Entscheidungsstichwort (Thema)
Forderungseinzug durch Mietwagenunternehmen bei unstreitiger Haftung des Unfallverursachers
Leitsatz (amtlich)
Ist die Haftung des Unfallverursachers bzw. seines Haftpflichtversicherers dem Grunde nach unstreitig, ist der Einzug der Forderung des Geschädigten auf Erstattung der Mietwagenkosten durch das Mietwagenunternehmen als Nebenleistung gem. § 5 Abs. 1 RDG erlaubt (Bestätigung des Senatsurteils v. 31.1.2012 - VI ZR 143/11, VersR 2012, 458).
Normenkette
RDG § 5 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 5. Zivilkammer des LG Arnsberg vom 5.10.2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin, eine Autovermietung, verlangt von dem beklagten Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer aus abgetretenem Recht des Geschädigten Ersatz restlicher Mietwagenkosten sowie vorgerichtliche Anwaltskosten nach einem Verkehrsunfall vom 28.8.2008. Die volle Einstandspflicht der Beklagten steht außer Streit.
Rz. 2
Der Geschädigte mietete bei der Klägerin für die Zeit der Reparatur seines Kraftfahrzeugs ein Ersatzfahrzeug an. Bei der Anmietung am 28.8.2008 unterzeichnete er eine von der Klägerin vorformulierte Abtretung und Zahlungsanweisung, die u.a. wie folgt lautet:
Rz. 3
"Hiermit trete ich die Schadensersatzforderung auf Erstattung der Mietwagenkosten gegen den Fahrer, den Halter und deren/dessen Haftpflichtversicherung aus dem unten bezeichneten Schadensereignis erfüllungshalber an die Autovermietung ... ab.
Rz. 4
Ich weise die Versicherung und ggf. den regulierenden Rechtsanwalt an, den sich aus der Fahrzeuganmietung ergebenden Schadensbetrag unmittelbar an die oben genannte Autovermietung zu zahlen und bitte darum, die Zahlungsbereitschaft kurzfristig dorthin zu bestätigen.
Rz. 5
Durch diese Abtretung und Zahlungsanweisung werde ich nicht von meiner Verpflichtung zur Zahlung der Mietwagenkosten befreit, wenn die Versicherung nicht in angemessener Zeit/Höhe leistet. Zahlungen werden mit den Ansprüchen der Geschädigten gegengerechnet."
Rz. 6
Unter dem 11.9.2008 übersandte die Klägerin dem Geschädigten sowie der Beklagten eine Rechnung über einen Betrag von 1363,01 EUR, den die Beklagte teilweise erstattete.
Rz. 7
Das AG hat die Klage abgewiesen. Das LG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom LG zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Rz. 8
Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die Klägerin nicht aktivlegitimiert, weil die Abtretung der Schadensersatzansprüche wegen Verstoßes gegen § 3 RDG, § 134 BGB unwirksam sei. Es handele sich um die Besorgung einer fremden Rechtsangelegenheit i.S.d. § 2 Abs. 1 RDG. Dies widerspreche der bisherigen Rechtsprechung, wonach eine fremde Rechtsangelegenheit besorgt werde, wenn nach der Geschäftspraxis des Mietwagenunternehmens die Schadensersatzforderungen der unfallgeschädigten Kunden eingezogen würden, bevor diese selbst auf Zahlung in Anspruch genommen würden. Es liege auch nicht eine erlaubte Nebentätigkeit i.S.d. § 5 Abs. 1 RDG vor, weil die rechtliche Beurteilung von Schadensfällen nicht zum Berufsbild eines Mietwagenunternehmers gehöre.
II.
Rz. 9
Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Klägerin aktivlegitimiert und hat eine jedenfalls nach § 5 Abs. 1 RDG erlaubte Rechtsdienstleistung vorgenommen.
