Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschädigtenversorgung nach Soldatenversorgungsgestz. Forderungsübergang auf Versorgungsträger. Ersatzansprüche der Krankenkasse. Pauschale Abgeltung erbrachter Leistungen. Ermittlungen der Einzelleistungen
Leitsatz (amtlich)
Dem Forderungsübergang auf den Versorgungsträger steht nicht entgegen, dass die Ersatzansprüche der Krankenkassen für Leistungen, die diese gem. § 18c Abs. 1 S. 3 BVG erbracht haben, pauschal abgegolten werden. Im Rahmen der gem. § 287 ZPO gebotenen tatrichterlichen Schätzung der Schadenshöhe kann für die Ermittlung des Umfangs der von der Krankenkasse erbrachten Einzelleistung ein Anteil an der Pauschale zu Grunde gelegt werden.
Normenkette
BVG § 18c Abs. 1 S. 3; SVG § 80; BVG §§ 20, 81a; BGB § 287
Verfahrensgang
LG Stade (Urteil vom 03.02.2004; Aktenzeichen 1 S 49/03) |
AG Bremervörde |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des LG Stade v. 3.2.2004 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die klagende Bundesrepublik Deutschland macht als Versorgungsträger Schadensersatzansprüche aus übergegangenem Recht geltend. Der frühere Bundeswehrsoldat G. (nachfolgend: der Geschädigte) erlitt am 29.1.1998 auf dem Weg zum Dienst einen Verkehrsunfall, bei dem er erheblich verletzt wurde. Er erhält auf Grund des Bescheides des Versorgungsamtes vom 19.1.2000 mit Wirkung ab 1.4.1998 Beschädigtenversorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG). Am 15.12.2000 hat die Klägerin gegen die Beklagten (Fahrer und Haftpflichtversicherer des unfallbeteiligten Kraftfahrzeugs) Klage mit dem Antrag erhoben, deren Ersatzpflicht hinsichtlich künftiger Aufwendungen nach dem Soldatenversorgungsgesetz i.V.m. dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) festzustellen. Mit Urteil v. 2.5.2001 hat das AG dieser Klage mit einer zwischen den Parteien nicht mehr streitigen Haftungsquote von 75 % stattgegeben. Der Geschädigte wurde in den Jahren 1998 und 1999 in verschiedenen Krankenhäusern behandelt. Dafür und für weitere Krankenhausbehandlungen auf Grund eines Bundesbehandlungsscheins im Jahr 2002 wandte die AOK B. insgesamt 4.566,09 EUR auf. Die Klägerin beansprucht von den Beklagten Ersatz von 75 % dieser Kosten. Die Beklagten halten die Klägerin für nicht aktivlegitimiert und haben die Einrede der Verjährung erhoben.
Das AG hat der Klage stattgegeben. Das LG hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihr Ziel der Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht ist der Ansicht, der Schadensersatzanspruch des Geschädigten sei auf die Klägerin unabhängig davon übergegangen, ob und wann sie die Behandlungskosten der Krankenkasse tatsächlich erstattet habe. Für die Frage des Rückgriffs nach § 81a BVG komme es allein darauf an, dass der Versorgungsträger zur Erstattungsleistung herangezogen worden sei. Im Anwendungsbereich von § 18c Abs. 1 S. 3 und Abs. 2 BVG erbringe die Krankenkasse die Behandlungsleistungen für den Versorgungsträger. Im Umfang seiner Leistungspflicht gehe der Ersatzanspruch des Geschädigten auf ihn über. An dem Erfordernis einer kongruenten Leistung des Versorgungsträgers fehle es nicht. Soweit § 20 BVG eine pauschale Abgeltung der Ersatzansprüche der Krankenkasse vorsehe, handele es sich um eine rein interne Abrechnungsregelung.
Die Ansprüche der Klägerin seien nicht verjährt. Es könne dahinstehen, wann die Verjährungsfrist zu laufen begonnen habe; sie sei jedenfalls durch Klageerhebung im Vorprozess rechtzeitig unterbrochen worden. Die von dem dortigen Feststellungsantrag erfassten "künftigen" Ansprüche beträfen nicht nur Leistungen, die nach dem Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung erbracht worden seien. Die Klägerin habe damals Schadensersatz für Heilbehandlungen bis zum 30.6.1998 verlangt und zur Konkretisierung des Feststellungsbegehrens ausgeführt, dieser Antrag werde zur Vermeidung der Verjährung hinsichtlich des Entstehens "weiterer" Kosten gestellt. Deswegen seien von dem Feststellungsbegehren sämtliche zeitlich nach dem 30.6.1998 angefallenen Ansprüche erfasst.
