Leitsatz (amtlich)
Hat der Konkursverwalter innerhalb der Anfechtungsfrist ein Prozesskostenhilfegesuch verbunden mit einer als Klageentwurf und "bedingte Klage" bezeichneten Klagebegründung eingereicht und wird ihm Prozesskostenhilfe nach Ablauf der Jahresfrist versagt, so hat er die Anfechtungsfrist nicht gewahrt, wenn er innerhalb der ihm dann noch zustehenden Frist lediglich den Prozesskostenvorschuss eingezahlt, jedoch nicht schriftsätzlich erklärt hat, dass der Anspruch gerichtlich geltend gemacht werden soll.
Normenkette
KO § 41 Abs. 1 S. 1; ZPO §§ 114, 270 Abs. 3 a. F
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OLG (Urteil vom 30.03.2001) |
LG Kiel (Teilurteil vom 21.09.1999) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 1. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen OLG in Schleswig v. 30.3.2001 und das Teilurteil des Einzelrichters der 11. Zivilkammer des LG Kiel v. 21.9.1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist Verwalter in dem am 18.4.1996 eröffneten Konkursverfahren über das Vermögen des Ehemannes der Beklagten. Der Gemeinschuldner hat im Jahre 1995 zwei Eigentumswohnungen sowie mehrere Grundschulden und Gesellschaftsanteile auf die Beklagte übertragen. Der Kläger nimmt diese deshalb im Wege der Anfechtungsklage auf Rückgewähr in Anspruch.
Am 18.4.1997 ging beim LG ein von einem dort zugelassenen Rechtsanwalt unterschriebener, als "Antrag auf Prozesskostenhilfe und bedingte Klage" bezeichneter Schriftsatz ein mit den Anträgen, dem Antragsteller Prozesskostenhilfe zu gewähren und den unterzeichnenden Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigten beizuordnen. In dem Gesuch wird dargelegt, warum aus Sicht des Antragstellers die Masse die Prozesskosten nicht aufbringen könne und den am Konkursverfahren beteiligten Gläubigern eine Vorschussleistung nicht zuzumuten sei. Anschließend heißt es, wegen der Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung werde "auf die beiliegende bedingte Klagschrift verwiesen". Seite 5 des Schriftsatzes ist mit dem Wort "Klageentwurf" überschrieben; die anschließenden Ausführungen enthalten die beabsichtigten Anträge sowie die Darstellung des Sach- und Streitstandes.
Mit Beschl. v. 4.3.1998 wurde das Gesuch zurückgewiesen. Die Beschwerde des Klägers hatte keinen Erfolg. Der Beschluss des OLG ging ihm am 23.6.1998 zu. Am 6.7.zahlte er den Kostenvorschuss für eine Klage bis zu einem Streitwert von 2.900.000 DM ein. Darauf bestimmte das LG frühen ersten Termin. Die Terminsverfügung wurde auf Antrag der Beklagten am 15.7.1998 unter Hinweis darauf aufgehoben, dass Termin nach unbedingter Klageerhebung anberaumt werde. Mit Schriftsatz v. 20.10.1998 bat der Prozessbevollmächtigte, "dem Rechtsstreit seinen Fortgang zu geben". Er verwies auf den geleisteten Prozesskostenvorschuss und erklärte, insoweit sei die Klage nunmehr unbedingt anhängig. In dem daraufhin anberaumten Termin v. 19.11.1998 verhandelten die Parteien streitig mit den angekündigten Anträgen.
Der Kläger hat Rückgewähr der Eigentumswohnungen und Grundschulden, Nutzungsersatz und Auskunft verlangt. Das LG hat der Klage teilweise stattgegeben. Die Berufung der Beklagten wurde zurückgewiesen, diejenige des Klägers führte zu einer erweiterten Verurteilung der Beklagten. Diese begehrt mit der Revision weiterhin Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg; sie führt zur Klageabweisung.
I.