Rz. 10
1. Eine Abtretung ist nur wirksam, wenn die Forderung, die Gegenstand der Abtretung ist, bestimmt oder wenigstens bestimmbar ist (vgl. BGH, Urt. v. 7.6.2011 - VI ZR 260/10, VersR 2011, 1008 Rz. 6 m.w.N.). Dies ist der Fall, weil nach dem Wortlaut der Abtretung vom 28.8.2008 nur die Schadensersatzforderung auf Erstattung der Mietwagenkosten nach dem konkret benannten Schadensereignis abgetreten wurde. Eine Bezifferung des Schadensersatzanspruchs war im Zeitpunkt der Abtretungserklärung weder möglich noch erforderlich.
Rz. 11
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Abtretung nicht nach § 134 BGB wegen eines Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz nichtig. Es kann offenbleiben, ob es sich bei der Einziehung der an die Klägerin abgetretenen Schadensersatzforderung des Geschädigten um eine Rechtsdienstleistung i.S.d. § 2 Abs. 1 RDG handelt oder eine eigene Rechtsangelegenheit der Klägerin vorliegt. Auch wenn man vom Vorliegen einer Rechtsdienstleistung ausgeht, ist diese jedenfalls nach den Grundsätzen des nach der Entscheidung des Berufungsgerichts ergangenen Senatsurteils vom 31.1.2012 (VI ZR 143/11, veröffentlicht u.a. in VersR 2012, 458) nach § 5 Abs. 1 Satz 1 RDG erlaubt.
Rz. 12
Nach dieser Vorschrift sind Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit erlaubt, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild des Handelnden gehören. Ob eine Nebenleistung vorliegt, ist nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit und der Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind (§ 5 Abs. 1 Satz 2 RDG). Danach sind im Streitfall die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Satz 1 RDG erfüllt. Im Senatsurteil vom 31.1.2012 hat der Senat entschieden, dass die Einziehung einer an ein Mietwagenunternehmen abgetretenen Schadensersatzforderung des Geschädigten auf Erstattung von Mietwagenkosten grundsätzlich erlaubt ist, wenn allein die Höhe der Mietwagenkosten streitig ist (BGH, Urt. v. 31.1.2012 - VI ZR 143/11, a.a.O., Rz. 8 ff., 15). Nachdem im Streitfall die Haftung der Beklagten dem Grunde nach unstreitig war, liegt eine Fallgestaltung vor, in welcher nach dem Senatsurteil vom 31.1.2012, auf das zur Begründung ergänzend Bezug genommen wird, der Forderungseinzug durch das Mietwagenunternehmen als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild der Klägerin gehört und auch bei Annahme einer Rechtsdienstleistung i.S.d. § 2 Abs. 1 RDG jedenfalls gem. § 5 Abs. 1 RDG erlaubt ist.
Rz. 13
Dies entspricht den Interessen der Beteiligten. Die an der Anmietung eines Unfallersatzfahrzeugs interessierten Unfallgeschädigten gehen erkennbar davon aus, dass die Mietwagenkosten von dem gegnerischen Haftpflichtversicherer, der ihnen gegenüber dem Grunde nach zu deren Übernahme verpflichtet ist, erstattet werden und sie mit der Schadensregulierung in keinem größeren Umfang behelligt werden, als unbedingt notwendig (BGH, Urt. v. 31.1.2012 - VI ZR 143/11, a.a.O., Rz. 15; BGH, Urt. v. 25.3.2009 - XII ZR 117/07, VersR 2009, 1243 Rz. 14; OLG Stuttgart, NZV 2011, 556, 557 f.). Demzufolge sind Direktabrechnungen von Autovermietern mit dem gegnerischen Haftpflichtversicherer weit verbreitet (BGH, Urt. v. 26.4.1994 - VI ZR 305/93, VersR 1994, 950, 952; v. 31.1.2012 - VI ZR 143/11, a.a.O.; OLG Stuttgart, a.a.O.; Otting, SVR 2011, 8, 10). Damit liegt es auch im Interesse des Vermieters, seine Tarife so zu gestalten, dass sie einerseits dem eigenen Gewinnmaximierungsinteresse entsprechen, andererseits in der Abrechnung mit dem Haftpflichtversicherer durchgesetzt werden können. Dieses Interesse wird dadurch verstärkt, dass bei Anmietung eines Ersatzfahrzeugs nach einem Unfall eine Aufklärungspflicht des Vermieters über mögliche Regulierungsschwierigkeiten mit dem gegnerischen Haftpflichtversicherer bestehen kann und dem Vermieter bei Verletzung der Aufklärungspflicht gegenüber dem Geschädigten unter Umständen nur der Betrag zusteht, der in einem Rechtsstreit mit dem Haftpflichtversicherer als nach § 249 Abs. 2 BGB erforderlich angesehen wird (vgl. BGH, Urt. v. 31.1.2012 - VI ZR 143/11, a.a.O.; BGH, Urt. v. 25.3.2009 - XII ZR 117/07, a.a.O., Rz. 13 ff. m.w.N.).
