Leitsatz (amtlich)
Die für die Berufungsschrift vorgeschriebene Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, erfordert die Angabe der Parteien, des Gerichts, das das angefochtene Urteil erlassen hat, des Verkündungsdatums und des Aktenzeichens. Fehlerhafte oder unvollständige Angaben schaden nur dann nicht, wenn aufgrund der sonstigen erkennbaren Umstände für Gericht und Prozeßgegner nicht zweifelhaft bleibt, welches Urteil angefochten wird. Ob ein solcher Fall gegeben ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.
Normenkette
ZPO § 518 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 14. April 2000 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger fordert von dem beklagten Land Erstattung angeblich zuviel gezahlter Jagdpachtzinsen sowie Schadensersatz. Die Klage wurde durch das am 19. April 1999 verkündete und am 20. April 1999 zugestellte Urteil des LandgerichtsB. abgewiesen. Mit am 20. Mai 1999 bei dem Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz legte der Kläger „gegen das am 19.04.1999 verkündete Urteil desLandgerichts A. – O. –” (Hervorhebung im Original) Berufung ein. Der Berufungsschrift lag das angefochtene Urteil nicht bei. In ihrem Rubrum waren außer den Namen und Anschriften der Parteien und der Prozeßbevollmächtigten des Klägers in zweiter Instanz die Prozeßbevollmächtigten des beklagten Landes in erster Instanz mit Namen und Sitz (B.) aufgeführt.
Das Berufungsverfahren wurde zunächst bei dem für Berufungen gegen Urteile der Zivilkammer des Landgerichts A. zuständigen Zivilsenat des Oberlandesgerichts K. geführt. Als die bei dem Landgericht A. angeforderten Akten nicht eintrafen, ermittelte der Vorsitzende, daß Herkunftsgericht des angefochtenen Urteils nicht das Landgericht A., sondern das Landgericht B. war. Nach Hinweis des – danach zuständigen – Zivilsenats vom 7. Februar 2000, dem zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Klägers zugegangen am 8. Februar 2000, hat dieser mit am 22. Februar 2000 bei dem Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt; zugleich hat er Berufung gegen das Urteil des Landgerichts B. eingelegt.
Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
I.
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet:
Die Berufung sei unzulässig, weil die Berufungsschrift vom 20. Mai 1999 die gemäß § 518 Abs. 2 ZPO notwendigen Angaben nicht enthalte. Das Urteil, gegen das sich das Rechtsmittel richte, sei nicht eindeutig bezeichnet worden. Als Herkunftsgericht sei nicht, wie es richtig gewesen wäre, das Landgericht B., sondern das Landgericht A. genannt worden. Aus den sonstigen Umständen sei nicht klar erkennbar gewesen, daß mit der Berufung ein Urteil des Landgerichts B. angefochten werde.
Die Wiedereinsetzung scheitere bereits daran, daß die Einreichung der fehlerhaften Berufungsschrift vom 20. Mai 1999 auf unzureichende Sorgfalt des Prozeßbevollmächtigten des Klägers zurückzuführen sei. Ein Rechtsanwalt müsse eine von seinem Personal aufgesetzte Berufungsschrift nicht nur auf ihre inhaltliche Vollständigkeit, sondern auch auf ihre Richtigkeit überprüfen. Ob ein Rechtsanwalt die Urteilsbezeichnung deshalb in jedem Fall persönlich nachsehen müsse, könne offenbleiben. Es sei nicht ersichtlich, welche sonstigen Vorkehrungen der Prozeßbevollmächtigte des Klägers getroffen habe, um Fehler bei der Bezeichnung des angefochtenen Urteils zuverlässig zu verhindern.
II.
Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Prüfung stand.