Das Berufungsgericht meint, der Kläger habe die einjährige Anfechtungsfrist des § 41 Abs. 1 Satz 1 KO eingehalten, und hat zur Begründung ausgeführt:
Gemäß § 270 Abs. 3 ZPO a. F. genüge die Einreichung der Klage bei Gericht, wenn die Zustellung demnächst erfolge. Die Klageschrift sei am 18.4.1997 eingegangen. Die Anfechtungsfrist sei anschließend gehemmt gewesen, weil der Kläger schuldlos der Ansicht gewesen sei, dass er Prozesskostenhilfe verlangen könne. Die Hemmung habe bis zum Ablauf von zwei Wochen nach Mitteilung der endgültigen Versagung angedauert. Da die Klageschrift bereits eingereicht gewesen sei, habe der Kläger an sich ca. 3 Wochen auf die Aufforderung zur Einzahlung des Vorschusses warten dürfen. Er habe jedoch den Vorschuss von sich aus eingezahlt, so dass die gesetzliche Frist als gewahrt gelte.
II.
Diese Erwägungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Wie die Revision zutreffend geltend macht, hat der Kläger die Frist des § 41 Abs. 1 S. 1 KO versäumt, weil er eine den gesetzlichen Anforderungen genügende Klageschrift nicht rechtzeitig eingereicht hat.
1. Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, zur Wahrung der Anfechtungsfrist des § 41 Abs. 1 KO müsse die Anfechtung durch Klage oder Einrede gerichtlich geltend gemacht werden (vgl. BGH v. 18.10.1990 - IX ZR 43/90, BGHZ 112, 325 [327 f.] = MDR 1991, 145; v. 4.3.1993 - IX ZR 138/92, BGHZ 122, 23 [27 f.] = MDR 1993, 638). Gemäß § 270 Abs. 3 ZPO a. F. tritt die Wirkung bereits mit der Einreichung der Klageschrift ein, sofern deren Zustellung demnächst erfolgt. Der Begriff "demnächst" bezeichnet eine den Umständen nach angemessene Frist, wobei es darauf ankommt, dass die Partei alles ihr Zumutbare getan hat, um die Klagezustellung zu bewirken.
Bis zum Ablauf des 18.4.1997 ist bei Gericht keine den Anforderungen des § 253 ZPO entsprechende Klageschrift eingegangen. Der Kläger hat durch seinen Prozessbevollmächtigten an diesem Tage lediglich einen Antrag auf Prozesskostenhilfe und einen als Klageentwurf sowie als bedingte Klage bezeichneten Schriftsatz eingereicht. Die Begründung des Prozesskostenhilfegesuches spricht von einer lediglich beabsichtigten Klage. Damit hat der Kläger eindeutig kenntlich gemacht, dass er die Klage nur unter der Voraussetzung der Gewährung von Prozesskostenhilfe erheben wollte. Eine entsprechende rechtliche Wertung hat er selbst in einem späteren Schriftsatz vorgenommen. Stellt eine Partei in dieser Weise klar, dass sie den Klageantrag nur unter der Voraussetzung der Gewährung von Prozesskostenhilfe stellen will, so hat sie trotz gleichzeitiger Einreichung des Prozesskostenhilfegesuchs und eines inhaltlich den Anforderungen einer Klageschrift entsprechenden Schriftsatzes die Klage noch nicht bei Gericht anhängig gemacht (BGH BGHZ 4, 328 [334]; BGHZ 7, 268 [270]; Urt. v. 22.5.1996 - XII ZR 14/95, BGHR ZPO § 253 Abs. 1 Rechtshängigkeit 1; vgl. auch Beschl. v. 2.10.1985 - IVb ZB 62/85, VersR 1986, 40 [41]; v. 16.12.1987 - IVb ZB 161/87, MDR 1988, 394 = NJW 1988, 2046 [2047 f.]). Prozesshandlungen, die, wie die Klageerhebung, unmittelbare Rechtswirkungen auslösen, können nicht unter eine Bedingung gestellt werden (BGH BGHZ 4, 54 [55]; Beschl. v. 16.12.1987 - IVb ZB 161/87, MDR 1988, 394 = NJW 1988, 2046 [2048]).
