat der Feststellungsklage der E.K. in vollem Umfang stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abgewiesen, soweit E.K. die Feststellung begehrt hat, daß die Beklagte mehr als 2/3 des Schadens zu ersetzen hat. Im übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Es hat darauf abgestellt, daß der Verursachungsanteil der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgänger an der vorliegenden Kontaminierung des Grundstücks – neben den früheren Betreibern der Tankstelle – auf mindestens 2/3 zu schätzen sei. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten, die sich unter anderem auf Verjährung beruft. Sie will erreichen, daß die Klage insgesamt abgewiesen wird.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten führt, soweit das Berufungsgericht zum Nachteil der Beklagten entschieden hat, zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Die Feststellungsklage ist, wie das Berufungsgericht zutreffend und von der Revision nicht angegriffen ausgeführt hat, nach wie vor zulässig (§ 256 ZPO). Bei Erhebung der Feststellungsklage war der damaligen Klägerin der Umfang des Schadens noch nicht bekannt und sie konnte deshalb keine bezifferte Leistungsklage erheben. Sie hatte deshalb ein rechtliches Interesse an der Feststellung, daß die Beklagte dem Grunde nach verpflichtet war, Schadensersatz zu leisten. Zwar hat die damalige Klägerin im Laufe des Rechtsstreits den Boden sanieren lassen, so daß ihr die Kosten der Sanierung bekannt geworden sind. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird aber eine ursprünglich zulässige Feststellungsklage regelmäßig nicht dadurch unzulässig, daß im Verlaufe des Rechtsstreits die Voraussetzungen für den Übergang zu einer Leistungsklage eintreten (BGH, Urteil vom 4. November 1998 – VIII ZR 248/97 – NJW 1999, 639, 640; Lüke in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl. § 256 Rdn. 55, jeweils m.w.N.).
2. Zu Recht geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Beklagte nach Beendigung des Mietverhältnisses gemäß dem hier anwendbaren § 556 Abs. 1 BGB a.F. verpflichtet war, das Grundstück – abgesehen von den unvermeidlichen Änderungen infolge des vertragsgemäßen Gebrauchs – in dem Zustand zurückzugeben, in dem es sich bei der Überlassung befunden hatte (vgl. Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 8. Aufl. Rdn. 1081).
Entgegen der Annahme der Revision geht das Berufungsgericht auch zu Recht davon aus, daß das Grundstück den Rechtsvorgängern der Beklagten im Sinne des § 556 Abs. 1 BGB a.F. bereits am 1. September 1961 überlassen worden ist. Der ursprüngliche Eigentümer des Grundstücks – der Großvater des Klägers – hat die Tankstelle bereits zum 1. September 1961 dem VEB Minol zur Nutzung überlassen. In diesen Vertrag ist nach seinem Tod seine Schwester als Erbin eingetreten. Diese hat im Jahre 1967 einen als Änderungsvertrag anzusehenden Vertrag abgeschlossen. In diesen geänderten Mietvertrag ist die Mutter des Klägers eingetreten, als sie – schon unter Geltung des BGB – aufgrund eines Vermächtnisses als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen wurde (§ 571 BGB a.F. = § 566 BGB n.F.). Sie ist somit in einen seit dem 1. September 1961 ununterbrochen bestehenden Vertrag mit der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin eingetreten. Das hat zur Folge, daß die Beklagte das Grundstück jedenfalls im Grundsatz in dem Zustand zurückzugeben hatte, in dem es sich am 1. September 1961 befunden hat.
3. Die Pflicht des Mieters zur Herstellung des ursprünglichen Zustands ist eine Hauptleistungspflicht im Sinne des hier anwendbaren § 326 BGB a.F., wenn erhebliche Kosten zur Wiederherstellung aufzuwenden sind (Wolf/Eckert/Ball aaO Rdn. 1087 m.N. aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Fußn. 51). Soweit die Beklagte zu umfangreichen Sanierungsmaßnahmen verpflichtet war, hat sich der entsprechende Anspruch der Klägerin entgegen der Ansicht der Revision nach § 326 Abs. 1 BGB a.F. in einen Schadensersatzanspruch in Geld verwandelt. Es ist der Revision zwar einzuräumen, daß § 326 Abs. 1 BGB a.F. grundsätzlich eine Nachfristsetzung und eine Ablehnungsandrohung voraussetzt. Beides ist jedoch entbehrlich, wenn der Schuldner ernstlich und endgültig jede Erfüllung verweigert (vgl. Emmerich in MünchKomm/BGB, 4. Aufl. § 326 Rdn. 79, 80 m.N. aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Fußn. 246). Die Beklagte hat das Tankstellengrundstück in unsaniertem Zustand zurückgegeben und, lange bevor die Sanierungsarbeiten durchgeführt worden sind, ernstlich und endgültig die Meinung vertreten, das Grundstück habe sich bei der Rückgabe in dem geschuldeten Zustand befunden und sie – die Beklagte – sei zu weiteren Sanierungsmaßnahmen nicht verpflichtet gewesen.
