Entscheidungsstichwort (Thema)
Flächenangabe im Wohnraummietvertrag. Beschaffenheitsvereinbarung
Leitsatz (amtlich)
Von einer Beschaffenheitsvereinbarung hinsichtlich der Wohnfläche ist nicht auszugehen, wenn ein Wohnraummietvertrag zwar eine Wohnflächenangabe enthält, diese Angabe jedoch mit der Einschränkung versehen ist, dass sie nicht zur Festlegung des Mietgegenstandes diene.
Normenkette
BGB § 536 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG Potsdam (Urteil vom 29.10.2009; Aktenzeichen 11 S 200/08) |
AG Potsdam (Entscheidung vom 06.10.2008; Aktenzeichen 24 C 293/07) |
Tenor
für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil der 11. Zivilkammer des LG Potsdam vom 29.10.2009 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Parteien streiten um eine Mietminderung wegen Wohnflächenunterschreitung. Die Beklagte ist seit dem 1.12.2006 Mieterin einer Wohnung des Klägers in P. . Die Monatsmiete beträgt 390 EUR zzgl. einer Betriebskostenvorauszahlung i.H.v. 110 EUR.
Rz. 2
§ 1 des Formularmietvertrages lautet u.a.:
"Vermietet werden [...] folgende Räume: Die Wohnung im Dachgeschoss rechts bestehend aus 2 Zimmer, 1 Küche, Bad, Diele zur Benutzung als Wohnraum, deren Größe ca. 54,78 m2 beträgt. Diese Angabe dient wegen möglicher Messfehler nicht zur Festlegung des Mietgegenstandes. Der räumliche Umfang der gemieteten Sache ergibt sich vielmehr aus der Anzahl der vermieteten Räume."
Rz. 3
§ 6 des Mietvertrages sieht u.a. vor, dass die Betriebskosten, soweit nicht eine Verteilung nach Verbrauch erfolgt, nach der "Wohnfläche von 54,78 m2" berechnet werden.
Rz. 4
Die Beklagte hat behauptet, die tatsächliche Größe der Wohnung betrage nur 41,63 m2. Hiervon ausgehend hat sie eine Mietminderung i.H.v. 24 % geltend gemacht und aufgrund eines von ihr vorprozessual zur Aufrechnung gestellten Anspruchs auf Rückzahlung überzahlter Miete die Miete für August 2007 sowie eine Nachforderung von 103,18 EUR aus der Betriebskostenabrechnung 2006 nicht gezahlt und auf die Miete für September 2007 nur einen Teilbetrag von 240,37 EUR geleistet. Der Kläger hat mit seiner Klage die Zahlung des einbehaltenen Gesamtbetrags von 862,84 EUR begehrt.
Rz. 5
Das AG hat der Klage i.H.v. 87,63 EUR stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Es hat über die Wohnfläche der Mietsache Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens und ist auf dessen Grundlage von einer tatsächlichen Wohnfläche von 42,98 m2 nach der Wohnflächenverordnung ausgegangen. In § 1 des Mietvertrages hat das AG eine Vereinbarung der darin genannten Wohnfläche gesehen und deshalb eine Wohnflächenunterschreitung von 21,54 % und eine entsprechende Mietminderung angenommen.
Rz. 6
Auf die Berufung des Klägers hat das LG das Urteil des AG abgeändert und die Beklagte unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung zur Zahlung von 733,99 EUR verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Rz. 7
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Rz. 8
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 9
Der Kläger habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der Nettokaltmiete für August 2007i.H.v. 390 EUR sowie der Nettokaltmiete für September 2007i.H.v. 259,63 EUR und der Nachforderung aus der Betriebskostenabrechnung 2006 in (geminderter) Höhe von 84,06 EUR. Bezüglich der mit der Klage geltend gemachten Betriebskostenvorauszahlung für August 2007i.H.v. 110 EUR habe der Kläger den Rechtsstreit für erledigt erklärt, da wegen dieser - ehemals begründeten - Forderung Abrechnungsreife eingetreten sei.