2. Auf den Lauf der Anfechtungsfrist findet gem. § 41 Abs. 1 S. 2 KO die für die Verjährung geltende Vorschrift des § 203 Abs. 2 BGB a. F. entsprechende Anwendung. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung tritt eine Hemmung der Verjährung gem. § 203 Abs. 2 BGB a. F. ein, wenn ein vollständiges und ordnungsgemäß begründetes Prozesskostenhilfegesuch vor Fristablauf bei Gericht eingeht. In diesem Fall dauert die Hemmung fort, bis die arme Partei nach der Entscheidung über ihr Gesuch bei angemessener Sachbehandlung in der Lage ist, ordnungsgemäß Klage zu erheben (BGH BGHZ 70, 235 [237, 239]; Urt. v. 22.3.2001 - IX ZR 407/98, BGHReport 2001, 611 = MDR 2001, 956 = WM 2001, 1038 [1039]). Auch ein im Ergebnis unbegründetes Prozesskostenhilfegesuch bewirkt die Hemmung, wenn der Antragsteller subjektiv der Ansicht sein durfte, sein Gesuch sei aussichtsreich (BGH BGHZ 70, 235 [239 f.]; Grothe in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 203 Rz. 7).
Das Prozesskostenhilfegesuch des Klägers entsprach den dargestellten Voraussetzungen und hatte zur Folge, dass die Anfechtungsfrist am 23.6.1998, dem Tag, an dem ihm die seine Beschwerde zurückweisende Entscheidung des OLG zuging, immer noch gehemmt war. Die genannte Entscheidung stützte sich allein auf den Beschluss des XI. Zivilsenats des BGH v. 24.3.1998 (BGH v. 24.3.1998 - XI ZR 4/98, BGHZ 138, 188 = MDR 1998, 737), wonach das Erfordernis der Unzumutbarkeit der Kostenaufbringung durch wirtschaftliche Beteiligte auch für den Steuerfiskus gilt. Dem Kläger kann nicht vorgeworfen werden, er habe die Aussichtslosigkeit seines Prozesskostenhilfegesuchs bereits vor Abschluss des Beschwerdeverfahrens erkennen müssen; denn diese Entscheidung war erstmals kurz zuvor in einzelnen Fachzeitschriften veröffentlicht worden, in der Neuen Juristischen Wochenschrift im Heft 25 v. 17.6.1998. Vorher war die im Prozesskostenhilfeverfahren zu Ungunsten des Klägers entschiedene Frage in der Rechtsprechung nicht hinreichend geklärt.
3. Nach dem Zugang des die Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschlusses hatte der Kläger noch eine kurze, nach dem Rechtsgedanken des § 234 Abs. 1 ZPO mindestens zwei Wochen betragende Frist, nunmehr eine ordnungsgemäße Klage zu erheben (eingehend dazu BGH, Urt. v. 22.3.2001 - IX ZR 407/98, BGHReport 2001, 611 = MDR 2001, 956 = WM 2001, 1038 [1039 f.]). Diese Frist hat der Kläger jedoch nicht beachtet.
a) Der Zahlung des Kostenvorschusses kommt in dieser Hinsicht keine rechtliche Bedeutung zu.
aa) § 65 Abs. 1 Satz 1 GKG, der vorschreibt, dass die Klage erst nach Zahlung der für das Verfahren erforderten Gebühr im Allgemeinen zugestellt werden soll, ist eine der Verminderung des Kostenrisikos der Staatskasse dienende Ordnungsvorschrift (Hartmann, Kostengesetze, 32. Aufl., § 65 GKG Rz. 2). Von ihr können lediglich - mittelbare - prozessrechtliche Wirkungen ausgehen, wenn eine Klage bei Gericht vorliegt. Dagegen ersetzt die Einzahlung des Vorschusses die Einreichung einer Klage selbst dann niemals, wenn sich ein Klageentwurf schon bei den Akten befindet; denn eine solche Rechtsfolge ist der lediglich die kostenrechtlichen Voraussetzungen einer Klagezustellung betreffenden gesetzlichen Regelung fremd. Fehlt es an einer vom Prozessbevollmächtigten verantworteten schriftlichen Erklärung, aus der hervorgeht, dass der Rechtsstreit durchgeführt werden soll, reicht die Zahlung des Kostenvorschusses allein nicht aus.