4. Nicht zu beanstanden ist auch die auf einer Schätzung nach § 287 ZPO beruhende Annahme des Berufungsgerichts, die zur Zeit der Rückgabe des Grundstücks vorliegende Kontaminierung des Bodens sei mindestens zu 2/3 in der Zeit seit dem 1. September 1961 entstanden. Wenn mehrere Betreiber einer Tankstelle hintereinander zur Kontaminierung des Bodens beigetragen haben, ist nach der Rechtsprechung des Senats, an der festzuhalten ist, der Verursachungsanteil des einzelnen Betreibers auf der Grundlage des von ihm angerichteten Mindestschadens gemäß § 287 ZPO zu schätzen (Senatsurteil vom 27. April 1994 – XII ZR 16/93 – NJW 1994, 1880, 1881 unter Nr. 5 m.N.). Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß dem Berufungsgericht bei seiner im wesentlichen dem Tatrichter überlassenen Schätzung Ermessensfehler zum Nachteil der Beklagten unterlaufen sind. Die Tankstelle ist zwischen der ersten Inbetriebnahme im Jahre 1950 und der Rückgabe an die Klägerin nach Beendigung des Mietverhältnisses mehr als 40 Jahre betrieben worden, davon mehr als 30 Jahre – seit 1. September 1961 – durch die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgänger.
Die Schätzung wäre im übrigen selbst dann nicht zu beanstanden, wenn man mit der Revision davon ausginge, der Beklagten seien nur Verursachungen ab dem 1. Januar 1967 zuzurechnen. Das Berufungsgericht verweist zu Recht darauf, daß der Sachverständige Dr. N. festgestellt hat, nach der Zusammensetzung der im Boden gefundenen Kraftstoffreste müsse der überwiegende Teil der Verunreinigung neueren Datums sein. Im übrigen ist zu berücksichtigen, daß erst ein Rechtsvorgänger der Beklagten die Anlage zu einer Großtankstelle ausgebaut hat.
5. Weiter führt das Berufungsgericht aus, es sei Sache der Beklagten darzulegen und zu beweisen, daß die im Laufe der Dauer des Mietvertrages erfolgte Kontamination lediglich die Folge einer vertragsgemäßen Nutzung im Sinne des § 548 BGB a.F. sei. Dieser Nachweis sei der Beklagten nicht gelungen. Deshalb sei sie verpflichtet, die Kosten für die Beseitigung der von ihr zu vertretenden Kontamination (2/3 des Gesamtschadens) zu tragen.
Diese Ausführungen halten, wie die Revision zu Recht geltend macht, einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Richtig ist, daß nach § 548 BGB a.F. (§ 538 BGB n.F.) Veränderungen oder Verschlechterungen der gemieteten Sache, die durch den vertragsgemäßen Gebrauch herbeigeführt worden sind, von dem Mieter nicht vertreten werden müssen. Das bedeutet, daß er nicht verpflichtet ist, bei Beendigung des Mietverhältnisses eine durch den vertragsgemäßen Gebrauch notwendigerweise eingetretene Beschädigung der Mietsache zu beseitigen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf (NJW-RR 1993, 712, 713) und das Brandenburgische Oberlandesgericht (ZMR 1999, 166 f) haben daraus geschlossen, daß der Mieter oder Pächter eines Tankstellengeländes nicht für Bodenverunreinigungen hafte, die lediglich auf den vertragsgemäßen Gebrauch der Tankstelle zurückzuführen seien, wenn ihm nicht in dem Vertrag eine entsprechende Erhaltungslast aufgebürdet worden sei.