II.
Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
1. Der Schadensersatzanspruch des Geschädigten ist gem. §§ 80 SVG, 81a BVG im Umfang der Klageforderung auf die Klägerin übergegangen.
Gemäß § 80 SVG erhält ein Soldat, der eine Wehrdienstbeschädigung erlitten hat, nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Wehrdienstbeschädigung auf Antrag grundsätzlich Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes. Nach § 81a BVG geht der Ersatzanspruch des Geschädigten gegenüber einem Dritten in dem Umfang der durch das Bundesversorgungsgesetz begründeten Pflicht zur Gewährung von Leistungen auf den Bund über.
a) Voraussetzung für den Forderungsübergang ist, dass die Leistungspflicht des Bundes und die Ersatzpflicht des Schädigers sachlich und zeitlich kongruent sind (BGH, Urt. v. 28.3.1995 - VI ZR 244/94, MDR 1995, 802 = VersR 1995, 600 [601]), sie also der Behebung eines der Art nach gleichen Schadens dienen und denselben Zeitraum betreffen (Rohr/Sträßer, Bundesversorgungsrecht, § 81a BVG, Anm. 4). Diese Kongruenz zwischen der Versorgungspflicht der Klägerin und der Schadensersatzpflicht der Beklagten ist entgegen der Auffassung der Revision im Streitfall gegeben. Die Krankenhausbehandlungen des Geschädigten dienten der Behebung der durch den Wegeunfall mitverursachten gesundheitlichen Schäden, für die die Beklagten gem. § 249 BGB einzustehen haben. Der Umstand, dass die Klägerin die stationären Heilbehandlungen konkret weder selbst noch durch die in ihrem Auftrag handelnde Verwaltungsbehörde (§ 88 Abs. 1 S. 2 SVG), sondern durch eine gesetzliche Krankenkasse zu erbringen hat (§ 18c Abs. 1 S. 3 BVG), steht einer Kongruenz der Leistungspflichten i.S.d. § 81a BVG nicht entgegen. Anders als in der für Sozialversicherungsträger geltenden Vorschrift des § 116 SGB X stellt § 81a BVG nicht darauf ab, wer die nach diesem Gesetz zu gewährenden Leistungen zu erbringen hat. Die Vorschrift des § 81a BVG bezieht umfassend alle nach dem Bundesversorgungsgesetz gegenüber einem Versorgungsberechtigten zu erbringenden Leistungen ohne Rücksicht darauf in ihren Anwendungsbereich ein, welche Behörde oder Körperschaft hierzu verpflichtet ist. Unabhängig davon, welche Stelle für die Entscheidung über diese Leistungen zuständig ist und gegenüber wem solche Leistungen ggf. geltend zu machen sind, sollen die kongruenten Schadensersatzansprüche gegen Dritte allein auf denjenigen übertragen werden, der als Kostenträger für diese Leistungen aufzukommen hat. Dies ist vorliegend der Bund (§ 88 Abs. 8 SVG; vgl. zum unmittelbaren Anwendungsbereich des Bundesversorgungsgesetzes: § 1 Abs. 1 Nr. 8 und § 21 Abs. 1 des Ersten Gesetzes zur Überleitung von Lasten und Deckungsmitteln auf den Bund). Sinn und Zweck der in § 81a BVG getroffenen Regelung ist, einerseits den schadensersatzpflichtigen Dritten durch die Erbringung der Versorgungsleistungen nicht zu befreien und andererseits den Geschädigten nicht doppelt zu entschädigen (BGHZ 9, 179 [186]). Dieses Anliegen lässt sich angemessen nur dadurch verwirklichen, dass der Schadensersatzanspruch auf denjenigen übergeht, der andernfalls die Kosten dieser Leistungen zu tragen hätte. Ein Forderungsübergang auf eine andere Stelle oder Körperschaft, insb. auf die Krankenkasse oder die Verwaltungsbehörde, deren Aufwendungen anderweitig abgegolten oder kompensiert werden, hätte entweder deren Bereicherung oder eine unnötige Verpflichtung zur Weiterleitung des Forderungsbetrages an den Kostenträger zur Folge. Deshalb sind auch die von den Krankenkassen gem. § 18c Abs. 1 S. 3 BVG für die Versorgungsverwaltung zu erbringenden Leistungen solche, für deren Kosten der Bund einzustehen hat. Diese Leistungen sind daher in die Prüfung einer Kongruenz i.S.d. § 81a BVG und für einen sich daran anschließenden Forderungsübergang mit einzubeziehen (BGH, Urt. v. 28.3.1995 - VI ZR 244/94, MDR 1995, 802 = VersR 1995, 600 [602]). Im Einklang damit sehen die §§ 71b, 81c BVG vor, dass Erstattungen, die sich aus dem Versorgungsverhältnis für die Versorgungsverwaltung ergeben können, unmittelbar an den jeweiligen Kostenträger zu leisten sind.