Rz. 10
Die Beklagte sei nicht zu einer Minderung wegen Abweichung der tatsächlichen von der vereinbarten Wohnungsgröße berechtigt gewesen. Zwar bestehe bei Mietwohnungen ein zur Minderung der Miete berechtigender Mangel i.S.d. § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn die tatsächliche Wohnfläche um mehr als 10 % unter der im Mietvertrag vereinbarten liege. Dies sei hier aber nicht der Fall, da die Parteien keine Vereinbarung über die Größe der Wohnfläche getroffen hätten. Die Parteien hätten zwar in § 1 des Mietvertrages die Größe der Wohnung benannt, hierbei jedoch nicht den Begriff der Wohnfläche verwendet. Ferner sei zwischen den Parteien im Mietvertrag ausdrücklich vereinbart worden, dass die Angabe der Größe der Wohnung nicht zur Festlegung des Mietgegenstands dienen solle. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 6 des Mietvertrages. Darin sei hinsichtlich der (nicht nach Verbrauch) umzulegenden Betriebskosten zwar vereinbart worden, dass diese entsprechend der Wohnfläche von 54,78 m2 umgelegt würden. Aus diesem Umstand könne aber nicht entnommen werden, dass die Parteien insoweit auch eine Beschaffenheitsvereinbarung bezüglich der Größe der Mietfläche getroffen hätten. Daher sei die Beklagte nicht zur Mietminderung berechtigt.
Rz. 11
Etwas anderes gelte jedoch bezüglich der Betriebskosten. Denn insoweit hätten die Parteien vereinbart, dass diese gemäß der Wohnfläche umzulegen seien. Unter Wohnfläche sei hierbei die tatsächlich vorhandene Wohnfläche nach der Wohnflächenverordnung zu verstehen, die, wie das AG zutreffend ausgeführt habe, gemäß dem Gutachten des Sachverständigen 42,98 m2 betrage. Die Beklagte schulde dem Kläger hinsichtlich der Nachforderung aus der Betriebskostenabrechnung 2006 nur den vom AG zugesprochenen (geminderten) Betrag von 84,06 EUR.
II.
Rz. 12
Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Die Revision ist daher zurückzuweisen.
Rz. 13
Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei die von der Beklagten zur Aufrechnung gestellten Rückforderungsansprüche wegen angeblich in den Monaten Januar bis Juli 2007 zuviel gezahlter Miete verneint. Die dieser Beurteilung zugrunde liegende Auslegung des Mietvertrages der Parteien lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
Rz. 14
1. Nach der Rechtsprechung des Senats liegt ein zur Minderung der Miete führender Mangel der Wohnung i.S.d. § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB vor, wenn ihre tatsächliche Wohnfläche um mehr als 10 % unter der im Mietvertrag angegebenen Wohnfläche liegt (st.Rspr.; vgl. nur BGH, Urt. v. 10.3.2010 - VIII ZR 144/09, NJW 2010, 1745 Rz. 8 m.w.N.; ebenso BGH, Urt. v. 4.5.2005 - XII ZR 254/01, NJW 2005, 2152 unter II 4c aa - für das Gewerberaummietrecht). Davon ist auch das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat aber den Mietvertrag rechtsfehlerfrei dahin ausgelegt, dass die Parteien im vorliegenden Fall keine Beschaffenheitsvereinbarung hinsichtlich der Wohnfläche treffen wollten.