Das ist im Grundsatz zutreffend. Wenn nichts anderes vereinbart ist, haftet der Mieter oder Pächter eines Tankstellengrundstücks regelmäßig nicht für Bodenverunreinigungen, die der übliche, die an Ort und Stelle geltenden Umweltstandards einhaltende Betrieb der Tankstelle notwendigerweise mit sich bringt. Daß wegen der Besonderheiten des vorliegenden Falles nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage eine Korrektur dahingehend zu erfolgen hätte, daß der Mieter an den Kosten der Beseitigung auch der durch den vertragsgemäßen Gebrauch entstandenen Kontaminierung prozentual zu beteiligen ist (vgl. hierzu nachfolgend unter 10.), ändert nichts daran, daß die Entscheidung des Rechtsstreits davon abhängt, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die bei Beendigung des Mietverhältnisses vorliegende Kontaminierung durch einen vertragsgemäßen Gebrauch verursacht worden ist.
Was in der Zeit zwischen 1961 und dem Beitritt der vertragsgemäße Gebrauch der Tankstelle war, kann nicht nach den in der Bundesrepublik geltenden und nach den heute üblichen Standards beurteilt werden. Es ist vielmehr, wie das Berufungsgericht richtig sieht, darauf abzustellen, was auf dem Gebiet der DDR üblich, also dort Standard war.
Da die Kontaminierung im Zusammenhang mit dem Mietgebrauch eingetreten ist, trägt die Beklagte als Mieterin die Beweislast für ihre von der Klägerin bestrittene Behauptung, die vorgefundene Kontaminierung sei auf den in der DDR üblichen, vertragsgemäßen Gebrauch zurückzuführen (BGHZ 66, 349, 353; Voelskow in MünchKomm/BGB 3. Aufl. § 548 Rdn. 11 m.w.N.).
Die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte sei mit ihrer entsprechenden Behauptung beweisfällig geblieben, beruht, wie die Revision zu Recht rügt, auf einem Verfahrensverstoß. Das Berufungsgericht hat durch einen im Termin vom 11. Januar 1999 verkündeten Beschluß angeordnet, daß der Sachverständige Dr. N. (unter anderem) mündlich dazu gehört werden solle, „ob nach den Ergebnissen der durchgeführten Bohrungen eine nur geringe Mineralöl-Kohlenwasserstoff-Belastung festgestellt werden kann, die lediglich auf bei jedem Tankstellenbetrieb anfallende Tropfschäden bzw. Handhabungsverluste beruhe bzw. beruhen könne”. Der Sachverständige hat hierzu ausgeführt, aufgrund der vorliegenden Kontaminierungen müsse man davon ausgehen, „daß es sich hier überwiegend um Tropf- oder Überfüllungsverluste gehandelt hat, nicht aber um größere Tankleckagen”. Ihm seien „keine Publikationen bekannt darüber, was bei einem Tankstellenbetrieb als durch den normalen Tankstellenbetrieb verursachte Kontamination üblich” sei, er könne deshalb nichts dazu sagen, ob die Kontamination auf den üblichen Gebrauch zurückzuführen sei.
Daraus durfte das Berufungsgericht nicht herleiten, die Beklagte sei mit ihrer entsprechenden Behauptung beweisfällig geblieben. Der Sachverständige Dr. N. ist Geologe und Fachmann für Wasser- und Bodenkontaminierung im allgemeinen. Er ist nicht ausgewiesen als Fachmann für den Betrieb von Tankstellen. Er hat Art und Umfang der Kontaminierung festgestellt. Seine weitere Feststellung, die vorgefundenen Verunreinigungen seien ihrer Art nach überwiegend auf Tropf- und Überfüllungsverluste zurückzuführen, nicht auf „größere Tankleckagen”, legt die Annahme nahe, daß die Ausrüstung der Tankstelle und die Art und Weise des Tankens und des Befüllens der Tanks durch die Tanklastwagen eine entscheidende Ursache für die eingetretene Kontaminierung gewesen sein könnte. Die Beantwortung der Beweisfrage setzt Kenntnisse darüber voraus, welche Umweltstandards in der DDR bezüglich des Betriebs von Tankstellen vorgeschrieben oder üblich waren, wie die Tankstellen in der DDR üblicherweise ausgerüstet waren und betrieben wurden (z.B. ob bzw. seit welcher Zeit die Tankrüssel automatisch abschalteten, wenn der Tank voll war, ob die Bodenoberfläche im Bereich der Tanksäulen versiegelt war, um das Eindringen von herabtropfendem Benzin zu verhindern), schließlich ob der Umfang der hier festgestellten Kontaminierung aus dem Rahmen fiel oder regelmäßig vorgefunden wurde. Wenn der Sachverständige Dr. N. hierüber keine hinreichenden Kenntnisse hat und deshalb nicht beurteilen kann, welche Kontaminierungen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR bei Tankstellen auch ohne besondere Vorkommnisse üblich waren, dann mußte das Berufungsgericht einen anderen Sachverständigen zuziehen, der solche Kenntnisse hat. Zumindest mußte es den Versuch unternehmen, einen solchen Sachverständigen ausfindig zu machen.