b) Anders als die Revision meint, steht dem nicht entgegen, dass die Leistungen der Krankenkassen diesen nicht einzeln erstattet, sondern gem. § 20 BVG pauschal abgegolten werden. Dass es sich auch insoweit um Leistungen handelt, deren Kosten der Bund trägt, zeigt die Regelung in § 81a Abs. 3 BVG, wonach die Krankenkasse verpflichtet ist, die Verwaltungsbehörde über die von ihr erbrachten Leistungen zu informieren. Diese Vorschrift, die wegen der pauschalierten Abgeltung der Leistungen in § 81a BVG eingefügt worden ist, dient der Geltendmachung von übergegangenen Ansprüchen und zeigt, dass der Gesetzgeber auch für diese Fälle einen Forderungsübergang angenommen hat (BT-Drucks. 13/1777, 7). Für die Bestimmung des Anteils der Versorgungsleistungen zu Gunsten des Geschädigten an den von Krankenkassen erbrachten und gem. § 20 BVG pauschal abgegoltenen Leistungen ist dem Grundsatz nach darauf abzustellen, in welchem Verhältnis die von der AOK B. aufgewendeten Beträge für die dem Geschädigten erbrachten Versorgungsleistungen zu sämtlichen mit der Pauschale abgegoltenen Aufwendungen aller Krankenkassen stehen.
Einer genauen Ermittlung aller gem. § 20 BVG pauschal abgegoltenen Leistungen und der hierfür gezahlten Aufwendungen bedarf es im Streitfall gleichwohl nicht. Mit der Pauschale, die zunächst als Übergangsvorschrift für das Beitrittsgebiet gem. Art. 3 des Einigungsvertrages eingeführt worden ist und sodann mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten v. 21.7.1993 (BGBl. I, 1262) allgemeine Geltung erhielt, beabsichtigte der Gesetzgeber nicht, die Erstattungszahlungen ggü. den Krankenkassen im Vergleich zu der vorherigen Praxis der Einzelabrechnungen zu erhöhen oder zu senken (vgl. Ausschussberichte BT-Drucks. 12/5182, 17; BT-Drucks. 12/452, 14 f.). Vielmehr knüpft die mit Wirkung ab dem 1.1.1994 eingeführte Pauschale an die im Jahre 1993 einzeln abgerechneten und hinsichtlich der ambulanten Leistungen schon damals gem. § 19 Abs. 1 S. 3 BVG (a.F.) pauschal abgegoltenen Erstattungsbeträge an und verändert sich seitdem jährlich entsprechend der Zahl der rentenberechtigten Beschädigten i.S.d. Bundesversorgungsgesetzes und der Ausgaben, die den Krankenkassen durchschnittlich für einen Rentner (i.S.d. Rentenversicherung) entstehen (§ 20 Abs. 1 S. 3 BVG). Mit dieser jährlichen Anpassung wird sowohl eine Veränderung hinsichtlich der Zahl der Versorgungsfälle als auch der durchschnittlichen Kosten berücksichtigt, die pro Kopf im Gesundheitswesen für eine vergleichbare Patientengruppe anfallen. Deswegen kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass der gem. § 20 BVG zu zahlende Pauschalbetrag der Summe aller Einzelaufwendungen für die hiermit abgegoltenen Leistungen entspricht. Von daher ist es aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht im Streitfall im Rahmen der gem. § 287 ZPO gebotenen tatrichterlichen Schätzung der Schadenshöhe den Umfang der von der Krankenkasse erbrachten Einzelleistungen in Höhe des geltend gemachten Anteils an der Pauschale als begründet erachtet hat.