1. Das Berufungsgericht hat die Berufung zu Recht als unzulässig verworfen (§ 519 b Abs. 1 Satz 2 ZPO).
Nach § 518 Abs. 2 Nr. 1 ZPO muß die Berufungsschrift die Bezeichnung des Urteils enthalten, gegen das die Berufung gerichtet wird. Das Gesetz bestimmt nicht, auf welche Weise das angefochtene Urteil bezeichnet werden muß. Da die Berufungsschrift als bestimmender Schriftsatz form- und fristgebunden einen neuen Verfahrensabschnitt einleitet und die Einlegung der Berufung den Eintritt der Rechtskraft des angefochtenen Urteils aufschiebt, dürfen aber im Interesse der Rechtsklarheit an die Urteilsbezeichnung keine zu geringen Anforderungen gestellt werden. Der Prozeßgegner und – innerhalb der Berufungsfrist – das Berufungsgericht müssen in der Lage sein, sich Gewißheit über die Identität des angefochtenen Urteils zu verschaffen. Es ist daher anerkannt, daß eine vollständige Bezeichnung die Angabe der Parteien, des Gerichtes, das das angefochtene Urteil erlassen hat, des Verkündungsdatums und des Aktenzeichens erfordert (BGH, Urteil vom 16. Januar 1986 – I ZR 181/84 – VersR 1986, 574, 575; Beschluß vom 16. März 1989 – VII ZB 24/88 – VersR 1989, 646 = NJW 1989, 2395; Beschluß vom 12. April 1989 – IVb ZB 23/89 – NJW-RR 1989, 958, 959; Beschluß vom 25. Februar 1993 – VII ZB 22/92 – BGHR ZPO § 518 Abs. 2 Nr. 1 Urteilsbezeichnung 7 = NJW 1993, 1719, 1720; Beschluß vom 13. Januar 1999 – XII ZB 140/98 – BGHR ZPO § 518 Abs. 2 Nr. 1 Urteilsbezeichnung 8). Es führt aber nicht jede Ungenauigkeit, die eine Berufungsschrift bei einzelnen Angaben enthält, zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels. Fehlerhafte oder unvollständige Angaben schaden nicht, wenn aufgrund der sonstigen erkennbaren Umstände für Gericht und Prozeßgegner nicht zweifelhaft bleibt, welches Urteil angefochten wird (BVerfG NJW 1991, 3140; BGH, Urteile vom 27. Juni 1984 – VIII ZR 213/83 – VersR 1984, 870 und vom 16. Januar 1986 aaO; Beschlüsse vom 16. März 1989, 12. April 1989 und 25. Februar 1993 aaO; vgl. auch Beschluß vom 7. November 1995 – VI ZR 12/95 – NJW 1996, 320, 321). Ob ein solcher Fall gegeben ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.
Hier mag für das beklagte Land aufgrund der richtigen Angabe des Verkündungsdatums, des Aktenzeichens und der Prozeßparteien nicht fraglich gewesen sein, daß mit der Berufung ein Urteil des Landgerichts B. angefochten werden sollte. Zwischen den Parteien war nur dieser eine Rechtsstreit anhängig. Nach den Feststellungen im Berufungsurteil blieb aber für das Berufungsgericht offen, ob sich die Berufung gegen ein Urteil des Landgerichts A. oder des Landgerichts B. richtete.
Entgegen der Sollbestimmung des § 518 Abs. 3 ZPO hat der Berufungsschrift weder eine Ausfertigung noch eine beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils beigelegen.
Allerdings sind im Rubrum der Berufungsschrift als erstinstanzliche Prozeßbevollmächtigte des beklagten Landes die in B. ansässigen Rechtsanwälte B. & Partner aufgeführt. Diese Rechtsanwälte konnten – von kaum in Betracht zu ziehenden Ausnahmefällen abgesehen – nicht vor dem Landgericht A. aufgetreten sein. Daraus folgt aber, wie das Berufungsgericht zu Recht ausführt, nicht ohne weiteres, daß der Rechtsstreit vor dem Landgericht B. geführt worden sein mußte, der Fehler also in der Bezeichnung des Gerichts und nicht in der der Prozeßbevollmächtigten des beklagten Landes lag. Die Rechtsanwälte B. & Partner, B., hätten irrtümlich als Prozeßbevollmächtigte des beklagten Landes benannt sein können, weil sie in der Sache vor Klageerhebung oder als Verkehrsanwälte hätten tätig gewesen sein können.