bb) Die Revisionserwiderung meint, der Kläger habe mit der Einzahlung des Kostenvorschusses die in der Antragsschrift v. 18.4.1997 enthaltene Bedingung fallen gelassen. Diese Erwägung führt schon deshalb nicht weiter, weil, wie bereits ausgeführt, eine "bedingte" Klage kein Prozessrechtsverhältnis zwischen den Parteien begründet.
cc) Schließlich ist eine andere Beurteilung auch im Hinblick auf Sinn und Zweck der in § 41 KO normierten Frist ausgeschlossen. Die Einführung einer Ausschlussfrist soll sicherstellen, dass der Konkursverwalter das Anfechtungsrecht in einer Weise ausübt, die die Gewähr seiner Durchsetzung gegen den Willen des Anfechtungsgegners bietet. Die Regelung dient dem Interesse der Gläubiger ebenso wie der Allgemeinheit, Konkurse beschleunigt abzuwickeln (BGH v. 4.3.1993 - IX ZR 138/92, BGHZ 122, 23 [26] = MDR 1993, 638). Aus diesem Grunde sieht die höchstrichterliche Rechtsprechung es nicht einmal als ausreichend an, dass der Verwalter fristgerecht einen Mahnbescheid anbringt, wenn die Sache anschließend mit einer von ihm zu vertretenden Verzögerung an das für das Streitverfahren zuständige Gericht abgegeben wird (BGH v. 18.10.1990 - IX ZR 43/90, BGHZ 112, 325 = MDR 1991, 145; v. 4.3.1993 - IX ZR 138/92, BGHZ 122, 23 = MDR 1993, 638). Die Einzahlung eines Kostenvorschusses i. V. m. einem bloßen Klageentwurf ist danach erst recht nicht geeignet, die erforderliche Rechtsklarheit herzustellen. Die zunächst erfolgte gerichtliche Terminsbestimmung auf den 13.8.1998 ging von vornherein ins Leere und war schon deshalb nicht geeignet, den Mangel einer fehlenden Klageschrift zu heilen.
b) Es kann dahingestellt bleiben, ob der Schriftsatz des Klägers v. 20.10.1998, in dem sein Prozessbevollmächtigter bat, "dem Rechtsstreit seinen Fortgang zu geben", und erklärte, die Klage sei infolge des Prozesskostenvorschusses nunmehr unbedingt anhängig, als Klageeinreichung gewertet werden kann, weil der Rechtsanwalt den Klageentwurf ebenfalls unterzeichnet hat. Der Schriftsatz ist erst fast vier Monate nach Zugang der die Prozesskostenhilfe ablehnenden Entscheidung eingegangen, außerdem nahezu drei Monate nach Erhalt der gerichtlichen Verfügung v. 15.7.1998, die den Kläger auf das Fehlen einer Erklärung, nunmehr Klage erheben zu wollen, hingewiesen hat. Damit hat der Kläger die ihm von Rechts wegen zur Verfügung stehende Frist bei weitem versäumt.
Daher nützt es ihm auch nichts, dass die Parteien am 19.11.1998 mündlich verhandelt haben; denn der Mangel der Klageschrift ist dadurch lediglich mit Wirkung von jenem Tage, also ex nunc, geheilt worden (BGH, Urt. v. 8.2.1996 - IX ZR 107/95, MDR 1996, 519 = WM 1996, 554 [555]; v. 7.6.2001 - IX ZR 155/00, WM 2001, 1436 [1438] [Anm. d. Red.: offensichtl. Fehlzitat]).
III.
Da der Kläger die Anfechtungsfrist des § 41 Abs. 1 S. 1 KO versäumt hat, kommt es nicht mehr darauf an, ob die von ihm erhobenen Anfechtungsgründe durchgreifen. Die Sache ist reif zur abschließenden Entscheidung (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO a. F.) und die Klage unter Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 969406 |
BGHR 2003, 1243 |
NJW-RR 2003, 1558 |
KTS 2003, 667 |
WM 2003, 1694 |
WuB 2004, 65 |
ZIP 2003, 1674 |
InVo 2003, 465 |
MDR 2003, 1314 |
NZI 2003, 606 |
ZInsO 2003, 753 |
ProzRB 2004, 3 |