c) Die Erbringung der Leistungen durch die AOK B. hat den Forderungsübergang auf die Klägerin auch nicht rückwirkend entfallen lassen.
aa) Für den Forderungsübergang dem Grunde nach reicht es aus, dass die Möglichkeit zur Erbringung von Versorgungsleistungen besteht (BGH, Urt. v. 28.3.1995 - VI ZR 244/94, MDR 1995, 802 = VersR 1995, 600 [601]). Insoweit gelten die gleichen Erwägungen wie zu den Vorschriften der §§ 1542 RVO (a.F.), 116 SGB X (BGH BGHZ 19, 177 [178]; ebenso BGHZ 48, 181 [184 ff.]). Der Forderungsübergang ist jedoch auflösend bedingt; die Bedingung tritt nur ein, wenn die Klägerin nicht geleistet hat und feststeht, dass sie als Versorgungsträger keine Leistungspflicht mehr trifft (BGH, Urt. v. 3.5.1960 - VI ZR 74/59, VersR 1960, 709; v. 8.12.1998 - VI ZR 318/97, MDR 1999, 353 = VersR 1999, 382 [383]; ebenso BGHZ 48, 181 [191]). Dies ist hier nicht der Fall. Die Erbringung der Leistungen durch die AOK B. hat die Leistungspflichten der Klägerin nach dem Bundesversorgungsgesetz nicht erlöschen lassen, ohne sie gleichzeitig zu erfüllen. Dies gilt nicht nur für den Fall, dass der Geschädigte nicht gesetzlich versichert war, sondern auch, wenn er Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung war und selbst dann, wenn er, wie die Beklagten geltend machen, freiwillig bei der AOK B. versichert war.
Bei einer Mitgliedschaft des Geschädigten in der AOK B. hätte diese mit den streitgegenständlichen Heilbehandlungen zwar auch ihre sozialversicherungsrechtlichen Leistungspflichten aus dieser Mitgliedschaft erfüllt. Sie hätte aber zugleich die nach dem Bundesversorgungsgesetz vorgesehenen Leistungen erbracht. Beide Leistungspflichten stehen nebeneinander (BGH, Urt. v. 27.3.1973 - VI ZR 5/72, VersR 1973, 614 [615 f.]; v. 28.3.1995 - VI ZR 244/94, MDR 1995, 802). Die Leistungen der Krankenkasse sind auf Grund des gesetzlichen Auftragsverhältnisses gem. § 18c BVG (BSGE 32, 150 [151]; Wilke/Fehl, Soziales Entschädigungsrecht, 7. Aufl., § 18c BVG, Rz. 4) auch der Klägerin als Versorgungsträger nach dem Soldatenversorgungsgesetz i.V.m. dem Bundesversorgungsgesetz zuzurechnen und erfüllen auch deren Leistungspflichten (BGH, Urt. v. 27.3.1973 - VI ZR 5/72, VersR 1973, 614 [615 f.]). Es kommt insoweit nicht darauf an, ob die Heilbehandlung in dem Bewusstsein geleistet wurde, dass hierfür die Voraussetzungen nach dem Bundesversorgungsgesetz erfüllt sind oder erfüllt werden könnten (BGH, Urt. v. 28.3.1995 - VI ZR 244/94, MDR 1995, 802 = VersR 1995, 600 [601]).
bb) Einem Forderungsübergang auf die Klägerin nach § 81a BVG stünde auch nicht entgegen, dass, wenn der Geschädigte entsprechend dem Vortrag der Beklagten (freiwilliges) Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung gewesen wäre, gem. § 116 SGB X zugleich die Voraussetzungen für einen Forderungsübergang auf die AOK B. vorgelegen hätten.