Mit der gegebenen Begründung kann das Berufungsurteil deshalb keinen Bestand haben. Der Senat ist auch nicht in der Lage, abschließend zu entscheiden.
6. Entgegen der Annahme der Revision ist eine abschließende Entscheidung – eine Abweisung der Klage – nicht deshalb möglich, weil eventuelle Ansprüche verjährt wären. Verjährung ist nämlich nicht eingetreten. Nach Art. 229 § 6 Abs. 1 und 2 EGBGB ist die Frage, ob die Ansprüche des Klägers verjährt sind, nach der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu beurteilen. Nach § 558 Abs. 1 und Abs. 2 BGB a.F. = § 548 Abs. 1 BGB n.F. verjähren Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der vermieteten Sache in sechs Monaten, beginnend mit dem Zeitpunkt, in dem der Vermieter die Sache zurückerhält. Der Streit der Parteien darüber, wann das Tankstellengrundstück zurückgegeben worden ist, kann dahingestellt bleiben. Der Lauf der Verjährung von Schadensersatzansprüchen des Vermieters ist nämlich – auch nach altem Recht – gehemmt, solange der Vermieter mit dem Mieter verhandelt und keine der Parteien die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert (BGHZ 93, 64, 69, 70; Senatsurteil vom 6. November 1991 – XII ZR 216/90 – ZMR 1992, 96, 98). Die Parteien haben nach der von der früheren Klägerin ausgesprochenen fristlosen Kündigung – noch vor der Rückgabe des Grundstücks – unstreitig Verhandlungen geführt, und zwar nicht nur über eine eventuelle Fortsetzung des Mietverhältnisses, sondern ausdrücklich auch über die Sanierungskosten. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß diese Vergleichsverhandlungen vor Erhebung der ersten (später zurückgenommenen) Klage abgebrochen worden sind. Die Verjährung wurde durch die Zustellung dieser Klage am 24. März 1993 unterbrochen. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, blieb die Unterbrechung trotz der Klagerücknahme wirksam, weil die frühere Klägerin in dem Vorprozeß der Beklagten des vorliegenden Rechtsstreits nach der Klagerücknahme gegen sie den Streit verkündet hat (§ 212 Abs. 2 BGB a.F.). Nach herrschender Meinung, der sich der Senat anschließt, genügte zur Aufrechterhaltung der Unterbrechung nach einer Klagerücknahme statt der in § 212 Abs. 2 BGB a.F. allein erwähnten neuen Klage auch eine der übrigen Maßnahmen nach § 209 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 5 BGB a.F., also auch eine Streitverkündung nach Nr. 4 (Grothe in MünchKomm/BGB 4. Aufl. § 212 Rdn. 5 m.N.).
Notwendig für eine Unterbrechung der Verjährung durch Streitverkündung ist „Präjudizialität”. Dazu ist es ausreichend, wenn eine alternative Haftung des Streitverkündenden in Betracht kommt (Staudinger/Peters, BGB Bearbeitung 2001 § 209 Rdn. 88). Hier drehte es sich im Vorprozeß, in dem die Streitverkündung erfolgt ist, gerade darum, ob die Minol GmbH oder die Minol AG passivlegitimiert war. Nachdem im Vorprozeß die Klage durch Urteil vom 22. Juni 1993 abgewiesen worden war, wurde im vorliegenden Rechtsstreit bereits am 20. Juli 1993 – vier Wochen später – die Feststellungsklage eingereicht, die am 5. August 1993 zugestellt wurde.