Rz. 15
a) Dabei kommt allerdings, worauf die Revision zutreffend hinweist, dem vom Berufungsgericht angeführten Umstand, dass die Parteien in § 1 des Mietvertrages - anders als in § 6 des Mietvertrages im Zusammenhang mit der Umlegung der Betriebskosten - nicht den Begriff der "Wohnfläche", sondern den der "Größe" der Wohnung verwendet haben, keine maßgebliche Bedeutung zu (vgl. BGH, Urt. v. 20.7.2005 - VIII ZR 347/04, NJW 2005, 2773). Das Berufungsgericht hat im Rahmen seiner Auslegung aber nicht entscheidend auf den in § 1 des Mietvertrages verwendeten Begriff der Größe der Wohnung, sondern in erster Linie auf die im nachfolgenden Satz dieser Regelung enthaltene Erklärung abgestellt, dass die Angabe der Quadratmeterzahl nicht zur Festlegung des Mietgegenstands diene, sondern sich der räumliche Umfang der gemieteten Sache aus der Angabe der vermieteten Räume ergebe. Dieses Auslegungsergebnis greift die Revision ohne Erfolg an.
Rz. 16
b) Da es sich bei dem Mietvertrag der Parteien um einen Formularvertrag handelt, unterliegt dessen Auslegung durch den Tatrichter angesichts der Änderung des § 545 Abs. 1 ZPO mit Wirkung vom 1.9.2009 der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Nachprüfung (vgl. BGH, Urt. v. 9.6.2010 - VIII ZR 294/09, WuM 2010, 476 Rz. 11). Auch dieser uneingeschränkten Nachprüfung hält die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung stand. Die Auslegung eines Formularmietvertrages unterliegt den rechtlichen Anforderungen, die für Allgemeine Geschäftsbedingungen gelten (BGH, Urt. v. 21.10.2009 - VIII ZR 244/08, NJW 2010, 293 Rz. 10). Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (st.Rspr.; BGH, Urt. v. 9.6.2010 - VIII ZR 294/09, a.a.O., Rz. 12; v. 21.10.2009 - VIII ZR 244/08, a.a.O., Rz. 11; v. 28.6.2006 - VIII ZR 124/05, NJW 2006, 2915 Rz. 16 m.w.N.; BGH, Urt. v. 12.10.2007 - V ZR 283/06, NJW-RR 2008, 251 Rz. 8).
Rz. 17
Entgegen der Auffassung der Revision führt die Zugrundelegung dieser Maßstäbe zu keinem anderen als dem vom Berufungsgericht gewonnenen Auslegungsergebnis. Bei objektiver Auslegung des Mietvertrages folgt bereits aus der Würdigung des Gesamtinhalts des § 1 des Mietvertrages, dass die darin genannte Größe der Wohnung nicht als Beschaffenheit der Mietsache vereinbart werden sollte. Dies ergibt sich, worauf das Berufungsgericht zu Recht entscheidend abgestellt hat, aus dem Umstand, dass in den der Quadratmeterangabe unmittelbar nachfolgenden beiden Sätzen deutlich gemacht wird, dass die Quadratmeterangabe nicht zur Festlegung des Mietgegenstands dient, der räumliche Umfang der gemieteten Sache sich vielmehr aus der Anzahl der gemieteten Räume ergibt.
Rz. 18
c) Anders als die Revision meint, ändert der Zusatz "wegen möglicher Messfehler" hieran nichts. Denn an einer Wohnflächenvereinbarung fehlt es auch dann, wenn die Parteien nur wegen möglicher Messfehler davon abgesehen haben, die angegebene Quadratmeterzahl als Beschaffenheit einer Wohnung zu vereinbaren.
Rz. 19
2. Entgegen der Auffassung der Revision, führt auch der Umstand, dass nach § 6 des Mietvertrages bestimmte Betriebskosten "nach der m2-Größe der Wohnung" bzw. der "Wohnfläche von 54,78 m2" umzulegen sind, zu keiner anderen Auslegung des § 1 des Mietvertrages, in dem die Parteien ausdrücklich vereinbart haben, dass die dort genannte Quadratmeterzahl nicht zur Festlegung des Mietgegenstandes dienen solle.
Fundstellen