Kann der Geschädigte als Mitglied einer Krankenkasse und als Beschädigter i.S.d. Versorgungsrechts zugleich Leistungen nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung (SGB V) und nach dem Bundesversorgungsgesetz verlangen, so geht ein kongruenter Schadensersatzanspruch gegen einen Dritten gem. § 116 SGB X sowohl auf die Krankenkasse als auch gem. § 81a BVG auf den Bund über (BGH, Urt. v. 27.3.1973 - VI ZR 5/72, VersR 1973, 614 [616]; BGH, Urt. v. 28.3.1995 - VI ZR 244/94, MDR 1995, 802 = VersR 1995, 600 [601]; vgl. aber: BSG, SozR 3-3100 § 81a BVG Nr. 1). Dieser doppelte Forderungsübergang führt für die Krankenkasse und den Bund allenfalls zu einer Gesamtgläubigerschaft (BGHZ 28, 68 [73 ff.]; v. 26.6.1962 - VI ZR 179/61, VersR 1962, 964 [966]; ebenso BGHZ 40, 108 [111]). Insoweit ist auch nach Einführung des § 117 SGB X, der für Sozialversicherungsträger ausdrücklich eine Gesamtgläubigerschaft in den Fällen des § 116 Abs. 2 und 3 SGB X vorsieht, an den Erwägungen festzuhalten, aus denen sich auch darüber hinaus eine Gesamtgläubigerschaft für gesetzliche Zessionare aus der Norm des § 116 SGB X und verwandten Vorschriften wie dem § 81a BVG ergibt (vgl. Kaltenbach/Maier in Koch/Hartmann, Die Rentenversicherung im Sozialgesetzbuch, § 117 SGB X, Rz. 15; Wilke/Fehl, Soziales Entschädigungsrecht, 7. Aufl., § 81a BVG, Rz. 22; Krauskopf/Marburger, Die Ersatzansprüche nach § 116 SGB X, 5. Aufl., III.4.2, S. 88; Geigel/Plagemann, 24. Aufl., 30. Kap., Rz. 117; Pickel, SGb 1985, 177). Soweit die Krankenkasse und der Bund nebeneinander Zessionare der Schadensersatzforderung sind, ist es dem Schädiger nicht zuzumuten, im Einzelnen festzustellen, welcher Anteil welchem Zessionar an der von ihm geschuldeten Forderung zusteht. Der Ausgleich müsste zwischen dem Sozialversicherungsträger und dem Bund als Versorgungsträger erfolgen und darf nicht zu Lasten des Schädigers ausgetragen werden (BGH v. 3.12.2002 - VI ZR 304/01, BGHZ 153, 113 [118] = BGHReport 2003, 272). § 117 SGB X erweist sich insoweit nur als eine Vorschrift, die aus den gleichen Erwägungen heraus für eine bestimmte Konstellation eine Gesamtgläubigerschaft begründen soll (vgl. RegE, BT-Drucks. 9/95, S. 29 zu § 123 des Entwurfs), eine solche aber für andere Fälle nicht ausschließt (BGH v. 3.12.2002 - VI ZR 304/01, BGHZ 153, 113 [117 f.] = BGHReport 2003, 272).
In Folge einer solchen Gesamtgläubigerschaft kann jeder der beiden gesetzlichen Zessionare die zedierte Forderung so geltend machen, als wäre sie nur auf ihn übergegangen. Der Schuldner braucht sie jedoch nur einmal zu erfüllen (§ 428 BGB). Abgesehen von diesem Erfüllungseinwand bleibt es für den Schuldner aber gleichgültig, ob der Anspruch nur auf den Bund oder auch auf eine Krankenkasse übergegangen ist (BGHZ 28, 68 [76]).
Im Ergebnis ist es vorliegend für die Forderung der Klägerin ohne Bedeutung, ob der Geschädigte (freiwilliges) Mitglied der AOK B. war. Auch in diesem Falle wäre sein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach auch auf die Klägerin übergegangen.