7. Entgegen der Annahme der Revision sind Schadensersatzansprüche des Klägers auch nicht wegen eines mitwirkenden Verschuldens (§ 254 BGB) ausgeschlossen oder eingeschränkt, weil seine Mutter es unterlassen hat, rechtzeitig einen sogenannten Freistellungsantrag zu stellen. Nach Art. 1 § 4 Abs. 3 des Umweltrahmengesetzes vom 29. Juni 1990 in der Fassung des Art. 12 des Gesetzes zur Beseitigung von Hemmnissen bei der Privatisierung von Unternehmen und zur Förderung von Investitionen vom 22. März 1991 (BGBl. I 766) hätten sowohl die frühere Klägerin als Eigentümerin des Grundstücks als auch die Beklagte als Betreiberin der Tankstelle wegen „durch den Betrieb der Anlage oder die Benutzung des Grundstücks vor dem 1. Juli 1990 verursachten Schäden” einen Befreiungsantrag stellen können. Nach Art. 1 § 4 Abs. 3 Satz 4 dieses Gesetzes mußte der Antrag auf Freistellung spätestens innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Beseitigung von Hemmnissen gestellt sein. Diese Frist haben beide Parteien versäumt.
Dieses Versäumnis kann im vorliegenden Rechtsstreit schon deshalb nicht zugunsten der Beklagten berücksichtigt werden, weil einem entsprechenden Freistellungsantrag nicht zwingend stattgegeben werden mußte. Die Behörde hatte vielmehr nach ihrem Ermessen zu entscheiden und dabei auch „die Interessen … der Allgemeinheit und des Umweltschutzes” zu beachten. Die Freistellung konnte auch unter Auflagen erfolgen. Es ist nichts dazu vorgetragen, daß im vorliegenden Fall Voraussetzungen gegeben waren, unter denen üblicherweise eine Freistellung erfolgt ist, schon gar nicht eine Freistellung ohne Auflagen. Es kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, daß ein rechtzeitig gestellter Freistellungsantrag Erfolg gehabt hätte.
Im übrigen ist das Versäumnis auf seiten der Beklagten schwerer zu bewerten als auf seiten der früheren Klägerin. Die Beklagte hat auf dem Gebiet der ehemaligen DDR ein umfangreiches Tankstellennetz betrieben und war deshalb ständig mit solchen Fragen befaßt. Das gilt für die frühere Klägerin nicht, auch wenn sie anwaltlich vertreten war. Die Beklagte hätte nicht nur den Freistellungsantrag selbst stellen können und – sollte er erfolgversprechend gewesen sein – stellen müssen, sie wäre als Nebenpflicht aus dem Mietvertrag auch verpflichtet gewesen, die frühere Klägerin auf die Möglichkeit eines solchen Freistellungsantrages hinzuweisen. Die Parteien haben zu der fraglichen Zeit unstreitig über die Sanierungskosten verhandelt. Das Verschulden der Beklagten an der Säumnis wäre gegenüber einem eventuellen Mitverschulden der früheren Klägerin derart schwerwiegender zu bewerten, daß das Mitverschulden der früheren Klägerin außer Betracht zu bleiben hätte.
9. Die Sache muß an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, damit es die fehlende Beweiserhebung nachholen und – eventuell nach ergänzendem Vortrag der Parteien – die notwendigen tatsächlichen Feststellungen treffen kann.
10. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin: Auch wenn man unterstellt, daß die auf die Mietzeit der Beklagten bzw. ihres Rechtsvorgängers entfallende Kontaminierung ganz oder zum Teil auf den vertragsgemäßen Gebrauch zurückzuführen ist, bedeutet das allerdings nicht, daß dem Kläger insoweit keinerlei Ansprüche zustehen. Das geltende Umweltrecht der Bundesrepublik stellt sicher, daß bei seiner strikten Anwendung und bei ordnungsgemäßem Betrieb der Anlage Kontaminationen des Bodens in einem Umfang, wie sie bei dem Grundstück des Klägers festgestellt worden sind, auch nicht annähernd eintreten können. Das verbleibende Restrisiko ist allgemein bekannt und kann beim Abschluß des Vertrages berücksichtigt werden, etwa indem es auf den Mieter/Pächter überbürdet wird oder indem es bei der Festsetzung des Miet- oder Pachtzinses berücksichtigt wird. Es ist bekannt, daß das Umweltbewußtsein in der ehemaligen DDR weniger stark ausgeprägt war und daß Umweltbelastungen auch größeren Ausmaßes einfach hingenommen worden sind. Als die Rechtsvorgänger des Klägers