Auch der Umstand, daß die Behörde, die das beklagte Land vertritt, ihren Sitz in B. hat, bedeutete nicht notwendig, daß das angefochtene Urteil von dem Landgericht B. stammte. Dem stand gegenüber, daß der Kläger im Landgerichtsbezirk A. ansässig ist. Für seine Klage gegen die Forstverwaltung des beklagten Landes konnte bei dem Landgericht A. der Gerichtsstand des Erfüllungsortes (§ 29 Abs. 1 ZPO) oder der unerlaubten Handlung (§ 32 ZPO) begründet sein. Insoweit liegt der Streitfall anders als bei den von der Revision herangezogenen Beschlüssen des VII. Zivilsenats vom 16. März 1989 und 25. Februar 1993. Der Sachverhalt, der dem Beschluß des VII. Zivilsenats vom 16. März 1989 (aaO) zugrunde lag, gab keinen Anhalt für einen besonderen oder gar ausschließlichen Gerichtsstand bei dem in der Berufungsschrift angegebenen Herkunftsgericht. Im übrigen wurde er durch eine Bündelung besonderer Umstände geprägt, die zusammengenommen keine vernünftigen Zweifel daran aufkommen ließen, welches Herkunftsgericht in Wirklichkeit gemeint war. In dem Fall, den der VII. Zivilsenat im Beschluß vom 25. Februar 1993 (aaO) zu beurteilen hatte, war das angefochtene Urteil so bezeichnet, daß das Berufungsgericht aus dem Hinweis auf die Parteien und das Herkunftsgericht trotz der möglicherweise fehlerhaften Angabe des Aktenzeichens oder des Verkündungsdatums das zutreffende Aktenstück praktisch ohne Verwechslungsgefahr hätte anfordern können. Solche Umstände waren hier gerade nicht gegeben, wie der Geschäftsablauf beim Berufungsgericht anschaulich zeigt: Das Berufungsverfahren ist – entsprechend der Hervorhebung in der Berufungsschrift („Landgericht A.”) – dem für Berufungen gegen die Urteile der Zivilkammer des Landgerichts A. zuständigen Zivilsenat des Berufungsgerichts zugewiesen worden. Die erstinstanzlichen Akten sind von der Geschäftsstelle dieses Senats bei dem Landgericht A. angefordert worden. Erst durch das Ausbleiben der Akten veranlaßte Nachfragen des Vorsitzenden bei dem Landgericht A. und bei dem Büro des zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Klägers haben ergeben, daß das Herkunftsgericht in der Berufungsschrift falsch bezeichnet worden ist.
2. Das Berufungsgericht hat dem Kläger auch zu Recht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist versagt.
Die Anfertigung einer Rechtsmittelschrift gehört zu den Aufgaben, die der Rechtsanwalt seinem Büropersonal, mag dieses auch noch so gut geschult und überwacht sein, nicht übertragen darf, ohne das Arbeitsergebnis selbst sorgfältig zu überprüfen. Insbesondere muß er kontrollieren, ob die Rechtsmittelschrift vollständig ist, alle notwendigen Angaben (bei der Berufung: § 518 Abs. 2 ZPO) richtig enthält und an das richtige Gericht (§ 518 Abs. 1 ZPO) adressiert ist (Senatsbeschluß vom 31. März 1999 – III ZB 7/99 – BGHR ZPO § 233 Rechtsmittelschrift 15 und BGH, Beschluß vom 29. April 1982 – I ZB 2/82 – VersR 1982, 769, 770; Beschluß vom 8. Oktober 1986 – IVa ZR 12/86 – BGHR ZPO § 233 Rechtsmittelschrift 1 = NJW-RR 1987, 319; Beschluß vom 13. Juli 1988 – VIII ZR 65/88 – NJW-RR 1988, 1528, 1529; Beschluß vom 2. Mai 1990 – XII ZB 17/90 – VersR 1990, 802). Diesen Pflichten hat der Prozeßbevollmächtigte des Klägers bei der Fertigung der Berufungsschrift nicht genügt. Es ist ihm, weil er sich auf den Entwurf seiner Angestellten verlassen und diesen hinsichtlich der Bezeichnung des Herkunftsgerichts nicht mit der gebotenen Sorgfalt überprüft hat, nicht aufgefallen, daß in dem Schriftsatz das falsche Landgericht aufgeführt worden ist.
Unterschriften
Wurm, Schlick, Kapsa, Dörr, Galke
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 11.01.2001 durch Fitterer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 547343 |
NJW 2001, 1070 |
BGHR 2001, 260 |
BGHR |
BauR 2001, 850 |
Nachschlagewerk BGH |
ZAP 2001, 316 |
MDR 2001, 529 |
SGb 2001, 314 |
VersR 2002, 212 |
MittRKKöln 2001, 154 |