Rz. 14
Schon im Hinblick darauf muss sich der Autovermieter - auch rechtliche - Kenntnisse hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit von Rechnungen aneignen, wenn es sich um die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs nach einem Unfall handelt. Die Höhe des Mietpreises ist nach § 287 ZPO von dem insoweit besonders frei gestellten Tatrichter zu schätzen, der dabei auf regelmäßig zugrunde gelegte Listen oder Tabellen zurückgreifen und ggf. Einwänden gegen die Anwendung einer bestimmten Liste auch durch Abschläge oder Zuschläge auf den sich aus ihnen ergebenden Normaltarif begegnen kann (vgl. BGH, Urt. v. 12.4.2011 - VI ZR 300/09, VersR 2011, 769 Rz. 16 ff. m.w.N.; v. 31.1.2012 - VI ZR 143/11, a.a.O., Rz. 16).
Rz. 15
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Abtretung nicht deshalb unwirksam, weil die Abtretung zu einem Zeitpunkt erfolgte, zu dem noch nicht geklärt war, ob und wie sich der Unfallgegner bzw. dessen Haftpflichtversicherer einlässt (so AG Mönchengladbach, Urt. v. 17.7.2012 - 36 C 491/11, juris Rz. 17 ff.). Die Abtretung als solche ist ein neutrales Geschäft, welches nicht per se gegen ein Verbotsgesetz (§ 134 BGB) verstößt. Sie wäre allenfalls unwirksam, wenn sie von vornherein auf eine nicht erlaubte Rechtsdienstleistung zielte. Dies ist bei der Abtretung eines Schadensersatzanspruchs auf Erstattung von Mietwagenkosten nicht der Fall, weil die Einziehung dieses Anspruchs durch das Mietwagenunternehmen gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 RDG grundsätzlich erlaubt ist, wenn allein die Höhe der Mietwagenkosten streitig ist. Liegen mithin keine Umstände vor, aus denen ohne Weiteres ersichtlich ist, dass es sich um einen Unfall handelt, bei dem die Einziehung einer abgetretenen Schadensersatzforderung durch ein Mietwagenunternehmen nicht erlaubt ist (vgl. dazu BGH, Urt. v. 31.1.2012 - VI ZR 143/11, a.a.O., Rz. 8 f.), ist die Abtretung nicht deshalb wegen eines Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz unwirksam, weil noch nicht feststeht, wie sich der Unfallgegner bzw. dessen Haftpflichtversicherer einlässt.
Rz. 16
3. Da die Abtretung mithin wirksam ist, ist das Berufungsurteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil es - nach seiner rechtlichen Bewertung folgerichtig - keine Feststellungen zur von der Beklagten bestrittenen Anspruchshöhe getroffen hat (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Fundstellen
Haufe-Index 3447908 |
DB 2012, 2516 |