mit dem VEB Minol von 1961 an Nutzungsverträge abgeschlossen haben, hat – davon kann man ausgehen – niemand daran gedacht, daß es nach dem Ende der DDR notwendig werden könnte, den Boden auf dem Tankstellengelände mehrere Meter tief auszutauschen und für die Gesamtsanierung ca. 350.000 DM auszugeben. Das Nutzungsentgelt – darauf weist das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang zutreffend hin – betrug 200 DDR-Mark im Monat. Würde man diesen Betrag nach dem offiziellen Umrechnungskurs umrechnen, so erhielte die Vermieterin als Nutzungsentgelt 36.000 DM in 30 Jahren. Die Sanierung hätte also etwa das Zehnfache dessen gekostet, was die Mieterin in 30 Jahren als Nutzungsentgelt zu zahlen gehabt hätte. Auch wenn man berücksichtigt, daß die Zahlung von 200 DDR-Mark im Monat im Verhältnis zu dem Durchschnittseinkommen in der DDR wesentlich mehr war als die Zahlung von 100 DM im Verhältnis zum Durchschnittseinkommen in der Bundesrepublik, kann man ausschließen, daß die Rechtsvorgänger des Klägers zu einem solchen Zins einen Nutzungsvertrag über eine Tankstelle abgeschlossen hätten, wenn damit zugleich die Übernahme des Risikos einer so umfassenden, kostspieligen Sanierung verbunden gewesen wäre. Da die Parteien bei Abschluß der Verträge dieses Risiko nicht gesehen haben, enthalten die Verträge auch keine Regelung darüber, wer dieses Risiko zu tragen hat. Gemeinsame Geschäftsgrundlage beim Abschluß der Verträge war, daß ein solches Risiko nicht bestand. Nachdem eine umfangreiche Sanierung des Grundstücks erforderlich geworden ist, ist diese Geschäftsgrundlage entfallen. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, daß die aus § 242 BGB entwickelten Grundsätze zum Wegfall der Geschäftsgrundlage auf in der DDR vor dem Beitritt begründete vertragliche Schuldverhältnisse anzuwenden sind, und zwar unabhängig davon, ob für diese Schuldverhältnisse nach dem Beitritt weiterhin das Recht der DDR oder das Recht der Bundesrepublik gilt (BGHZ 131, 209, 214 m.N.; Senatsurteil vom 6. März 2002 – XII ZR 133/00 – WM 2002, 1238).
Der Vertrag ist den veränderten Verhältnissen anzupassen. Mangels anderer Kriterien ist es gerechtfertigt, die Anpassung in der Weise vorzunehmen, daß die während der Mietzeit der Beklagten bzw. ihres Rechtsvorgängers durch vertragsgemäßen Gebrauch entstandenen Schäden von beiden Parteien je zur Hälfte zu tragen sind. Der Bundesgerichtshof hat in einem in diesem Punkt vergleichbaren Fall bereits entschieden, daß eine solche Verteilung des Schadens nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage angemessen sein kann (BGHZ 120, 10, 22 ff., 26). Bei der Anpassung des Vertrages ist zu beachten, daß die Anwendung der Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nur ausnahmsweise zur völligen Beseitigung einer an sich bestehenden vertraglichen Pflicht führen kann. Es hat lediglich eine Anpassung an die veränderte Sachlage in einer den berechtigten Interessen beider Parteien Rechnung tragenden Form stattzufinden (BGHZ aaO S. 26 m.N.).
Einerseits hat der Kläger durch die Sanierung einen erheblichen wirtschaftlichen Vorteil, weil der Wert des Grundstücks durch die Sanierung erheblich gestiegen ist und weil er es nach dem Beitritt der DDR in wirtschaftlich günstiger Weise verwerten kann. Andererseits wäre es auch nicht gerechtfertigt, die Kosten der Sanierung ausschließlich dem Kläger aufzubürden, weil die Beklagte bzw. ihr Rechtsvorgänger das Grundstück mehr als 30 Jahre lang genutzt hat, weil in dieser Zeit die Kontaminierungen entstanden sind und weil das gezahlte Nutzungsentgelt sehr gering war. Dies läßt es gerechtfertigt erscheinen, die insoweit angefallenen Sanierungskosten hälftig zu teilen.
Unterschriften
Hahne, Gerber, Wagenitz, Bundesrichter Dr. Ahlt ist krankheitshalber verhindert, zu unterschreiben. Hahne, Vézina
Fundstellen
NJW 2002, 3234 |
BGHR 2002, 1025 |
NZM 2002, 913 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2002, 2517 |
ZMR 2002, 901 |
MDR 2003, 22 |
NJ 2003, 144 |
GuT 2003, 10 |
UPR 2002, 440 |