2. Die Klageforderung ist nicht verjährt. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung im vorliegenden Rechtsstreit im Mai 2003 war keine Verjährung eingetreten. Hinsichtlich der Aufwendungen für die weiteren Heilbehandlungen des Geschädigten in den Jahren 1998, 1999 und 2002 ist die dreijährige Verjährungsfrist gem. § 852 BGB (a.F.), § 195 BGB (in der ab dem 1.1.2002 geltenden Fassung), Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 1 EGBGB mit der Einreichung und Zustellung der im Dezember 2000 erhobenen Klage unterbrochen worden (§ 209 BGB (a.F.). Die Unterbrechung beruht auf dem seinerzeit gestellten Antrag festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet seien, der Klägerin künftige Aufwendungen aus dem Verkehrsunfall zu ersetzen.
a) Eine Klage unterbricht die Verjährung einer Forderung nur in der Gestalt und dem Umfang, wie diese geltend gemacht wird. Maßgebend ist der Streitgegenstand der Klage, wie er sich aus dem Klageantrag und dem zu dessen Begründung vorgetragenen Lebenssachverhalt ergibt. Hierbei ist nicht buchstabengetreu allein auf den Wortlaut der Klageschrift abzustellen. Vielmehr ist bei einem irrtümlichen oder zweifelhaften Wortlaut im Wege der Auslegung zu ermitteln, welchen Sinn die prozessuale Willenserklärung aus objektiver Sicht hat (vgl. zur Auslegung eines Feststellungsantrags: BGH, Urt. v. 16.11.1993 - VI ZR 105/92, MDR 1994, 556 = VersR 1994, 425 [427]; v. 6.6.2000 - VI ZR 172/99, MDR 2000, 1334 = VersR 2000, 1521 [1522]; zur zweifelhaften Parteibezeichnung: BGHZ 4, 328 [334]; BGH, Urt. v. 16.5.1983 - VIII ZR 34/82, MDR 1984, 47 = NJW 1983, 2448 f.; v. 14.5.1997 - XII ZR 140/95, NJW-RR 1997, 1216 [1217]; Beschl. v. 28.3.1995 - X ARZ 255/95, MDR 1995, 1163 = NJW-RR 1995, 764 f.)
b) Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Feststellungsantrag der im Dezember 2000 erhobenen Klage habe sich erkennbar auch auf solche Aufwendungen erstreckt, die zum Zeitpunkt der Klageerhebung schon entstanden waren, begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Bei der Würdigung einer - wie hier - zum Zwecke der Verjährungsunterbrechung erhobenen Feststellungsklage ist maßgebend darauf abzustellen, ob ggf. nur eine Teilklage erhoben werden sollte und ob ein solcher Wille nach dem Vortrag in der Klage überhaupt in Frage kam (BGH, Urt. v. 3.2.1978 - I ZR 116/76, LM Nr. 35 zu § 209 BGB). Eine Feststellungsklage, die erkennbar zu dem Beginn einer neuen Verjährungsfrist führen soll, ist verständigerweise - unter Heranziehung der Klagebegründung - regelmäßig so auszulegen, dass die Klageerhebung dieses Ziel ungeschmälert erreichen kann (BGH, Urt. v. 6.11.1980 - VII ZR 200/79, NJW 1981, 678 f.)
Im Hinblick darauf hat das Berufungsgericht den Umfang des Feststellungsbegehrens zutreffend ausgelegt. In der damaligen Klagebegründung hat die Klägerin ihr Interesse zum Ausdruck gebracht, die Verjährung hinsichtlich "weiterer Kosten" zu vermeiden. Dabei ging es ihr erkennbar nicht nur darum, den Eintritt der Verjährung hinsichtlich der Kosten auszuschließen, die erst nach Klageeinreichung oder nach der letzten mündlichen Verhandlung entstehen würden. Vielmehr wollte sie die Möglichkeit wahren, sämtliche Kosten geltend zu machen, die sie im Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht näher darlegen konnte. Die Klagebegründung bietet keine Anhaltspunkte dafür, dass das auf Verhinderung der Verjährung gerichtete Feststellungsinteresse der Klägerin nur für einen Teil des Schadensersatzanspruches bestanden haben könnte. Deshalb war die begehrte Feststellungswirkung bei verständiger Würdigung aus objektiver Sicht darauf gerichtet, eine neue Verjährungsfrist für sämtliche Kosten beginnen zu lassen, die zeitlich nach den der Klägerin bereits bekannten Heilbehandlungen entstehen konnten. Dazu zählen auch die Krankenhausaufenthalte, die Gegenstand dieses Rechtsstreits sind.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 1378337 |
BGHR 2005, 1269 |
DAR 2005, 443 |
MedR 2005, 526 |
VRS 2005, 265 |
VersR 2005, 1004 |
VuR 2005, 319 |
www.judicialis.de 2005 |